6709795-1964_15_09.jpg
Digital In Arbeit

BEGINN EINER FREUNDSCHAFT

Werbung
Werbung
Werbung

Aus den Briefen Kaiser Franz Josephs an Frau Katharina Schratt

Die vielen Briefe Franz Josephs an die Kaiserin, in denen er niemals mahnend oder gar vorwurfsvoll von ihren langen Reisen und Aufenthalten im Ausland sprach, die aber trotzdem sie erkennen ließen, wie schwer ihm das Alleinsein fiel, brachten Elisabeth auf den Gedanken, ihrem Gatten eine „Seelenfreundin“, wie sie später Frau Schratt nannte, zu suchen, die ihn von den alltäglichen Sorgen abbringen sollte, was einem Mann, mit dem unfehlbar die zumeist unerfreulichen Tagesfragen zur Sprache kämen, kaum gelingen würde. Eine Dame der Aristokratie — zweifellos mit mehreren, wenn schon nicht mit vielen Funktionären verwandt — kam nicht in Frage, da sofort von Kamarilla oder Cliquenherrschaft gesprochen worden wäre und Franz Joseph auch nur den leisesten Schein, durch inoffizielle Persönlichkeiten beeinflußt zu sein, ängstlich vermied. Besonders aus dieser Erwägung heraus fiel Elisabeths Wahl gerade auf Frau Schratt, deren Natürlichkeit und heiteres Naturell während der wenigen Gespräche und von der Bühne herab die Aufmerksamkeit des Kaisers auf sie gelenkt hatte. Wie sich die Dinge von der bisher phantasievoll ausgeschmückten Erzählung vom Besuche des Kaiserpaares im Atelier Heinrich von Angelis entwickelt haben, ist unbekannt. Nachstehende Billette des Kaisers an den Künstler zeigen, daß er keineswegs durch das Porträt überrascht war, aber kaum erwartet hatte, Frau Schratt im Atelier anzutreffen.

„den 20. Mai (1886)

Mit Erlaubnis der Kaiserin möchte ich morgen um 1 Uhr in Ihr Atelier kommen, um das Bild der Frau Schratt zu sehen, welches Sie in ihrem Auftrage für mich, malen. Ich bitte, mich nur mit einer Zeile wissen zu lassen, ob ich um diese Stunde kommen kann.

lütstaH i), i i* stimifoe -ttl | ^ OrtiiiWM rfoMrfß.a.-

Einige Stunden später erhielte Heinrich on Angeli-*** -weiteres Billett:

„Schönbrunn, den 20. Mai

Die Kaiserin wird in meiner Begleitung morgen um \kl Uhr in Ihr Atelier kommen.“

Überrascht war nur Frau Schratt. Wie Heinrich von Angeli seinem Schüler, Karl Theodor von Blas, erzählte, erschrak sie derart, daß sie um jeden Preis auf und davon wollte, als ihr der Maler den Besuch der Majestäten ankündigte. Drei Tage später richtete sodann Franz Joseph sein erstes Schreiben an Frau Schratt, das einzige, welches er nicht mit seinem vollen Namen unterfertigt hat.

„den 23. Mai 1886

Meine gnädige Frau,

Ich bitte Sie, beifolgendes Andenken als Zeichen meines Innigstens Dankes dafür anzunehmen, daß Sie sich der Mühe unterzogen haben, zu dem Angelischen Bilde zu sitzen. Nochmals muß ich wiederholen, daß ich mir nicht erlaubt hätte, dieses Opfer von Ihnen zu erbitten, und daß daher meine Freude über das theuere Geschenk nur umso größer ist.

Ihr ergebener Bewunderer“

Mit diesem Schreiben des Kaisers Franz Joseph an Frau Katharina Schratt, das einen Smaragdring begleitete, begann ein Briefwechsel, der 30 Jahre währen sollte.

„den 6. Juni 1886

Meine gnädige Frau,

Verzeihen Sie, daß ich mir erlaube, wieder einige Zeilen an Sie zu richten. AUei?i da ich nicht weiß, wann Sie Wien verlassen, da ich doch gerne genau wissen möchte, wo ich Sie bei Wolf gang finden kann, und da ich ungeschickter Weise mir den Namen des Hauses, in welchem Sie die Sommermonate zubringen werden, den sie neulich bei Angeli nannten, nicht gemerkt habe, so bitte ich, mir auf ein Stückerl Papier die Antwort auf folgende Fragen zu schreiben:

Wie heißt das Haus oder Villa?

Wie lange geht man zu Fuß von Wolfgang dahin?

Werden Sie Anfang Juni schon dort sein oder erst später hinkommen?

Ich bitte, die Antwort dem Überbringer dieses Schreibens zu übergeben oder, wenn es Ihnen bequemer wäre, lasse ich dieselbe Morgen bei Ihnen abholen.

Nochmals bittet um Verzeihung wegen seiner Zudringlichkeit

Ihr ergebener Franz Joseph“

Dem Taktgefühl des Kaisers entsprach es, Frau Schratt seinen Dank nicht durch dasselbe Schreiben auszudrücken, in dem er sie um ihre Adresse bat. Diese heute etwas subtil erscheinende Differenzierung war das Ergebnis der seit dem Mittelalter „ritterlich“ genannten Gepflogenheiten, die jenen Respekt als die oberste Pflicht des Mannes im Verkehr mit Frauen vorschrieben, mit dem er sich ihnen nur huldigend und werbend, niemals fordernd nähern durfte. Dem Mann ine noch so bescheidene Bitte zu gewähren, war nach ritteriehen Begriffen einer Gunstbezeugung; jeder Wunsch einer Dame hingegen ein Befehl. Bei der Beurteilung des Briefstiles des 1830 geborenen Kaisers Franz Joseph darf man nicht vergessen, daß zur Zeit seiner Erziehung die französische Sprache noch immer die vorherrschende war. In der weit weniger nuancenreichen deutschen Sprache klingen die Höflichkeitsformeln meist devoter und weniger natürlich als in der französischen.

In ihrer Antwort auf den Brief vom 6. Juni hatte Frau Schratt dem Kaiser von ihrer Absicht, nach Karlsbad zu reisen, um dort durch eine Kur ihre angegriffene Gesundheit wiederherzustellen, Mitteilung gemacht.

„Wien, den 17. Juni

Meine gnädige Frau,

Innigsten Dank für Ihre freundlichen Zeilen, die mich von Ihrer Abreise nach Karlsbad in Kenntniß setzen. Es freut mich, daß Ihnen der Urlaub bewilligt worden ist und Sie daher Ihre Gesundheit pflegen können. Ich werde auch kaum vor Ihnen in Ischl eintreffen, da ich in den ersten Tagen Juli die Kaiserin in Gastein besuchen und erst von dort nach Ischl gehen will. Von dort werde ich mir erlauben, Sie in Kenntniß zu setzen, wann ich Ihnen meine Aufwartung in Frauenstein machen kann. Wie ich mich freue, Sie in den schönen Bergen wiederzusehen, können Sie sich denken.

Ihnen recht glückliche Reise wünschend, in aufrichtiger Freundschaft

Ihr ergebener Franz Joseph“

In den ersten Julitagen trifft Frau Schratt, aus Karlsbad kommend, in Frauenstein bei St. Wolfgang in der Villa ein, welche sie auch während der Sommer 1887 und 1888 bewohnen wird. Die Koffer sind noch nicht ausgepackt, als ein Bote aus Ischl ein Billett des Kaisers abgibt. Obgleich er seit dem Zusammentreffen in Angelis Atelier Frau Schratt nicht gesprochen hat und seit der Antwort auf seinen Brief vom 6. Juni ohne Nachricht von ihr ist, zeigt sich Franz Joseph über ihre Tageseinteilung und Reise genau informiert.

„Ischl, den 7. Juli 1886

Meine gnädige Frau,

Da ich nach Ihrem letzten Brief vermuthe, daß Sie heute bereits in Frauenstein sind, so erlaube ich mir zu melden, daß ich, wenn Sie nichts dagegen haben, Übermorgen den 9., ungefähr um %9 Uhr Früh zu Ihnen kommen werde. Diese für eine Visite bei einer Dame ungehörig frühe Stunde werden Sie vielleicht damit entschuldigen, daß ich ja weis, wie früh Sie oft auf sind und daß meine Geschäfte mich um diese Zeit weniger hindern, von hier abzukommen. i ^ Ich werde um 7 Uhr früh von hier nach Wolfgang fahren

und mich von dort'tu Fiißd'archfrageitrWs ich Frmtmstei .'■ 1 “gebunden haw?y*f?*9109'*>*j:i* *1“w. n?rf>H -fiO i b o! In der frohen Erwartung bäldigen Wiedersehens bleibe ich

Ihr ergebener Franz Joseph“

Bis zum 4. Oktober wurden keine Briefe mehr ausgetauscht, da der Kaiser, einige Male in Begleitung der Kaiserin, Frau Schratt in Frauenstein besuchte. Nach dem Abschied auf dem Kreuzweg vor St. Wolfgang, an dem er sich mit Wehmut erinnerte, sollte Franz Joseph mit der Künstlerin erst am 6. Februar 1887, nach ihrem Ohnmachtsanfall in der Hofburgkapelle, einige flüchtige Worte wechseln und sie sonst nur von seiner Loge im Burgtheater aus bewundern können.

Aus dem Bildarchiv der Dslerreichischen NafionalbibHothek

Zur Zeit der Kaisermanöver bei Buzias überreicht ein kleiner Bub eine Bittschrift

Im folgenden, so ungemein herzlich gehaltenen Brief, werden, wie in fast allen weiteren, der Adressatin auch Grüße für „Toni“, ihren Sohn, Anton von Kiss, aufgetragen.

„Ischl, den 4. Oktober 1886

Meine gnädige Frau,

Innigsten Dank für Ihr freundliches Schreiben, das mir Staetsrafh; Braun '-heute-• -übergab?' und “für-“Ihre-'guten Wünsche zu meinem Namenstage. Ich denke, dieselben müssen mir Glück bringen. Wie unendlich Ihre lieben Zeilen mich gefreut haben und wie viel ich an die schönen Stunden in Frauenstein und in der Villa Felicitas zurückdenke, brauche ich Ihnen nicht zu sagen, denn das wissen Sie ohnedieß.

Daß ihr Brief mich gerade hier erreicht hat, wo so vieles mich an Sie erinnert, hat meine Freude noch erhöht. Am frühen Morgen habe ich Heute bereits vom Jainzen gegen Wolfgang ausgeschaut, doch der See lag, trotz des herrlichen Wetters, in dichtem Nebel und nur das Bürgel sah aus demselben hervor. Das neuliche Wiedersehen im Burgtheater hat mich recht wehmütig gestimmt, obwohl ich mich auf dasselbe gefreut hatte. Welcher Unterschied mit den vergangenen, für mich so schönen Tagen!

Ich habe Ihnen mündlich nicht genug für Ihre viele Güte für mich gedankt, gestatten Sie daher, daß ich es jetzt aus vollem Herzen schriftlich tue, und indem ich Sie bitte, Toni bestens von mir zu grüßen, bleibe ich mit der Versicherung aufrichtigster Freundschaft und innigster Verehrung

Ihr ergebener Franz Joseph“

Die in Frauenstein und Ischl verbrachten „schönen Stunden“ waren für Franz Joseph etwas völlig Neues, bloß vom Hörensagen Gekanntes; denn Frau Schratt hatte es verstanden, bei aller Ehrerbietung, aber ohne ihr freimütiges Naturell zu verleugnen, die Konversation auf einen ungezwungenen Ton zu bringen. Diese Natürlichkeit, die den Kaiser neben dem unvergleichlichen Zauber ihrer Erscheinung, dem melodischen Burgtheaterdeutsch mit dem spezifisch österreichischen Wohlklang von der Bühne herab so sehr fesselte, hatte sich außerhalb der Welt des Scheines als angeboren erwiesen. Sie hatte ein Vertrauen erweckt, das alle Schranken, alle im Gespräch mit einem Monarchen unerläßliche Distanzierung und alles Zeremoniell fallen ließ. In dieser Atmosphäre sollte der Kaiser bis zu seinem Tode, von den täglichen, ja stündlichen Sorgen und Mühsalen seiner Stellung abgelenkt, eine Entspannung finden, die ihm bisher kaum bekannt war. Jagden und Manöver brachten wohl eine willkommene Abwechslung in seinen trotz aller Vielfalt der Regierungsgeschäfte monotonen Alltag. Sie boten jedoch dem im Grunde mitteilsamen Kaiser keine Gelegenheit, sich wie jeder andere Mensch frei zu äußern. Dies gestattete ihm nunmehr die stets bewährte Diskretion der Frau Schratt. Viel hatte, neben den monatelangen Abwesenheiten der Kaiserin, Franz Joseph selbst zu seiner Vereinsamung beigetragen. Ohne merklichen Übergang vom Knaben zum Mann herangereift, kam es vor, daß er eine gegenteilige Ansicht oder einen noch so respektvollen Widerspruch, sogar wenn er ihn durch seine Fragen selbst hervorgerufen hatte, nicht ohne weiteres hinnahm und häufig mit Schweigen quittierte. Auch die Ehrerbietung, die er schon als Jüngling sogar dem selbstbewußten Bismarck einflößte, ließ ihn nur selten mit anderen in näheren Kontakt kommen. Dennoch hat Franz Joseph durch andere Charaktereigenschaften, vor allem durch seine gewinnende Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit, aufrichtige Verehrung und Ergebenheit hervorgerufen. Aber erst Frau Schratt hat es verstanden, durch ihren bezaubernden Freimut — sie bezeichnet ihn bescheiden als „Keckheit“ — den Kaiser aus seiner Isoliertheit zu befreien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung