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Abendlandchronik eines österreichischen Poeten

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Dieser mit besonderer Sorgfalt und Liebe ausgestattete Sammelband mit neuen und älteren Erzählungen Lernet-Holenias bedeutet eine Überraschung. Wir haben den preisgekrönten Autor von Romanen, Bühnenstücken und Filmstorys bisher vorwiegend als Poeten des letzten Aktes einer österreichischen Tragikomödie gesehen. Nun zeigt sich, daß er immer schon weit über diese räumliche und zeitliche Grenze hinauszuschauen vermochte; ja unter den lebenden Erzählern deutscher Sprache dürften nicht viele sein, die mit so gründlichem Wissen und zugleich so sicherer Intuition Vergangenes wiederzuerwecken imstande sind. Diesen Eindruck mag die spannungsreiche (chronologische) Anordnung der Novellen noch erhöhen. Vom Tode Horaz' und dem Untergang der Goten über die irdischen Ekstasen und Todesvisionen des Mittelalters wölbt sich ein riesiger Bogen bis in die Gegenwart. Jede Station (375 n. Chr., 850, 16. Jahrhundert, 1813, 1948, 1900) bezeichnet einen scharfen Einschnitt in der Chronik des europäischen Schicksals. Hellwach tauchen die Gedänken des Dichters in Strömungen und Empfindungen vergangener Epochen: in astronomische Kombinationen und astrologische Schwärmereien, Vorahnung und Vorhersage, Weitende und Wiedergeburt, manchmal so mit ihnen verschmelzend, daß der persönliche Anteil des Dichters an diesem verwirrend reichen Gedankenbau (so an mehreren Stellen, wo der Freiheit des menschlichen Denkens und Handelns sehr enge Grenzen gesetzt sind) nicht mehr klar sichtbar wird. Die Pointen der mitunter phantastisch verflochtenen novellistischen Aktion sind unheimlich sicher gesetzt; bisweilen sind sie bewußt schon am _Anfang zu erraten, häufiger aber stoßen sie raubvogel- artig erst am Schlüsse nieder, im letzten Satz, ja im letzten Wort. Kräftiger, saftiger Humor, der „Hildebrands Lied“ zu einem köstlichen Satyrspiel macht, noch öfter aber eine feine, hintergründige Ironie nehmen dem letzten Endes tragischen Weltbild den Stachel, über alles Gelärm und Getue der Welt aber breitet der Dichter einen hauchdünnen Schleier von

Skepsis und Resignation — keine müde Kava- liersgeste, sondern der Preis von Kampf und Verzicht. Hieher gehören tiefe, schmerzliche Wahrheiten, wie: „Die Geschichte der Kunst ist voll von den Versuchen des Schicksals, Meisterwerke zu verhindern“, oder: „Man behaupte nicht, daß das Schöne zu dauern imstande sei. Wahrscheinlich ist es noch viel anfälliger als das Gemeine.“

Besonderen Wert und Rang erhält das Buch durch die eigenwillig geprägte Sprachkultur des Dichters. Sätze, wie: „...noch stieg die Verschleierte stumm, die Vestalin, neben dem höchsten Priester die Stufen zu Jovis Zinne hinan" (eine Prosafuge von Stefan-George- scher Zucht und Strenge), verraten das klassische, das griechisch-römische Vorbild, mit dem modern-romantisches Empfinden eine sehr bewußte, reizvolle Synthese eingeht.

So stellt dieser Geschichtsband eine unentbehrliche Korrektur und Bereicherung des Lebens- und Schaffensbildes eines unserer größten österreichischen Erzähler, in seiner prätentiösen Form und Substanz aber zugleich eine bedeutende Dokumentation deutschsprachiger Novellistik dar.

Die Nächte von Kuklino. Von Erich Landgrebe. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien. 244 Seiten.

Der Feldzug im Osten während des letzten Krieges gab den Stoff für dieses „Nokturno“, wie der Autor sein Werk nennt. Angehörige einer Propagandaeinheit reisen mit einem Fronttheater als „Freudebringer“ durch Partisanengebiet zu den vordersten Linien der schwer bedrängten Truppen, denen bereits der Untergang droht. Einer von ihnen, der einen politischen Sonderauftrag zu erfüllen hat, erzählt von seinen Erlebnissen, in denen das Erhabene und das Groteske, das Idyllische und das Furchtbare, das Zarte und das Brutale immer dicht nebeneinander erscheinen. Der schroffe Gegensatz zwischen dem hohlen Amüsierbetrieb der Komödiantentruppe und den düsteren Bildern der harten Wirklichkeit, der unaufhaltsamen Auflösung, schafft die eigentümliche Spannung des Buches. Der 'Höhepunkt ist die Schilderung der Erlebnisse in dem Ort Kuklino. Der Autor zeigt uns auch inmitten der Zerstörung und Finsternis das Licht echter Menschlichkeit. Manche Szenen sind in ihrem sinnbildlichen Charakter sehr stark. Der Stil des Werkes ist von eindrucksvoller Eigenart. Dr. Theo Trümmer

Die Grasharfe. Roman. Von Truman Capote. Suhrkamp-Verlag. 232 Seiten.

Capote hat mit seinem Roman „Andere Stimmen, andere Stuben“ viel Aufsehen erregt. Das wird „Die Grasharfe" nicht tun — wir sind pessimistisch genug, um anzunehmen, daß es eher die etwas abseitige Problematik als der zweifellose literarische Wert des früheren Romans ihm seinen Erfolg gesichert haben. Diese Problematik fehlt dem neuen Buch: was bleibt, ist eine leicht skurrile, sehr sympathische Kleinstadtgeschichte, in der die Güte alternder Menschen das eigentliche Thema darstellt. Wenn man diese Prosa stilkritisch bezeichnen wollte, man käme um das Wort „Romantik“ keinesfalls herum.

Der Schmuck der Wiedstett. Roman. Von Friedrich W a 11 i s c h. Festungsverlag, Salzburg 1951. 433 Seiten.

Eine idyllische Erzählung. Wie der Regenbogen nach verzogenem Gewitter, so diese Familiengeschichte äus der Zeit nach den Napoleonischen Kriegen. Zum letztenmal in diesem Jahrhundert, ja vielleicht überhaupt zum letztenmal, eine innige Ansicht der Na tur, ein Unmittelbares Leben in ihr, ehe das Zeitalter sozialer Umschichtungen anbrach und aus romantischen Gartenfesten und Waldwanderungen Gardenpartys machte. Der Autor, einstiger Diplomat, Herold des Balkans, Albaniens insbesondere, gibt zudem, möglicherweise auf Grund bestimmter Quellen, ein treues Bild der Stimmung an kleinen Fürstenhöfen Deutschlands, denen, sofern sie kunstgesinnt, Weimar als Stern voranstrahlte. Hanns Salaschek

Deutsches Handbuch für Fremdenverkehr (Deutscher Adreßbuchverlag für’ Wirtschaft und Verkehr G. m. b. H. Darmstadt-Berlin).

Nach dęn Bänden I — Würtemberg — Baden — Bodensee — und II — Bayern — liegen nunmehr die beiden restlichen Bände III — Hessen — Rheinland-Pfalz — Westfalen — und der Band IV — Berlin-West — Bremen — Hamburg — Niedersachsen — Schleswig-Holstein vor. Das Gesicht der deutschen Länder in all seiner Schönheit spiegelt sich im „Deutschen Handbuch für Fremdenverkehr“ wider. Tausende von Landschaftsaufnahmen in ein- oder mehrfarbigen Kupfertiefdrücken illustrieren dieses Werk. Bekannte Schriftsteller, wie Kasimir Edschmid, Eugen Roth, Hans Leip und Alter Henkels, machen den Leser mit den Schönheiten, der kulturellen Eigenart, mit dem Volkstum und der Seele des behandelten Gebietes bekannt.

Der Sinn meines Lebens. Von Evita Peron. Thomas-Verlag, Zürich. 146 Seiten.

„Alles, was ich bin, was ich besitze, alles, was ich denke und fühle, gehört Peron... ich war und bin nicht mehr als eine einfache Frau... ein Sperling in einem ungeheuren Schwarm von Sperlingen... und er war und ist der gewaltige Adler, der hoch und sicher zwischen den Gipfeln schwebt." Diese Sätze aus dem Vorwort kennzeichnen das bekannte nun auch ins Deutsche übersetzte Buch der frühverstorbenen Gattin des argentinischen Staatspräsidenten. Kein Werk für die Vernunft europäischer Literaturkritik, sondern ein Appell an das Gemüt südamerikanischer Volksmassen. Echte Empörung über soziales Unrecht — wir wissen, daß wie jede Diktatur auch das Regime Peron nur auf schweren Versäumnissen und Fehlern seiner Vorgänger errichtet werden konnte — verbindet sich mit dem Appell, es „Evita" gleichzutun und sich dem „Leader" und seinen weisen Geboten unterzuordnen. Der europäische Christ hat in jüngster Vergangenheit und unmittelbarer Gegenwart seine Erfahrungen gemacht. Er kann zu keiner Form des Persönlichkeitskults mehr ja sagen. Auch wenn er — wie in diesem Fall — von einer liebenden, ungewöhnlichen Frau kommt.

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