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VON NEUEN BÜCHERN

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Fremde Meere, Dschungel, Wüsten. Aus den Tagebüchern eines Arztes und Forschungsreisenden. Von Alfons Gabriel. 260 Seiten, 30 Kunstdrucktafeln. Universum-Verlag, Wien.

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Fremde Meere, Dschungel, Wüsten. Aus den Tagebüchern eines Arztes und Forschungsreisenden. Von Alfons Gabriel. 260 Seiten, 30 Kunstdrucktafeln. Universum-Verlag, Wien.

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In seinem Geleitwort zu dem vorliegenden Bande erzählt der Verfasser, unser österreichischer Landsmann Dr. Alfons Gabriel, wie ihn als Gymnasiasten die Sehnsucht nach den Wüsten Asiens und Afrikas, der Traum von unberührten Fernen antrieb, heimlich das Elternhaus zu verlassen und mutterseelenallein, ohne Kenntnisse der Landessprachen, nach Tunesien und von Gabes aus bis in die Randgebiete der Sahara vorzudringen. Er kehrte erst um, als ihm das heimlich zusammengesparte Taschengeld ausging. Diese Sehnsucht nach der unbekannten einsamen Weite war mehr als Abenteurerlust eines Karl-May-begeisterten Jugendlichen gewesen, sie bestimmte die Lebensrichtung des Mannes, sie ließ den jungen Arzt zu einem weltreisenden Forscher werden, an dem sich jene rätselhafte Macht der Wüste erfüllte, die seit Jahrtausenden Menschen anzog. Dr. Gabriel begann seine Weltfahrten im Kolonialdienst der niederländischen Regierung und seine erste Station wurde Bonaire, ein weltverlorenes, der venezolanischen Küste vorgelagertes Eiland der Karibischen See, auf dem er 7000 Menschen zu betreuen hatte. Der Name Bonaire — „Gutluft“ — trog, denn unablässig fegen Passatwinde über das düstere, wasserarme, von Kakteen starrende Land, auf dem nur die von Meereskanälen durchzogenen sumpfigen Mangrovenwälder des Ostens eine von Tierleben und Urwaldzauber erfüllte Abwechslung boten. — Nach drei Jahren zog es den Arzt und seine Gattin heim; „damals wußten wir noch nicht, wie sehr die Rückkehr in die graue Welt der Zivilisation ernüchtert". Lange vermochte ihn die Heimat auch nicht zu halten. Nach einem Jahr führte ihn sein Beruf als Kolonialarzt und der eigene Wunsch abermals in die Ferne, diesmal an die entgegengesetzte Seite der Erdkugel, nach In- solinde, in den „wundervollen Inselgarten" des Riouw-Archipels, mit seinen hunderten Eilanden. „Durch seine Wasserstraßen fließt ein süßer Duft, wohin man sich wendet, ewig wechselnde Linien und Farben, und doch liegt über allem ein« ausgeglichene Pracht von so überwältigender Innigkeit, daß kein Wort und kein Pinsel sie wiederzugeben vermag." Aber bis in den „Rimbu“, den Urwald Sumatras, hat der Mensch seine Seuchen geschleppt. Dem Arzt bot sich hier ein riesiges Arbeits- und Forschungsgebiet. Unter den Buschmaleien Sumatras grassiert wie kein anderes Leiden die Frambösie, eine der Syphilis verwandte Erkrankung, und als eine der schlimmsten Geißeln der Tropen die Haken- wurmkrankheit, deren Träger allgemeinen körperlichen Verfall, aber auch Geistesstörungen, Verfolgungs- und Größenwahn und bei Jugendlichen schwere moralische Abweichungen hervorzubringen vermag. Gegen die zahlreichen Seuchen kämpfen die Medizinmänner der Malaien mit allerlei Zauberkuren an; für gewisse Krankheiten, stellt Dr. Gabriel fest, sind die Heilmittel der Eingeborenen nicht von der Hand zu weisen,

besonders fielen ihm „verblüffende Erfolge einzelner Heilkünstler bei Steinkrankheiten auf, gegen die wir im Abendland keine wirksamen Arzneien haben“. Ein unübertrefflicher, gemütstiefer Schilderet, berichtet Dr. Gabriel von seinen Beobachtungen in der Welt des indonesischen Urwaldes und Dschungels, ihren Menschen und Tieren und eben auch von seiner Werkstatt als Malariaarzt. Die Malariaforschung hat durch Dr. Gabriel wichtige neue Beiträge, namentlich über die Verschiedenartigkeit der Arten und Lebensbedingungen der die Malaria übertragenden Stechmücken, empfangen.

Lange Jahre des Aufenthalts in Indonesien vergehen, und wieder wird diesem Niederösterreicher seine Umwelt zu klein. Als Begleiter einer Karawane malaiischer Pilger nach Mekka nähert er sich dem Traumland seiner Jugend, der Wüste, und ihr bleibt er dann in vielen Fahrten verschrieben, die ihn durch die Wüsten Syriens, Arabiens, Persiens, Afghanistans führen. Der Forscher verfolgt die letzten Spuren verschollener Wüstenstraßen; durch glühende Flachwüsten erreicht er das persische Bergland von Kubistan, einen schönen altertümlichen Erdenfleck mit archaischen Wohnstätten und den Ruinen untergegangener Städte; er dringt von der persischen Oase Halwan aus in die noch unerforschte „Lut" vor, die entsetzliche Salzwüste, eine Wüstenform, zu der sich die Residuen ungeheurer Salzseen zu einer sumpfartigen, schwer passierbaren Ode gewandelt haben. Wüstenreise bedeutet lange nächtliche Ritte, Lagerrasten im glühenden, schattenlosen Sonnenbrand, Gefahren des Verirrens in der horizontleeren Unendlichkeit, Gefahren des Verdurstens, wenn die gesuchte Wasserquelle ausgetrocknet ist, Gefahren von Seiten umherstreifender Räuber. In der Salzsteppe gesellt sich zu allem die Beschaffenheit des Bodens: „Die Kawir leuchtet, von oben gesehen, blendend weiß wie ein zugefrorener See. Sie ist aber nußfarbig und gefleckt, wenn man flach über sie hinsieht, denn alle die Unebenheiten und Vorsprünge, vor allem die Ränder der Vierecke des Salzscheibenbodens, die sich hoch aufwulsten, hat der Staubanflug mit schmutzigem Grau überzogen. Die Salzscheiben haben einen Durchmesser bis zu mehreren Metern. Dort, wo sie sich von ihrer Unterlage gehoben haben, stellen nur noch feine Salzsäulchen die Verbindung mit ihnen her. Hier klingen die Schritte hohl beim Darübergehen. Die Randteile der Scheiben ragen an manchen Stellen weit über den oberen Boden vor und bilden Wälle. Sandschliff (vom Sturm erzeugt) hat diese Begrenzungen durchlöchert und in dünne Grate neue, abenteuerlich gezackte Kanten verwandelt.“ Im Innern vieler Scheiben steht kristallklares Wasser. Hier hat das Salz eine niedrige, pilzkopfartige Erhebung geformt. Wie große Augen sehen diese Stellen aus. Salz, steinhartes, zerfressenes Salz überall nach allen Seiten, so weit das Auge reicht, wie eine krausverformte Eisfläche. Stellenweise bricht unter dem Tritt der Kamele die Salzschichte, die Füße der Tiere werden wund;

breite Salzkrusten säumen die Ufer ungenießbaren Wassers, auf das die durstige Karawane trifft. Ein unheimliches, von Mensch und Tier gemiedenes Land, in dem der Tod in vielen Gestalten lauert. In dieser Wüstenei, die einbrechende Regengüsse in einen tödlichen Morast verwandeln, wurde Dr, Gabriels kleine Karawane von einem Südsturm überfallen, „der sich wie ein Wahnsinniger in den leeren Raum stürzte“ und den Reisenden, über den Sumpf getragene Heuschreckenschwärme entgegenpeitschte.

Wenn Dr. Gabriel schildert und erzählt, so vereint sich in seinen Berichten die Kunst eines Malers mit der Sachkunde des begeisterten Naturforschers und dem ehrfürchtigen Schauen des Weisen in die Größe der Schöpfung. Und dabei ist selten das Buch eines Weltfahrers, der auf so viel Erleben zurückblickt, mit solcher Bescheidenheit und so viel Verzicht auf abenteuerliche Effekte geschrieben worden.

Man darf das Buch Dr. Gabriels zu den wertvollsten Neuerscheinungen des österreichischen Büchermarktes seit Kriegsende zählen. f.

Jahrbuch der Hochschule für Bodenkultur Band I. Erster (allgemeiner) Teil: „7 5 Jahre Hochschule für Bodenkultur in W i e n.“ Herausgegeben von o. Prof. Dipl.-Ing. Dr.,H. Flatscher. 206 Seiten. Zweiter (wissenschaftlicher) Teil: „Fortschritte der Bodenkultur.“ Herausgegeben von o. Prof. Dr. J. K i s s e r. 250 Seiten. Verlag G. Fromme, Wien.

Bereits im Jahre 1872 erfolgte die Gründung der landwirtschaftlichen Fakultät der Hochschule für Bodenkultur in Wien. Das zum 75jährigen Bestand herausgegebene erste-Jahrbuch in zwei Teilen (allgemeiner und wissenschaftlicher) bringt im allgemeinen Teil außer de'n Berichten über die historische Entwicklung der einzelnen Fakultäten (1872 Landwirtschaft, 1875 Forstwirtschaft, 1883 Kulturtechnik, 1945 Gärungstechnik) eine Übersicht über die wissenschaftlichen Einrichtung der Hochschule und — was besonders für die Studierenden und jene, die sich für das Studium an dieser Hochschule interessieren, von besonderem Wert ist — die Studienpläne, die wesentlichsten Bestimmungen der allgemeinen Studienordnung für die wissenschaftlichen Hochschulen, ja sogar dią Hochschülerschaftsordnung und Wahlordnung sowie die Bestimmungen über die Staatsprüfungen und Rigorosen. Der zweite Teil dieses auch äußerlich und drucktechnisch gut ausgestatteten Jahrbuches enthält Beiträge von Vertretern aller vier Fakultäten, die über den Kreis der Fachleute hinaus bei allen an den Fragen dre Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft Interessierten Beachtung finden sollten. Das Jahrbuch bringt uns in eindringlicher Weise zum Bewußtsein, welche große Bedeutung die seit 1896 in dem schönen Bau auf der Türkenschanze untergebrachte Hochschule für Bodenkultur über die Grenzen der alten Monarchie hinaus, besonders für ihre östlich und südöstlich liegenden Nachbarn hatte, daß sie jedoch auch in der Gegenwart, trotz der Ungunst der Zeit, dem Fortschritt der Wissenschaft und Forschung dient und so durch ihren Beitrag zur wissenschaftlichen Erforschung und praktischen Sicherung der materiellen Grundlagen unseres Lebens auf dem Gebiete der Bodenkultur maßgebend mitwirkt am Aufbau einer schöneren und besseren Zukunft unseres Vaterlandes.

Ministerialrat Dipl.-Ing. H. Bigler

Die Psychotherapie in der Praxis. Von Viktor E. Frankl. Eine kasuistische Einführung für Ärzte. Verlag Franz Deuticke, Wien.

Hier wird das Wichtigste aus der Psychopathologie äußerst anschaulich und auch für den praktischen Arzt „praktisch“ dargestellt. Die

Reihenfolge der Krankheitsgruppen scheint uns nach der in der Praxis anzutreffenden Häufigkeit gewählt zu sein. Die ausführliche Beschreibung der Fälle, ihre psychotherapeutische Durcharbeitung, aber auch die Angabe medikamentöser Behandlung ermöglichen gutes Zurechtfinden auch für den mit der Psychotherapie unvertrauten Arzt. Dankenswert ist, daß bei der Bearbeitung der endogenen Psychosen nicht nur der Behandlung der Patienten, sondern auch des Umganges mit seinen Angehörigen gedacht ist. In einem Anhang wird wiederum an Hand eines Falles besprochen, wie weit die Psychotherapie dem geistig Ringenden etwas zu bieten vermag. Hier dürfte es sich in praxi freilich nicht vermeiden lassen, daß die Geistigkeit des Arztes selbst eine Rolle spielt. Jedenfalls ist der vorliegende praktische Leitfaden der Psychotherapie, mit der jeder Arzt heute in Berührung kommt, eine wertvolle Hilfe für den Dienst am Menschen, und der Versuch ist durchaus geglückt, ein schwieriges Sachgebiet in knapper Form dem Nichtfacharzt in wesentlichen Zügen erschlossen zu haben.

Dr. med. Eva F i r k e l

Rilke und Benvenuta. Ein Buch des Dankes. Von Magda von Hattingberg. 2. Auflage. Andermann-Verlag, Wien 1947, 306 Seiten.

In den Briefen Rilkes, die der Insel-Verlag . herausgegeben hat, steht unter dem 8. Juni 1914 folgendes: „Da bin ich wieder einmal, nach einer langen und schweren Zeit, mit der wieder eine Art Zukunft vorüber ist, nicht stark und ehrfürchtig aufgelebt, sondern zu Ende gequält, bis sie zugrunde ging. … Einsehen müssend diesmal, daß keiner mir helfen kann, keiner.“ Darauf ..folgt eine erschütternde Klage, wie sie selten in den Briefen des Dichters aufklingt; dann heißt es weiter: „Was so völlig zu meinem Elend ausfiel, fing mit vielen, vielen Briefen an, leichten, schönen, die mir stürzend vom Herzen gingen; ich kann mich kaum erinnern, je solche geschrieben zu haben." Eine „hoffnungsvolle Korrespondenz, die mich äußerlich oft, innerlich viel öfter beschäftigt“, in der Rilke „eine unwillkürliche Lebendigkeit und glückliche Strömung“ überkommt, ein „neues, volles Entspringen“, er sieht „einen Ausweg aus dem trägen Mitgerissenwerden im stetig Verhängnishaften“; aber schließlich ging ihm alles wieder in schmerzvoller Tragik verloren. — Bisher hat man geraten, was hier wohl vorgefallen sein mag. Nun hat Benvenuta mit ihrem Buch das Geheimnis aufgeklärt. In ihm lebt die gleiche tiefe Ergriffenheit des Briefes und teilt sich dem Leser mit. Paris, Duino, Venedig und die herrliche Musik, die im Herzen des Dichters „ihr vergöttlichtes Haus baut“, solche Höhepunkte Rilkes werden lebendig nah, und schließlich das Hauptthema: Leid und Liebe. Benvenuta gewährt da Einblicke in das Leben Rilkes wie selten ein Buch, und zwar, was wohl nicht in der Tendenz der Schreiberin liegen dürfte, aber unbeabsichtigt zum Vorschein kommt: Einblicke in die schmerzvoll trüben Erfahrungen, die auf die eigenartige Krankheit Rilkes hinweisen, die eher eine der Seele denn des Leibes genannt werden kann. Das Buch ist in einer Unmenge von Zuschriften, besonders von der Jugend, verherrlicht worden, auf der anderen Seite wurde es aber auch als .Selbstglorifizierung einer Frau, die Rilke nicht gewachsen war, kritisiert, doch gerade diese Widersprüche zeigen, wie ernst es eigentlich genommen werden möge. Wer von beiden recht hat, wollen wir hier nicht entscheiden, sicher aber dürfte sein, daß die bisherige Anonymität der ersten Auflage die sehr intime Sphäre des Budies irgendwie erträglich machte, ihre Preisgabe aber in der vorliegenden zweiten Auflage recht unangenehm berührt, was daher besser nicht geschehen wäre.

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