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VON NEUEN BÜCHERN

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St.-Martin-Festgabe für Josef Steinberger, dargestellt von seinen Freunden und Mitarbeitern, herausgegeben vom Bundesstaatlichen Volksbildungsreferenten für Steiermark Franz Maria Kapfhammer. Österreichischer Bundesverlag. 367 Seiten.

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St.-Martin-Festgabe für Josef Steinberger, dargestellt von seinen Freunden und Mitarbeitern, herausgegeben vom Bundesstaatlichen Volksbildungsreferenten für Steiermark Franz Maria Kapfhammer. Österreichischer Bundesverlag. 367 Seiten.

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Die österreichische Volksbildung steht noch immer in entscheidenden Auseinandersetzungen über Weg und Ziel aller Bildungsarbeit überhaupt, und das schöne Wort Max Scheiers, daß Bildung eine Kategorie des Lebens und nicht des Wissens sei, hat noch keineswegs allgemeine Gültigkeit. Die Frage, ob eine neutrale Volksbildung, das heißt eine, die auf weltanschauliche und politische Stellungnahmen verzichtet, überhaupt möglich ist, findet ebensoviel Bejahung wie Verneinung. Durch alle Kurse und Tagungen, bei denen sich Volksbildner treffen, gewittern diese noch offenen Fragen, sie sind auch die Ursache, daß wir bis jetzt zu keinem österreichischen Volksbildungsgesetz gekommen sind. Es ist nun angesichts dieser Tatsachen schön zu sehen, wie neben solchen geistigen Auseinandersetzungen in Steiermark ein Werk heranreifte und historische Bedeutung erlangt hat, dem leider bis heute noch viel zu wenig Beachtung geschenkt wird: die Tat Josef Steinbergers und das Werk von St. Martin. Es wäre gut, wenn die österreichischen Volksbildner aller Richtungen immer wieder bei diesem Mann und seinem Werk Einkehr hielten, denn noch weilt der heute Achtundsiebzigjährige unter uns, den wir mit Recht den österreichischen Grundtvig nennen dürfen.

Ganz einsam, und ganz aus eigener Kraft ist Steinberger zielstrebig durch allen Kampf der Geister und über alle Hindernisse hinweg seinen Weg gegangen. Schon als junger Kaplan studierte er eifrig die soziale Frage und packte überall zu, wo es galt, Ordnung zu schaffen. Da war es ein zerrütteter Arbeiterverein, dem geholfen werden mußte, dort gründete er eine Raiffeisenkasse und anderswo eine Genossenschaft. Immer mehr aber erkannte er im Raum der Pfarreien, an denen er wirkte, die Notwendigkeit, der bäuerlichen Jugend die grundlegendsten Kenntnisse und Fertigkeiten für ihr künftiges Leben zu vermitteln und damit im doppelten Sinne Luft und Sonne in die dumpfen Stuben des Bauerntums hereinzulassen. So reifte langsam schon in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg der Plan des großen bäuerlichen Bildungswerkes St. Martin heran. Als Abgeordneten des steirischen Landtages war es ihm dann gegönnt, unmittelbar an der Schaffung eines Landesamtes als Zentralstelle für die bäuerliche Fortbildung mitzuarbeiten und im Landtage selbst die Errichtung der Landesstelle für das bäuerliche Fort- und Volksbildungswesen St. Martin zu vertreten. Am 7. Juli 1920 nahm der Landtag die darauf bezüglichen Anträge des Landesrates an, und mit 1. Dezember 1920 wurde Josef Steinberger zum Direktor dieses Landesamtes ernannt. Im Jahre 1930 wurde dann das ländliche Fort- und Volksbildungswesen der Steiermark durch ein eigenes Landesgesetz geregelt. St. Martin war damit die Volkshochschule für die steirische Landbevölkerung geworden und ist es bis heute geblieben. In einer von Jahr zu Jahr steigenden Zahl von Außenstationen, den Fortbildungsschulen für die männliche und weibliche Bauernjugend, sammelt sie die Jugend beiderlei Geschlechts, zumeist im Alter zwischen 18 und 30 Jahren, nicht nur in vorübergehenden Lehrgängen, sondern versucht, sie über die Dauer der Kurse hinaus auch weiterhin geistig festzuhalten und durch das ganze Leben zu begleiten, zu beeinflussen und anzuregen. Die Arbeit Steinbergers ging dabei von den Ergebnissen der Forschungswissenschaft der Volkskunde aus und baute auf ihnen das auf, was sein ureigenstes Werk und sein

großer Beitrag zur modernen bäuerlichen Volksbildung geworden ist: die angewandte Bauernkunde und die angewandte bäuerliche Volkspsychologie.

Wenn es heute auch außerhalb der Steiermark Hunderte von bäuerlichen Fortbildungsschulen gibt, wenn heute Winter für Winter tausende Kammerkurse in Österreich abgehalten werden, wenn die Idee des Volksbildungsheimes sich immer mehr durchsetzt und wenn die bäuerliche Volksbildung ein nicht mehr wegzudenkender Faktor geworden ist, so geht das alles auf Josef Steinberger zurück, der schon vor dem ersten Weltkrieg, obwohl man damals seine Pläne für sinnlos und undurchführbar hielt, den einsamen Anfang gemacht hat.

Wir müssen dem Herausgeber und dem Verlag für diese Festgabe dankbar sein, die in drei großen Abschnitten (Der Meister Das Werk Die Saat) dieses wahrhaft bahnbrechende Werk von St. Martin herausstellt, denn hier geht es nicht um nur ideologisch gewonnene Wunschgedanken, sondern um etwas, das in vier Jahrzehnten in aller Stille Wirklichkeit geworden ist und wie kaum ein anderes-Werk im Herzen des Volkes selbst seine Wurzeln geschlagen hat. Es tut uns Österreichern aber auch gut, in einer Zeit, in der es modern geworden ist, ins Ausland zu reisen, um, fremde Bildungseinrichtungen zu studieren, uns immer wieder auch auf die eigene Tradition zu besinnen, die keinen Vergleich mit dem Ausland zu scheuen braucht. Es ist heute fast nicht mehr bekannt, daß sich für das „System Steinberger" schon in den zwanziger Jahren auch ausländische Regierungen (Deutsches Reich, Jugoslawien, Ungarn) interessierten und die Teilnahme ihrer Volksbildner an den Kursen und Tagungen von St. Martin unterstützten.

Wer immer heute in Stadt und Land in der Volksbildung tätig ist, möge nach diesem Buche greifen. Es wird ihm ein Behelf sein, aus dem er sich immer wieder Anregung, Mut und Kraft holt, denn es ist die eindringliche Botschaft vom Werk eines Mannes, der gehandelt hat, wo andere nur redeten, und der von sich sagen durfte: „Gott hat mir eine große Gnade gegeben: daß ich immer wieder überprüfe, ob ich auf dem richtigen Wege bin.“

Dr. Hans Wittmann, Graschnitz

Von Wert und Würde menschlicher Arbeit. Von Max Pietsch. Verlag Herder, Wien. 223 Seiten.

Das Buch kommt in der aufkeimenden Debatte um die Aktivierung des Mitbestimmungsrechtes der Arbeitnehmer gerade zurecht, um, vom Standpunkt des Technikers wie des Soziologen zugleich, Wesentliches und Klärendes zu sagen und neue Aspekte für die Durchleuchtung des Problems zu bieten. Pietsch beginnt mit einer Analyse jener Fakten, die zur Entseelung der Arbeit und zu ihrem Absinken zum Status eines Kostenfaktors beigetragen haben, um dann an Hand instruktiver, zum Teil der praktischen Erfahrung des Verfassers entnommener Beispiele zu zeigen, daß das System der Arbeitsteilung, welches seinerzeit zur Aufspaltung der früher in einem dem Arbeitnehmer erkennbaren Zusammenhang stehenden Arbeitsverrichtungen geführt hatte, abgelöst wird durch ein System von Mehrzweckmaschinen, welche die Arbeit wieder in sich kombinieren und auch die repetitive Arbeit

dem Arbeiter abnehmen. Die Einführung von Maschinen mit komplexen Verrichtungen steigert den Rang de Menschen im Arbeitsprozeß; es kommt zu einer Requaljfizierung der menschlichen Arbeit, die wieder dispositiv und die Maschinen kontrollierend tätig sein kann.

P. befaßt sich weiter mit den Versuchen, die Grundsätze der „Menschenökonomie" in. den Betrieben zu verwirklichen und vom rein unternehmerischen gewinnstrebigen Handeln wegzukommen. Auf der Linie einer planvollen Bewirtschaftung der menschlichen Arbeitskraft liegen die neuen Betriebsverfassungen insbesondere in Deutschland, die eingehend gewürdigt werden. Abschließend werden die ungemein aktuellen Fragen der Vergeistigung des Arbeitsprozesses und der Verbeamtung der Arbeit untersucht und in ihrer Bedeutung für die Rekonstitution der Würde der menschlichen Arbeit bloßgelegt.

Ein ausgezeichnetes und allen an der modernen sozialen Problematik Interessierten zu empfehlendes Buch.

Dr. Anton Burckhardt

Psychiatrie und Seelsorge. Eine praktische Anleitung für Seelsorger und ihre Hilfskräfte. Von Dobbelstein. Herder, Freiburg 1952. 174 Seiten.

Seit der Pastoralpsychiatrie von Familler (Herder, Freiburg 1899) ist noch kein speziell für die Bedürfnisse des Seelsorgers bestimmtes Lehrbuch der Psychiatrie erschienen. Zweifellos besteht ein dringendes Bedürfnis nach einem solchen, denn die Beziehungen der praktischen Seelsorge zur Psychopathologie werden immer aktueller, doch fehlt dem Seelsorger vielfach die nötige Orientierung auf diesem wichtigen Gebiete. Es ist daher sehr dankenswert, daß Dobbelstein auf Grund reicher praktischer Erfahrung dem Seelsorger mit vorliegendem Werk ein kleines, aber sehr praktisches Vademecum der Psychiatrie mit besonderer Berücksichtigung pastoraler Bedürfnisse in die Hand gegeben hat. Das Buch trägt dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft Rechnung; es beschränkt sich ausschließlich auf die eigentlichen Geisteskrankheiten (Psychosen) unter Ausschluß der Lehre von den Neurosen und der Psychotherapie. Bezüglich der „echten Psychosen" steht der Verfasser auf dem Standpunkt einer ausschließlich endogenen (anlagemäßigen) Verursachung, was wohl etwas einseitig sein dürfte. Am Schlüsse des Büchleins wird eine praktisch gut brauchbare Übersicht über die wichtigsten einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (betreffend Anstal tsein Weisung, Anhaltung, Zurechnungsfähigkeit, Deliktsfähigkeit, Alkoholwirkung, Straftaten Jugendlicher; Geschäftsfähigkeit, Entmündigung usw.) gegeben, und zwar nach deutschem, österreichischem und schweizerischem Zivil- und Strafrecht.

Univ.-Prof. DDDr, A. Niedermey er

Widersprüche in der menschlichen Existenz. Von Johannes Meßner. Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien-München 1952. 423 Seiten.

Vorliegt eine Ethik auf Grund reichlichst verwerteter biologischer, psychologischer, soziologischer Daten, gleichzeitig eine Apologie christlicher Moral — in einem Seitenriß. Denn im eigentlichen Untersuchungsfeld steht nicht, wie es in dieser Literaturgattung üblich ist, der Mensch im Angesicht Gottes und seines Gesetzes, vielmehr der Mensch im Aufruhr gegen sich selbst. Diesen zergliedert — mittels Erfahrung und logischer Existenz das moralische Ich freilegend — vordergründig der Verfasser, die Situation des Menschen seit eh und je, die typische, nunmehr „restlos" einsehbare Gespaltenheit seiner „geistigen" und „physischen" Triebe in „gute“ und „böse" Tendenzen. Fünf davon werden auch je in einem Kapitel ausführlich und sehr bestimmt behandelt: der „Geschlechts-", der „Glücks-", der „Freiheits-“, der „Gesell- schafts-" und der „Erkenntnis-Trieb", wodurch unverweilt das Tor zu allen entscheidenden Problemstellungen von heute aufgestoßen wird. Aus der Fülle besprochener Gebiete unter anderen ragen: Psychoanalyse, Demokratie, Kommunismus, Dialektik, Naturrecht, Existenzphilosophie. Daß die strenge Sachlichkeit ihrer Bearbeitung niemals den Andersdenkenden verletzt, berührt ebenso sympathisch wie das väterliche Bestreben des Verfassers, der jungen Generation zu helfen, aus den Tatsachen heraus Verhängnisse zu entsträhnen und Hoffnungen zu erwecken.

Univ.-Prof. Dr. August M. Knoll

49 Stories. Von Ernest Hemingway. Rowohlt-Verlag. Hamburg. 468 Seiten.

Ernest Hemingway (Jahrgang 1898, Sohn eines Arztes, im ersten Weltkrieg an der italienischen Front, Weltreisender, Reporter und Korrespondent großer amerikanischer Zeitungen, leidenschaftlicher Fischer und Jäger) hat mehr und schärfer gesehen als die meisten Schriftsteller. Er kennt sich aus im Milieu der Boxer und Stierkämpfer, der Soldaten, Revolutionäre und Strandräuber, unter den Abenteurern des Schienenstrangs und in kleinen Vorstadtcafes. Als Künstler zielt er auf eine präzise, unkonventionelle

Prosa ohne Künstlichkeit und Manier: sein Naturgefühl ist von barometrischer Genauigkeit. Ein tief pessimistisches Lebensgefühl und ein — wie Alfred Kazin bestätigt — spezifisch amerikanischer Kult der Wildheit, der Gewalt und der Leidenschaft gibt jeder Seite, die er schreibt, ihre charakteristische, eindringliche Farbe. Diese 49 Geschichten, in denen der Leser nicht geschont wird, mag man — wie Hemingways ganze Kunst — als „einen der großen Halbtriumphe der Literatur“ bezeichnen. Aber es scheint eine der Aufgaben der zeitgenössischen Schriftsteller zu sein, die reale Sphäre ohne Illusion zu erfassen und darzustellen.

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