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Aus der Fischer-Bucherei

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Den „Planern“ der handlichen, hübsch ausgestatteten und billigen Serie „Bücher des Wissens“, die der S.-Fischer-Verlag für 1.90 DM anbietet, fällt immer wieder etwas Neues und Interessantes ein. Nach Piaton, Freud und Huxley erschien vor kurzem eine von Reinhold Schneider besorgte Auswahl aus Briefen, Gesprächen, Studien und Vorträgen P a s c a 1 s, die natürlich auch einen Teil der „Pensees“ enthält. (S. 128 bis 231.) In normalem Druck würde diese 270 Seiten umfassende Pascal-Anthologie einen stattlichen Band ausmachen. Reinhold Schneider hat aus dem gewaltigen Oeuvre nicht nur eine sachkundige und höchst lebendige Auswahl getroffen, sondern auch eine instruktive Einleitung von 30 Seiten dazu-geschrieben, die eine der gewichtigsten Studien des angesehenen Schriftstellers und Geschichtsphiloso phen ist und in der Feststellung gipfelt: „Pascals letzte Wende ist geschichtliche Tat. Er ist kein Gesetzgeber, und zwar gerade als Christ ist er es nicht. Seine Antwort, seine Entscheidung sind personal. Schroff verbittet er sich die Nachfolge.“ Und doch: welch ein Lehrer und Wegweiser für den Menschen der Gegenwart!

Nach dem Ballettbuch von O. F. Regner und dem Jazzbuch von J. E. Berendt liegt in der gleichen Serie nun auch ein Opernführer von Monte-verdi bis Hindemith vor, der von einem Musikhistoriker und einem Theaterfachmann verfaßt wurde. Hellmuth S t e g e r und Karl Howe besprechen und charakterisieren insgesamt 106 Opern, die heute im Spielplap der Theater und in den Rundfunksendungen vorkommen. Außer der stilistischen Einordnung der Musiker und der einzelnen Werke enthält dieser zuverlässige Führer Angaben über die Spieldauer, die Fachbezeichnung der Gesangpartien, die Orchesterbesetzung und — natürlieh auch — gutstilisierte Inhaltsangaben. Die neuere Produktion ist reich vertreten: Berg mit „Wozzeck“ (leider ohne „Lulu“), Blacher, Bresgen, Britten (5 Werke). Egk (3 Werke). Einem („Danton“ und „Prozeß“), Gershwin, Haas, Liindemith, Honegger, der uns unbekannte Max Xaver Lehner, Liebermann (noch ohne „Penelope“), Menotti (3 Werke), Milhaud (leider ohne „Christoph Colomb“), Orff (6 Werke), Prokofieff, Norbert Schulze, Strawinsky (3 Werke), Sutermeister und Weinberger.

Auch die Romanreihe der Fischer-Bücherei wurde mit zwei Werken bereichert, für die man bisher ein Vielfaches des jetzt festgelegten Preises (1.90 DM) bezahlen mußte: lohn Galsworthys Künstlerroman „Die dunkle Blume“ in der Ueber-setzung von Leon Schalit und „La Vagabond e“, den bekannten Pariser Roman der C o 1 e 11 e in der Uebertragung von Rosa Breuer-Lucka.

Kultnr nnd Volk. Festschrift für Gustav G u g i t z zum 80. Geburtstag. Herausgegeben von Leopold Schmidt, im Selbstverlag des österr. Museums für Volkskunde, Wien, als Bd. V seiner Veröffentlichungen, X und 433 Seiten und 32 Bildtafeln.

Der stattliche Band mit Buchumschlag und vorzüglichen Karten von M. Niedenführ enthält fünfundzwanzig wertvolle Abhandlungen aus der österreichischen und darüber hinaus aus der europäischen Volkskunde.

Sie behandeln — dem Forschungsbereich des verdienten, einsamen, aber immer noch staunenswert eifrigen und starken Nestors unserer Volkskulturwissenschaft entsprechend — besonders Erscheinungen des religiösen Volksleben (Wallfahrten, heilige oder Mystiker-Gestalten, barocke Prozessionen, Spiele und Bruderschaften, Vo-tive, Rosenkränze und Andachtbilder), kirchliches und weltliches Brauchtum, wie die wenig beachteten Scherz- und Stehlrechtssitten. Es ist unmöglich, hier die einzelnen Abhandlungen herauszuheben oder zu werten. Sie besitzen alle ihren gemeinsamen Wert und jede einzelne ihren besonderen Eigenwert.

Mit Freude wird man die sehr genauen, schön und klar gezeichneten Verbreitungskarten begrüßen, wie etwa die über die „umgürteten“ Leonhardi-kirchen, die im Norden und Westen (Schweden, Nordfrankreich und Böhmen und ganz besonders in unseren bayrischen und österreichischen Alpen, aber zum Teil auch noch in Spanien) mit Eisenketten, im Südosten, zumal in Jugoslawien aber mit Wachsund Leinenfäden umspannt sind. Die Wiener wird besonders der Plan von der Gruftbestattung in der Michaelerkirche und die kartographisch dargestellte Verbreitung des Barbara- und Luzienweizens im Burgenland interessieren. Nicht nur die für jeden Laien außerordentlich unterrichtenden Verbreitungskarten, sondern auch die einzelnen Abhandlungen selbst bezeugen umfassende Forschungen und bringen wertvolle und zum Teil völlig neue Erkenntnisse. Die meisten sind auf eingehende literarische und archivale Quellen und auf ausgiebige Feldforschung begründet. Sie gehen weit über die österreichischen Bundesländer hinaus, nach Bayern und Franken, in die Schweiz, nach Frankreich, Spanien und in die Niederlande, und südostwärts nach Jugoslawien, ja bis zu den Georgiern und anderen kaukasischen Völkern.

Es ist erfreulich, daß eine so stattliche und wertvolle Festschrift durch staatliche, Landes- und städtische Beihilfen sowie durch die Industrie und Einzelpersönlichkeiten so gefördert worden ist, daß sie auch in dieser buchhändlerisch schwierigen Zeit in vorzüglicher Ausstattung erscheinen konnte; und es isr doppelt erfreulich, daß sich an ihr besonders auch der junge volkskundliche Nachwuchs so eifrig und erfolgreich betätigt hat.

Amerikanisches Literaturbrevier. Eine Anthologie in Prosa und Vers. Von Norbert K r e j c i k und Emmy S i e b e r e r. Verlag Brüder Hollinek, Wien. 320 Seiten.

In vier Abschnitten („Das Land und seine Menschen“ — „Phantasie und Abenteuer“ — „Amerikanischer Humor“ — „Besinnung und Betrachtung“), für die wir konkretere Bezeichnungen vorgezogen hätten, wird ein aufschlußreicher Querschnitt durch die amerikanische Literatur angeboten, der besonders der Schuljugend einen ersten Eindruck -von ihrer Fülle wird bieten können. Glücklich die, Wahl der Prosa- und Dramenstellen, unzulänglich die Auswahl der wiedergegebenen Gedichte. Eine Reihe interessanter Abbildungen (etwa: Mississippidampfer Anno Sklavenmarkt, Viehhöfe in Chikago; freilich vermißt man Bilder von Eliot, Wolfe, Faulkner, wenn schon Abraham Lincoln abgebildet ist)' sind wohl als kleine Entschädigung für den wenig ansprechenden Einband des broschierten Bändchens gedacht.

Flug zu den Sternen. Von Hans Bertram. Verlag Kurt Desch, Wien-München-Basel. 190 Seiten.

Der Verfasser, welcher selbst als aktiver Sportflieger zweimal um die Welt flog und eine Reihe von Büchern über seine Erlebnisse veröffentlichte, versucht hier, den Kampffliegern des letzten Krieges ein Denkmal zu setzen. Durch eine geschickte Auswahl der authentischen Berichte gelingt es tatsächlich, zu zeigen, wie die Flieger aller Nationen in besonderer Weise den Krieg erlebten. Der einsame Kampf der französischen Freiwilligen in der britischen Luftwaffe nach 1940 wird ebenso lebendig wie die Opferung der deutschen Transportflieger in Stalingrad. Auf amerikanischen und japanischen Quellen beruht die atemberaubende Schilderung der Auseinandersetzung in Ostasien, die in Pearl Harbour beginnt und durch das einsame Flugzeug mit der Todeslast der A-Bombe über Hiroshima beendet wird. Symbolhaft versucht Bertram, gewissermaßen stellvertretend für alle Flieger, den nie geklärten Todesflug Saint-Exuperys literarisch nachzuformen, um damit einen würdigen Abschluß dieses sehr nachdenklichen Werkes zu setzen.

Versuchung. Von Dietrich Bonhoeffer. Verlag Chr. Kaiser, München. 64 Seiten. Preis 2.50 DM.

In einer Zeit der starken theologischen Selbstbesinnung des deutschen Protestantismus entstand dieses Werk des vom Naziregime gemordeten evangelischen Pfarrers. Sein Grundriß wurde für ein illegales Predigerseminar im Jahre 1937 geschaffen. Was an diesem kleinen Werk anziehend berührt, ist die Verbindung sehr tief grabendei existentieller Fragestellung mit einer gänzlich „unpastoralen“ Direktheit und Konkretisierung des Ergebnisses. Der Komplex der Versuchung, vor allem das Mysterium ihrer Lenkung durch Gott selbst wird systematisch in strenger Bibeltreue dargelegt. Daß die Askese de evangelischen Theologen in weiten Partien der der großen heiligen Therese ähnelt, läßt uns immer wieder neu erkennen, daß die Reformation anders verlaufen wäre, wenn Theresa von Avila und Juan vom Kreuz das Gesicht der Kirche geprägt hätten, statt Tetzel und Leo X.

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