6586424-1951_49_12.jpg
Digital In Arbeit

Österreichische Arbeiten zur Volkskunde

Werbung
Werbung
Werbung

Auf den heurigen auswärtigen Tagungen der Volkskunde im Odenwald, in Burghausen und in Stockholm konnte ein Hochstand der österreichischen Leistungen einhellig festgestellt werden.

Das ist um 60 erfreulicher, als es die Fortführung einer sehr alten Tradition bezeugt. Leopold Schmidts Buch „Geschichte der österreichischen Volkskunde“, das kürzlich (207 Seiten stark) im Bundesverlag erschienen ist, zeigt mit der außerordentlichen Literaturkenntnis, die diesem Verfasser eignet, wieviel 6eit der Zeit des Humanismus und der Renaissance in allen Epochen bis herauf in die Gegenwart von Osterreich aus für die Volkskunde geleistet worden ist. Enea Silvio Piccolomini, Paolo Santonino, Nikolaus Beutt-ner, Abele von Lilienberg, die Freiherren Wolfgang von Hohberg und Johann Weichard von Valvasor, Maurus Lindemayr, Hacquet, Karl Ekrenbert Freiherr von Moll, Erzherzog Johann und sein Kreis (Schuftes, Kürsinger, Ziska und Schottky, Johann Gabriel Seidl), Karl Weinhold, Vernaleken, Franz Franziszi, Ludwig Steub und Peter Rosegger, Rudolf Meringer, Joh. Reinhold Bunker, Haberlandt Vater und Sohn, das sind nur wenige Namen aus der Fülle von mehr als hundert, zu denen noch Dutzende aus den letzten fünfzig Jahren kommen. Sie alle finden in L. Schmidts Buch kurze oder längere Würdigung und Einordnung. Ihre stattliche Reihe legt ein gewaltiges Zeugnis ab für die Bedeutung, die unsere Wissenschaft von ihren keimenden Anfängen an, zunächst noch halb unbewußt, dann aber immer bewußter, in Österreich gewonnen hat. Die ungemein fleißige Darlegung dieser Tatsache durch Leopold Schmidt verdient rückhaltlose Anerkennug. Es ändert daran nichts, wenn wir einzelnen Definitionen seiner theoretischen Einleitung und einigen seiner Würdigungen nicht zuzustimmen vermögen, worüber in Fachzeitschriften mehr gesagt werden mag.

Durchaus erfreulich und besonders wertvoll verspricht Hermann Wopfners „Berg-bauernbuch“ zu werden, dessen erste Lieferung im Tyrolia-Verlag in Innsbruck erschienen ist. Schon sie läßt erkennen, daß uns hier ein volkstümliches Werk beschieden sein wird, das eine Summe des edlen und lauteren Gelehrtenlebens seines Verfassers ziehen und und damit den Schatz der österreichischen Volkskunde um ein köstliches Kleinod bereichern wird. Die Lieferung (132 Seiten) bringt außer einem reichen (821 Nummern umfassenden) Verzeichnis des einschlägigen Schrifttums eine Geschichte, aber auch eine landes-und volkskundliche Deutung des Tiroler Bergbauerntums von der Vorzeit bi6 in die Jahrhunderte der Rodungen und Güterteilung. „Wie der Tiroler Bergbauer 6eine Heimat gewonnen hat“ wird hier in so tiefschürfender, gründlicher und fesselnder Weise gezeigt, daß man jeden Absatz mit wahrem Genuß in sich aufnimmt. Uber vierzig prächtige, großenteils vom Verfasser aufgenommene Lichtbilder beleben die für jeden Österreicher und für sämtliche Fachleute auf dem Gebiete der Landes- und Volkskunde, der bäuerlichen Volksbildung und der Heimatpflege wichtigen, unentbehrlichen Ein- und Tiefblicke, die hier erschlossen werden.

Die Kärntner wollen hinter solchem Tiroler Ehrenbuch nicht zurückbleiben. Der 141. Jahrgang ihrer „Carinthia“ (1951) umfaßt 850 Seiten, viele Bilder, zwei Karten der baulichen Entwicklung der Stadt Villach und nicht weniger als 32, darunter sehr wertvolle Abhandlungen, die zum großen Teil der Volkskunde gewidmet sind. An der Spitze des umfangreichen Büches ist die Rede abgedruckt, die der Kärntner Landeshauptmann Ferdinand W edenig am 5. September 1950 bei der Eröffnung der fünften österreichischen Volkskundetagung in Klagenfurt gehalten hat. Die feinen Ausführungen, die hier von der höchsten Landesstelle aus in gehaltvollen Gedanken über die Bedeutung der Volkehunde für die Gegenwart ausgesprochen sind, haben uns tief und wohltuend berührt. Sehr schön ist es auch, daß die Kärntner den wertvollen Nachruf des unvergeßlichen Oswin Moro auf Franz Franziszi abgedruckt haben, wie wir auch die Zusammenstellung von Gustav Gugitz über Kärntner Rei6ebeschreibungen vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart warm begrüßen und zur Nachahmung in den anderen Bundesländern empfehlen möchten. Die einzelnen Abhandlungen über Volkslied, Volkstanz und

Volksschauspiel in Kärnten, über Bauernleben und Brauch, über Hauskunde und Bauernmöbel, über Fischerei und Gewerbe, die Untersuchungen über Taurisker, Kelten und Noriker und die sechs Vorträge der fünften österreichischen Volkskundetagung hier zu besprechen, ist unmöglich. Sie bilden zusammen eine wahre Fundgrube Kärntner Volkskunde von der Urzeit bis zur Gegenwart.

Eine weitere wertvolle Neuerscheinung bringt Leopold Kretzenbacher in seinem Buch „Lebendiges Volksschauspiel in Steiermark“, das soeben als 6. Band der Reihe „österreichische Volkskultur“ im Bundesverlag erschienen ist (406 Seiten Text, ein Notenheft mit 64 Weisen und 28, großenteils vom Verfasser aufgenommene Lichtbilder). Dieses Buch würde hier eine ebenso ausführliche Besprechung verdienen wie Wolframs „Volkstänze“ (in der „Warte“ vom 13. Oktober), dem es sich ebenbürtig an die Seite stellt. Ich muß 6ie mir leider aus Raummangel hier versagen und werde 6ie in der Zeitschrift des historischen Vereines für Steiermark ausführlich nachholen. Doch sei schon hier gesagt, daß es 6ich dabei um die bedeutendste Neuerscheinung auf dem Gebiet der Voiks-schauspielfor6chung handelt, und zwar nicht nur für den Fachmann. Die vortrefflichen, aus tiefer Sachkenntnis, aber auch aus inständiger Verbundenheit und warmer'Liebe zu den Spielen und ihren Trägern erwachsenen Darlegungen über Wesen ud Werden, über den Ursprung in Kultbrauch und Liturgie, Uberlieferung, Spielführer und Rollenträger, über die illusionslose Spielbühne, über Spiellandschaften und Spiellkreise, müßte jeder Landgeistliche, Lehrer und Volksbildner studieren. Denn ebenso wie zwischen Volkstanz und modernem Gesellschaftstanz besteht auch zwischen Volksschauspiel und modernem Theater eine wesentliche Verschiedenheit, und es wird alles an diesen altehrwürdigen und kostbaren Spielen verdorben, wenn da — wie es leider oft genug geschieht — Uneingeweihte, sei es auch in bester Absicht, dreinreden und die Spiele dem Theater angleichen wollen. Diese Spiele sind religiöser Volksbrauch, an ganz bestimmte Zeiten und Räume gebunden, niemals deklamiert, sondern eher liturgisch rezitiert, niemals nach außen, aber um so inständiger nach innen gerichtet. Wer es weiß, daß sie in dieser Form nur noch in den österreichischen Alpenländern leben, der wird es verstehen ,daß sie zu den kostbarsten Schätze unserer Volkekultur gehören und daß es für diese von entscheidender Bedeutung sein wird, wie sich jene Spiele weiter entwickeln werden ...

Es 6ei mir daher noch gestattet, ein Wort zu den für den Durchschnitt der Gebildeten unerschwinglichen Verlegerpreisen der angezeigten Bücher zu sagen. Obwohl die Verleger ■vom Staat und von anderen Stellen reich subventioniert worden 6ind, bringen sie mit den angesetzten Buchpreisen unsere ganze Arbeit um! Wer soll Kretzembachers unentbehrliches Buch um 130, wer Wopfners Berg-bauernbuch kaufen, wenn eine Lieferung 62 Schilling kostet? Wir haben gar nichts gegen Sport und Theater. Aber wenn nur ein Bruchteil dessen, was diese dem staatlichen und anderen Haushalten kosten, für Wis6en-6chaftehilfe abgezweigt werden könnte, so wäre es möglich, einen Fonds für ländliche Büchereien zu schaffen, die 60 grundlegend wichtige Bücher, wie die angezeigten, auch dorthin gelangen lassen könnten, wohin sie unbedingt gehören. Wir halten das für eine sehr ernste und dringende Frage ...

Atomare Heilkräfte. Entdeckungen und Erkenntnisse auf dem Gebiet des „Heiil-magnetismus“. Von Egon M. Hein. Verlag T. Keppler, Wien. 87 Seiten.

Das zweifellos Interessanteste an diesem Büchlein sind die vom Verfasser berichteten Heilungen von Krankheiten, gegen die es innerhalb der Schulmedizin keinerlei Mittel gibt. Wenn zum Beispiel Kranke mit multipler Sklerose mit Hilfe des Heilmagnetasmus geheilt werden konnten, so steht es außer Zweifel, daß gewissenhafte Forscher innerhalb der Medizin sich auf jeden Fall gründlich mit dem Heilmagnetismus auseinanderzusetzen haben.

Schon die Zähigkeit, mit der der Heil-magnetismus allen Angriffen zum Trotz immer noch besteht und seit dem berühmten Mesmer auch seine Regel- und Gesetzmäßigkeiten ausgebildet hat, sollte einen doch veranlassen, sich ohne Scheuklappen, ohne Vorurteile, ruhig und sachlich mit den einfachen tatsächlichen Gegebenheiten auseinanderzusetzen. Man soll sich diese Auseinandersetzung auch nicht zu leicht machen.

Wenn der Verfasser auch noch von Experimenten, die er gemeinsam mit einem Physiker mit Hilfe eines sogenannten Geiger-Müller-Zählers durchgeführt hat, berichtet, wobei sich eine Zunahme der Impulse um mehr als 30 Prozent gegenüber dem Leereffekt ergab, dann dürfen wir auch nicht so ohne weiteres den g e s a mt e n Heilmagnetismus in Suggestion auflösen, wenn diese auch zweifellos eine größere Rolle spielt, als es wieder manche Magnetiseure werden wahrhaben wollen. (Das gleiche gilt im übrigen auch von sämtlichen Heilmitteln der Schulmedizin, bei deren Wirkung ebenfalls die Suggestion eine große Rolle spielt.)

Wir wollen hoffen, daß es nicht bei diesen Versuchen allein bleibt und daß wir alsbald Berichte über größere Versuchsreihen erhalten werden. Sosehr manches, vor allem Theoretisches, an diesem Büchlein problematisch ist — worüber sich der Verfasser im übrigen zweifellos selbst im klaren ist, handelt es sich doch um ein noch kaum erforschtes Gebiet — so sollte es doch unvoreingenommene Leser aufhorchen lassen und mag als Anregung zur intensiven Beschäftigung und als Auforderung zu gründlicher und unvoreingenommener Forschung gerne empfohlen werden.

Dr. Wilfried D a i m

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung