Das Zeichen, das mit diesem Konzil gesetzt ist, kann durch die Christenheit zum Heil erkannt werden, es kann aber auch verfehlt werden. Nur eines ist von diesem 11. Oktober 1962 an nicht mehr möglich bis zum Ende aller Geschichte: Es kann nicht mehr übersehen, vergessen, ungeschehen gemacht werden. Dieses Konzil steht unwiderruflich in der Geschichte, und unsere gesamte christliche Generation wird daran gemessen werden, wie sie sich vor ihm bewährte. Ob sie es gaffend anstaunte und dann wieder in ihren Alltag versank, ob sie es mit überklugem Wissen analysierte, kritisch beurteilte und zum
KLASSISCHE DEUTSCHE DICHTUNG. Herausgegeben von Frlti Martini und Waller Müller-Seidel unter Mitwirkung von Benno von Wiese. Band 4, 6, s und 13, 14, IS. Verlag Herder, Frelburg-Basel-Wlen. Preis je Band 16.80 DM,Als der Herder-Verlag vor einigen Jahren den Grundriß seines Unternehmens einer Anthologie deutscher Dichtung vorlegte, war man im Urteil noch etwas unsicher. Man konnte das Auswahlprinzip trotz der skizzierten Titel noch nicht recht erkennen. Hermann Hesse, dem einmal aufgetragen worden war, in einem einzigen Reclambändchen eine Bibliothek der Weltliteratur zusammenzustellen,
Klassische deutsche Dichtung. Band Koinan® und Erzählungen; Band 12: Tragödien Verlag Herder, Freiburg i. Br., 37 und 863 Selten. Preis 16.8 DM (in der Subskription)
AUS DIPLOMATIE UND LEBEN. Maximen des Fürsten Metternich. Herausgegeben von Arthur Breycha-Vauthier. Verlag Styria, Graz-Wien. 152 Seiten. Preis 75 S.Man kann sich den Fürsten Metternich — nach dem Bild so vieler Romane und Filme — kaum anders denn druckreif sprechend vorstellen. Er selbst hatte nichts dagegen, daß man seine Aussprüche und Maximen sammelte. Er nannte sie allesamt eine „Fackel, die einen finsteren Abgrund beleuchtet“. Die Kunst, in Sentenzen zu sprechen, ist den heutigen Politikern nicht etwa deswegen abhanden gekommen, weil es ihnen an Klugheit gebricht. Aber man
Du Konzil ist in eine Pause eingetreten. E ist keine Phrase, sie „schöpferisch“ zu nennen. Denn in diesen Monaten werden •ich die Kommissionen, ungestört von der Tagespublizistik, mit den eigentlichen Verhandlungsgegenständen der Kirchenver-lanunlung zu befassen haben. Die in ihre Diözesen heimgekehrten Bischöfe werden untereinander Kontakte aufnehmen — sie haben einander in den ersten Wochen der Kirchenversammlung ja genauer kennengelernt als je zuvor. Sie werden die Experten zu Rate ziehen, die ihnen für die einzelnen Spezialthemen in der Heimat zur Verfügung stehen. Aber auch
Shakespeares neben dem „Sturm“ rätselhaftestes Spätwerk heißt zu Recht nicht „ein“, sondern „Das Wintermärchen“. Es ist kein Zufallsprodukt nachlassender Bühnenbeherrschung, sondern eine Symboldichtung höchster und gedankenklarster Einsicht. Die Geschehnisse der äußeren Handlung muten wirr und uneinheitlich an. Aber sie sind es nur deshalb, weil sie von einer anderen, dahinter liegenden Handlung bestimmt werden. Der Winter ist für Shakespeare, der hier dem Barock schon viel näher ist als der Renaissance, die Zeit des notwendigen Eingezogenseins, der erstarrenden Kälte,
Jean Anouilh toll sich, dem Vernehmen nach, seit neuestem auf den eigenen Visitenkarten bescheinigen, daß er kein Literat mehr sei. Als er im Jahre 1937 den „ReisendenohneGepäck“ schrieb, vermeinte er, noch kein Dichter, sondern nur ein Stückeschreiber für das damalige französische Gebrauchstheater zu sein. Und doch ist gerade dieses Stück eines seiner besten. Es schließt die „Moral“, die von Anouilh in seinen reiferen Werken immer wieder variierte Grundaussage vom Menschen und seiner Ausweglosigkeit in das feste, nahtlos gefügte Gerüst einer spannenden Handlung ein. Das
THEATERGESCHICHTE EUROPAS. Von Heinz Kindermann. Band IV. Von der Aufklärung zur Romantik. 1. Teil. Otto-Müller-Verlag, Salzburg. 846 Seiten. 1 Tafel, 58 Kunstdruckbilder, 286 Textillustrationen. Preis 335 S.
Für Frank Wedekind, in dessen Werk neben vielem Zeitgebundenen dennoch viel von dem wetterleuchtet, was erst in unseren Jahrzehnten als Gewitter niedergeht, ist der Sexus die beherrschende Elementarkraft. Für den, der sie zu zähmen, sich einzuwandeln weiß, kann sie zur lebenssteigernden Macht werden. Für den liebesarmen, ichverkrampften, Schwächling, wird sie zum dunklen Gott, zum Eros Thanatos, der sein Opfer nicht nur verschlingt, sondern zuvor noch mit dem „Fluch der Lächerlichkeit“ brandmarkt, der in eben diesem Versagen beschlossen liegt. Die Menschen Wedekinds stehen im Bann
Mehr noch als in seinen größeren Werken zeigt Ödön von Horvath in der kleinen Form seiner Dramoletts, welche Meisterschaft ihm in der feinnervigen Aufnahme und in der gleichsam stenographischen Wiedergabe seiner Zeit und Umwelt eigen war. „Glaube, Liebe Hoffnung“, das ist die Melodie der großen Krise mit allen ihren Ober- und lintertönen. Die Geschichte von dem jungen Mädchen, das sich im Paragraphenwerk der bürokratischen Gesellschaft verfängt, weil es durch einen kühnen Vorgriff sich selbst eine legale Existenzgrundlage in eben dieser Gesellschaft — den ambulanten
MYSTERIUM MORTIS. Der Mensch in der letzten Entscheidung. Von Ladislaus Boros. Walter-Verlag, Ölten und Freiburg im Breisgau, 1962. 207 Seiten. Preis 16.80 DM.
Drei Wiener Premieren, drei sehr ver-ichiedene Farbtöne. Wenn man will, kann man nach Geschmack unter ihnen wählen. Es bleibt allerdings dahingestellt, wie weit *ie den Stücken selbst entsprechen.Michael Kehlmann, dem man die langjährige Beschäftigung mit Dramaturgie und Praxis des Fernsehens anmerkt, ist nach Wien zurückgekehrt. Er hat für seine Inszenierung der „M ademoisellc M o 1 i e r e“ von Jean A n o u i 1 h am Volkstheater einen ausgesprochenen Tech-nicolor-Stil gewählt. Manches an diesem Manuskript, das auf weite Strecken hin wie ein Filmdrehbuch wirkt, rechtfertigt dies
Unsere Gegenwart beginnt 1917 mit der Oktoberrevolution in Rußland und mit dem Eintritt der USA in den europäischen Mächtekrieg, der erst damit zum Weltkrieg wurde.Geschähe das, was in diesen Tagen geschieht und wahrscheinlich noch geschehen wird, vor dieser Wasserscheide der Geschichte, dann wäre die Lage einerseits unvergleichlich kritischer, ja fast hoffnungslos zu nennen, anderseits aber wäre die mögliche friedliche Lösung auch viel näher, ja geradezu mit den Händen zu greifen.Um das Prestige einer Großmacht, um den Respekt vor einer Flagge, ja selbst um den Vortritt eines
ödön von Horvaths Werk entstand und steht zwischen den Zeiten — atmosphärisch mehr dem Krisenbewußtsein der dreißiger als der Selbstübersteigerung der zwanziger Jahre zugehörig. Seine Dramen stehen auch zwischen den Stilen, <fl ihrer Mischung von Kleinbürgerrealismus und symbolistischer Farbtupferei Wild-Peter Altenbergs. So oft man ihm begegnet, gerät man selbst in die „Zwischenstimmung“ halber Bejahung und halber Distanz. Beim Lesen seiner Stücke empfindet man dies Szene für Szene: Alles hängt hier von der theatralischen Verwirklichung, vom Gespür dessen ab, der es auf
Schon des Jungen, zur Zeit der Abfassung des „Florian Geyer“ kaum mehr als 30jährigen Gerhart Hauptmanns spezifische Größe und Begrenzung wird an dieser „Tragödie des Bauernkrieges“ erkennbar. Groß zunächst einmal Wurf und Vorhaben: die die Gegenwart bedingende deutsche Vergangenheit vom plebejischen Standpunkt aus zu bannen und zu deuten. Goethes „Götz“ war das Werk eines genialisch Einzelnen, persönliche Gewissenstragödie und stürmischer Kulissenreißer in einem gewesen. Hier aber sollte, wie in den „Webern“, das Volk, hier sollten die „kleinen Leute“, auf deren
Mit dem ihm ganz persönlich eigenen, die stämmige und gedrungene Persönlichkeit mit geradezu rhythmischem Schwung erfüllenden Optimismus hatte Papst Johannes in seiner Eröffnungsansprache zum Konzil davon gesprochen, daß sich letzten Endes auch das Menschenwerk unseres Jahrhunderts zum Guten wenden werde „in einem jedes menschliche Hoffen sogar noch übersteigenden Sinn“. (Wenige Tage zuvor erst hatte Kardinal Ottaviani, den manche informierte Beobachter mit einigem Recht als das geistige Haupt der konservativ denkenden Gruppe der Konzilsväter ansehen, von den Gefahren des
Es gibt Abende, an denen man von Herren froh ist, daß es in Wien — wie vielleicht nirgends anders im deutschen Sprachraum — immer noch (oder am Ende schon wieder?) eine Art des Theaterspielens gibt, die einzig und allein vom Schauspieler getragen wird. So erging es uns etwa bei der österreichischen Erstaufführung der Komödie eines Herrn Norman K r a s n a in den Kammerspielen: „Ein netter Herr“. Eine öde, belanglose Geschichte, mit frappierender Naivität in einer für wirklich ausgegebenen Welt angesiedelt, die nicht einmal ein Illustriertenroman als Realität anbieten dürfte,
ADEST. - Es ist da.DAS KONZIL ist jetzt Gegenwart geworden, Zeit für uns ganz unmittelbar. Was bislang wie in einem einzigen, sich von Stufe zu Stufe steigernden Advent auf uns zukam, was zu irgendeinem Zeitpunkt der Zukunft unwiderruflich Geschichte, Gewesenes und zur Tradition Gewordenes sein wird, steht uns jetzt gegenüber. Wir stehen unter seinem Zeichen.DAS MUSS unsere eigene Haltung entscheidend verändern. Was bisher geschah, faßt sich noch hinter jenen 25. Jänner 1959, da Papst Johannes XXIII. seinen Entschluß bekanntgab, ein Konzil einzuberufen, zurückverfolgen, bis in jene
Johann A. 6 o e c k nennt sein Zeitstück „Das Nest“ eine Tragödie. In dieser Titelwahl schon liegt der entscheidende Fehler seines Vorhabens. Er wahrt wohl die klassischen drei Einheiten der Zeit, des Orte und der Handlung, aber zwischen den gegebenen Möglichkeiten, seinen „halben Helden“, einen zum KZ-Kommandanten ernannten Mitläufer des NS-Regi-mes, zum über die Zeit hinaus gültigen Exemplarfall zu machen oder ihn ganz tinfach aus dem Milieu heraus zu erklären und sein Tun dadurch zu relativieren, bleibt der Autor in der Mitte stehen. Das nimmt dem Bühnengeschehen wie den
Spaniens König Philipp, dem bei Calde-ron nicht nur in höfischer Huldigung, sondern in innerer Übereinstimmung die Schlußmoral des „Richters von Zalamea“ in den Mund gelegt ist, entscheidej: „Wer den Hauptpunkt richtig traf, darf in kleinen Dingen irren.“ Sein weises Urteil sei auch auf die beiden bedeutsamen Premieren zweier Wiener Theater bezogen, auf Josef Gielens Inszenierung des genannten Calderon-Werkes an der Burg und auf Leon Epps Transponierung der Stern-heimschen Satire „Die Hose“ in eine Beziehungswelt, die von der Mehrzahl der heutigen Wiener in den Außenbezirken,
„Die Sünde ist in den Gedanken“, heißt es vorahnend schon in Büchners „Dantons Tod“. „Die Wirklichkeit ist in den Gedanken“, sagt mehr als hundert Jahre später der Schriftsteller Ludovico Nota bei Luigi Pirandello. Er zieht mit romanischer Unerbittlichkeit die letzte Konsequenz des klassischen Idealismus. Härter und verzweifelter als sein gleichzeitig wirkender Landsmann Benedetto Croce, der in dieser Eigenbewegung des Geistes, der sich selbst die Wirklichkeit als Exerzierfeld und Bühne schafft, noch eine Entwicklung zur Selbsterlösung des Menschengeschlechtes sehen will.
Daß Papst Johannes XXIII., wo immer er länger im Gespräch mit Österreichern verweilt, stets wieder luf das Erlebnis zu sprechen kommt, las der Eucharistische Kongreß von L912 für seine jungen Priesterjahre bedeutete, läßt darauf schließen, daß is sich bei dieser Erwähnung nicht nur im eine Anknüpfung der Höflichkeit landelt, sondern daß er diese Herbst-:age zu Wien als ein weltkirchliches Ereignis empfand, dessen Nachklingen ihn selbst heute, da er die reichste Ernte, die einem Priester zuteil werden kann, einzufahren beginnt, nicht /erlassen hat. Dem Eucharistischen Kongreß von
Zu Spielzeitbeginn präsentierten die drei bedeutendsten Sprechbühnen noch einmal die österreichischen Jahresregenten des Theaters. Nestroys „Talisman“ war in der festspielmäßigen Aufführung der diesjährigen Bregenzer Spielzeit ein guter und passender Beginn für das Akademietheater. Das Volkstheater ging unkonventionelle Wege. Es grub ein Werk Nestroys aus, das bei der Uraufführung 1873 durchgefallen war und nach drei Wiederholungen abgesetzt werden mußte Liest man heute die zeitgenössischen Kritiken nach, weiß man eigentlich nicht einmal so recht, warum. „Eine Wohnung ist zu
Die Zuschauer von' 1609 waren bestimmt andere Menschen als wir. Nicht nur, daß sie in den Begriffswelten von Himmel, Erde und Hölle, die für uns zu literarischkunstgewerblichen Stilformen geworden sind, mit ihrer stets nach oben und unten hin „offenen“ Existenz zu Hause waren. Sie nahmen Zwischentöne und Nuancen wahr, die heute an uns vorübergehen. Sie wußten, daß mit dem „Doktor von Paris“ eine ganze Generationenreihe der hochmütigen individualistischen Gelehrsamkeit gemeint war — von Abälard bis zu den Jansenisten —, sie wußten, daß der die Bekehrung erlebende Bruno
Die Szenerie für ein „Großes Welttheater“ wäre an diesem 13. August verhältnismäßig einfach zu erstellen. Diiie Oberbühne ist schon aufgebaut. Sie wird beherrscht von jenen beiden Menschen, die zum ersten Mal in der Geschichte den Schwerekreis der Erde nicht nur für kurze Zeit verlassen haben, um nach vorgeschriebener Bahn wieder heruntergeholt zu werden, sondern die damit begonnen haben, sich in der oberirdischen Sphäre wohnlich einzurichten, die dort miteinander in Funkverbindung getreten sind, die sich jenseits der Erdschwere zur Nachtruhe begeben und die bald imstande sein
Unter den klassischen Wiener Operetten hat der „Zigeunerbaron“ wohl mit das interessanteste Textbuch. Die von Schnitzer etwas versüßlichte Erzählung Maurus Jokais besitzt literarisches Eigengewicht. Wenn es dtvrcheinandergeht und der spanische Erb-durcheinandergeht und der spanische Erfolgekrieg unversehens mit der Malkon-tentenverschwörung und der Theresianischen Keuschheitskommission in zeitlichen Einklang gebracht wird, so bleibt doch eine Grundsubstanz des Ungarntums übrig, die hier noch unverfälscht von späterer Operettensentimentalität geblieben ist. Wir merkten der in diesem
Merkwürdig: Noch vor zehn oder zwanzig Jahren hätte man angesichts dieser teils „erschrecklichen“, teils pikanten „Moritatenzeichnungen“ überlegen gelächelt und sich so manches auf das fortgeschrittene intellektuelle Bildungszeitalter zugute getan, das ja vom primitiven Bild zum abstrakten Buchstaben fortgeschritten ist. Überblickt man heute die Welt der „Comics“, betrachtet man die fast schon wieder „gestellt“ wirkenden Reportagebilder, dann wird man stiller und bescheidener. Was Tschinkel hier mit graphischem Verständnis gesammelt hat, ist nicht nur ein Lachkabinett: es
Hugo von Hof mannst haj, dem man sonst nicht immer zu Unrecht den Vorwurf des Nachempfindens, der Stilkopie und Altertümelei macht, hat mit dei Intuition des Dichters das eigentlich „Katholische“ in des Spaniers Calderon „Großem Welttheater“ erfaßt. Es liegt, im Gegensatz zum nominalisti-schen Theater des Spätmittelalters („Jedermann“), dem es auf den Durchbruch des einzelnen zum absoluten Gott ankommt, in der weisen Anerkennung der Herrschaftsgewalt der „Frau Welt“. Es ist das von Thomas und seiner Schule immer wieder gegen jeden theologischen Radikalismus verteidigte
Die von den Alten „Non“ genannte Stunde — zwischen dem heißen Mittag und dem Sonnenuntergang — gehört nicht zu den glückverheißenden. Auf ihr liegt die Last und Glut des Tages. Der rätselhafte „Mittagsdämon“ soll in dieser Zeit seine Pfeile verschießen.Wer am vergangenen Fronleichnamstag um diese Stunde durch die Straßen der Wiener Innenstadt ginig, konnte den Mittagsdämon zwar nicht sehen, aber sehr gegenwärtig in der schwülen Luft spüren. Zu sehen war ja zu dieser Zeit überhaupt niemand: kein Auto, keiner der vielen Fußgänger. Und zu hören war nur das Klappen der
Man mag Arthur Schnitzlers Einakter „Die letzten Masken“ vom Milieu (dem Sterbendenzimmer einer Lungenheilanstalt) her, als bedingt durch eine Zeit- und Literaturmode abschätzig beurteilen, man mag ihm die zum Teil konventionelle, zum Teil skizzenhafte Art der Charakterzeichnung tadelnd ankreiden: er hat einen Wesenskern, der so existentiell österreichisch ist, daß man die Intendanz der Wiener Festwochen nur zu dem Fingerspitzengefühl beglückwünschen kann, mit dem sie gerade dieses Werk für den Mittelpunkt der Festwochenehrung des Dichters im „T h e a t e r an der Wien“
Der Name „Kellertheater“ wird in Wien so vieldeutig, daß man ihn kaum noch anwenden kann. Denn was haben zwei Abende wie der in der „Courage“ und der im „Experiment“ miteinander zu tun, abgesehen von der architektonischen Tatsache des Souterrains? (Und was haben sie nebenbei mit dem Festwochenmotto von den „Meisterwerken des Volkstheaters“ gemein?) Lassen wir die Kategorien also weg und nehmen wir die Erscheinungen als ein Nebeneinander zur Kenntnis, das uns gerade wegen seiner großstädtischen Verschiedenheit erfreulich scheint.Im Theater der Courage ist man des „trockenen
An drei hintereinanderliegenden Theaterabenden dieser Festwoche drei N e s t r o y-Aufführungen, die jede in ihrer Art für einen der möglichen Interpretationsstile dieses von Jahr zu Jahr in neuen Facetten aufblitzenden Wiener Großmeisters repräsentativ waren. Drei Abende im Zenit des diesjährigen Festwochenmottos „Meisterwerke des Volkstheaters“.„Früh-Nestroy“, da und dort sogar historischer „Vor-Nestroy“: das war die Aufführung des Pawlatschenthea-t e r s, die wir heuer vor dem Pötzleins-dorfer Schloß, natürlich nicht vor der „Verschwender“-Fassade, sondern
Der Kardinal-Erzbischof von Wien, dem nach der großen Gemeinschaftsfeier des Meßopfers im Salzburger Dom das resümierende Schlußwort dieses österreichischen Katholikentages vorbehalten blieb, bewahrte die Versammlung der zweitausend Delegierten vor zwei Gefahren, die da und dort in den einzelnen Phasen der Vorbereitung aufgetaucht sein mochten: vor einer in der Natur der Themenvielfalt liegenden Übergeschäftigkeit, einer Zersplitterung in Einzelbereiche, von deren Bewältigung alles Heil kommen sollte:„Was nützen uns alle unsere Bestrebungen zur Reform der Gesellschaft, unser Mühen
Gerhart Hauptmanns Tragikomödie „Die Ratten“ steht an der großen Wegscheide zwischen Naturalismus und Expressionismus auf dem deutschen Theater. Aber es kann trotzdem kein Zweifel bestehen, daß sie ihrem Grundstil nach wesentlich zur Welt des Naturalismus gehört. Die persönliche Tragödie, die zeitlosmenschliche Handlung wächst aus dem „Milieu“, die Gestalten des Dramas bleiben bis- auf ganz wenige, deutlich gekennzeichnete Augenblicke voni Dichter her in „ihrer“ Welt. Das klassische Höftheaterpathos, mir dem sich der Schauspielertheologe Spitta (eines der vielen
Hundert Jahre und mehr sind seit dem Wirken Don Boscos verflossen. Seine Heiligsprechung unter Pius XL, die schon verhältnismäßig bald nach seinem Tode erfolgte und mit der nicht eben häufigen Ausdehnung des Festes auf den Bereich der gesamten Weltkirche verbunden war, hatte ihren signifikant-pädagogischen Sinn: Einer Zeit, in der sich das „Halbstarkenproblem“ erst in den Konturen abzeichnete, sollte von Anfang an das ghadenhafte Heilmittel gezeigt werden. Dieser Don Bosco hat als ein genialer Einzelner fast alles von dem vorweggenommen, was später methodisch und manchmal auch zu
Ob I b 6 e n die philosophische Theologie Kierkegaards kannte, als er vor knapp hundert Jahren seinen „Peer Gynt“ schrieb, ist schwer zu ergründen. Wir wissen daher auch nicht philologisch genau, ob die bemerkenswerte Inszenierung, mit der sich das Volkstheater zum Ende dieser Spielzeit erneut als die geistig lebendigste Bühne Wiens legitimierte, den von allen überlagernden Schichten befreiten „Ur-Peer-Gynt“ zu Tage förderte. Eines aber steht fest: dem aus Hamburg kommenden Regisseur Ulrich E r f u r t h gelang eine nordlichthelle, bis ins Letzte klar durchdachte Interpretation
Nur ein ganz oberflächlicher Beobachter, der sich mit dem Überfliegen der Schlagzeilen in der deutschen Presse begnügt, vor allem in jener, die vor einigen Wochen den „diplomatischen Bruch mit Washington“ erfand, um ihn jetzt angesichts des ferienruhebedürftigen Konsumpublikums wieder von der Bildfläche bin-wegzupraktizieren, kann sich mit den nichtssagenden Bonner Kommuniques zufrieden geben, die davon künden, daß nun alles wieder gekittet und in Ordnung sei. Selbst wenn wir uns hier nicht mit dem weltpolitischen Aspekt der deutschen Situation befassen und nichts über die
Daß der Mensch in der klassischen Dichtung ganz Gleichnis und doch ganz Mensch sein kann, bewies die Inszenierung Leopold Lindtbergs von L e « s i n g « „Nathan der Weise“ am Burgtheater. Nach einer berühmten Definition ist das wahre Konservative nicht dem Vergangenen, sondern dem Ewigjungen verpflichtet. Eben die« gilt auch für die rechte Klassikeraufführung. Sie hat nichts mit Traditionspflege und edler Langeweile zu tun, sondern sie läßt den dichterischen Handlungsvorgang unmittelbar zum Leben erstehen, in der Morgenfrühe des ersten Tages. Leasings makellose, bis
Zugegeben: Man schreckt, wenn im Volkstheater der Vorhang zu Shakespeares „Viel Lärm um nichts“ aufgeht, zunächst einmal verblüfft zurück, wenn man das Bühnenbild (Georg S c h m i d) und die Kostüme (Maxi Tschunko) sieht. Was soll das für eine ausgefallene Regieidee sein: Shakespeare in das biedermeierlich-weltschmerzliche Italien der Restaurationsepoche verlegt und noch dazu mit Schubertschen Melodien, an einem der Höhepunkte sogar mit dem durch das „Dreimäderlhaus“ unrühmlich populär gewordenen Militärmarsch untermalt? Diesmal stammte das Konzept nicht einmal von Gustav M
So nahe uns auch die Zeit Ferdinand Raimunds mit ihrem nicht einmal anderthalb Jahrhunderte großen Abstand sein mag: wir wissen nur sehr wenig von dem, was die Menschen damals wirklich geglaubt haben, wie sich in ihrem Bewußtsein die Wirklichkeit schichtete. Raimunds Realismus ist nicht einfach nur das derb-diesseitige Widerspiel zu einer übrigens jedes auch nur annähernd christlichen Symbols entbehrenden „Oberwelt“ der Feen, Genien und leibhaftig zitierten klassischen Götter. Die Einteilung des mittelalterlichen Theaters mit ihrer strengen Scheidung der Welten und Sphären würde
Obwohl dieses von Norbert Rocholl sehr flüssig ins Deutsche übersetzte Buch in seiner französischen Originalfassung wohl schon vor mehr als einem Jahr erschienen sein dürfte, trifft es mitten in eine sehr aktuell gewordene Auseinandersetzung. Seit dem mit besonderem Nachdruck verkündigten Willensakt des Papstes, der lateinischen Sprache im religiösen Leben wieder den ihr traditionell zukommenden Rang zu geben, hat eine erregte Auseinandersetzung über die Konsequenz und Tragweite dieser etwas überraschenden Anordnung eingesetzt. Inzwischen hat sich bei genauem Studium des Textes
Regieführen ist eine echte, eigene Kunst. Dort, wo sie an einer großen Bühne und mit einem Ensemble von vollendeten Schauspielern geübt wird, kann der Laie die lenkende Hand hinter den einzelnen Leistungen nicht immer erkennen. Das Theater der Courage ist zwar ein sehr ambitioniertes und gewissenhaft arbeitendes, aber kein „großes“ Theater. Es muß sich seine Darsteller immer wieder für ein Stück zusammenholen und, wie die anderen Kleinbühnen, oft den nehmen, der gerade frei ist und nicht allzu hohe Gagenansprüche stellt. Auch Arthur W a t-k y n s Kriminalkomödle „Schönes
Ebensowenig wie Firandello, dessen Vaterschaft zur moderneu Dramatik immer deutlicher erkennbar wird, glaubt der heute etwas über dreißig) ährige Engländer Harold P i n t e r an jene absolute Wahrheit, die sich folgerichtig in den dreidimensionalen Bühnenraum, der ja einst eigens zu ihrer Darstellung geschaffen wurde, übertragen ließe. Er schreibt „Es gibt keine klare Trennungslinie zwischen dem, was wirklich ist, und dem, was unwirklich, und zwischen dem, was wahr, und zwischen dem, was falsch ist.“ Das Merkwürdige ist nur, daß er seine Werke dennoch im dreidimensionalen Raum
HÄRESIEN DER ZEIT. Ein Buch mr Unterscheidung der Geister. Herausgegeben von Anten Böhm. Verla* Herder, Freiburg, 1961. 440 Seiten. Preis 34 DM.Die Worte von der Häresie und dem Glaubensabfall gehören zu den „harten Reden“, die seit den Tagen des Evangeliums die Vielzahl der sonst glaubensbereiten Jüngerschaft „nicht hören will“. Man hat bei der Behandlung dieses Themas in den Epochen der Vergangenheit gewiß manchen Extremfehler begangen. Die Zeit der heftigen Apologetik mit ihrem ..Ketzerhammer“, der Stil des konfessionellen Grobianismus, der sich bis ins 19. Jahrhundert
Großes Zeittheater setzt Zeichen, statuiert Exempel. Das ist seine Aufgabe, zu der wir bedingungslos ja sagen, wie immer das Zeichen den jeweiligen Zeitgenossen gefallen mag. Nun hat dies freilich seine harten, methodischen Gesetze. Zwei Wege sind gleichberechtigt gangbar: die schonungslos realistische, dokumentierte Darstellung eines uns in seiner Auswirkung unmittelbar treffenden — also historischen — Sachverhalts oder die gleichnishafte, die je und je verschiedene Wirklichkeit in einen Klammerausdruck setzende Verdichtung. Ibsens „Gespenster“, Hauptmanns „Rose Bernd“, Molteres
i.1 „Diesmal geht es in angenehmer Stimmung in den Krieg.“ Das soll, dem Bericht eines der geistreichsten internationalen Reporter zufolge, in diesen Tagen ein „über dem Whiskyglas“ philosophierender amerikanischer Korrespondent an der Bar in Genf gesagt haben. „Wir werden weiter sondieren, wenn alles in Scherben fällt“, sollen zur gleichen Zeit andere Journalisten in makabrer Parodie vor sich hingesungen haben, als sie wieder einmal eines der vielen nichtssagenden Kommuniques am Ende der jeweils mit schwach glimmender Hoffnung erwarteten Sondergespräche im kleinen und kleinsten
Für Eugene S c r i b e war Politik nur ein mehr oder weniger amüsanter Anlaß, ungemein wirksame Vorstellungen zu geben. Gewiß hatte er auch selbst ein Gesinnung: Es war die gemäßigte liberale der Bürgerkönigszeit, in der er die Vielzahl 6einer Komödien schuf. Und als später Enkel der Aufklärer sab er mit ihnen die Weltgeschichte als ein Buch an, aus dem sich immer wieder lehrreiche Exempel ablesen lassen. So etwa die Geschichte des lebensklugen Lord Bolingbroke, der zur Zeit des spanischen Erbfolgekrieges den britischen „sacro egoismo“ in die Tat umsetzte und sein Land samt
Shakespeare hat in allen seinen Königsdramen Tendenzstücke in des Wortes bestem Sü>n geschaffen. Sie dienten nicht nur dem herrschenden Hause der Tudor, das die Epoche der das Land zerreißenden spätfeudalen Fehden beendete und dem damals zeitnotwendigen zentra-listischen Absolutismus die Grundlage schuf, zur höfischen Verherrlichung. In den Generationenfolgen der Plantagenet, Lancaster und York, die von Richard II. an als ein inneres Ganzes gesehen werden wollen, spiegelt sich seine eigene Geschichtsphilosophie: Sie verherrlicht nicht den starken Mann, den „Weltgeist zu Pferde“,
Man ist schnell bereit, die Gesellschaftsstücke Henrik 1 b > e n s als überholt zu bezeichnen. Nicht nur die soziale Problemstellung, auch die in den „Stützen der Gesellschaft“ praktizierte Lösung ist es sicher. Denn der gesellschaftliche Grundwiderspruch, der darin liegt, daß der unumgängliche technische Fortschritt der liberalen Gründerjahre ebenso unumgänglich zur Machtkonzentration und zur Beseitigung jener „alten“ Arbeitsformen führen muß, um die der Schiffsbaumeister Aune (Benno S m y 11 in einer der besten Szenen des Abends) vergeblich kämpft: dieser Widerspruch
Als sich die Katholiken vor nunmehr zehn Jahren zum erstenmal seit fast zwanzigjähriger Pause in Wien zu einem gesamtösterreichischen Katholikentag zusammenfanden, galt es, die äußere Position der Kirche und dessen, was man im Anklang an einen mittelalterlichen Begriff „die Christenheit“ nennt, in einer völlig veränderten Umwelt zu bestimmen. Mochte damals noch mancher äußere Anschein trügen, manche stehengebliebene Fassade für ein Gebäude gehalten worden sein: den zahlreich gewordenen Sehenden war es schon bei der den Katholikentag vorbereitenden Studientagung von Mariazell
Bei Gustav Mankers Inszenierungen kann man eines sicher wissen: Daß dieser Regisseur sich wirklich etwas gedacht, daß er das Stück nicht nur gelesen, sondern auch studiert hat und daß er die Fähigkeit besitzt, seine Erkenntnis nicht nur in den Dialog, sondern auch in die Raumvision umzusetzen. An sich Selbstverständlichkeiten des Berufes, heutzutage aber durchaus erwähnenswert. Bei all dem kann ihm frei-lisri eines passieren: daß er zuviel gedacht hat und daß das von ihm geschaffene Stück neben dem vorliegenden Text ein zwar interessantes, aber nicht ganz zur Deckung gekommenes
I.Durch fortgesetztes Reden kann man Dinge umbringen. Durch fortgesetztes Reden kann man aber manche Dinge auch herbeizitieren. Als die deutsche Öffentlichkeit in den Tagen des Jahresbeginns mit einiger Verzögerung den Wortlaut des sowjetischen Memorandums vom 27. Dezember bekanntgemacht bekam, geschah dies zunächst einmal mit offiziellen und offiziösen Kommentaren, die das Schriftstück als belanglosen Versuchsballon entwerteten. Bonn gab sehr schroff und eindeutig zu verstehen, daß es an eine Beantwortung nicht einmal dächte.Inzwischen aber lag das Papier auf dem Tisch. Jedermann hatte
Merkwürdig: Als Peter Weck in Gestalt des Schweizer Berufssoldaten Bluntschli die Bühne des Akademietheaters betrat, da schien es uns, als ob „H e 1-d e n“ von Bernard Shaw ein Stück des 20. Jahrhunderts, sogar seiner zweiten Hälfte sei. War das nicht sogar der junge Mann, heiter-desillusionierter Sprecher der skeptischen Generation, der in Anouilhs „General Quichote“ ein so sympathischer Widerpart gewesen war? Konnte man diese Sätze, die so ganz aus dem Vollmenschlichen erwachsenen Erläuterungen zum „Lebensprinzip“ Shaws eigentlich anders sprechen, hat man sie jemals anders
Unsere gegenwärtige dramatische Produktion ist — von wenigen, größtenteils französischen Ausnahmen abgesehen — nicht für die Bildung dessen geeignet, was man ein Repertoire nennt. Was immer uns Jahr für Jahr an neuen Stücken begegnet, ist schon eine Spielzeit später vergessen. Ein Regisseur, ein Schauspieler, ja auch nur ein durchschnittsgebildeter Theaterfreund mußte noch vor dreißig Jahren wissen, wer „der“ Henschel, „die“ Hilde Wangel, „das“ süße Mädel ist. Wer aber könnte heute, ohne Spezialkenntnisse zu besitzen, auch nur die Hauptperson eines Dramas von
Daß Friedrich Dürrenmatt eine eigene Handschrift — und dazu eine mit der Theaterpranke geschriebene — besitzt, hat er der Welt mit seinem bisher vollendetsten Meisterwerk, dem „Besuch der alten Dame“, und schon zuvor mit den „Ehen des Herrn Mississippi“ bewiesen. Es bleibt schleierhaft, warum er sich jetzt in die epigonale Gefolgschaft Bert Brechts einreiht, dieweil Brechts episches Theater selbst immer mehr zum Zeitdokument, also unnachahmbar und unwiederholbar, wird. Dabei bleibt der Schüler dem Meister am entscheidenden Punkt die Nachfolge schuldig. Brechts Theater geht von
Um; wieviel leicbtetiattp^s eutvpejHjer,, , inaler der Böhne Bflgfif vorM*m, paar Jalu! zehnten, wenn er nach Modellen zum Thema „Österreich schlechthin“ Ausschau hielt. Zwar bestand die alte Donaumonarchie auch damals schon nicht mehr, als Otto I n d i g zwischen den beiden Welt-kriegen seine Komödie „Die Braut von Torozko“ schrieb. Aber die eben dem „Völkerkerker“ entkommenen und in die neuen, kleineren Käfige noch nicht eingezogenen Völkerschaften tummelten sich noch reichlich degagiert im Leben umher. Zudem gab es auch in Wien ein breites Publikum, das wußte, wo Torozko
Walter L i e b 1 e i n ist ein Mann, der es sich zeitlebens bestimmt niemals leicht gemacht hat. Der Impuls, aus dem dieser Altösterreicher seine „Energie der Geduld“ gewonnen hat, ist aber weniger der des Künstlers als der des Pädagogen. Und es jsem pädagogisches euy volksbildne-risch'es Ejerrient, mit dem er jm Programmheft des V o l'k s't he'a t er s jedem denkbaren ästhetischen Einwand gegen seine Dramatisierung des „I d i o t“ (nach Dosto-jewskij) von vornherein zu begegnen sucht. Aber der Einwand, der sehr gewichtige Einwand bleibt: Gerade weil seine Dramatisierung um vieles
Kaum einer, der nicht ein völlig ahnungsloser Dilettant ist, wird es heute wagen, sich ein auch nur vorsichtig kommentierendes Urteil über die internationalen Nachrichten eines einzigen Tages anzumaßen. Die Zeitungen tun sehr gut daran, jeweils beim Auftauchen eines neuen exotischen Krisenherdes eine möglichst instruktiv gezeichnete Karte zu veröffentlichen, die der großen Mehrheit ihrer Leser das geographische Zurechtfinden ermöglicht. Ein kurzer länderkundlicher oder historischer Hinweis ist ebenfalls unerläßlich geworden. Aber was heißt das schon? Wissen wir wirklich etwas über
MENSCH UND WELT IN DER ENTSCHEIDUNG. Von Leo Gabriel. Verlag Herder, Wien. 136 Seiten. Preis 42 S.Die Weisheit des Konfuzius, der erklärte, man müsse die Ordnung des Staates mit der Ordnung der Gedanken beginnen, gilt noch immer. Daß der wissenschaftliche Sozialismus, den Marx und Engels begründeten, einen der größten Versuche darstellt, die gesellschaftliche Wirklichkeit von einem einzigen Angelpunkt her zu erfassen, in ein geistigkonzipiertes Koordinatensystem zu bringen, steht für die politische Geschichtsschreibung fest. Und niemand kann übersehen, daß die großen theoretischen
Ganz unbeschwert und in spielerischer Festtagslaune konnte man diese lahres-wende nicht begehen: nicht einmal bei Oscar Wilde. Ernst Lothar, der mit seiner Inszenierung des „Idealen Gatten“ am Burgtheater seiner eigenen Regietätigkeit eine abschließende (aber wohl doch nicht endgültige) Zäsur setzte, bewies dies. Man hat bei dieser Salonkomödie zu ihrer Entstehungszeit wohl in erster Linie die reine „Intrige“, die Gesellschaftshandlung zwischen Sar-dou und Sudermann gesehen. Als man dies für überholt hielt, legte man alles Gewicht auf die Gestalt des Lord Goring. Man servierte
Still und doch nicht langweilig, besinnlich und doch nicht sentimental geht es am Theater im Zentrum zu, wenn Andrė Obeys Weihnachtsspiel ,.U m Mitternacht" (übrigens fast immer vor ehrlich ausverkauftem Haus) aufgeführt wird. Das liegt nicht zuletzt am Stück selbst, das eine weitere Perspektive erkennen läßt, als sie die vordergründige Handlung auf den ersten Blick zu bieten scheint. Die von der Mißgunst und Herzenskälte der Umwelt bedrohte Laienaufführung eines Krippenspiels, das sich am Ende auf das stille Atmen und Hauchen von Ochs und Esel beschränken muß, verlegt Obey nicht
ALT-WIEN ER PALETTE. Von Franz Joseph Grobauer. Im Selbstverlag, Wien. 142 Seiten.Wer über Wien schreiben will, hat es nicht viel besser als jener Neuling, der einst Leo XIII. bekanntgab, daß er ein Buch über Rom schreiben wolle. „Das können Sie nur, wenn Sie entweder zehn Tage oder aber mindestens zehn Jahre hier gelebt haben“, lautete die Antwort. Die Klischeefabrikanten aus dem In- und Ausland haben schon, fast alles zu Abziehbildchen verarbeitet. Manche Wiener Kulturhistoriker versuchen dem wuchernden Kitsch dadurch zu entgehen, daß sie sich hinter dem Gestrüpp einer
„Was habe ich jetzt Dummes gesprochen", soll ein antiker Staatsmann leise und entsetzt zu seiner näheren Umgebung gesagt haben, als ihm plötzlich aufbrausender Beifall der großen Menge entgegenschlug. Es ist allerdings nicht überliefert, was er dann tat. Ob er einfach weitersprach oder seine Worte erschrocken widerrief. Der Rezensent war bei der jüngst vergangenen Premiere des Volkstheaters „Protektion6kind“ in einer vergleichbaren Situation. Während dieses Bühnengeschehens aus der vorgeblichen Wirklichkeit von 1894 fielen ihm einige kritische Formulierungen zur Charakteristik des
In seinem großen Stammhaus zeigte das Theater in der J o s e f s t a d t das Possenspiel von den Streiche des „S c a- p i n“. Es war — nach einer Vorlage von Moliėre — von und für Curt Bois. Dagegen wäre kaum etwas einzuwenden, denn gerade dieser etwas apokryphe Text des Franzosen ist kein unverletzliches Heiligtum. Wenn ihn Bois in die Gegenwart übersetzt hätte. Aber er übertrug ihn in ein Zwischenreich, in dem er selbst wohl ganz daheim ist, in das ihm aber kaum ein anderer Darsteller zu folgen vermochte. (Vom Regisseur Otto Schenk, der sich etwas schwerfällig um die einfach
Man kann Lessings „Emilia Galot t i“ gewiß heute noch spielen. Aber man muß dieses bis in die Diktion, bis in den inneren Sprachrhythmus hinein „sächsisch-helle“ Stück von einem Grundgedanken her erfassen und in die gegenwärtige Bewußtseinslage transponieren. Man hätte sich dies vom Leitmotiv „Bedrük- kung und Enge" her denken können, als ein bürgerliches Trauerspiel vor „Kabale und Liebe“, ein föhniges Wetterleuchten vor der Schillerschen Gewitterexplosion. Man hätte es freilich auch ganz anders interpretieren können: als historischenSittenspiegel, als
Wir haben eine nicht eben unglücklich Begabung darin, unangenehme Realitäten beiseite zu schieben. Dies kann auf zweierlei Weise geschehen. Einmal dadurch, daß man sie „gar net ignoriert”, zum anderen aber dadurch, daß man sie derart bengalisch beleuchtet, daß ihnen der unmittelbare Wirklichkeitscharakter abhanden kommt. Wenn nämlich eine bestimmte Entwicklung als so schicksalhaft („fatal”) erscheint wie der Schlußakt der „Götterdämmerung”, dann erübrigt sich eigenes Nachdenken und Handeln schließlich auch. Wenn einmal „Walhalls prangende Burg” als Ganzes vom Brande
Arthur Miller wählt die direkte Form des Angriffs. Er nennt beim Namen, heute und hier, was er als das Böse, die Sünd („Sonderung”), unserer Gesellschaft ansieht: den fälschlich Familiensinn genannten Clan-Egoismus des kapitalistischen , V r ienertums, das wein, Krebsgeschwür. die demokratische Gesellschaft durchwuchert; Er führt die Auseinander-. le’tng iäif dem verh’äftrflsmtiftg töttäkt gebliebenen guten Gewissen der amerikanischen Unabhängigkeitsdemokratie, die sich eben zur Entstehungszeit des Stückes erneut in einem Sieg über die Tyrannis auf der Welt bestätigt
Gleich dreimal hatte der Rezensent in der Vorwoche in die tiefer gelegenen Regionen des Wiener Theaters niederzusteigen. Das Traumreich der „Reichsgründer”, durch den jungen, fciihverstorbenen Franzosen Boris V i a n errichtet, zielte zwar in schwindelnde Höhen. Im Grunde gibt es hier aber kein Oben und kein Untep. „Das Schmürz” ist ein Werk aus dem Reich zwischen Intellekt und Mimus, der naturalistischen, wie der einfach-symbolistischen Deutung entzogen. Gewisse Zeit- und Gesellschaftsbefindlichkeiten sind hier auf eine theatralisch übersetzbare Formel gebracht, die unheimlich
An denen, die die Pfeile schmiedeten, spitzten, schärften, mit ausgesuchtem Gift präparierten, lag es gewiß nicht: Weder an Richard Brinsley Sheridan, der die britische Gesellschaft von 1780 (nicht, wie im Programmheft zu lesen, die von 1700) beschoß, noch an Carl S t e r n h e i m, der dies, um einige Nuancen giftiger noch, der deutschen von 1910 besorgte. Wenn es diesmal gleich an zwei Orten danebenging — im Volkstheater, das Sheridans „Lästerschule” in einer leider zu wenig „freien”, das heißt nicht konsequent genug ins Heute übersetzten Bearbeitung spielte, und in der
Wer das Publikum seiner Zeit erschüttern, aufrütteln oder auch nur /um Nachdenken bringen will, muß die Wellenlänge kennen, die für die jeweilige Generation aufnehmbar ist. Karl Schönherr schrieb sein Trauerspiel „Frau Suitner” für Menschen, die eine starke Dosis direkter Gefühlsaussage vertrugen, ja verlangten. Er war Arzt und schien genau gewußt zu haben, was die Anweisung „quantum satis” auf einem Rezept bedeutet. Bei ihm geschieht immer genau das, wird immer genau das gesagt, was dramaturgisch und inhaltlich unbedingt nötig ist. Das Mehr, die problematische
„LEO HAT GESPROCHEN - PETRUS HAT GESPROCHEN” sollen die Konzilsväter von Chalcedon nahezu einstimmig ausgerufen haben, als ihnen die Legaten Leos des Großen den grundlegenden dogmatischen Bescheid dieses ersten, in die politische Weltgeschichte eingetretenen Papstes — er starb fast auf den Tag genau vor eineinhalb Jahrtausenden — verkündeten. Wer immer seit damals bis heute das innerste Wesen des Papsttums verstehen wollte, muß es von diesem Kern her erfassen. Der Papst ist der geheimnisvoll fortlebende Petrus — nicht mehr’ und nicht weniger.Er ist nicht mehr als ein schwacher,
Ohne viel Aufsehen hat die internationale Organisation der christlichen Demokratie vor einiger Zeit ihren Namen geändert. Als sich in einem hoffnungsvollen Frühling des Nachkriegsjahres 1947 die führenden Persönlichkeiten der zum Großteil erst neu gegründeten oder aus der Nacht der nationalsozialistischen Besatzungszeit soeben wiedererstandenen christlich-demokratischen Gruppen zu Luzern versammelten, nannten sie ihren losenZusammenschluß Nouvelles Equipes Internationales (NEI). Sie verzichteten zunächst darauf, das aus den verschiedensten Traditionen kommende Fußvolk ihrer Parteien
Hätte Strindberg diese Geschichte geschrieben, den „Totentanz" des egozentrisch in sich selbst gefangenen Ehepaares und der in unerfüllter Sehnsucht verblühenden alten Jungfer — wir hätten eine Menschheitstragödie mehr. Hätte Tennessee Williams den Stoff in die Hand bekommen: es wäre nicht ohne strengstes Jugendverbot abgegangen. So aber ist diese unerfreuliche und trostlos-pessimistische Dreieckskatastrophe in die Hände Anouilhs gefallen. Und siehe da; er unterlegt ihr ironisch einen „W alzer der Toreros“ und verwandelt sie in ein neues Exempel für seine allen seinen Stük-
Die Glocke „donnert” bei Carl Zuckmayer zwar kein „mächtiges Eins”, um die Geister des „Totentanzes” in die Tiefe zu stürzen. Dafür besorgen das die Trommeln des Pelotons hinter der Szene, dieweil der malariaverseuchte Held in den Armen eines Krankenschwestermütterchens hinscheidet. Aber das, was wir bei der Uraufführung des Burgtheaters unter dem Titel „Die Uhr schlägt eins” zu sehen bekamen, ist wirklich nichts anderes als das in allen verdorrten Gelenken krachende Gerippe eines einst blühenden Lebens.„Historisch” (wahrscheinlich im Sinne Heideggers gemeint) nennt
Das heutige Theater kommt bei der Definition dessen, was man sehr ungenau und verschwommen „Liebe” nennt, ohne die französischen Autoren einfach nicht aus. Aber sie sprechen in immer neuen Varianten eben doch nur von dem, was sie „l’amour” nennen und was trotz aller Versuche nicht ins Deutsche übertragbar ist. Die Wiener Sprechbühnen haben unsere Kenntnisse auf diesem nie auszuschöpfenden Gebiet um zwei interessante Spielarten erweitert.Das Theater in der Josefstadt spielte in seinem Kleinen Haus (Konzerthaus) Jean Anouilhs „Heme1in”. Ein Jugendwerk, wie es gleich von
I.Es sagt sich leichthin, das Wort „Lausbüberei“. Und indigniertes Kopfschütteln über ein „sinnloses“ Sprengstoffattentat erspart manchem anderweitige Anstrengung eben dieses Kopfes. Aber ganz so einfach kann man es sich eben doch nicht machen.Wir sind keine Kriminalisten, und nichts liegt uns ferner, als mit voreiligen Hypothesen der — wie wir im übrigen dringend hoffen — schonungslosen und keine Rücksicht auf Verbindungslinien irgendwelcher Art übenden Untersuchungsarbeit unserer Behörden vorzugreifen. Aber niemand kann uns verwehren, den eigentlichen Hintergrund
In einem mutigen Zyklus „Spiegel der Zeit“ präsentiert das Volkstheater ein wichtiges, bedenkenswertes Stück. Carl Sternheim schrieb das peitschende Schlußfanal seines „bürgerlichen Heldenlebens“ in einem von der Weltgeschichte kaum sehr beachteten Jahr. Dennoch gab er ihm den erst im Nachhinein symbol- trächtig gewordenen Titel „19 13“. Die expressionistische Satire richtet sich, von einem „verzweifelt Deutschen“ (nach der Definition Thomas Manns) geschrieben, mit notwendiger Direktheit an das eigene Volk, haarscharf und ohne abschwächende Verallgemeinerung an eine ganz
Merkwürdig ist das in diesem Herbst. Es scheint, als hätten sich die Wiener Bühnen zu einer Art Ausflugsprogramm aus der Gegenwart (die natürlich nicht mit deren naturalistischem Abziehbild verwechselt werden darf) abgesprochen. Gleich drei Stücke in einer Woche, die uns in Traumländer entführten, ohne mehr als die Andeutung eines Weges zurück zu geben. Am dichterischsten — sofern man dieses Wort steigern kann — tut dies ohne Zweifel Georges S c h e h a d ė. „Die Reise“, die dieser hintergründig-stille Libanonfranzose arrangiert, führt zunächst einmal in ein viktorianisches
Zwölf Jahre währte die Erste Republik der Deutschen, im Gegensatz zu Hohenzollern-Potsdam im Goetheschen Weimar begründet. Ebensolange währte die innerpolitische Balance der klassischen demokratischen Kräfte, zu denen durchaus legitim auch ein humanistischer Nationalliberalismus gehörte. Die europäisch orientierten Liberalen Rathenau und Stresemann hatten die außenpolitische Linie dieses Deutschlands von 1918 entwickelt: es war die einer ausgewogenen Mittelstellung mit eindeutiger Verankerung im Westen. Als zwölf Jahre nach 1918 das Kabinett des Sozialdemokraten Müller stürzte und
SYMPATHISCH muß diese auf dem Reißbrett entworfene Militär- und Bürokratenstadt schon damals nicht gewesen sein, als Kaiser Joseph II. sie um die Festung herum anlegen ließ. Sie erhielt 1784 den Namen seiner vor kurzem verewigten Mutter: Maria Theresia. Man behauptet, sie sei als militärischer Hauptstützpunkt einer nach Norden gerichteten Verteidigungslinie geplant gewesen. Aber sie hat diese Funktion nie erfüllt. 1866 wurde die Festung zum letztenmal mobilisiert. Versprengte preußische Patrouillen umritten sie — aus der Richtung Königgrätz kommend. Ein Ausfall der Besatzung
Kann man Spannungen und Entladungen de Drama — auch Wenn sie sehr zeitgebundenen Charakter tragen und nicht 6äkular-klassisehe Konturen zeigen — in solchem Ausmaß und in solcher Intensität zu neuem Bühnenleben erwecken, daß sie vom heutigen Zuschauer als ganz unmittelbares Erlebnis empfunden werden, vor dessen Elementarkraft das intellektuelle Wissen von den „überholten“ Zeitumständen einfach verblaßt und zurück- weicht7 Zwei Wiener Sprechbühnen begannen die heurige Spielzeit mit der Wiedergabe von Werken, denen gegenüber die vorangestellte Frage am Platz ist. Und sie kann
Hätten wir es in diesen Tagen mit einer der großen Krisen vergangener Jahrzehnte zu tun, mit einem Ereignis vergleichbarer historischer Konstellation, zu dem eine Parallelziehung möglich wäre dann stünde es außer Zweifel: Wir hätten den dritten Weltkrieg — den letzten großen Krieg des Menschengeschlechtes wahrscheinlich — vor der Tür. Selbst wenn es in diesem Herbst noch einmal zu dem vielerorts schon beim Namen genannten „München“ käme der moralischen Preisgabe West- Berlins und zum Zusammenbruch der atlantischen Position in der Mitte Europas —, wäre dieser Krieg nicht
Kein Mensch ist imstande, zu gleicher Zeit mehr wahrzunehmen als das, was er in seinem Blickfeld hat. Dieses Blickfeld ist dann noch besonders begrenzt, wenn es von einem grellen Scheinwerfer beleuchtet wird, der durch seine Überhelle schon die nächste Umgebung im Dunkel versinken läßt. Die sowjetische Politik nötigt ganz Europa, auf die Stacheldrahtgrenze quer durch Berlin zu starren, ln Wirklichkeit ist dieser Raum nur ein — allerdings sehr wichtiger — Abschnitt einer Frontlinie, die sich über den ganzen Erdball zieht und für die der europazentrische Name „Eiserner Vorhang“
In der Erklärung der Staaten des Warschauer Paktes vom 13. August, die das Vorgehen des Ulbricht-Regimes in Ost-Berlin nicht nur deckt, sondern geradezu juristisch legitimiert, findet sich inmitten der üblichen marxistischen Terminologie ein Ausdruck, der aufmerken läßt, weil er einer Wirklichkeit Rechnung trägt, die noch vor wenigen Jahren in einem Dokument des Marxismus nicht verzeichnet worden wäre. Es ist dort von einem „gewissen labilen Teil von Einwohnern der DDR” die Rede, die (natürlich durch „Betrug, Korruption und Erpressung”) veranlaßt wurden, nach Westdeutschland zu
So, vielleicht nur so, kann man es heute machen wenn man es schon unbedingt machen muß: Emmerich Kalmans „Csärdäsfürstin” spielen. Das alles wäre im geschlossenen Raum, in der vorgetäuschten Wirklichkeit der Guckkastenbühne wohl viel schwerer erträglich: Die sentimentale Standesproblematik noch weniger als das unverwüstliche „Joj mamam” der Ausgelassenheit, die sich die Welt kaufen will (und dazu gleich den Zweifel äußert, ob sie morgen noch steht). So aber, in Mörbisch, vor dem Hintergrund des Neusiedler Sees, wird das alles in sehr graziöser, fast märchenhafter Weise
„Ich sage mich los von der leichtsinnigen Hoffnung einer Errettung durch die Hand des Zufalls”.Carl von Clausewitz: „Vom Kriege”Es waren nicht nur die um reißerische Titelzeilen bemühten Journalisten, die seit einigen Wochen damit begonnen hatten, die Weltsituation dieser schwülen Sommefmohätb — frei nach jener resignierten Stelle im Buche der Könige, wo von der „Zeit” die Rede ist, „da die Könige in den Krieg zu ziehen pflegen” — mit den Juli- und Augusttagen von 1914 und 1939 zu vergleichen. Sehr verschiedene und sehr ernst zu nehmende Politiker wie Tito und der
DaB die Thematik des Widerstandes gegen das Hitler-Regime zur Idee der Freiheit im Drama gehort, wird niemand bestreiten. Aber, dafi das blofi gegen- standliche Aufgreifen der Thematik nicht geniigt, um sie dramatisch zu bewaltigen, beweisen die Festwochenbeitrage zweier Wiener ■Kleinbuhneni.;LDas:si„T1h e.alt«.F der Courage" hat -elaimThenMU-des osterreichischen Widerstandes in den Mit- telpunkt eines Dramenwettbewerbes ge- stellt und zeigt jetzt das Stuck, dem eine sachkundige Jury den Preis zuerkannte, Sein Verfasser, Arthur West, diirfte Wildgans und Horvath nicht nur sehr eifrig
,,Die Konferenz der Auflenminister in Zurich wird auf jeden Fall statt- finden", sagte Professor Dr. Gschnitzer vor der Presse, als er bekanntgab, daft die vorbereitenden Experten- gesprache am gleichen Ort friiher als erwartet, ergebnislos geendet hatten.„Auf jeden Fall", sagte dent Sinne nach auch der Bundeskanzler, als er in einer dezidierten Erkldrung gegen- iiber abenteuerlichen Geriichten be- tonte, dajl Osterreich unabdingbar an seiner Forderung nach voller rechtlich gesicherter Autonomie fur die (noch) mehrheitlich deutschsprachige Provinz Bozen festhalten werde. Es gelang im
Wieland und Herder machten den „Stürmern und Drängern“ ihrer Zeit den seufzenden Vorwurf, daß „Shakespeare sie alle verdorben habe“. Wenn auch Jean Paul Sartre nicht eben als Shakespeare in die Theatergeschichte eingehen dürfte: „Verdorben“ in diesem Sinn hat er Legionen von jungen Dramatikern, die glauben, es ihm gleichtun zu müssen und zu können. Sie alle glauben,, die Vermischung zweier Elemente gebe schon eine ebenso funkelnde wie haltbare Legierung. Wenn Sartre philosophische Diskussion mit reißerischer Bühnenhandlung mischt, dann wird das bei ihm eben ein neues
,,Alles ist offen.“Dieser Kommentar, den Staatssekretär Dr. Steiner nach den Klagenfurter Verhandlungen — übrigens in voller sachlicher Übereinstimmung mit Außenminister Dr. Kreisky — zur Charakterisierung der Lage gab, kann sehr negativ, aber auch sehr positiv verstanden werden.Offen ist die Frage geblieben, ob es überhaupt zu einer wirklichen sachlichen Annäherung der Standpunkte kommen kann. Österreich hat mit seiner Autonomieforderung für die Provinz Bozen, an der es festhielt und festhalten wird, wie immer diese Forderung im einzelnen und für praktische Verhandlungszwecke
Mag man sich in diesen Tagen in unserem österreichischen Gästehaus damit trösten, daß der „hohe Besuch“ die Risse und Sprünge im Gemäuer, die sich immer weiter ausbreitenden Flecke modrigen Schwamms nicht merken wird, mag man je nach Temperament galgenhumorig oder unentwegt kinderoptimistisch die Vereinbarungen der neuen Regierung über die Beamtengehälter als immerhin noch „geschupftes“ Kompromiß hinstellen: Wir sind dieser Meinung in keiner Weise. Die neue Führung der ersten Regierungspartei hat sich in jene hoffnungslose Defensivsituation hineinmanövrieren lassen, deren
Das kulturoffizielle Österreich hat bislang vom 100. Geburtstag und 20. Todestag des indischen Dichter-Philosophen Rabindranath T a g o r e kaum Notiz genommen. Für den Herbst sind allerdings einige Würdigungsstunden angekündigt. Nun wich gewiß die etwas kritiklose Begeisterung, die die Zeit nach dem ersten Weltkrieg für diesen ersten europäisch verständlichen und übersetzbaren Boten indi- scher Weisheit empfand, heute einer mehr respektvollen Bewunderung für dessen Universalbegabung und Vermittlungskraft. Ganz rein aber äußert sich sein Wesen auch heute noch in der von direkter
Knapp nach der Mitternacht zum 24. April war es, als der Erziehungsminister Frankreichs, Andrė Malraux, Verfasser des Buches von der „condition humaine" an das Mikrophon trat und zu seinen Landsleuten sprach, den „Citoyens“ des französischen Gemeinwesens. Er wiederholte das, was vor ihm Ministerpräsident Debrė angekündigt hatte: Die Hauptstadt stehe unmittelbar in der Gefahr, von rebellierenden Fallschirmjägern,, die im Auftrag der Generäle von Algier stehen, überfallen zu werden. Man müsse stündlich mit der Möglichkeit einer Landung auf einem der Flugplätze rechnen. Die
Zum neunzigsten Geburtstag eines Herrn Mayer aus Stuttgart fand in Wien eine Veranstaltung statt, die man getrost als einen österreichischen Staatsakt, und etwas mehr, in der Chronik unserer Zeit vermerken darf. Das sind nämlich, einzigartig in ihrer Art, die „Geburtstagsfeiern“ und Jubiläumsveranstaltungen des Burgtheaters für seine altverdienten Mitglieder. Hier allein im heutigen Österreich manifestiert sich unser Volk noch als eine Feiergemeinde und Kulturgesellschaft im hohen, guten Sinn des Begriffs. Vergleichbar nur der so ganz andersartigen Feier-stunde für Alma Seidler fand
Von der „neuen Regierung“, nicht von „seiner Regierung“ sprach Bundeskanzler Dr. Gorbach, als er sich am 19. April dem Nationalrat vorstellte. Und er ließ keinen Zweifel daran, daß dieses Kabinett, das voraussichtlich bis zu den nächsten, hart akzentuierten Wahlen arbeiten wird, ein Koalitionskabinett sein wird. Wem das nicht von vornherein klar war, dem wurde es durch die Tatsache, daß die Regierungserklärung in den Etappen einer harten Nachtsitzung zwischen den Partnern abgestimmt werden mußte, drastisch vor Augen geführt. Und doch weist diese Deklaration, deren einzelne
Als Lenin dies in eine wild und rat los diskutierende Versammlung vor Politikern verschiedenster Richtungei hineinrief, war eben die Frage auf' geworfen worden, ob es überhaupi einer Partei möglich sei, die unlösbai scheinenden Probleme nach dem Stur: des Zaren zu lösen. Lenin sprach damals, 1917, für eine Minderheit. Di Gemäßigt-Bürgerlichen, die Liberalen, die bäuerlichen Sozialrevolutionäre, aber auch die festgefügten, theoretisch geschulten Kader der Sozialdemokratie im damaligen Rußland standen gegen ihn.Die Minderheitsposition der Kommunisten in unserem Lande ist wesentlich
Nun ist es so weit.Die Bundesregierung hat dem Antrag des Justizministers stattgegeben und wird den seit Jahr und Tag vorbereiteten Entwurf eines Bundesgesetzes über die Presse (Pressegesetz 1961) in seiner jetzigen Fassung dem National- rat zur Debatte und wahrscheinlichen Verabschiedung zuleiten. Damit ist allerdings die vom Justizminister übernommene Aufgabe verbunden, dem Justizausschuß des Parlaments ausführlich über alle Argumente und Gegenargumente zu berichten, die während der (vertraulichen) Auseinandersetzung innerhalb des Ministerrats der Vorwoche laut geworden sind und die
Seltsam antiquiert muten den, der, vom Ausland her und außerhalb der unmittelbaren Tagesstreitigkeiten stehend, das Ganze zu sehen versucht, die erstarrten Fronten der innerdeutschen Auseinandersetzung in jenem Teile des Landes an, der einer freien Auseinandersetzung überhaupt noch Raum gibt. Gewiß werden im nunmehr begonnenen Wahljahr die Parteien einander im Konkurrenzkampf begegnen müssen. Und es ist begreiflich, daß man für diese Auseinandersetzung nach scharfen, propagandistisch wirksamen Kontrasten suchen wird. Man wird nicht einmal allzu lange und allzu krampfhaft suchen müssen,
Nicht im wohlvorbereiteten Streitgespräch, nicht im theatralischen Donnerwort: in der unbeabsichtigten, oft unbewußten Äußerung entlarvt sich der Mensch, stellt sich der wahre Geist einer Gesellschaft dar.Di Geschichte von der Königin Maria Antoinette, die angesichts einer Demonstration hungernder Untertanen, die nach Brot schrien, ohne jede böse oder zynische Absicht, einfach aus dem Denken ihres Horizonts heraus, sagte: „Wenn sie kein Brot haben, warum essen sie dann keinen Kuchen?“, mag nur eine Anekdote sein. Daß sie weitererzählt, daß sie für durchaus glaubhaft gehalten
... einmal oder zweimal im Jahr in den Wiener „Simpl“ zu gehen, selbst wenn man dort nicht Erbauung oder sittliche Festigung im eigentlichen Sinn des Wortes erfährt. Die Welt, deren heiter-ironischer Abglanz in diesem Kabarett geboten wird, ist keinesfalls die Welt, „wie sie sein soll“, aber sie ist die, die sie eben einmal im Bewußtsein der meisten unserer Zeitgenossen... ist. Karl Farkas fühlt steh nicht berufen, das schon seit geraumer Zeit aus den Fugen gegangene Jahrhundert wieder einzurenken, auch wenn er sein neues Programm „Gehört sich das?“ nennt, aber er setzt den