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Auf jeden Fall

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,,Die Konferenz der Auflenminister in Zurich wird auf jeden Fall statt- finden", sagte Professor Dr. Gschnitzer vor der Presse, als er bekanntgab, daft die vorbereitenden Experten- gesprache am gleichen Ort friiher als erwartet, ergebnislos geendet hatten.

„Auf jeden Fall", sagte dent Sinne nach auch der Bundeskanzler, als er in einer dezidierten Erkldrung gegen- iiber abenteuerlichen Geriichten be- tonte, dajl Osterreich unabdingbar an seiner Forderung nach voller rechtlich gesicherter Autonomie fur die (noch) mehrheitlich deutschsprachige Provinz Bozen festhalten werde. Es gelang im iibrigen dem Obmann der Siidtiroler Volkspartei, Dr. Magnago, noch ein- tttal, diesen Autonomiestandvwikt als eine Rechtsforderung bei gleichzeiti- ger Verurteilung aller Gewaltakte gegeniiber jenen irnmer zahlreicher werdenden Landsleuten durchzusetzen, die heute bereits keinen anderen Aus- weg mehr sehen als das Staatsrecht brechende Selbstbestimmungsrecht.

,.Auf ieden Fall", sagte auch der italienische Innenminister Scelba zum Wochenende in Bozen, als er den Willen der rotnischen Zentralregie- rung bekundete, diese Provinz in „klassischer Art" mit polizeilichen Maflnahmen zu „befrieden“.

Inzwischen aber haben die Dinge ihren eigenen, unheilvollen Lauf ge- nommen. Blut ist geflossen. Zu den zwei ;Opfern der Sprengstoffanschldge Slud zwei weite(j 'ekommen: Men- schen, die dem rlgorosen Schieflbefehl zum Opfer flelen, dessen italienische Ankiindigung der eine von ihnen nicht einmal verstanden haben diirfte. Und es steht zu befiirchten, dafl sich das alles bis zum Wochenende, da in Zurich die Ministergesprache beginnen sollen, noch steigern wird.

So unvereinbar die Standpunkte, die Formulierungen des ,,Auf jeden Fall" auch sein mogen, wir sind mit Doktor Gschnitzer der Uberzeugung, dajl das „Auf jeden Fall" in dieser Stunde be- sonders fiir die Ziiricher 'Verhandlungen gilt. Wir sehen ihnen uahezu ohne Hoffnung auf irgend ein konkretes Ergebnis, auf eine halbwegs greifbare Annaherung entgegen. Aber wir haben dennoch die Hoffnung, dafl gerade die sich von Tag zu Tag tragisch steigern- den Ereignisse die Partner von Zurich zwingen werden, nun wenigstens nach Einigung uber die Nichteinigung Klar- heit uber die ndchsten Schritte zu schaffen, uber die friedlichen Mittel, die die UNO-Resolution zur Schlich- tung angeordnet hat oder zumindest Uber die Instanz, die diese friedlichen Mittel bestimmen soli. Dieses letzte Minimum an Konsens sollte und mu lte ja zwischen zwei europdischen Rechtsstaaten zu erreichen sein.

Schon begriiflt Togliatti in einem Leitartikel der Zeitung ,,Unitd“ trium- phierend die Stunde, weil er den Kom- munismus als schliefllichen Gewinner eines Chaos kommen sieht, schon meldet sich der ehemalige Henlein- Mann Seiboth mit ungebetenen Rat- schldgen, schon funkelt es in den Augen derer, die als Besessene der ,,Achsenzeit“ die Hauptverantwortung fiir die Entwicklung tragen.

Es wird wohl kein anderer Ausweg als die Anrufung einer dritten, wirk- lich neutralen Macht, einer moralisch- politischen Autoritat iibrigbleiben, die zwischen den beiden europdischen Nachbarn vermitteln soil. Dr. Magnago sprach vor kurzem von Irland. Ein Gedanke, wert der Priifung.

Aber selbst zu dieser gemcinsamen Uberlegung ist es notwendig, dafl es zur Verhandlung kommt, selbst wenn niemand voraussagen kann, wie lange das Ziiricher Gesprach dauern wird. Es laflt sich kaum eine neue Termin- verlegung denken. Denn inzwischen hat Blut zu flieflen begonnen ...

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