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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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Der vor einigen Wochen in Salzburg begründete „Verband der Unabhängigen“ — wohl der bisher bemerkenswerteste Versuch einer Gründung der vielbesprochenen „Vierten Partei“ — ist nun mit einer Zeitung vor die Öffentlichkeit getreten. Die führenden Köpfe der Gründung haben in ihr das Wort genommen. Soweit für den Wahlakt innerhalb des Dreiparteiensystems nicht Sondergruppen Platz finden, die allenfalls dann im Nationalrat eine selbständige Flankenstellung einnehmen, liegt es nahe, daß eine politische Schichtung, die ohne ein Opfer der Gesinnung sich nirgends zuordnen kann, nach selbständigem Ausdruck strebt, ln Salzburg waren dafür aus verschiedenen Ursachen Voraussetzungen vorhanden. Man kann die politischen Anschauungen nicht zwangsmäßig verkasteln. Doch muß man mit Bedauern sagen, daß man sich das erste Vortreten anders vorgestellt hätte. Eine positive Linie der angekündigten neuen Richtung ist nur schwach zu erkennen. An Stelle des versprochenen neuen Stils der Anständigkeit und demokratischen Fairneß tritt gehässige politische Fehde, von der die Bevölkerung schon bis zum Halse genug hat; von vornherein werden etwaige künftige Begegnungen auf dem Felde der Innenpolitik durch Unsach- Uchkeit vergiftet. Außerdem: Wir Österreicher sind nicht allein auf der Welt, sondern hineingestellt in große weltumspannende Zusammenhänge und Gegensätze. Gerade wer sich anschicken will, das gefährliche politische Parkett zu betreten, sollte über kleinliche Gegensätze die großen weltgeschichtlichen Entscheidungen im Auge haben- Von einer solchen klaren Orientierung ist in dem ersten Pronunziamento dieser „vierten Partei“ nichts zu verspüren. Das ist eine Enttäuschung für so manche.

Solange eine Demokratie zögert oder verweigert, daß der Staatsbürger seinen Willen auch in Volksabstimmungen und Volksentscheiden kundgebe, sind die allgemeinen Wahlen der einzige unmittelbare legale Ausdruck des Volkswillens. So sind es Wahlen auch, in denen die christliche Bevölkerung nicht nur das Recht hat, sondern auch nach demokratischen Spielregeln berufen ist, ihren Willen, ihre Überzeugung und ihr aus dieser Überzeugung geformtes Verlangen kundzugeben. Wie dieses grundsätzliche Verlangen in bezug auf die Schule beschaffen ist, muß als in allen politischen Lagern längst bekannt vorausgesetzt werden. Es ist auf der ganzen Welt völlig gleichartig: auch das Verlangen nach der freien katholischen Privatschule. Soweit diese dem Staat Kosten abnimmt, zu denen er sonst gezwungen wäre, ist es recht und billig, daß er, dem die Privatschmlen ohnehin die Gebäude, trrichtung und Gebäudeerhaltung abgenommen haben, wenigstens im übrigen zu ihren Kosten beitrage und den Schülereltern nicht zumute, auf zwei Seiten für Schulzwecke zu steuern. Daß der Wiener Hirtenbrief dies ausgesprochen hat, versetzt einen Leitartikler der führenden sozialistischen Tageszeitung in Unruhe und veranlaßt ihn, daran zu erinnern, daß die Distanzierung der Kirche von der Politik beiden — „der Kirche und der Politik“ gutgetan habe. Gewiß, dabei soll es bleiben. Nur ist geboten, ein Verlangen, das mit Parteipolitik nicht das Geringste zu tun hat, sondern einer grundsätzlichen Auffassung entspricht, nicht als unzulässige Politik zu diskriminieren. Wann sollte wohl die christliche Bevölkerung und ihre autoritative Sachwalterschaft in wesentlichen Angelegenheiten ihr Verlangen kundtun, wenn nicht in Wahlen! Wenn es anderwärts, etwa in Holland, Sozialisten vermögen, dem Anspruch der freien christlichen Schule Rechnung zu tragen, so ist nicht einzu- sthen, welcher gerechte Grund den österreichischen Sozialismus abhalten sollte, dasselbe zu tun.

Geht es in den Londoner Verhandlungen der Belgrader Politik um die Rechte der slowenischen Minderheit oder um etwas ganz anderesf Die Rechte würden in einer für alle Slowenen Kärntens geltenden personellen Autonomie weit besser gewahrt sein als in der von Belgrad geforderten territorialen Autonomie, die bei der dünnen Verästelung der slowenischen Randgruppen doch nie alle slowenisch sprechenden Kärntner umfassen könnte und selbst innerhalb des geforderten autonomen Territoriums die Slowenen sogar zahlenmäßig in der Minderheit ließe. Aber Belgrads Politikern kommt es augenscheinlich gar nicht auf das Schicksal der Kärntner Slowenen an. Tragisches Los so vieler nationaler Minderheiten in der europäischen Geschichte der letzten Jahrzehnte, erscheinen sie nur als Schachfiguren in der Händlerpolitik Jugoslawiens zwischen Ost und West. Die gewisse slowe. msche Propaganda bestürmt fetzt London mit Telegrammen. Die Kosten werden sich nicht lohnen. Denn die Alliierten, die sich nun schon fast vier Jahre in recht ansehnlicher Zahl in Österreich befinden, haben genügend Gelegenheit gehabt, die tatsächlichen Verhältnisse an Ort und Stelle kennenzulernen und sie wissen daher Bescheid.

Der Wechsel im Moskauer Außenministerium ist das Ereignis der Woche. Die in gleich überraschender Weise vor zehn Jahren erfolgte Ablösung Litwinows durch Molo- tow führte damals zum Hider-Staiin-Pakt. Wird diesmal eine ähnlich entscheidende Wendung vorbereitet! Für die innere Entwicklung Rußlands bedeutet dieser Wechsel — ebenso wie der gleichzeitig angekündigte im Außenhandelsministerium — jedenfalls einen weiteren Schritt in einer sich nun schon seit zwei Jahrzehnten unaufhaltsam vollziehenden Entwicklung. Wyschinski ist das erstemal als „öffentlicher Ankläger“ in jenen Moskauer Prozessen hervorgetreten, in denen die ausgeprägtesten Persönlichkeiten in Staat, Partei und Armee, die „Alten Kämpfer“ der Revolutionsepoche, „liquidiert“ wurden — zum Vorteil jener unpersönlichen Bürokratie, die nun mit demselben Wyschinski in die höchsten verantwortungsvollsten Stellen einrückt.

Die Arbeit, welche die Männer des Parlamentarischen Rates in Bonn zu leisten haben, ist vielleicht noch schwieriger als die, an der ihre Vorgänger in Frankfurt vor genau hundert Jahren gescheitert sind. Damals zerbrach das mit großem Idealismus unternommene Werk an der Realität der wiedererstarkten staatlichen Mächte. Und heute sind es wieder außerhalb des Machtbereichs der Bonner Versammlung stehende Kräfte und ideologische Gegensätze, welche das Bonner Werk behindern. Während die Konferenz der drei westlichen Militärgouverneure bestimmte Änderungen im Bonner Verfassungsentwurf ver- langt, sucht eine Delegation des ostdeutschen „Volksrates“ unter der Führung des zeitwendigen Vorsitzenden der Ostzonen-CDU, Otto Nuschke, durch persönliche Intervention in Bonn den Abschluß des westdeutschen Verfassungswerks zu verzögern. Es gibt schon genug Pessimisten, die der Meinung sind, die Männer von Bonn, unter der Führung des erfahrenen alten Zentrumsmannes Dr. Adenauer, stünden vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Sie können und wollen die Ostzone und Berlin nicht ausschließen und wollen deshalb dem Verfassungswerk einen möglichst provisorischen Charakter geben. Aber die Alliierten drängen auf raschem Abschluß und haben sich gegen die Aufnahme West-Berlins als zwölftes Bundesland in den künftigen westdeutschen Staat ausgesprochen. Dabei ist die Frage der zukünftigen westdeutschen Bundeshauptstadt noch ungeklärt, da jede deutsche Stadt wegen der allgemeinen Wohnungsnot gerne auf diese Ehre verzichtet. Kürzlich wurde ganz ernsthaft der Vorschlag diskutiert, die Zentralgewalt in einem Barackenlager in der Nähe der Demarkationslinie unter, zubringen, um den provisorischen Charakter, das ganze Elend und die Verbundenheit mit dem um seine Freiheit ringenden Berlin zu unterstreichen. Ganz entsprechend den mit grimmigem Humor als „Barack“ bezeichneten neuen deutschen Wohn- und Baustil.

Die nach vier T agen beigelegte „kleine Kabinettskrise“ um den Rücktritt des stellvertretenden Ministerpräsidenten Saragat führt das innere Problem der italienischen Koalitionsregierung, über das in Italien selbst nun schon seit Monaten debattiert wird, erneut vor Augen. Es geht um die Frage, ob neben der führenden Regierungspartei „Democrazia Cristi- ana“ auch die drei anderen, oft unter dem Sammelbegriff der „Democrazia laica“ zusammengefaßten Parteien der Republikaner (mit den Ministern Pacciardi und Sforza), der Sozialdemokraten (Saragat und Tremelloni) und Liberalen (Giovannini) die Regierungsverantwortung weiter mittragen oder außerhalb der Regierung eine ,.konstruktive“ demokratische Opposition neben der rein negativ-demagogischen Opposition der Nenni-Togliatti-Sozialkommunl- sten bilden sollen. Vor allem die Besorgnis, dadurch doch ungewollt in die gefährliche Nachbarschaft der Kommunisten zu geraten, hat alle drei Parteien bisher immer wieder zum Verbleiben in der Regierung veranlaßt. Die stärksten dagegen gerichteten Bedenken sind in den Reihen der Saragat-Leute laut geworden, auf deren Mailänder Parteitag im Jänner die Gegensätze scharf herausstachen. Dort hat der für Mitarbeit in der Regierung eintretende rechte Saragat-Flügel einen nicht ganz eindeutigen, die endgültige Entscheidung hinausschiebenden Sieg errungen und Saragat hat jetzt die erste günstige Gelegenheit benützt, durch seinen demonstrativen Rücktritt die inner, parteiliche Opposition vor eine Alternative zu stellen und eine Entscheidung der Parteileitung für das Verbleiben in der Regierung herbeigeführt. Aber kaum schien hier Klarheit geschaffen, als im Lekungausschuß der Partei Saragat bei der Frage, ob Italien sich am Atlantikpakt beteiligen solle, die er selbst bejahte, mit acht gegen sieben Stimmen in der Minderheit blieb. Die brüchige innerpolitische Situation bleibt so auf der Tagesordnung.

Leichter als die durch die Ablehnung der Linkssozialisten verzögerte Regierungsbildung hat sich im neuen Judenstaat Israel die Annahme des Staatswappens gestaltet. Nachdem der sechseckige Stern — der „Schild Davids“ — und der „Löwe von Juda“ als „nicht spezifisch jüdisch“ abgelehnt worden waren, einigte man sich auf das Bild des siebenarmigen Leuchters zwischen stilisierten Ölzweigen. Dieser genau nach dem Vorbild am römischen Titusbogen gestaltete Leuchter, die „Menora“, ist ein eindeutig sakrales Symbol, das den neuen Staat ständig an seine religiösen Ursprünge erinnert — während die christlichen Staaten in den letzten Jahrhunderten alles getan haben, um die Erinnerung an ihre religiöse Grundlage zu tilgen.

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