Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Wehrdienst hilft den Frieden sichern
Durch die Erfahrungen, die die gesamte Menschheit und damit auch die Kirche auf Grund des Zweiten Weltkrieges gemacht hat, ist eine zunehmende Neubesinnung über das Thema „Krieg und Frieden“ in Gang gekommen.
Seit dieser Zeit wendet sich die Kirche mehr und mehr von der traditionellen Lehre übgr den „gerechten Krieg“ ab und sucht in Theorie und Praxis „Wege des Friedens“ zu gehen. Friedens- und Konfliktforschung ist deshalb das Hauptthema der katholischen Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg geworden. Ähnlich verhält sich die evangelische Kirche.
Das große Ziel ist die Vermeidung von Kriegen, die Lösung von Konflikten mit friedlichen Strategien. Das ist aber nicht Status-quo-Politik, sondern Schaffung einer gerechteren Weltordnung durch friedliche Mittel und Wege.
Die Kirche weiß natürlich, daß es trotz stärkster Friedensbemühungen aller gutwilligen Kräfte noch lange nicht gelingen wird, Kriege als Mittel der Konfliktlösung abzuschaffen. Deshalb bemüht sie sich im Rahmen der Gegebenheiten auch um eine „Humanisierung des Krieges“. Deshalb schreitet sie zur Ächtung der A-B-C-Waffen (Atom, Bakterien, Chemie) zunächst als Angriffs-, dann auch als Verteidigungswaffen etc. Mit dieser Ächtung hat schon Papst Pius XII. begonnen.
Anderseits lehnt die Kirche den Dienst mit der Waffe zur Selbstverteidigung des eigenen Landes „zur Zeit“ keineswegs ab. Vielmehr sagt das
Zweite Vatikanische Konzil in „Gaudium et spes“ (Nummer 79) ausdrücklich:
„Allerdings ist der Krieg nicht aus der Welt geschafft. Solange die Gefahr von Krieg besteht und solange es noch keine zuständige internationale Autorität gibt, die mit entsprechenden Mitteln ausgestattet ist, kann man, wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung erschöpft sind, einer Regierung das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung nicht absprechen.“ Dann aber auch:
„Der Einsatz militärischer Mittel, um ein Volk rechtmäßig zu verteidigen, hat jedoch nichts zu tun mit dem Bestreben, andere Nationen zu unterjochen. Das Kriegspotential legitimiert auch nicht jeden militärischen oder politischen Gebrauch. Auch wird nicht deshalb, weil ein Krieg unglücklicherweise ausgebrochen ist, damit nun jedes Kampfmittel zwischen den gegnerischen Parteien erlaubt.“
Und schließlich: „Wer als Soldat im Dienst des Vaterlandes steht, betrachte sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker. Indem er diese Aufgabe recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur Festigung des Friedens bei.“
1967 hat Papst Paul VI. eine Kommission („lustitia et pax“) eingesetzt und ihr die Aufgabe gegeben, Friedensund Konfliktforschung zu betreiben sowie gangbare Wege vorzuschlagen, die
das große Thema der Abrüstung vorantreiben und gleichzeitig den Ausbau von Friedensstrategien fördern.
Diese päpstliche Kommission hat 1977 ein Papier an die UNO übermittelt („Der Heilige Stuhl und die Abrüstung“), in dem der Einsatz von Atomwaffen auch zum Zwecke der Verteidigung als moralisch unerlaubt erklärt wird. Im übrigen steht auch dieses Dokument in puncto Landesverteidigung auf dem Boden von „Gaudium et spes“.
Das Zweite.Vatikanum hat nun in dem genannten Dokument auch auf die Problematik der „Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen“ positiv hingewiesen und eine gesetzliche Regelung angeregt:
„Ferner scheint es angebracht, daß Gesetze für jene in humaner Weise Vorsorge treffen, die aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigern - vorausgesetzt, daß sie zu einer anderen Form des Dienstes an der menschlichen Gemeinschaft bereit sind“ (Nummer 79). Noch Pius XII. hatte bei solchen Wehrdienstverweigerern ein „unüberwindlich irriges Gewissen“ vorausgesetzt ...
Durch das Neutralitätsgesetz von 1955 hat sich Österreich zur immerwährenden Neutralität, und zwar im Sinne der Schweiz, verpflichtet. Damit ist klargestellt, daß Österreich auch zur militärischen Landesverteidigung verpflichtet ist.
Für Österreicher, die 17 Jahre Knechtschaft erlebt hatten, war der Preis der Freiheit, d. h. die Verpflichtung zum Selbstschutz der eigenen Grenzen (= militärische Landesverteidigung), kein Preis, sondern ein Geschenk.
Durch ein besonderes österreichisches Bundesgesetz von 1974 kann jeder Wehrdienstpflichtige, der „aus Gewissensgründen“ es ablehnt, einen Dienst mit der Waffe zu leisten, seiner Dienstpflicht auch als Zivildiener nachkommen. Darin aber fühlen sich Zivildienstleistende zum Teil als Bürger zweiter Klasse behandelt.
Aber auch was als Zivildienst gelten kann, ist umstritten. Eine Novellierung des Zivildienstgesetzes hätte Chancen gehabt; sie wurden leider nicht genützt.
Ich möchte nun als katholischer österreichischer Moraltheologe zum österreichischen Problem der Wehrdienstpflicht und Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen Stellung nehmen.
Die militärische Landesverteidigungspflicht der Österreicher steht
nicht nur völkerrechtlich fest, sie ist auch auf dem Boden der Moralität. Österreich besitzt keine Atomwaffen, auch keine Angriffswaffen.
Wer sich als Österreicher dennoch als „Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen“ versteht, kann dieses sein Gewissen nicht auf eine offizielle Lehre der katholischen Kirche stützen - ein Bürger der DDR z. B. könnte dies jederzeit.
Der österreichische Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen muß also seine Gewissensgründe anderswoher beziehen. Vielleicht ist er grundsätzlich der Meinung, daß es besser ist, selbst getötet zu werden oder jedes andere Unrecht zu erleiden, als selbst zu töten, auch im Fall der Notwehr bzw. der Selbstverteidigung.
Wenn er aber so denkt - kann er dem ganzen Volk zumuten, daß es so denkt? Oder anders gesagt, ist das noch in österreichischer Sicht gemeinschaftsbezogen gedacht?
Immanuel Kant, der große Philosoph, mahnt uns in seinem kategorischen Imperativ, die persönlichen Normen als gemeinschaftsbezogene Normen zu denken, denn nur so seien sie zu rechtfertigen!
Wenn also alle Österreicher so dächten wie Wehrdienstverweigerer, wäre da nicht das Ende der militärischen Landesverteidigung Österreichs schon gekommen - und damit das Ende unserer Freiheit und Selbständigkeit?
Trotzdem gebe ich zu, daß es solche geben kann, die meine Argumentation nicht anerkennen wollen und überzeugt
sind, nur Zivildienst leisten zu dürfen, besonders in anderen Ländern.
Was aber das Argument betrifft, daß man vom Notwehrrecht keinen Gebrauch machen darf, sich also lieber selber töten lassen soll als selbst zu töten (die Hl. Schrift des Neuen Testaments legt das nahe), so möchte ich sagen, daß das im Falle meiner persönlichen Notwehrsituation zum großen Teil stimmt, aber schon nicht beim Familienvater.
Anders wird es auch, wenn es um die
Verteidigung eines Dritten geht, der ungerecht angegriffen wird. Einem zu Unrecht Bedrängten zu Hilfe zu kommen, auch mit Waffen, die töten könnten, oder unter Inkaufnahme der eigenen Tötung durch den ungerechten Angreifer, wurde bisher nie als Mangel an Mitmenschlichkeit erklärt, sondern als Tugend.
Noch deutlicher wird die Frage, wenn es um eine kollektive Notwehr, um einen Staatsnotstand geht, dem es durch gerechte Verteidigung zu wehren
gilt, weil etwa unser Land von fremden Truppen besetzt werden soll: Kann sich da der einzelne Wehrdienstfähige dispensieren? Denkt er dabei nur an sich, denkt er an die Freiheit der anderen?
Das Thema Rüstungsindustrie und Waffenexporte hat plötzlich Titelseitenwert errungen - nicht nur in Österreich. Jahrelang in der internationalen Presse als Fast-Tabu- Thema gehandelt, beginnen sich in jüngster Zeit leidenschaftliche Debatten daran zu entzünden.
In Österreich war es, wie erinnerlich, der geplante Verkauf von Kürassier-Panzern an Chile, der eine Widerspruchsfront quer durch Parteien und Weltanschauungen auf den Plan rief. Die Regierung zog die Exportgenehmigung zurück.
Derzeit gerät vor allem die westdeutsche Regierung zunehmend unter Druck, weil das Erdölland Saudi-Arabien mit verführerischen Gegengeschäften lockt, wenn deutsche Panzer und andere Kettenfahrzeuge geliefert würden.
Indien wieder stellt sich um westdeutsche Unterseeboote an, nachdem Chile vor kurzem zwei solche ganz still und leise zugesagt bekommen hat.
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es wie in Österreich politische Richtlinien für den Waffenexport (die dort freilich anders aussehen als bei uns). Vertreter des linken SPD-Flügels (Hansen, Thüsing, Coppik) gingen in ihrer Kritik an der „parteifremden Politik der Bundesregierung“ so weit, daß der frühere Verteidigungsminister Leber bereits deren Parteiausschluß forderte.
Nach Deutschland scheint nun auch Japan daranzugehen, seine ur
Bezüglich der „Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen“ möchte ich allerdings sagen, daß nach meinem Verständnis nicht jeder Sozialdienst als Zivildienst gelten sollte, sondern nur ein solcher, der geeignet ist, auf andere Weise der Landesverteidigung zu dienen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!