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An den Rand geshrieben

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DER PAPST RUFT ZUM FRIEDEN. Inseinem Friedensappell am 10. September erklärt Papst Johannes XXIII.: „Vor Uns steht die Erinnerung an die Päpste, Unsere Vorgänger in naher Vergangenheit, deren besorgtes und angstvoll mahnendes Zeugnis der Geschichte übergeben ist… von der Mahnung Papst Pius’ X., die den wahren Frieden wünschte, der nicht so sehr auf Tafeln geschrieben, als vielmehr den Herzen eingeprägt ist, bis zum bewegten und letzten Appell Pius’ XII. am 14. August 1939: Mit der Kraft der Vernunft, nicht mit Waffengewalt schafft sich die Gerechtigkeit Bahn ᾠ Machen Wir Uns zu eigen, indem Wir sie noch einmal aut alle ausdehnen, auf deren Gewissen ein größeres Gewicht öffentlicher und anerkannter Verantwortung lastet. Die Kirche kann ihrer Natur nach dem menschlichen Schmerz nicht gleichgültig gegenüberstehen, auch wenn kaum Besorgnis oder Kummer vorhanden ist. Und gerade deswegen laden Wir die Regierungen ein, sich die schrecklichen Verantwortlichkeiten vor Augen zu führen, die sie vor der Geschichte tragen, und, was noch wichtiger ist, vor dem Gericht Gottes, und Wir beschwören sie, nicht falschem und trügerischem Druck zu erliegen." „Weit entfernt, zu übertreiben in bezug auf das, was nach den täglichen Berichten aus öffentlichen Informationsquellen bis jetzt nur den Anschein von Kriegsdrohung hat — übrigens möchten Wir sagen, einen allzu schmerzlichen und tragisch beklagenswerten Anschein —, so ist es doch durchaus natürlich, dafj Wir Uns die angsterfüllte Sorge der früheren Päpste zu eigen machen, und datj Wir sie als heilige Mahnung an alle Unser Söhne weitergeben. — Wir fühlen das Recht und die Pflicht, alle jene so zu nennen, die an Gott und an seinen Christus glauben, und auch jene, die nicht glauben, weil alle Gott und Christus angehören auf Grund der Erschaffung und Erlösungᾠ" Der heilige Vater spricht alle Menschen als seine Söhne an — in Vertretung des Vaters im Himmel, der über alle Menschen seine Sonne scheinen läljt: Für die Christen bedeutet das die Verpflichtung, gerade in ihren harten Gegnern ganz unsentimental ihrer Brüder zu sehen. Bruderkrieg und Welfbürgerkrieg ist heute, im Atomzeitalter, jeder neue Krieg auf dieser Erde …

BRUCKEN UND GRENZEN. Der peinliche Vorfall Ist noch in jedermanns Erinnerung: Der gepanzerte Lastwagen, von tschechischen Flüchtlingen gelenkt, konnte vom Grenzgebiet her ungehindert nach Wien fahren, und die Behörden konnten daran, auch nach der später eingeleiteten Untersuchung, nichts finden. Österreich hält seine offenen Grenzen eben für Brücken, und es ist nur folgerichtig, wenn auch Flüchtlinge von diesen Brücken Gebrauch machen . . . Was ist aber, wenn das ungeschützte Land aut fremden strategischen Karten auf Grund solcher Erfahrungen als „Aufmarschgebiet", als „Niemandsland" eingezeichnef wird? österreichischer Boden, gleichgültig ob in Nord oder Süd, im Westen oder im Osten, darf niemals ungeschülzies Aufmarschgebiet tür einen Aggressor werden." Mit dieser Mahnung verabschiedete Verteidigungsminister Schleinzer 530 frisch ausgemusterte Reserveoffiziere am letzten Samstag im Hof der Wiener- Neustädter Militärakademie. Sie sollen von nun an, jeder auf seinem Platz im zivilen Leben, am Aufbau der Landesverteidigung mitarbeiten. Der Minister sprach in diesem Zusammenhang von einem „grundlegenden Konzept", das noch zu finden und zu verwirklichen sei. Dazu möchte man sagen: Dieses Konzept màfite viel mehr umfassen als nur militärische Maßnahmen. Auch „Hei- mafliebe” genügt nicht. Der Staatsbürger mufj sich tür das, was in diesem Land, oben und unten, geschieht, mitverantwortlich fühlen können. Und dazu wäre noch manches zu tun.

SUDTIROL VOR NEUEM AUFTAKT.

Während die durch den italienischen Ministerrat eingesetzte Südtirolkommission ihre Arbeit gerade in aller Stille aufnimmt, schalten sich noch „unverbrauchte Kräfte" in das Geschehen ein. Gemeint ist damit nicht sosehr der Unterausschuß des Europa- rafes, der, ein löbliches Unterfangen, das Problem Südtirol ebenfalls nun „prüfen und Vorschläge zu dessen Lösung ausarbeiten" soll, sondern vielmehr die jüngste Terroraktion „heimatlreuer" Jugendlicher, Studenten aus Wien, Linz und Innsbruck, die nach Südtirol und auch weiter nach Rom fuhren, um dort ihre „Molotow-Cocktails" und sonstigen Sprengladungen und Brandbomben ioszuwerden. Eine weitere Gruppe von Terroristen, die mit Österreichern zusammen operierte, stammt aus Nürnberg.,, Die Frage, ob es sich dabei vor allem um Lausbübereien handelt, oder ob politische Ziele, etwa die Störung der Arbeit der „Neunzehner-Kommission", bei der Auslösung der verbrecherischen Aktion maßgebend waren, wird wohl auch die österreichischen Behörden beschäftigen müssen. Indessen wird die- italienische parlamentarische Kommission das Südtirolproblem zu studieren haben. Manches, besonders in der personellen Zusammensetzung, deutet darauf hin, daß diese Kommission imstande sein wird, positive Arbeit zu leisten. Die italienische Regierung war gut beraten, an Stelle von Juristen nunmehr allein die Politiker agieren zu lassen. Das ist, allein schon nach den letzten Erfahrungen, kein schlechtes Omen.

DIE ZEIT RUCKT NXHERI Auf das

Konzil gerichtet soll die geistige Arbeit aller Verbände und Gliederungen der Katholischen Aktion Österreichs sein; die sehr konkreten Aufforderungen des österreichischen Episkopats, an Priester wie an Laien gerichtet, müssen ein vielfältiges Echo finden. Dies war einer der Hauptbeschlüsse der Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Aktion Österreichs. Die in Puchberg bei Wels Versammelten faßten ihn unter dem Eindruck eines umfassenden und sehr konkreten Referats Msgr. Otto Mauers. Es kommt jetzt weniger darauf an, sich in kirchenpolitischen Spekulationen über den mutmaßlichen Verlaut des Konzils zu verlieren, als vielmehr alles das konkret auszusprechen, was den Katholiken auf dem Herzen brennt. Unsere Bischöfe haben ausdrücklich zugesagt, sich zu Sprechern dessen zu machen, was an vernünftigen Gedanken an sie herangefragen wird…

NACH DEM ATTENTAT. Der Anschlag auf den Staatspräsidenten de Gaulle hat in Frankreich einen Schock und in der westlichen Welt tiefe Beunruhigung ausgelöst. Ein Tod de Gaulles könnte tür Frankreich Chaos und Bürgerkrieg, tür den Westen ganz unübersehbare Folgen haben. Beunruhigend wirkt vor altem die Tatsache, daß die Verschwörer beste Beziehungen bis sehr weit nach „o-ben” haben müssen. Nur so war es möglich, daß die strengst geheim gehaltene Route und Zeit der Fahrt de Gaulles bekannt wurde. Nur so ist es möglich, daß der letzte Urheber des Anschlages, General Salan, der Chef der OAS, sich in der Umgebung Algiers befindet und sich einer überraschenden Bewegungsfreiheit erfreut. Er wird jedesmal kurz vor einer bevorstehenden Verhaftung benach richtigt. Die Unruhe in der Armee (2000 Offiziere sollen in den letzten Monaten die Armee freiwillig und unfreiwillig verlassen haben), in der Bauernschatt, in den politischen

Gruppen ist konstant. Als dringend notwendig wird von allen Franzosen, die nicht der Haßgemeinschaft gegen de Gaulle angehören (die von Bi- dault und manchen Sozialisten zu diversen Gruppen der Rechten reicht), eine Bemühung des Generals um eine neue Einwurzelung seiner Politik und seiner Regierung im Volk erachtet.

DER BOTE VOM AETNA. D’Angelo — der „Bote" —, so heißt jener christlich-demokratische Politiker Siziliens, der nun nach einem Interregnum von vielen Monaten die Leitung der Provinzialregierung dieser vulkanischen Insel übernehmen wird. Zum erstenmal soll hier die „Öffnung nach links in überkommunalem Rahmen praktiziert werden. Seinem Insel- kabinelt werden neben Sozialdemokraten und Republikanern auch Links- sozialislen von der Partei Nennis angehören. Paradoxerweise bleiben die oppositionellen Christlichsozialen Mi- lazzos, die sich einst für den linken Kurs so besonders stark machten, gekränkt draußen. In den nächsten Tagen aber wird es sich zeigen, ob D’Angelo zum Todesboten tür das mühsam zusammengehaltene Mittelkabinett Fanfanis oder zum Vorboten einer Linksentwicklung in ganz Italien sein wird. Die nur mit deutlichem Mißbehagen das Kabinett „links von der Mitte” unterstützenden Liberalen haben auf die sizilianische Nachricht hin mit offener Drohung reagiert und die Aufkündigung der Toleranz für Fanlani angekündigt. Nun wird in Rom nichts so heiß gegessen, wie es in den einzelnen Provinzen gekocht wird. Aber es scheint, daß sich die Dinge nun doch nach dem Gesetz einer gewissen Polarisierung von rechts und links zu entwickeln drohen, sosehr auch Fanfani mit seiner Formel von der „Konvergenz" diesem tür das Land und seine Demokratie höchst bedrohlichen Prozeß enf- gegenzuwirken bemüht ist.

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