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An den Round geschrieben

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„AD PETRI CATHEDRAM.” Die von

Kanzler Gorbach geführte österreichische Delegation bei den Jubiläumsfeierlichkeifen Papst Johannes’ XXIII. gehörte zu den wenigen, die in einer eigenen Audienz empfangen wurden. „Es muß leicht sein, ein Land in der Welt zu vertreten, das sich so allgemeiner Beliebtheit erfreut”, soll der Papst zu Österreichs Außenminister gesagt haben. Ein Kompliment kann aus solchem Mund auch weniger als schmeichelhafte Bestätigung, denn als verpflichtende Vorhildsetzung verstanden werden. Und wenn ein Italiener aus der alten venezianischen „terra ferma” von Austria spricht, dann klingt eben doch unwillkürlich eine Erinnerung an kaum hundert Jahre entfernte Tage durch. Für unsere Generation unendlich weit entrückt, für den säkularen Blick noch als ein Hintergrund vorhanden. Die Delegationen aus Mehr als sechzig Staaten, die den Kathedralsessel des Petrusnachfolgers zusammen mit den nach Zehntausenden zählenden Römern und Pilgern bei den Feierlichkeiten umstanden, sollten nach dem Wunsch des Papstes an diesem Tage nicht allein die väterliche Würde, sondern mehr noch die aus ihr erfließende brüderliche Nähe untereinander empfinden. Wir wissen nicht, ob etwas davon mitschwang, als einander wenige Stunden später die beiden christlichen Politiker Gorbach und Fanfani bei kleiner Tafel gegenübersaßen. Ihre Gespräche blieben streng geheim. Aber die Hoffnung auf ein Näherkofnmen wenigstens in der Respektierung der Standpunkte in der Südtirolfrage ist nach dem Zeugnis des anwesenden Außenministers nicht ganz ohne Grund.

FRAGESTUNDEN IM PARLAMENT — ERSTE BILANZ. Die Premiere und die ersten „Vorstellungen’’ der parlamentarischen Fragestunde haben stattgefunden. Eine erste Statistik ergibt, daß von den bisherigen 47 Anfragen 21 von Abgeordneten der Volkspartei, 16 von sozialistischen und 10 von freiheitlichen Abgeordneten an einzelne Regierungsmitglieder gerichtet waren. Nicht alle Fragen — mit Ausnahme der von der Opposition gestellten — wurden „quer geschossen”; neunmal bzw. sogar eltmal blieb dasr FraqrS- »unä Ant- wörtspiel „Innere1 Angelegenheit/ def Volkspäftei bzw. der Sozialistischen Partei. Alsbald tauchte daher die nicht ganz unberechtigte Frage auf, ob nicht in diesen Fällen die Anfrage von dem Minister bestellt und auch die allfällige Zusatzfrage vorher abbesprochen wurde. Eine sojche „Regie” würde freilich den ursprünglichen guten Sinn der parlamentarischen Fragestunde völlig aufheben. Eine kleine Reform der Neueinführung wird nun diskutiert: die Geschäftsordnung des Nationalrates sollte dahingehend geändert werden, daß alle Abgeordneten, nicht nur der Fragesteller, Zusatzfragen im Anschluß an die Fragebeantwortung stellen dürfen.

EIN ÖSTERREICHISCHER SOZIALHIRTENBRIEF wird am ersten Advent- sonniag veröffentlicht werden. D:es wurde auf der in diesen Tagen zu Ende gegangenen Herbstkonferenz der österreichischen Bischöfe beschlossen. Dieser Sozialhirienbrief, dessen tragende Gedanken aus der Feder jenes Bischofs stammen, der schon seinerzeit den ersten österreichischen Sozialhirtenbrief verfaßte, der Innsbrucker Oberhirte Dr. Paulus Rusch, soll, wie es heißt, schon im Frühjahr Vorgelegen haben, doch warteten die österreichischen Bischöfe begreiflicherweise so lange mit seiner Publizierung, bis die große Sozialenzyklika „Mater et Magistrą” erschienen war, damit nicht das Kleinere das Größere vorwegnehme. Noch einschneidender für das Leben der Kirche aber wird das kommende Konzil sein. Es ist zu begrüßen, daß die österreichischen Bischöfe den Klerus auffordern, die Gläubigen über dieses Konzil laufend zu informieren. Daß die Seelsorge auch die Sorge um das Leben und um den Leib miteinschließt, beweist jener Absatz im Kommunique der Bischofskonferenz, in dem es heißt, daß die österreichischen Bischöfe über die große Sorge beunruhigt sind, die im Volk wegen der fortgesetzten Afom- bombenversuche herrscht. Die Bischöfe wenden sich an die Staatsmänner aller Welt mit der Bitte, alle Anstrengungen zur Sicherheit des Friedens zu unternehmen.

KANZLERWAHL IM NOVEMBER. „Dal jenücht”, soll Konrad Adenauer schon vor Jahrzehnten während seiner Kölner Bürgermeisterzeit angesichts eines Abstimmungsergebnisses gesagt haben, das seinem Vorschlag eine einzige Stimme Mehrhei gebracht hatte. Auch 1949 war die Basis seiner ersten Kanzlerschaft die Majorität einer einzigen Stimme … seiner eigenen. Als er jetzt, nach fast acht Wochen dauernden, zähen Koalitionsverhandlungen mit der FDP, als alphabetisch zweiter Abgeordneter des Bundestags selbst an die Urne trat, um „in verdeckter Abstimmung’1 den neuen Kanzler zu küren, hat er wohl wieder ruhigen Gemüts seine eigene Stimme zu den anderen acht gefügt, die ihm eben noch die Mehrheit sicherten. Neben der erneut von der Regierungsverantwortung zurückgedrängten SPD haben diesmal auch Abgeordnete der neuen Koalition mit „Nein”, Enthaltung oder Absenz demonstriert. Adenauer hat bei den Verhandlungen zuvor nicht nur Männer wie seinen alten europäischen Mitstreiter Brentano über Bord gehen lassen, er hat auch zugunsten der reinen Bürgerpolitik der FDP manche Prinzipien geopfert, die einst an der Wiege seiner großen christlich-sozialen Sammelparfei standen. Wenn es dafür eine glaubhafte Rechtfertigung gibt, so ist es die: der „Alte” ist von dem Pflichtgefühl durchdrungen, jetzt und gerade jetzt die Verantwortung für seine Politik weilerzutragen. Und er scheint nicht nur zu ahnen, sondern zu wissen, daß die nächsten Monate Dinge bringen werden, die vielleicht wirklich nur er dem deutschen Volk sagen kann.

WÜSSTEN WIR, WAS ZU SAGEN WARE! Selbst Präsident Kekkonen war ehrlich überrascht, als ihn mitten auf einer Amerikareise die Nachricht von einer Sowjetnote an Helsinki erreichte, deren letzte Zielsetzung trotz ihrer mehr als deutlichen Worte von einer angeblich drohenden deutschen Angriffsgefahr, die sowjetrussiche Schutzmaßnahmen militärischer Art für die finnische Unabhängigkeit erfordere, noch nicht ganz abzusehen ist. Um so überraschter war die übrige Welt, besonders die skandinavische Nachbarschaft. Kekkonens Reaktion war bedächtig und geschickt. Er hat das vertraglich eingeräumfe Recht der Russen an der finnnischen Nachbarschaft bestätigt, er hat auch die Spannung weltpolitischer Art nicht m Abrede gestellt, wohl aber die konkrete Behauptung deutscher Inva- Sionsdrohung bezweffelt und , um nähere Erläuterung ersucht. Man ipridfit in Österreich über diese finnische Krise nur gedämpft. Man will gewisse Teufel gar nichi an die Wand malen. In den meisten Kommentaren wird der große Unterschied zwischen der Neutralität Finnlands und unseres Landes in allen wichtigen Punkten hervorgehoben. Man weist auch auf die Wichtigkeit der Kommunisten in der recht unausgeglichenen Innenpolitik Finnlands im Vergleich zur praktischen Nullität der KP bei uns hin. Gewiß ist das alles richtig. Aber man übersieht dabei, daß Neutralitätspolitik nicht im Herunterleiern von Formeln besteht und daß die Größe oder Kleinheit einer KP für die sowjetische Sicherheitspolitik kaum ins Gewicht fällt. Kekkonens Politik soll von uns nicht nachgeahmt werden, weil sie auf anderen Voraussetzungen beruht. Aber jeder, der an der Spitze unseres Staates Verantwortung trägt, muß innerlich und der Sache nach dafür gewappnet sein, eines Tages ebenso schnell, selbstbewußt und realistisch reagieren zu können wie der Bauer auf dem Präsidentenstuhl Helsinkis in diesen Tagen.

EIN JÜNGER BUDDHAS — WELT-

VERMiTTLER. Aufgeschoben, nicht aufgehoben haben die Sowjets ihre „Troika”-Pläne in der UNO-Führung. Ausdrücklich betonte ihr Delegierter Sorin bei der Begrüßung des neuen Generalsekretärs, des Burmesen U Thant, daß die von diesem angekündigte Heranziehung des Amerikaners Bunche und des Russen Arkadjew zwar erfreulich sei, aber keinesfalls dem entspreche, was die Sowjets wünschen. Die Amtszeit U Thants endet im Frühjahr 1963. Man hat sich auf seine öbergangs- herrschaft geeinigt, damit es überhaupt weitergeht. Die Weltmächte haben ihm freiwillig einen Arbeitsspielraum eingeräumt, dessen Breite sie eben noch erübrigen konnten. U Thant ist international e!n ebenso unbeschriebenes Blatt, wie es einst Hammarskjöld war. Und es wird von ihm abhängen, diesen Raum zu nützen. Eines kennt man allerdings schon heute: die geistige Welt, die diesen stillen, aber zähen und zielsicheren asiatischen Sozialisten geformt hat. Es ist die eines wel!- zugewandten, leicht pazifistischen Buddhismus. Damit tritt diese mehr als zwej Jahrtausende lang auf den asiatischen Raum konzentrierte Religiosität zum erstenmal in die große Weltkommunikation ein.

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