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An den Rand geschlieben

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UNZULÄNGLICHER „ZIVILSCHUTZ". Nach einer in der letzten Woche abgehaltenen Sitzung sind die nicht näher bezeichneten Vertreter einer „interministeriellen Konferenz" vor die Öffentlichkeit getreten, um über Maßnahmen zu berichten, über die ein „Beamtenkomitee” erst in der nahen Zukunft zu entscheiden haben wird. Es handelt sich dabei um einen „Arbeitsplan für die projektierte Zivilschutzexekutive”, der noch „abgestimmt” werden wird. Die Entscheidung wird dann, laut Aussendung, bei einem Exekutivkomitee unter der Leitung der Staatssekretäre Kranzel- mayr und Rösch liegen. Im Vordergrund der Beratung, deren „Ergebnis" nach Ansicht mancher Leser der erwähnten Aussendung vielleicht etwas zu früh veröffentlicht wurde, soll, neben der Aufstellung von Luftschutzeinheiten des Bundesheeres und von Zivilschutzformationen, die „Einleitung einer Vorratswirtschaft" stehen, wobei man eine „Haushaltsbevor- rafung” bevorzugen möchte. In der Meldung stehen auch schon genaue Zahlen: demnach soll ein „Monats- vorraf” pro Person 63 Schilling kosten. Um eine Panikstimmung zu vermeiden, heißt es in der Aussendung weiter, wolle man mit der Erlassung eines entsprechenden Aufrufes noch zögern. Außerdem sollen auch selbstverständlich Preisauftriebstendenzen, die durch plötzliche Mehreinkäufe ausgelöst werden könnten, vermieden werden … „Soldaten in Uniform genügen nicht", sagte der Bundeskanzler in seiner jüngsten Rundfunkrede. Es ist selbstverständlich, daß eine verantwortungsbewußte Regierung, nach den Worten des Bundeskanzlers, den Staatshaushalt und die Bevölkerung auch auf Möglichkeiten vorbereiten müsse, die durch Kampfhandlungen außerhalb der österreichischen Grenzen entstehen könnten. Es ist nur die Frage, ob mit voreiligen Ankündigungen, welche die Sorge um Panikstimmung und Preisauffriebstendenzea eigentlich schon überflüssig machen, der zweifellos ernst zu nehmenden Sache des Zivilschutzes gedient ist.

ÖSTERREICHER ZUM INSPEKTOR ERNANNT. Der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergie-Organisation hat schon vor einiger Zeit beschlossen, eine eigene Inspektionsabteilung mit der Kontrolle der Verwendung jener Hilfe zu betrauen, die durch die IAEO den einzelnen Ländern gewährt wird. Die Hauptaufgabe der Inspektion ist, zu verhindern, daß diese Hilfeleistung zu Zwecken der atomaren Rüstung mißbraucht wird. Zum ersten Direktor der Gruppe, der diese verantwortungsvolle Arbeit obliegt, wird in diesen Tagen der wissenschaftliche Leiter der österreichischen Studiengesellschaft für Atomenergie, Dozent Dr. Michael Higalsberger, berufen. Dieser junge Wissenschaftler, der einen neuen, in Österreich noch kaum bekannten Typ des wissenschaftlichen Managers verkörpert, verdankt seine wissenschaftliche Ausbildung neben einem Studienaufenthalt in den Vereinigten Staaten ausschließlich seinen österreichischen Lehrern. Er muß in den nächsten Jahren mit viel Geduld und Zähigkeit der Idee der internationalen Zusammenarbeit dienen, einer Idee, die von den Wissenschaftlern längst als unumgängliche Notwendigkeit erkannt wurde, von der Politik jedoch konsequent gestört und immer wieder auf ein Mindestmaß eingeengt wird.

GESPRÄCH IM DREIECK. Ganz so einfach, wie sich das gewisse kapitalskräftige Kulissenstrategen „hinterm Berg’ vorgestellt haben, geht es mit der deutschen Regierungsbildung nun doch nicht. Die bürgerliche Einheits-, Besitz- und Wohlsfandsfront, die man zur Ablösung Adenauers aufbauen will, fügt sich nicht ineinander. Der nur noch von der Namensattrappe des Liberalismus zusammengehaltene Klub der FDP möchte vor einem Regierungseintrifl nicht nur die Person Adenauers ausbooten, sondern zugleich auch die westliche Linie des Kanzlers in die Richtung eines trotzig-wirren Neutralismus verbiegen. Ob besitzbürgerliche Solidarität sie doch wieder in die Gefolgschaft der CDU zwingt oder das Wittern neuer Ostwind-Konjunkturen sich als stärker erweist, werden die nächsten langen Wochen der Koalitionsverhandlungen in Bonn zeigen. Adenauer führt diese Gespräche bewußt und geschickt im Dreieck. Ganz so ausgeschlossen ist für ihn auch eine Verständigung mit der SPD nicht. In den Grundfragen der Staats- und Außenpolitik ist heute mit Wehner und Brandt ein besseres Fundament zu finden als mit den unsicheren Kantonisten der FDP, die zum Großteil selbst nicht wissen, was sie eigentlich wollen.

ERZBISCHOF JÖZSEF GROSZ f. Wie in einer kurzen Meldung aus Budapest bekannigegeben wurde, ist der Vorsitzende der ungarischen Bischofskonferenz — über dessen goldenes Priesierjubiläum die „Furche” erst in ihrer Folge 32/1961 ausführlich berichtete —, Erzbischof Jözsef Grösz, im Alter von 73 Jahren nach kurzer Krankheit gestorben. Dieser Sohn Altösterreichs — er ist in Halbturn im heutigen Burgenland geboren — studierte am Wiener Pazmaneum Theologie und wurde in Wien zum Priester geweiht. Er war bereits Bischof von Steinamanger, als ihn Papst Pius XII. kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges zum Erzbischof von Ka- locsa — des neunhundert Jahre alten Erzbistums im Süden der ungarischen Tiefebene — ernannte. Mit ihm schließt vorläufig eine glanzvolle Reihe historischer Namen — einer seiner Vorgänger fiel als Oberbefehlshaber des königlich ungarischen Heeres auf dem Schlachtfeld von Mohäcs. Die Erprobungen, denen dieser, der 87. Bischof am Stuhl von Kalocsa, ausgesetzt war, waren mannigfacher Art. Er war vor fast genau zehn Jahren vor ein kommunistisches Volksgericht gestellt und zu fünfzehn Jahren Kerker verurteilt worden. Vier Jahre später holte man ihn zurück und ließ ihn zum Oberhaupt der gesamten Kirche in Ungarn werden. Von seiner Kompromißbereitschaft erwartete man sich eine gewonnene Schlacht im Kampf um die Seelen, der Erzbischof und mit ihm die gläubigen Katholiken Ungarns „fielen” aber nicht „um". Erzbischof Grösz blieb, was er zeitlebens war, ein Mann der Seelsorge, des stillen Wirkens in einem Bereich, dem die Kommunisten nichts anhaben konnten.

KONTAKTGESPRACHE IN NEW YORK. Mit wachsender Unruhe verfolgt die Öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland die Nachrichten aus Amerika, die das Ende der „außenpolitischen Wahl-Schonzeit" für Deutschland ankündigen. Nun werde es nicht mehr lange dauern, heißt es in den in bitterem Ton gehaltenen Leitartikeln, und die Deutschen werden mit dem ganzen Ausmaß einer bereits im Stillen geänderten westlichen Deutschlandpolitik konfrontiert, deren Konturen etwa in den „privaten" Äußerungen eines Senators Humphrey enthalten sind. Noch weiß man nichts Endgültiges. Dean Rusk und Gromyko führen Gespräche untereinander. Der britische Außenminister Home schaltete sich ein, ein Empfang des sowjetischen Außenministers durch den Präsidenten Kennedy wurde vorbereitet. Es stünden „realistische Überlegungen" über den abzusteckenden Rahmen künftiger Verhandlungen zur Debatte. Doch die Fortschritte seien bis zur Stunde noch gering, in dieser Zeit des passiven Abwarfens werden in Deutschland Stimmen laut, die von einem Fehlschlag fünfzehnjähriger deutscher Politik und vom „Ende von Illusionen" sprechen. Man vergißt dabei, daß die Bonner Regierung niemals die Wiedervereinigung an die erste Stelle ihrer Politik setzte und daß bereits Dulles in seiner letzten Zeit die Deutschlandpolitik der Vereinigten Staaten der seit 1945 veränderten Lage anzupassen trachtete. Nun ist diese Überprüfung der altgewohnten Positionen in vollem Gange. Manche Verbündeten Bonns würden dabei gerne sehen, wenn der deutsche Beitrag zu diesem Vorgang größer als bisher wäre.

SYRISCHE TAG. UND NACHTGLEICHE. Nicht nur das nationale Handelsbürgertum Syriens war über den Anschluß an das Großarabische Reich Nassers von Jahr zu Jahr mehr erbittert. Auch der nach dem Zusammenschluß ins östliche Ausland emigrierte syrische Kommunistenführer Bagdadsch bekämpfte die Oberherrschaft Nassers entschieden — zuletzt vor der Weltkonferenz der kommunistischen Parteien im vergangenen Jahr. Diese beiden Phänomene muß man im Auge behalten, wenn man beurteilen will, wer letzten Endes den Vorteil aus der Losfren- nung Syriens von der Kairoer Allianz haben wird. Die neue Regierung des Dr. Kusbari, die sich ohne Blutvergießen etablieren konnte, bezeichnet sich als ein Übergangsregime. Dem neu erstandenen Staafswesen wird ein Platz zwischen allen Blöcken zugewiesen. Solche Zustände dauern im Orient erfahrungsgemäß nicht allzulange. Noch haben die Weltmächte in West und Ost den Wettlauf ins neue Damaskus nicht angetreten. Aber die westfreundlichen Staaten Jordanien, Türkei, sogar Formosa.. haben sich mit der Anerkennung sehr beeilt und sogar den Bruch mit Nasser in Kauf genommen. Der Osten gab .sich recht überrascht. War er es wirklich?

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