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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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UNTSR DER EUROPAS AHNE — es war nicht irgendeine, sondern d i e Europafahne vom Haus des Europarates in Straßburg — trafen sich in Villach einige tausend junge Menschen. Nur zum Teil stammten sie aus der österreichischen Heimat, viele waren ausländische Gäste, wenn das Wort überhaupt noch gestattet ist, wenn man nicht lieber und besser schon von europäischen Schicksalsgenossen anderer Zunge spricht. Und in vielen Sprachen wurde in diesen Tagen in der kleinen Kärntner Stadt an der Länder- und Sprachengrenze geredet. Aus dem nahen Italien waren Delegierte gekommen. ihnen schlossen sich Vertreter beinahe aller westeuropäischen Länder an: Schweizer, Deutsche, Franzosen, Belgier, Engländer... Verschieden die Vaterländer, gemeinsam aber das Bekenntnis zu einer christlichen Demokratie und der Wille zur Überwindung eines engen Nationalismus, zuryeuropäischen Einigkeit. Und da gab es unter den Gästen noch Delegierte, die gerade in Österreich, jenem Land, das vergangenen Generationen gemeinsame Heimat war, auf besonders gute Aufnahme und auf das stärkste Verständnis rechnen konnten: junge Tschechen, Ungarn und Polen, die heute aus Liebe zur Freiheit gezwungen sind, ein hartes Leben in der Emigration zu führen. Sie alle sprechen für die Jugend stummer Völker. Ihr Ruf wird von den Österreichern aufgenommen werden: gemeinsam werden sie erinnern, daß Europa nicht vor Lundenburg und hinter Eisenstadt zu Ende ist, und diese KÜinde stets ihren westeuropäischen, Freunden in Erinnerung rufen. Aber auch diese kommen nicht mit leeren Händen. Es wäre mehr als gut, wenn der starke soziale Impuls, der zum Beispiel die jungen französischen Katholiken beseelt, wenn deren geistig wache Haltung und Aufgeschlossenheit gegenüber allen echten Regungen unserer Zeit auf ihre österreichischen Freunde nicht ohne bleibenden Eindruck bliebe. Denn nur aus einem fruchtbaren Austausch aller Erfahrungen kann Europa vielleicht einmal das werden, was die jungen christlichen Demokraten — und nicht nur sie allein — wollen: die „Heimat der Zukunft“.

„BLEIBE IM LANDE und nähre dich redlich“: an dieses leicht resignierende, keineswegs unbedingt überzeugende und im ganzen doch so österreichische Sprichwort wurde der Zeitungsleser durch die Rede eines im politischen Leben bekannten Mannes erinnert. Dieser sprach vor ländlichen Zuhörern. Dabei kam er auch auf die durch die Salzburger Enquete vieldiskutierte Frage der rückläufigen Bewegung im österreichischen Fremdenverkehr zu sprechen. Und dabei fiel auch — nach APA — folgende kritische Bemerkung:

„Leider zieht es den Österreicher in immer stärkerem Maße ins Ausland. In keinem unserer Nachbarländer ist die Ausreise mit so wenig Schwierigkeiten und Kosten verbunden wie bei uns. Ich glaube, diese Großzügigkeit, wenn sie nicht auf Gegenseitigkeit beruht, werden - wir uns auf die Dauer nicht leisten können.“

Die Notwendigkeit, mit Devisen zu sparen, soll nicht übersehen werden. Freilich wäre sie schon bei manchen korporativen Reiseanlässen zu beobachten gewesen. Trotzdem geben diese Worte Anlaß zu Einwendungen, wenn ihnen auch, was gerne zugestanden sei, ein Tadel an die Adresse jener österreichischen Fremdenverkehrsbetriebe folgte, die in den Jahren der Konjunktur Österreicher als Gäste II. Klasse taxierten und durch Preisüberhöhungen nunmehr auch das Ausbleiben ausländischer Reisender verschuldeten. Allein es geht hier um mehr als um den Fremdenverkehr, seine Sorgen und Nöte. Das durch Jahre verrammelte und nach zähem Ringen mit verschiedenen Besatzungsmächten und bürokratischen Instanzen geöffnete Tor Österreichs zur Welt soll — wenn der Vorschlag in die Tat umgesetzt würde — wieder angelehnt werden. Durch den kleinen Spalt aber würden sich die Reiselustigen nach wie vor zwängen. (Eine Erfahrung: Wenn heute Kunsthonig, der bisher niemand interessierte, rationiert wird, stellt sich morgen alles um Kunsthonig an...) Viel Ärger und dazu ein neuer blühender Zweig der Protektion wären das Ergebnis. Dazu kommt, daß durch solch eine Maßnahme, die den österreichischen Traditionen und den Tendenzen unserer Zeit nach Begegnung mit fremden Ländern und Völkern widerspricht, auf einen bedenklichen Weg eingeschwenkt würde. Den ersten Schritt auf einem solchen zu tun, war gewiß nicht die Absicht des Sprechers, der schon manche Beweise des Mutes in der Abwehr des Totalitarismus abgelegt hat.

DIE HOHE BEHÖRDE DER MONTANUNION hat in Luxemburg ihre Tätigkeit aufgenommen. Als ihre Mitglieder bei der Ankunft vom Außenminister des kleinen

Landes, Joseph B ech, begrüßt wurden, haben sie sich wohl kaum daran erinnert, daß dieser nicht nur Adenauer und Schu- man, sondern bereits vor einem Vierteljahrhundert Stresemann und Briand als Kollegen die Hand geschüttelt hat. Denn Joseph Bech ist der dienstälteste amtierende Minister in Europa, der seit 26 Jahren, nur durch die Kriegsjahre unterbrochen, die Außenpolitik seines Landes leitet. Er war kaum 27, als er 1914 erstmals als Abgeordneter der katholischen Rechten ins Parlament einzog. Sieben Jahre später wird er Justiz- und Unterrichtsminister, 1926 Ministerpräsident und Außenminister und hält dieses Kabinett ohne Veränderung bis 1937. Dann tauscht er die Präsidentschaft gegen das Weinbauministerium und behält die Außenpolitik bei — und beide Posten hat er auch heute noch inne. Ihm stehen nur wenige Helfer zur Seite. Nicht nur das doppelte Amt, auch die meiste Kleinarbeit liegt auf ihm und so hat er eine Routine in allen politischen Belangen aufzuweisen, die ihm mancher Kollege eines größeren Staates neiden könnte. So war es ihm zu verdanken, daß das kleine Großherzogtum Luxemburg heute als vollberechtigtes Mitglied an der Arbeit der Vereinten Nationen, der Benelux- Union, am Fünferpakt, am Atlantikpakt und nun am Schuman-Plan und der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft teilnimmt und zum Sitz der Montanbehörde gewählt wurde,

DIE PAZIFIKKONFERENZ in Honolulu mußte mehr wegen der Zusammensetzung der Teilnehmerstaaten als wegen der erzielten Resultate Interesse erwecken. Dieser Beratung haben Vertreter Australiens, Neuseelands und der Vereinigten Staaten (der sogenannten ANZUS-Länder) beigewohnt,

es waren also bei ihr zwei Commonwealthmitglieder vertreten, ohne daß Großbritannien eingeladen gewesen wäre: angesichts der traditionellen Reichstreue Ozeaniens ein beachtenswertes Zeichen der eingetretenen Machtverschiebungen. Es hatte sich darum gehandelt, einen ersten Schritt zur Verteidigung des pazifischen Raumes zu setzen, ein schwieriges Beginnen, da die beiden australischen Partner sich mehr vor Japan als vor dem Kommunismus fürchten, während die USA in Japan einen willkommeneVerbündeten im Kampfe gegen den Bolschewismus erblicken. Ungeachtet aller heroischer Anstrengungen war eben Großbritannien lücht nur zu Beginn, sondern auch in der späteren, pazifischen Phase des zweiten Weltkrieges außerstande gewesen, in diesem Raum die militärische Führung tu übernehmen; die Schlachten von Guadalcanar bis Okinawa waren von den Amerikanern beherrscht worden. Überdies kann das Commonwealthmitglied Indien für eine Kooperation nicht gewonnen werden, solange Washington Rotchina nicht anerkennt und nicht auf die Unterstützung der Nationalchinesen in Formosa Verzicht leistet, was wieder im Zeitpunkt des Koreakrieges schwer möglich ist. Überdies werden Indien und Indonesien auch durch die endlosen Kolonialkriege Englands und Frankreichs in Malaya und Indochina von einer Kooperation abgehalten. Die beiden neuen großen südasiatischen Reiche wollen sich schließlich überhaupt aus allen Konflikten nach Möglichkeit heraushalten, ohne ihre Mitwirkung kann aber ein Pazifikpakt kaum volle Standfestigkeit gewinnen. Die Konferenz von Honolulu hat also die bestehenden Schwierigkeiten mehr aufgezeigt als behoben. Aber sie hat andererseits auch den Verteidigungswillen des Fünften Weltteiles unter Beweis gestellt, der für den Fall einer Konflagration ein Aufgebot von einer Million Mann in Aussicht gestellt hat. Im ganzen: Ungeachtet der alten und ungeschwächten seelischen Bande zwischen dem alten britischen „Mutterland“ und seinen ozeanischen Tochterstaaten werden immer mehr die Grenzen dieser Beziehung im politischen und militärischen Bereich deutlich. Die Tatsachen gewinnen auch hier größeres Gewicht.

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