6682504-1961_51_05.jpg
Digital In Arbeit

An den Rand geshrieben

Werbung
Werbung
Werbung

DER SCHRITT DER NEUTRALEN. Es ist nun soweit: Noch beinahe vier Jahren Tauziehens um eine Frage, die fast so alt ist wie unsere Neutralität selbst, überreichte der Botschafter Österreichs gleichzeitig mit den Botschaftern Schwedens und der Schweiz dem gegenwärtigen Vorsitzenden des EWG-Minisferrates den Brief der Bundesregierung mit dem Vorschlag, Verhandlungen „über ausschließlich wirtschaftliche Vereinbarungen mit dem Gemeinsamen Markt" aufzunehmen. In dem Schreiben wird ausdrücklich betont, daß eine solche Vereinbarung nur auf der Grundlage der immerwährenden Neutralität Österreichs und seiner vertraglich übernommenen Verpflichtungen möglich ist. Damit wird der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nahegelegt, selbst nach Möglichkeiten zu suchen, die eine wirtschaftliche Diskriminierung von Ländern wie Österreich, für die eine politische Zusammenarbeit mit der EWG aus Gründen der Neutralität unmöglich ist, vermeiden lassen. Der Weg für Verhandlungen ist nun offen, wobei es zuallererst um die Frage der Berücksichtigung aller aus der Tatsache der Neutralität folgenden Aspekte handeln müsse und erst dann um die Lösung wirtschaftlicher Probleme.

MINISTER I. P. Mitten im vorweihnachtlichen Gedränge, offenbar in größter Eile, haben die parlamentarischen Spitzen der beiden Regierungsparteien einen Gesetzesantrag eingebracht, über dessen Gegenstand schon viel gemunkelt, aber bislang nur wenig Konkretes gesagt wurde. Das Gesetz — es handelt sich dabei um die Ministerpension — wurde indessen ohne Debatte beschlossen. Daß diese Frage einmal aufgerollt werden mußte, steht außer Zweifel. Die Aufgaben des Politikers von heute sind so umfangreich und sie verlangen so weitreichende Fach- kennfriisse, daß ės schon aus diesem Grund unzeitgemäß und wohl .auch ungerecht wäre, an dem alten Begriff des berufenen, aber seinen Beruf gleichsam nur nebenamtlich ausübenden Honoratiorenpolitikers fesf- zuhalten. Da ein Minister nach mehrjährigem Wirken und in vorgerücktem Alter nur in seltenen Fällen in der Lage war, zu seinem alten Beruf zurückzukehren, blieb für ihn meistens nur ein Weg übrig, der reinem Ansehen als verdienter Politiker Abbruch tat: der Weg in den Aufsichtsrat, in den Vorstand eines verstaatlichten Unternehmens. Die neugeschaffene Ministerpension wird diese Sitte wohl ändern und — zusammen mit der ebenfalls geregelten Altersversorgung der Parlamentarier — vielleicht auch mehr Chancen einer nachrückenden Politikergeneration bieten. So weit, so gut. Weshalb aber die Eile, und warum mußte das gerechte Vorhaben bis zuletzt „geheimnisumwittert” bleiben? In einer vorausgehenden öffentlichen Diskussion hätte man gerne etwa auch eine erhebliche Verschärfung der Bestimmungen des Unvereinbarkeitsgesetzes für Politiker bei dieser Gelegenheit angeregt.

MITREDEN! Wie erwartet, hat die Bundesparteileitung der OVP das Ergebnis der elfmonatigen Verhandlungen über die Neuregelung des Schul- und Erziehungswesens gebilligt. Im Unterrichtsministerium wird daher nun ein Komitee gebildet, das die Gesefzestexte ausarbeiten soll. Diese Arbeit ist bereits weitgehend vorbereitet. Für die gesetzliche Verankerung des Verhandlungsergebnisses sind zehn Einzelgesetze vorgesehen, die jedoch ein geschlossenes Gesetzeswerk darstellen werden: das Kompetenzgesetz, das Aufsichtsgesetz, das Schulpflichtgesetz, das Organisationsgesetz, das Unterrichtsgesetz, das Einrichtungs- und Erhaltungsgesetz, die Religionsunterrichtsgesetzesnovelle, das Privatschulgesetz, das Pflichtschullehrer- diensfgesetz und das Kindergartengesetz. Nach der Ankündigung des Abg. Harwalik im Nationalrat werden auch jetzt noch Fachleute aus den einzelnen Schultypen Gelegenheit haben, bei der Endformulierung der Gesetze mitzureden. Das ist besonders in jenen Punkten unerläßlich, die als die Achillesferse des Gesetzeswerkes gelten: in der Placierung des neunten Schuljahres, der Lehrerbildung und dem Religionsunterricht. Noch ist „Polen also nicht verloren".

UND WIEDER DIE BOTSCHAFTER. Die zu Paris versammelten NATO- Politiker — zuerst die Außenminister der westlichen Großmächte, dann der keinesfalls harmonische Chor der Kleineren — kamen zu keinem anderen Beschluß in der Ost-West- Frage als dem, der für Amerika und England schon zu Anfang feststand: Es muß weiter verhandelt werden. Frankreich und vielleicht auch Bonn zuliebe nennt man die nun wieder den Diplomaten in Moskau übertragene Aufgabe nicht verhandeln, sondern „sondieren”. Aber zu erkunden ist für die seit Monaten Informierten kaum mehr etwas. Chruschtschow sagt es ja immer taut und deutlich vor aller Welt, was er will. Sein Ziel ist unverändert, über die Methoden läßt er oft sehr überraschend mit sich reden, wenn sie zu dem für ihn unverrückbar vorgezeichneten Ergebnis führen: praktische Isolierung auch West-Berlins, Anerkennung seiner Zone in Deutschland, keine Atomwaffen für die Bundes-

wehr. Auch im Jänner wird er nicht anders sprechen. Das, was ihm entgegengehalten werden könnte, wäre ein konkreter westlicher Gegenplan. Er ist auch bei den Pariser Besprechungen nicht zustande gekommen.

WASHINGTON, MADRID UND WIR. Der Blitzbesuch des amerikanischen Außenministers, Dean Rusk, bei Franco geht, neben Washington und Madrid, in besonderer Weise Europa und Südamerika an. Eben erst hatte Rodrigo Royo, der Chefredakteur des Madrider Regierungsblattes, Kennedy angegriffen, sich in Südamerika einzumischen. Washington kehre, in Caracas, zu einer „Politik des dicken Knüppels" zurück und versuche, zweihundert Millionen spanisch sprechender Menschen zu unterwerfen, unterstützt von einer kleinen Gruppe von Ausbeutern im Solde des amerikanischen Goldes. Es ist für uns Mitteleuropäer mehr interessant als amüsant, immer wieder beobachten zu können, wie gerade eine regimenahe spanische Presse Amerika im besonderen und ' den Westen im allgemeinen mit Worten angreiff, die haargenau an die Sprache Fidel Castros und Moskaus erinnern. Alle Welf weiß, wie sehr sich die spanischnordamerikanischen Beziehungen abgekühlt haben seif den Tagen des triumphalen Empfanges für Eisenhower im Dezember 1959 in Madrid. Jetzt geht es in Madrid kühl und knapp und nüchtern um die Verlängerung des Militärpaktes. Franco kennt seinen Wert und setzt ihn ganz unsentimental ein: Für die vier amerikanischen Stützpunkte auf spanischem Gebiet sollen eße Amerikaner gehörig zahlen.

INDIEN VERSEHRTE DIE UNO. Ob die Bulle Papst Alexanders VI. vom Jahre 1493, mit der er, nach Teilung der Welt zwischen Spanien und Portugal, den portugiesischen Königen und ihren Nachkommen für alle Zeiten die Herrschaftsrechte für die entdeckten und unentdeckten Länder des Ostens zusprach, als Rechtstitel für die portugiesische Herrschaft in Goq noch ausreicht, mag bezweifelt werden. Ob die Tatsache, daß die Einwohner dieser kleinen Enklave seit fast fünf Jahrhunderten nicht als „minderrassiges" Kolonialvolk, sondern kraft ihres katholischen Glaubens als Vollbürger auch des Mutterlandes angesehen werden, der portugiesischen Herrschaft den Makel des Kolonialismus zu nehmen vermochte, mag die farbige Welt selbst beurteilen. Eines aber steht fest: Nehru hat mit seinem gewaltsamen Vorgehen gegen Goa, Diu und Damao, die er seiner Republik durch eine militärische Aktion einverleibfe, mehr als nur einen „innerindischen" Akt gesetzt. Ob er nun durch innerpolitische Schwierigkeiten getrieben war oder nicht, hat nicht nur seinen eigenen Nimbus, sondern auch den der „dritten Kraft" der Gewaltlosigkeit Asiens zerstört, von der sich mancher immer wieder die Vermittlung in der Weltkrise erhoffte. Der amerikanische Delegierte Stevenson hat sich nicht gescheut, nach der deprimierenden Sitzung des Welfsicherheitsrates, der, gelähmt durch das Sowjetveto, nur noch die vollzogenen Tatsachen registrieren konnte, vom „ersten Akt des Todesdramas der UNO" zu sprechen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung