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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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DIE RECHTE FORM. Zu den international und in Oesterreich vieldiskutierten Welijugend-Fesf- spielen in diesem Sommer in Wien hat der Oesterreichische Bundesjugendring in einer Pressekonferenz eine Erklärung abgegeben, die dem entspricht, was die „Furche" von Anfang an für die rechte Form der Auseinandersetzung mit dieser Veranstaltung gehalten hat. Der Bundesjugendring lehnt es ab, an diesem kommunistisch gelenkten Meeting teilzunehmen, wird aber seinerseits sich bemühen, mit den Fesfspiel- teilnehmern ins Gespräch zu kommen, sie über den kommunistischen Charakter der Festspiele aufzuklären und ihnen die Lebensweise in einem freien Land vor Augen zu führen. Während der Weltjugend-Festspieie werden Informationsstellen für die Fesispieiteilnehmer eingerichtet, und man wird versuchen, persönlichen Konfakf mit einzelnen zu schaffen. So darf man hoffen, daß zumindest ein Teil dieser Jugend in Wien auch etwas zu hören und zu sehen bekommt von jener freien Welt, deren Boden sie hier oft zum erstenmal betritt.

ALS KLAGEFUHRENDE treten diesmal die Mittelschulen und die berufsbildenden Lehranstalten auf. Donnerstag, den 11. Juni, werden bei Wimberger die berufenen Vertreter der Eltern und Lehrer den geladenen Verantwortlichen, ob sie nun erscheinen oder nicht, klipp und klar erklären, daß sie nicht mehr gewillt sind, dem Elend unserer höheren Lehranstalten weiter zuzusehen. Eine Persönlichkeit aus höchsten Regierungskreisen hat selbst gesagt, man brauche in einer Stadt Oesterreichs nur nach dem schlechtest erhaltenen Bauwerk Ausschau

Wii bitten Sie sehr:

Keine Manuskripteinsendung ohne Rückporto.

Die Redaktion der „Furche zu halten, und man stehe vor einer Bundes- miftelschule. Während unsere Wirtschaft im Zuge der Industrialisierung immer dringlicher gebildete Jugendliche, vor allem Absolventen der technischen Mittelschulen anfordert, müssen an diesen Lehranstalten 50 Prozent der An- gemeldefen abgewiesen werden; es findet sich für sie, auch wenn sie eine abschreckend schwere Aufnahmeprüfung bestanden haben, eben kein Platz in den Klassen, in denen man sich mit Notsitzen und Instrumentarien aus Olims Zeiten behelfen muß. Es sind Deputationen entsandt, Denkschriften verfafjt, Enqueten einberu- r rt üntf Wesolulionen ūBerrėlčhf worden,' aBeV alle Bemühungen blieben bis heute vergeblich. Elfern, Lehrer und die jungen Menschen selbst, sie alle haben diese Benachteiligung satt, und die Künstler und Wissenschaftler der Arbeitsgemeinschaft ermutigen sie, um der Erhaltung der österreichischen Kultur willen die Sprache zu sprechen, die gehört werden muß: Wir tun nicht mehr mit! Und wenn uns keine bindenden Zusicherungen gegeben werden, daß diese Situation nachdrücklich gebessert wird, so kommt es zum Streik. Die Einladungen der Arbeitsgemeinschaft zur Kundgebung beginnen mit dem Wort: „Ohne Schule kein Fortschritt, ohne Fortschritt kein Wohlstand.” — Und sie schließt mit der Wahrheit: Die Mittelschule ist das Fundament unserer Kultur.

DR. ADENAUERS GEWAGTES SPIEL. Bundeskanzler Dr. Adenauer wird, entgegen dem von ihm selbst akzeptierten Beschluß der CDU/CSU vom 7. April, nicht als Bewerber um das Amt des Bundespräsidenten auftreten. Obwohl ihn die Führung der eigenen Partei in der Sitzung vom 5. Juni einhellig bat, seinen Widerstand zurückzunehmen, bleibt der Bonner Kanzler bei seinem neuen, überraschenden Entschluß, den er noch kurz zuvor in New York als eine Ausgeburt der Phantasie von Journalistengehirnen erklärte. Die Bonner Wendung hat wie eine Bombe eingeschlagen. Obwohl es zu keiner Spaltung der Regierungspartei kommen wird, zeigen jetzt schon die Beschlüsse einzelner Landesverbände, wie der Hamburgs, und der Sozialausschüsse der Chrisflichdemokratischen Arbeitnehmerschaft sowie die Erklärungen führender CDU-Polifiker, wie Gerstenmaier und Krone — beide offen gegen die Schwenkung des Kanzlers —, wie schwer die Krise ist, in die hier das Regierungslager geraten ist. Sämtliche anderen Parteien, also sowohl der Koalitionspartner der CDU/CSU die Deutsche Partei, wie die Bonner Oppositionsparteien, SPD und FPD, mißbilligen scharf die neugeschaffene Tatsache. In dieser Woche wird es im Bonner Bundestag zu schweren, bereits angemeldeten Angriffen auf die Person des Bundeskanzlers kommen; dies Bonner Schauspiel diskreditiert Deutschland in einem Moment, in dem die Genfer Konferenz in Geheimverhand- lungen über Deutschland „ernst redet”. Die westdeutsche Krise wird noch verschärft durch die Tatsache, daß auch in der Sozialdemokratie offen das Unbehagen über das Versagen der Führung, durch Ollenhcuer, ausgebrochen ist. Die Kommunisten und die Männer in Pankow hätten wahrlich keinen besseren Propagandaschlager gegen die Bonner Republik erfinden können als diese ihre Diskreditierung von oberster Spitze her. Das isf eine der vielen betrüblichen Tatsachen eines Aktes, dessen Folgen vor allem für die Innerdeutsche Auseinandersetzung unabsehbar sind.

DIE „ÜBRIGEN SIEBEN", jene Industriestaaten der OEEC, die nicht der durch die Römer Verträge gegründeten „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft” (EWG) angehören, haben in Stockholm getagt. Hier waren die Anhänger des englischen Freihandelszonenprojekfes unter sich. Eine „Kleine Europäische Freihandelszone" zwischen Großbritannien, Schweden, Norwegen, Dänemark, Portugal, Schweiz und Oesterreich könnte demnach bald — gleichsam als „Klub der Enttäuschten” — gegründet werden. Das würde bedeuten, daf; diese Staaten am 1. Juli 1960 (dem Datum der zweiten Zollsenkungs- eioppe der EWG) untereinander ihre Tarife um 20 Prozent vermindern und später, innerhalb von zehn Jahren, diese dann ganz abbauen wollen, womit sie auf diesem Gebiet das gleiche wie die EWG täten. Ob die EWG aber, wie man in Stockholm annnahm, sich durch so viel sympathisierendes Gleichtun plötzlich herbeiläßt, ihre Arme den sieben Außenseitern zu einer „Großen Europäischen Freihandelszone" zu öffnen, ist mehr als zweifelhaft. Wenn Frankreich seinen westlichen Inselnachbarn England bisher von der EWG heraushalfen wollte, wird es ihn nun wohl kaum über den Weg von Stockholm einlassen. Sfeht aber eine „Kleine Europäische Freihandelszone" ohne Vertrag mit der EWG da, dann isf die wirtschaftliche Teilung Europas eine Tatsache! In einem solchen Fall säße aber Oesterreich im falschen Wagen, denn .der Großfeil seines Handels (51 Prozent) wird mit den Staaten der EWG abgewickelt. Bei den anderen Ländern lieqen die Verhältnisse nicht so. Es isf klar, daß Oesterreich aus politischen Gründen einen Anschluß an die EWG ablehnen muß. Aber — schließt das die Möglichkeit eines Assoziierunasvertrages aus? Oesterreich wurde dazu von der EWG, die volles Verständnis für seine Neutralitätspolitik zeigt, schon öfter mehr oder minder deutlich eingeladen. England und seine Anhängersfaaten, wie Norwegen, und Schweden, können es mit ihrem nach Uebersee orientierten Handel eventuell in Kauf nehmen, einer wirtschaftlichen Spaltung Europas zuzusteuern, Oesterreich kann dabei nicht mittun.

AUSSCHLUSS AUS EUROPA Die Europaunion, genauer ihre schweizerische Sektion, hat den Gründer der Paneuropabewegung, Graf Coudenhove-Kalergi, aus der Bewegung ausgeschlossen. Begründung; er habe am Vorabend der Genfer Konferenz eine Agitation entfaltet, .dio aui e;na Aw=rkennung der Yersklcwmg .der

BBVöljcerunfl ilV.der deutschen 'Otfztone" hincnts- laufe. Graf Coudenhove-Kalergi hafte tatsächlich vorgeschlagen, sich mit den Russen und den Oststaaten auf einer Linie zu vergleichen, die die DDR dem östlichen Machfkreis zugesteht. Man kann nun sehr wohl der Meinung sein, daß diese These gefährlich und zu bekämpfen sei. Verbände wie die Europaunion sind eben dazu da, um solche Auseinandersetzungen in ihrem Schoß auszufragen! So aber geht es doch wahrlich nicht; durch einen Ukas, auf dem Verwaltungswege („administrativ" wurde lange genug im Osfen der Mensch, liquidiert, ausgeschaltef) einen Mann auszuscheiden, der mannhaft und integral für ein freies, föderatives Europa bereits gekämpft haf, als so manche laute und vorlaute Europamanager noch in den Windeln lagen oder sehr uneuropäisch dachten und handelten ... Wenn Europa die notwendigen Auseinandersetzungen ln seinem freieren Teil nicht mannhafter, klüger, freimütiger auszutragen vermöchte als hier die Europaunion, dann sähe es frübe aus. Goft sei Dank ist äuch dieses unser westliches Europa noch größer als die Macht der Apparate, die sich hier an einer Person vergreifen, die man kritisieren, auch angreifen kann, an der sich aber niemand vergreifen sollte, der es wagf, „Europa" in den Mund zu nehmen.

NATO AUF NEUEN WEGEN. Die in London versammelten Vertreter der NATO-Staafen sind mit einer Aufgabe befaßt, die im Schatten der Genfer Tagung nicht annähernd die ihr zukommende aufmerksame Beachtung gefunden hat. Worum es sich dort im wesentlichen handelt, sind nicht militärische Fragen, sondern das Studium der Möglichkeiten, im Wege eines neuen, stark ausgeweiteten Marshall-Planes den wirtschaftlichen und kulturellen Aufbau der unterentwickelten Länder Afrikas und Asiens in einem Ausmaß zu fördern, welches alle bisherigen Hilfeleistungen auf diesem Gebiet als geringfügig erscheinen lassen würde. Freilich, die genannte Konferenz kann nur Anregungen und Vorschläge beschließen; das letzte Wort haben die Regierungen und die Parlamente der beteiligten Staaten. Aber daß ein solches Projekt im Rat der NATO überhaupt zur Diskussion kommen konnte, die Erkenntnis sich also durchgerungen hat, daß alle militärischen Maßnahmen zur Verteidigung der freien Welt vergeblich sind, wenn der Westen die vom kommunistischen Bazillus bedrohten Völker des afroasiatischen Raumes ihrer materiellen und geistigen Not überläßt, das allein schon ist ein Ereignis von unabsehbarer Bedeutung.

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