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Die Hälfte des Exports an die EWG

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Die Steuerung des österreichischen Exports ist eine der Aufgaben, die dabei zu lösen sind. Länder mit möglichst gleichmäßiger Verteilung ihrer Exporte in die einzelnen Bezugsländer liegen dabei günstiger als Österreich, dessen Export zu 50 Prozent allein in den Wirtschaftsbereich der EWG geht. Dies war vor 1938 anders; damals verteilte sich der österreichische Export etwa zu gleichen Teilen auf Westeuropa, Osteuropa und Ubersee. Der Osthandel ist inzwischen auf rund 15 Prozent gesunken, und es kann nicht angenommen werden, daß sich sein Anteil am österreichischen Gesamtexport in absehbarer Zeit wesentlich erhöhen könnte. Die Ursache dafür ist ganz einfach in dem auf Warenkompensationsbasis beruhenden Bilateralismus zu suchen. Solange die Länder des Ostblocks nicht bereit und nicht imstande sind, von Österreich mehr Waren zu beziehen, als Österreich von ihnen kauft, sind diesen Handelsbeziehungen engste Grenzen gesetzt. Erst ein Übergang der Handelswirtschaft der Ostblockländer zu multilateraler Verrechnung auf der Basis konvertibler- Währungen könnte diesen Zustand ändern. Da dies aber bis auf weiteres wohl nicht erwartet werden kann, wird es bei den bisherigen Relationen verbleiben.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die im nächsten Jahr stattflndende Welthandelskonferenz der Vereinten Nationen verwiesen. Es sind vor allem die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten, die auf diese Veranstaltung besonderen Wert legen. Vom österreichischen Standpunkt aus kann gegen eine solche Veranstaltung nichts eingewendet werden, denn es besteht kein Grund dafür, über die Ausweitungsmöglichkeiten des Welthandels und das Problem der Entwicklungshilfe etwa nicht zu reden. So wie sich die Dinge aber im Augenblick übersehen lassen, müssen die Erwartungen der Ostblockländer von dieser Konferenz als übertrieben und teilweise uner-

füllbar bezeichnet werden. Hier gilt dasselbe, was eben über die wirtschaftlichen Beziehungen Österreichs zu den Oststaaten gesagt wurde. Eine Ausweitung des Welthandels hat das Abgehen vom bilateralen Warenkompensationsverkehr zum multilateralen Verrechnungssystem auf der Basis konvertibler Währungen zur Voraussetzung. Es ist nicht möglich, diese prinzipielle Grundlage eines freien Welthandels etwa durch weltweite Abmachungen über Ex- und Importkontingente zu ersetzen, wobei nach östlicher Ansicht die Abrechnung außerdem auf der Basis manipulierter Währungen zu erfolgen habe. Die Bereitschaft des Westens, über alle Probleme des Welthandels auf dieser Konferenz zu sprechen, darf im Osten nicht die Hoffnung erwecken, daß der Westen von den Grundsätzen einer freien Marktwirtschaft abzugehen bereit ist. Erfolg oder Mißerfolg der Welthandelskonferenz wird also davon abhängen, inwieweit die kommunistischen Regierungen bereit sind, dieser Realität Rechnung zu tragen.

Wie schwierig es für Österreich ist, zusätzliche Exportmärkte zu erschließen, zeigt deutlich die Entwicklung der EFTA. Trotz Ermäßigung der Zölle innerhalb der EFTA- Staaten um bisher 60 Prozent konnte der österreichische EFTA-Handel nur um 3 Prozent (von oben gerechnet), nämlich von 11 Prozent auf 14 Prozent, verstärkt werden. Dies zeigt deutlich, daß die Verminderung der Zollschranken allein noch keineswegs zu einer wesentlichen Verstärkung der Handelsbeziehungen führt. Alte bestehende kaufmännische Verbindungen und Gewohnheiten, geographische Lage und Produktionskostengestaltung bleiben nach wie vor wesentliche Elemente internationaler Handelsbeziehungen.

Die bedeutendste Agende im neuen Ressortbereich des Handelsministeriums stellt die Kompetenz für multilaterale Wirtschaftsbeziehungen dar, Die Notwendigkeit, die wirt-

schaftlichen Beziehungen mit der EWG in Ordnung zu bringen, ist bekannt genug, es braucht darüber nichts mehr ausgesagt zu werden. Hier stellte sich dem Bundesministerium zunächst die wichtige Aufgabe, den österreichischen Integrationswillen deutlicher als bisher zu dokumentieren. In zahlreichen Gesprächen mit den Verantwortlichen der Sechsergemeinschaft mußten der österreichische Wille und die Bereitschaft herausgestellt werden, zu einem Arrangement mit der EWG zu gelangen. Dies kann als gelungen bezeichnet werden, denn sonst wäre es gar nicht zu den Informationsgesprächen in Brüssel gekommen. Diese Informationsgespräche hatten die Aufgabe, den künftigen Verhandlungspartner über die österreichische Situation in allen politischen und wirtschaftlichen Belangen, die für ein Arrangement von Bedeutung sind, ausdrücklich zu informieren. EFTA-Verbindlichkeiten zu lösen haben. So wie die Situation gegenwärtig beurteilt werden kann, besteht keine Chance, das angestrebte Arrangement zu erreichen, wenn man österreichischerseits nicht bereit wäre, zur gegebenen Zeit aus der EFTA auszuscheiden Es ist dabei selbstverständlich, daß dieser Schritt nicht eher vollzogen werden kann, als bis das Arrangement unter Dach und Fach ist, und auch dann wird es kein Schritt von heute auf morgen sein, sondern eine allmähliche Lösung, die zeitlich mit dem Hineinwachsen in das Zollsystem der EWG korrespondiert.

Um auch einen Blick auf die kommende wirtschaftliche Entwicklung in Österreich zu werfen, so kann gesagt werden, daß uns eine vorsichtige Beurteilung derselben eine positive Annahme gestattet. Sicherlich wird es keine Rückkehr zu dem Tempo der Aufwärts

Als Erfolg dieser Informationsgespräche muß es bezeichnet werden, daß sich die Lösbarkeit des an sich schwierigen Problems eindeutig herausstellte. Um es mit anderen Worten noch einmal zu sagen: Die bisherigen Gespräche haben bewiesen, daß jedes Problem, seien es die Fragen des Zolles, der Liberalisierung, der Landwirtschaft oder der Harmonisierung jener Bestimmungen, die in den Bereich der Wettbewerbsneutralität gehören, gelöst wer- ' den kann, wenn man bereit ist, eine Lösung zu finden! Ob die EWG hierzu bereit ist, ist allerdings eine Frage, die auf höchster Ebene einer entsprechenden Entscheidung in Brüssel bedarf. Es könnte aber nicht mit einer diesbezüglichen positiven Entscheidung gerechnet werden, wenn sich etwa bei den Informationsgesprächen herausgestellt hätte, daß es unlösbare Probleme gibt. So gesehen stellen diese Gespräche einen Erfolg dar! Wer sich mehr von ihnen erwartet hat, der kennt den Sinn solcher Vorgespräche nicht!

Die Frage, wie es mit den österreichischen Integrationsbemühungen nun weitergehen wird, läßt sich im Augenblick nur dahingehend beantworten, daß nun die Reaktion Brüssels auf das Ergebnis der Informationsgespräche abgewartet werden muß. Brüssel muß die Entscheidung treffen, ob es bereit ist, mit Österreich in offizielle Verhandlungen einzutreten. Bei dieser Entscheidung werden aber nicht nur die technischen Probleme und die Möglichkeit ihrer Lösungen maßgeblich sein, sondern auch die Elemente, die sich aus dem unverletzbaren Neutralitätsstatus Österreichs ergeben, sowie das künftige österreichische Verhältnis zur EFTA. In österreichischer Sicht besteht kein Grund, diese Elemente als unüberwindbare Schwierigkeiten anzusehen. Für Brüssel aber wäre das Zustandekommen eines Arrangements mit Österreich sicherlich insoferne auch von nicht zu unter schätzendem Vorteil, als damit der Beweis erbracht würde, daß die EWG kein Exklusivklub ist, dem die wirtschaftlichen Belange seiner Nachbarn gleichgültig sind.

Hier muß allerdings auch darauf verwiesen werden, daß die Probleme, die sich aus der gegenwärtigen Zugehörigkeit zur EFTA ergeben, noch nicht gelöst sind. Aus den bisherigen Gesprächen und aus Mitteilungen, die von kompetentester Seite gemacht wurden, geht eindeutig hervor, daß die Zugehörigkeit eines Staates zu zwei präferenziellen Zollsystemen unmöglich ist. Es soll hier nicht weiter auf die Begründung dieser Feststellung eingegangen werden; für Österreich ist maßgeblich, daß diese Feststellung getroffen wurde! Österreich wird also, wenn es ein Arrangement mit der EWG einzugehen wünscht, seine entwicklung der Jahre 1959 bis 1962 geben, aber es kann immerhin eine weitere Steigerung des Nationalprodukts erwartet werden, die sogar über dem Prozentsatz von 1963 liegen könnte. Dies kam auch bei der letzten Ministersitzung der OECD im November d. J. zum Ausdruck. Ein solch erfreulicher Aspekt darf uns aber nicht dazu verleiten, in die Zunahme des’Nationalprodukts höhere als reale Erwartungen zu setzen; d. h. wir müssen nach wie vor, z. B. bei allen Budgetiragen, äußerste Vorsicht walten lassen. Ebenso muß es unsere Sorge sein, nach wie vor einen dämpfenden Einfluß auf die Lohnbewegungen und damit auf die Preisgestaltung auszuüben. Die Zunahme des Nationalprodukts, ja auch nur seine Erhaltung auf dem heutigen Stand, hat schließlich die Konkurrenzfähigkeit österreichischer Waren auf den ausländischen Märkten zur Voraussetzung. Da die gleichen Bemühungen heute von allen Regierungen angestellt werden, wäre es ein verhängnisvoller Irrtum, anzunehmen, wir könnten uns Produktionskostenerhöhungen einfach deshalb leisten, weil diese auch in anderen Ländern möglicherweise eintreten werden.

Zum Abschluß seien, nicht zuletzt unter Bezugnahme auf das 50jährige Bestandsjubiläum des Herold-Verlages, also des führenden katholischen österreichischen Verlagshauses, auch einige Worte zum weltanschaulichen Hintergrund unseres wirtschaftspolitischen Denkens gesagt. So wie wir die Wirtschaftspolitik als einen Teil der Politik überhaupt auffassen, unterliegen die Entscheidungen, die wir dabei zu treffen haben, auch unseren weltanschaulichen Prinzipien. Daher steht auch für uns in der Wirtschaftspolitik der Mensch im Mittelpunkt des Geschehens! Er ist es, dem unsere wirtschaftspolitischen Entscheidungen zu dienen haben! Nicht der Staat oder eine andere in der heutigen Gesellschaft verankerte Gemeinschaft sind das Primäre. Daher halten wir unverrückbar auch in der Wirtschaftspolitik am Grundsatz der Subsidiarität fest. Nur dort, wo die Kraft des einzelnen nicht ausreicht, kann und darf die Gemeinschaft einschreiten. Diese Hilfsstellung, die die Gemeinschaft dem einzelnen gibt, darf dabei nicht größer als unbedingt notwendig sein. Daß wir in Österreich diese Grenze schon vielfach überschritten haben, ist bekannt und wird dann gefährlich, wenn die materielle Leistungskraft der Gemeinschaft überfordert wird. Es muß auch in der Wirtschaftspolitik, wie in allen anderen Bereichen des menschlichen Lebens, der Freiheit des einzelnen der größtmögliche Spielraum gewahrt bleiben. So dienen wir der Würde des Menschen.

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