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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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DER ABGEORDNETE UND DAS STEUERAMT. Guter Rat aus Vorarlberg hat noch nie unserer Republik gesohadet. Im Gegenteil: Sehr olt wurden von dem nüchternen Menschenschlag, der dort zu Hause isf, kerngesunde Gedanken in Unsere parlamentarischen Körperschaften hineingetragen. So isf es auch diesmal. Der Vorarlberger Parteitag der Volkspartei hat den Beschluß gefaßt, dafür einzutreten, daß in Hinkunft die Abgeordneten ihre Bezüge versteuern sollen. Würde diese Anregung ein allgemeiner Beschluß, so fiele eine psychologische Belastung weg, die nicht zuletzt für unsere Abgeordneten von Jahr zu Jaßr schwerer wird. Der Oesterreicher ist nicht kleinlich. Er gönnt den Mandataren gerne ihre Diäten. Auch ihre Höhe erschreckt ihn keineswegs. Er halte auch gegen eine Abänderung nach oben nichts einzuwenden. Was man aber hierzulande nicht verträgt, ist die Ungleichheit vor dem Gesetz. Nachdem die Bezüge der Abgeordneten ihren Charakter als reine Tagungsdiäten schon lange verloren haben, ist es nur recht und billig, auch das Steueramt zu beteiligen. Vorarlberg ergreift die Initiative. Was wird von ihr auf dem langen Weg von Bregenz nach Wien übrigbleiben?

ZWISCHENBILANZ DER LANDWIRTSCHAFT. Als wichtigste Forderung unseres Bauernstandes stellte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft den Pressevertretern das Landwirtschaftsgesetz hin. Es war merklich, daß der Minister an dem nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen im Vorjahre beschlossenen Markflenkungsgesetz keine besondere Freude hat. Immerhin soll es, derzeit auf ein Jahr befristet, unbefristet verlängert werden. Den weiteren Ausführungen war zu entnehmen, daß die heimische Landwirtschaft in der Getreide- produkfion den Eigenbedarf nahezu decken kann. Im Landwirtschaffsminisferium wurden Vorarbeiten für ein neues Weingesetz aufgenommen, Große Bedeutung mißt man den Grundstückszusammenlegungen bei, die eine Verbesserung der Agrarstruktur mit Maschineneinsatz ermöglichen. Die zunehmende Motorisierung der Landwirtschaft zwingt zu verstärktem Ausbau von Güterwegen. Nach einer 1957 aufgestellten Zählung konnten 21,5 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe mit Lastwagen nicht erreicht werden. In den nächsten 15 Jahren sollen 10.000 Kilometer Wege gebaut werden. Die Restelektrifizierung isf eine weitere Aufgabe. Binnen sechs Jahren konnten 53.200 bäuerliche Betriebe mit Strom versorgt werden, 29.600 sollen irt den nächsten sechs Jähren darankommen. Für Verbauungsrriäßnah- men an Flüssen wurden seit 1945 rund eineinhalb Milliarden Schilling aufgewendet.

OST-WEST-KONFERENZ IN WIEN) Anfang Mai wird jetzt als frühester Termin für die Konferenz der Außenminister genannt, wobei Wien als Konferenzort zur Debatte steht. Zwei Vorstöße west- licherseits sind in letzter Zėit zu vermerken. Das Mitglied des außenpolitischen Auschusses des Senates, Senator Mansfield, fordert eine grundlegende Aenderung der Deutschlandpolitik des Westens. Mansfield nennt die westdeutsche Forderung nach Wiedervereinigung allein durch freie Wahlen ein „unrealisierbares Schlagwort”, das zudem die Gefahr eines „unnötigen bewaffneten Konflikts oder eines katastrophalen diplomatischen Rückzuges’ in sich berge. Der amerikanische Senator tritt für direkte Verhandlungen zwischen Bonn und Pankow und für eine „ernsthafte Prüfung des Rapacki- und Eden- Planes für eine militärisch verdünnte Zone in Mitteleuropa” ein. Seine Rede wurde in Bonn energisch zurückgewiesen, erfährt aber eine bedeutsame Akzentuierung durch eine ihr bereits vorangegangene Rundfunkansprache des Bonner Bundestagspräsidenten Gerstenmaier, der an die Adresse Bonns selbst die Aufforderung richtete: „Heraus aus den- Schützengräben Ses kalten Krieges!” Bonn solle sich zu „eigenen kräftigen und gezielten Bewegungen” ermutigen. Dieser Appell des der CDU angehörenden Politikers findet weite Beachtung. Ein gewisses Entgegenkommen den Wünschen Washingtons gegenüber ließ Bonn bereits erkennen: es erklärt sich einverstanden, daß Pankow und Bonn, beide ols Beobachter auf der Ost-Wesf-Kon- ferenz, teilnehmen. Vielleicht führt diese Schwalbe in den Vorfrühling hinein. Bis zum Mai, wie wir hoffen, in Wien, ist es noch lang …

„DUELL” SCHMID—KRONE! Für die Wahl des deutschen Bundespräsidenlen im Sommer, hat die Sozialdemokratie Carlo Schmid als Kandidaten genannt. Sein Gegenkandidat dürfte der Fraktionsvorsitzende der CDU im Bonner Bundestag, Heinrich Krone, werden. Zwei vortreffliche Männer, die beide weit über die Reihen ihre” Partei hinaus .Ansehen und Hochschäfzung genießen. Heinrich Krone hat sich in Bonn als eigener Kopf zu behaupten gewußt. Abhold aller Repräsentationen, ein ehrlicher Arbeiter im Dienste seines Volkes und der jungen deutschen Demokratie, hat er sich, vielbeachtet, bis jetzt keinen Frack Zugelegt, um bei den vielen offiziellen und hochoffiziellen Empfängen nicht erscheinen zu müssen. Carlo Schmid, der Staatsund Völkerrechtslehrer, der universal gebildete Professor und Politiker, im Bundestag die repräsentative Erscheinung der deutschen politischen Intelligenz, genießt weit über den. Hofzaun seiner Partei Hochschätzung, auch beim Bundeskanzler. Als er vor einigen Jahren in Indien einen Schlaganfall erlitt (Schmid ist jetzt erst dreiundsechzig) und sich mit großer Zähigkeit aus den Lähmungen emporarbeitete, nahm das ganze Volk, soweit es politisch interessiert ist, an seinem Schicksal Anteil. Die Wahl Carlo Schmids — sie ist nicht sehr wahrscheinlich — könnte zu einer innerdeutschen Entspannung, ja Befriedung beitragen. Leider zeigen die innenpolitischen Kämpfe der letzten Zeit, so die harten Polemiken zwischen Franz Josef Strauß und Ollenhauer, zwischen Strauß und Niemöller, und von Strauß gegen den in Amerika weilenden Berliner Oberbürgermeister Brandt, daß es gerade hier — tragisches Geschick der Deutschen! — zu schweren Auseinandersetzungen kommen dürfte. Mit Carlo Schmid als „rotem” Bundespräsidenten und dem „schwarzen” Kanzler dagegen, wäre ein Fundament für eine innenpolitische Zusammenarbeit gegeben, die Deutschland dringend brauchen würde.

NACHDEM DER PLAN einer Europäischen Freihandelszone von den einen (Frankreich und den restlichen Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) totgesagt worden war, von den anderen aber (England und den „anderen sechs”) noch eine Zeitlang künstlich am Leben gehalten wurde, scheinen nun beide Gesprächspartner stillschweigend übereingekommen zu sein, wenigstens das Wort Freihandelszone nicht mehr zu erwähnen. Frankreich spricht von bilateralen Verhandlungen und meint seinen alten Wunsch: Anschluß aller restlichen OEEC-Staaten an die EWG. England sagt multilaterale Verhandlungen und beharrf somit auf seinem bisherigen Standpunkt einer Freihandelszone. Inzwischen wird fleißig weiterverhandelt und die Gruppe der „anderen sechs”, verstärkt durch Portugal, kündigte waffenklirrend an, daß sie sich in Oslo versammeln werde, um neue Maßnahmen gegen eine Diskriminierung durch die EWG zu beschließen. Als Lektüre wird bis dahin das englische Weißbuch studiert werden, in welchem /die Briten ihre Abscheu vor Vergeltungsmaßnahmen gegenüber der EWG zum Ausdruck bringen, gleichzeitig aber betonen, daß sie letztlich doch, wenn der Ruf ihrer eigenen Industrie um Schutz vor der EWG an sie ergeht, diesem folgen würden.

IN SCHWERER SEE OHNE STEUERMANN. Die Nachricht von der schweren Erkrankung des amerikanischen Außenministers, hat in der gesamten we’stlfchen Welt ernste Besorgnisse ausgelöst. Zwar hoffen die Aerzte dės Mrlitär- hospitals in Washington, wo John Fosfer Dulles behandelt wird, das tückische Leiden ihres Patienten zum Stillstand zu bringen, eine Genesung aber, die es ihm erlauben würde, seine Amtsgeschäfte in vollem Umfang wieder aufzunehmen, halfen sie für nahezu ausgeschlossen. Daß Dulles gezwungen isf, das Steuer der amerikanischen Außenpolitik zu einem Zeitpunkt aus der Hand zu geben, da der sowjetische Vorstoß in der Deutschlandfrage die internationale Spannung neuerlich verschärft hat, darf wohl, ganz abgesehen vom persönlichen Moment, als tragisch bezeichnet werden. Von dringender Wichtigkeit ist die Frage, wer die Leitung des State Department — die gegenwärtige Betrauung des Staatssekretärs Herler, der selbst leidend ist, stellt wohl nur ein Provisorium dar — übernehmen wird. Man muß hoffen, daß der Präsident und der Senat sich dessen bewußt sind und diese Frage, von deren Lösung für alle Nationen des Westens viel ab- hängen kann, rasch, aber sorgfältig prüfen und entscheiden.

DER MUTIGE SCHAH-IN-SCHAH. Persien — seit 1949 „dürfen” Ausländer diese Bezeichnung für Iran wieder verwenden — ist gegenüber der UdSSR in einer ungünstigen Position; und nicht allein wegen der langen gemeinsamen Grenze, die der kommunistischen Infiltration kaum ein Hindernis bietet. Sein Oelreichtum war für den ördlichen Nachbarn schon zu einer Zeit eine and noch kaum konsolidiert war, und nach dei zweiten Weltkrieg wurde Aserbeidschan unti der Flagge einer angeblich autonomen Republ atsächlich zu einem sowjetischen Okkupation gebiet. Es bedurfte energischer Vorsteilunge der Westmächte, um schließlich den Abzug de lowjetischen Truppen zu erreichen und de Jegierung in Teheran die Wiedergewinnun ener Provinz zu ermöglichen. Aber damit wc die Tätigkeit der von Moskau gesteuerten Tudet ‘artei nicht beendet, und wenn Mohammed Rez ichah nicht im entscheidenden Moment seine ichlag gegen die verräterischen Elemente ge ührt haben würde, wäre Persien zweifellos ei owjetischer Satellitenstaat geworden. In de \nnahme wohl, daß die Westmächte zur Ze roll mit dem Deufschlandproblem beschäftic eien, und im Hinblick vielleicht auch auf di Entwicklung im Irak, hat Moskau jetzt neuer fings versucht, auf dem Vertragswege, Tehera n ein Abhängigkeitsverhältnis zu zwingen. Abs wiederum ist dieser Versuch an der Enfschlos enheif des persischen Monarchen gescheiter! Vas freilich nicht bedeutet, daß Persien vor de owjetischen Expansion gerettet ist.

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