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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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DAS BUDGET FÜR DAS JAHR 1955 wurde zeitgerecht dem Nationalrat vorgelegt und wie üblich von einer Rede des Bundesministers für Finanzen einbegleitet. Weder die Ziffern des Voranschlages noch die Rede des Bundesministers brachten irgendwelche Sensationen. Die Ansätze des Haushaltplanes für das kommende Jahr bedeuten nichts anderes als die Fortsetzung der einmal eingeschlagenen Politik der ausgeglichenen staatlichen Haushaltsgebarung, der Stabilisierung der Währung und der Förderung der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung überhaupt. Zu gewagten Experimenten gibt weder die allgemeine Lage noch der Ausgang der letzten Wahlen einen Anreiz, da ja der Großteil der Staatsbürger der bisherigen Koalitionspolitik weiterhin das Vertrauen ausgesprochen hat. Allerdings zeigt | sich der Finanzminister etwas ausgabenfreudiger, da der Bundesvoranschlag 1955 gegenüber dem Jahre 1954 eine Ausweitung des Ausgabenrahmens der ordentlichen Gebarung um 1 Milliarde, 677 Millionen Schilling und der außerordentlichen Gebarung um 570 Millionen Schilling auiweist. Das paßt nicht ganz in das ursprünglich verfochtene Konzept „Raab—Karnitz“, das eine Senkung der Staatsausgaben und eine Steigerung der betrieblichen Investitionen der Privatwirtschaft erzielen wollte. Man hoffte auf diese Weise zu einer Verbilligung der Produktion, Senkung der Preise, Belebung des Binnenmarktes und einer bedeutenden Mengenkonjunktur zu gelangen, die sowohl die Vollbeschäftigung als auch die Erhöhung der Reallöhne als Ergebnis zeitigen sollte.Aber bekanntlich hat die Drosselung der staatlichen Investitionstätigkeit zu einer bedenklichen Arbeitslosigkeit auf der einen Seite, die Belassung von mehr Geld in der Privatwirtschaft zwar zur Vermehrung der Luxusautos und der Prachtportale, nicht aber immer zur Vermehrung der Arbeitsplätze beigetragen. Festgehalten aber wird an dem Prinzip, öffentliche Investitionen im Anleiheweg zu finanzieren und damit echte zusätzliche Beschäftigung zu schaffen, was bei einer Finanzierung durch Steuermittel nicht der Fall wäre; denn durch Steuereinnahmen gibt der Staat nur Geld aus, das er vorher der Wirtschaft entzogen hat Ein Zeichen für die Richtigkeit der gegenwärtigen Haushaltspolitik 1st das mengenmäßige Ansteigen des privaten Konsums. Hoffen wir, daß beim weiteren Verfolg des eingeschlagenen wirtschaftspolitischen Kurses bald jeder Oesterreicher die gewünschten Konsumgüter zu erschwinglichen Preisen erhallen kann. Denn das Endziel jeder Wirtschaft ist schließlich die Versorgung des Menschen mit den Bedarfsgegenständen und nichts anderes.

IN DEN „RICHTLINIEN FÜR DIE DEUTSCHE AKTION“ in der Pfalz und Südhessen werden einige Forderungen aufgestellt, die in Oesterreich Interesse erwecken dürften. In Abschnitt 2, Punkt 3, heißt es da nämlich: „Oesterreich ist nach den Beschlüssen seiner Volksvertretung und Regierung vom Jahre 1919 ein Teil des deutschen Reiches. Die Ausübung 1 der Reichshoheit wurde von den Siegermächten des ersten Weltkrieges bis zum Jahre 1938 widerrechtlich gehindert, dann jedoch zugelassen. Die Deutschen in der Bundesrepublik Oesterreich dürfen niemals durch einseitigen Machtspruch an der Erfüllung ihrer jahrtausendealten Aufgaben im Reiche gehindert werden.“ In Absatz 1, Punkt 2, wird bereits postuliert: „Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und Oesterreich und der Magistrat von West- Berlin sind aus demokratischen Wahlen in Teilgebieten des Reiches hervorgegangen. Sie sind berufen, die Zentralgewalt im Reiche wiederherzustellen.“ Für die „Deutsche Aktion" gilt als selbstverständlich: „Bis zum Friedensschluß besteht das deutsche Reich nach anerkanntem Völkerrecht innerhalb seiner Grenzen vom Tage des Kriegsausbruches.“ Oesterreich ist also auch heute noch ein Teil des deutschen Reiches — daneben wird es den Oesterreicher auch noch interessieren, daß er berufen ist, mit den a n de re n Deutschen die Reichshoheit w i e- derherzustellen in Ostpommern, Westpreußen und Danzig, Ostpreußen und dem Memelland, in Niederschlesien und Oberschlesien, im Sudetenland und Südtirol, die deutsche Sprache und Kultur zu schützen in Elsaß und Lothringen, in Eupen-Malmedy und Tandem und in einer Reihe anderer Gebiete, die fein säuberlich aufgezeichnet sind in diesen „Richtlinien“. — „Die deutsche Aktion"? — Sie ist wohl ein Freischarunternehmen unentwegter, illegaler nationalistischer Heißsporne? Mitnichten. An ihrer Spitze steht als Führer Hubertus Prinz zu Löwenstein, Mitglied des Bonner Bundestages, gewählt in Nordrhein-Westfalen auf der Liste einer Regierungspartei, der Freien Demokratischen Partei. Prinz Löwenstein ist in Kufstein geboren, war einige Jahre in Amerika, macht aus seinem Anschlußwillen Oesterreich und einigen anderen „Gebieten" gegenüber kein Hehl und besitzt über einige deutsche Verlage und einige vorzügliche Presseorgane in der Bundesrepublik (unter diesen steht eine der angesehensten und leider ausgesprochen österreichfeindlichen Zeitungen Westdeutschlands an der Spitze) einen nicht zu unterschätzenden Eintluß in gewissen Industriekreisen und bei einer gewissen Prominenz, die sehr „großzügig" über die künftige Verwaltung des europäischen Raumes denkt und plant. — Wir sind diesem Gentleman zu Dank verpflichtet: seine kavaliersmäßig offene Sprache verrät, was andere nur denken. Darum sei ihm dieser Dank auch offen abgestattet.

„KRISE IN UNGARN." „WAS GEHT IN UNGARN VOR?" So und ähnlich kommentierten in den letzten Tagen die großen Blätter des Westens die der Reihe nach immer schärfer, immer unmißverständlicher werdende Kritik der heute führenden Männer Ungarns gegenüber dem Im Juni vergangenen Jahres durch die Regierung Nagy abgelösten Rakosi-Regime. Können aber Reden, kann eine Kritik, die zudem auch nicht mehr ganz neu ist, eine Wende hervorrufen? Sie kann das vorläufige Ende eines Kampfes, der wohl hinter den Türen der Konferenzzimmer ausgetragen wurde, anzeigen! Zuletzt kam auch noch etwas anderes hinzu: am 23. Oktober wurde in Budapest der Kongreß der „Vaterländischen Volksfront“ eröffnet. Sämtliche Spitzen der Regierung und der Partei waren anwesend, sie hielten Reden und saßen im umfangreichen Präsidium zusammen mit dem Erzbischof von Erlau, Doktor Gyula Czapik, und mit ehemaligen Ministern, die im Laufe der letzten Jahre gesäubert worden waren! Rakosi aber fehlte, und es wurde ein Telegramm vorgelesen, in welchem er „von seinem Urlaub" dem Kongreß viel Erfolg wünschte. Diesem wichtigen Umstand entsprechend gestaltete sich der Kongreß. Es wurde viel, aber auch Oft mit einer bisher unbekannten Offenheit und Sachlichkeit gesprochen. Der Ministerpräsident selbst legte in seiner mit Petöfi-Zi taten gespickten Rede allem Anschein nach auf breiteste Volkstümlichkeit Wert. Der Erfolg des „neuen Kurses” oder, wie man ihn neulich nennt, des „Weges vom Juni", war offenbar. Neu war auf jeden Fall der Gesprächston (nichts anderes, denn man weiß, daß es die Partei ist, die auch hinter der „Vaterländischen Volksfront" steht): Wie der Erzbischof von Erlau sich nicht nur als „treuer Sohn und Diener der Kirche und ihres Oberhauptes" bekennen (denn das war weder überraschend noch ungewöhnlich), sondern vor der großen Oeffentltchkelt des Landes über die wahre Vaterlandsliebe und über eine Volkspolitik, die den Interessen des ganzen Volkes dienen soll, sprechen konnte. Oder wie der Regierungssprecher vor der Erwähnung der Sowjetunion der Hoffnung der baldigen Aufnahme wirtschaftlicher, kultureller und sportlicher Beziehungen mit Jugoslawien Ausdruck gab. Man wird gut daran tun, eine Entwicklung, die hinter diesen äußeren Zeichen verborgen sein kann, Schritt für Schritt zu verfolgen und zu prüfen.

ISLAND, DAS „EISLAND“ — erfreut sich zunehmender Aufmerksamkeit jener Mächte, welche die Weltpolitik bestimmen. Nachdem im Zuge der Kriegsereignise 1940 England den seit 1918 unabhängigen, nur durch Personalunion mit Dänemark verbundenen Staat besetzte, folgten ein Jahr später die Amerikaner. Ihrem Einflüsse war mit die Volksabstimmung von 1944 zuzuschreiben, in deren Folge auch die letzte Verbindung mit Dänemark gelöst wurde. Im Vertrag von 1951 übernahmen die Vereinigten Staaten endgültig die Verteidigung der Insel und die schon während des Krieges neuzeitlich ausgebauten Flugstützpunkte. Diese Tatsache — für die strategische Lage im Nordatlantik und die über den Pol weisenden Flugwege — hat die Sowjetunion nicht ruhen lassen. Sie versuchte es mit der Handelspolitik. Der nunmehr abgeschlossene isländisch-sowjetrussische Handelsvertrag sieht einen Warenumsatz von einstweilen 75 Millionen isländischen Kronen vor. Während bisher — die Insel, um ein Drittel größer als Oesterreich, besitzt keine Eisenbahnen und 6000 Kilometer mangelhafte Straßen — ausschließlich amerikanische Kraftwagen liefen, verpflichtete i ich Sowjetrußland, vorderhand hundert Wagen der Type „Pobeda“ zu liefern. Viel wichtiger als diese Geste ist es aber, daß die isländische Handelsflotte mit ihren 370 Einheiten und der mehr als 40.000 umfassenden Tonnage, dem wichtigsten Erwerbszweig der Insel, dem Fischfang dienend, durch die Absatzbeschränkungen, welche Großbritannien erließ, nach neuen Partnern lebensnotwendig Ausschau halten mußte. War vor dem Kriege Frisch- und Trockenfisch, aber auch Wolle nach England, Dänemark und Deutschland gegangen, so dient der Fang jetzt als Kompensation für die russischen Erdöllieferungen. Man sollte im Westen wissen, wie die Netze ausgeworfen werden.

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