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RANDBEMERKUNGEN

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DIE KANZLERREISE NACH DEN USA. Die Amerikaner sind ein gastfreies Volk und stets bereif, den prominenten Besucher aus Uebersee aufs freundlichste zu empfangen. Das hat sich auch jetzt wieder gezeigt, im ganzen Verlauf der Staatsvisite, die Bundeskanzler Raab ihrem Lande abgestattet hat. Die Herzlichkeit der Auf-'nahme, die unserem Regierungschef auf allen Etappen seiner Reise zuteil wurde, in der breitesten Oeffentlichkeit wie bei seinen Zusammenkünften mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und anderen führenden Persönlichkeiten, frug aber eine ganz besondere Note. Ueberall kam zum Ausdruck, wie autrichtig und wie lebendig die Sympathie ist, die Oesterreich jenseits des Atlantiks genießt; dieses Oesterreich, dessen Bedeutung — das hat man auch auf der anderen Seite des Ozeans erkannt — nicht nach seinem heutigen Flächeninhalt und seiner Bevölkerungszahl zu bemessen ist, sondern nach der einmaligen Größe seiner historischen Leistungen, der Höhe seiner altererbten Kultur und der inneren Stärke, die es auf dem exponierfesten Posten der westlichen Well bewiesen hat. Das mufj dem Kanzler, ungeachtet der grofjen Strapazen seiner Tour, wohlgetan haben, auch wenn es ihm nicht gelang, sämtliche Oesterreich unmittelbar interessierenden Fragen, die auf dem Programm seiner amerikanischen Gespräche standen, völlig befriedigend zu klären. Im übrigen wird man mit der Annahme nicht fehlgehen, daß die für die amerikanische Außenpolitik Verantwortlichen grofjen Wert darauf gelegt haben, die Ansichten unseres Bundeskanzlers über Probleme zu hören, für deren Beurteilung er durch seine reichlichen Erfahrungen im Umgang und in Verhandlungen mit den Machthabern des Ostens besser qualifiziert sein mag, als manche der führenden Politiker des Westens.

ZEHNTAUSEND MANN, DIE ZOGEN INS MANÖVER... Ruhe ist wieder in die Wälder des Wald- und Mühlviertels eingekehrt. Der erste Teil der grofjen Frühjahrsmanöver des österreichischen Bundesheeres, der vor allem die niederösferreichische und die oberösterreichische Brigade im Einsatz sah, sind beendet. Die Annahme war realistisch genug: Eine Partei „Rot“ — die Teilung der Manöverparteien in „Rote“ und „Blaue“ ist alt und bei allen Armeen üblich — hatte das österreichische Staatsgebiet von Norden überschritten und drückte die hinhaltend fechtenden „Blauen“ gegendie Donau. Zuletzt; konnten letztere nur noch bei Mauthausen einen Brückenkopf holten, der von Sfunde zu Stunde Immer mehr eingeschnürt wurde. Die Mauthausener Brücke war — so die Annahme — gesprengt, also muhte ein improvisierter Fährbetrieb eine kampfstarke Brigade nvt all ihren Trossen binnen 24 Stunden übersetzen. Dies gelang auch — beim Manöver. In der uns hoffentlich immer erspart bleibenden Wirklichkeit — nochmals: die Annahme war realistisch — wäre dies wohl kaum so glatt gelungen. Die Nervosität, ja die Panik jedes Rückzuges hat ihre eigenen Gesetze... Auch sind Jagdbomber alles andere als harmlose Himmelserscheinungen, die nur Anlaß zum Verschiefjen der Platzpatronen bieten, ansonsten aber die „plan-mäfjigen Absatzbewegungen“ in keiner Weise beeinträchtigen. Nun, die Auswertung der Verbandsübungen ist Sache der zuständigen Militärs. Eines darf jedoch der flüchtige Beobachter notieren: die jungen Soldaten sind mit qanzem Herzen bei der Sache. Vor allem für die Pioniertruppe — neben der Artillerie war sie sfets ein Atout der österreichischen Armee — scheint die alte Devise „Pioniere, wie immer!“ wieder Gellung zu bekommen. i

DAS GESETZ ZUM SCHUTZE DER JUGEND ist, wie die Kammer für Arbeiter und Angestellte bekanntgab, in den letzten Jahren zunehmend übertreten worden. Von 1954 bis 1955 betrug die Erhöhung acht Prozent; von 1955 bis 1956 zehn, von 1956 bis 1957 fünfzehn Prozent. Diese kontinuierliche Linie deutet klar darauf hin, dafj auf diesem Gebiete zu anderen Mitteln gegriffen werden mufj. Es hat keinen Sinn, Statistiken zu führen und von Zeit zu Zeit über die Halfung der Jugend in bewegte Klagen auszubrechen, wenn die Erwachsenen entweder nicht gewillt oder mangels zureichender gesetzlicher Unterlagen nichf in der Lage sind, eine Aenderung herbeizuführen. Wir weisen nur darauf hin, dafj beispielsweise die Zahl der Arbeitsinspekforen, welche berufen sind, nach dem Rechten zu schauen, viel zu gering isf. Die zusätzlich einzustellenden Kräfte müssen aber auch jugendpsychologisch und arbeitsrechtlich geschult sein, um die Lehrlingsverhältnisse zuverlässig zu überprüfen. Die Mindesfslrafe für Gesetzübetretung mit 50 Schilling, die in keinem Verhältnis zur Bedeutung des Problems steht, mufj erhöht werden. Die vom Jugendbeschäftigungsgesefz vorgesehene Untersuchung entsprechend den Empfehlungen des Sozialministeriums mufj im ganzen Bundesgebiet stattfinden. Auch hier wird das Gesetz nicht beachtet, es kommt immer wieder vor, dafj umfangreiche Jugendgruppen nicht untersucht werden. Der 7. Jugendgewerkschaftstag hat auch, und mit Recht, gefordert, dafj eine gesetzliche Gleichschaltung des Erholungsurlaubs für gesundheitlich gefährdete Jugendliche (Befund III) mit dem Krankenstand durchgeführt wird.

NICHT DER STAAT UND DIE BEHÖRDEN, sondern die Wirtschaft mit ihren bisweilen recht undurchsichtigen Spezialinteressen und Sonderabteilungen zur Pflege der sogenannten „Public Relations“ bildet heute die eigenlliche „Zensur“ zur Einschränkung und Unterbindung der freien Meinungsäußerung in der Presse. Dies stellte kürzlich der alle zwei Jahre tagende Kongreß der Internationalen Journalisten-Föderation (IJF) in London fest und empfahl nachdrücklich Gegenmaßnahmen. Er beauftragte den Leitenden Ausschuß, Regelungen auszuarbeiten, die eine klare Ausscheidung des Zulässigen vom Unerwünschten gewährleisten. Zum Schutze einer unabhängigen öffentlichen Meinungsbildung soll eine saubere Trennung von Textteil und Anzeigenteil, von freier, objektiver Meinungsäußerung und bezahlter kommerzieller Reklame, von Information und Propaganda in wirtschaftlichen Angelegenheiten, hinter denen nicht selten auch „höhere Interessen“ operieren, garantiert werden. — Das sind mannhafte Worte, die auch in Oesterreich nicht überhört werden mögen. Wenn auch bei uns die „Auszeichnung“, die klare Markierung des geschäffsinteressierfen, bezahlten Teiles sei geraumer Zeif Hausbrauch isf, ergeben sich doch da und dort noch immer „Grenzfälle“. Befrübliche, gottlob vereinzelte Vorfälle zeigen auch bei uns immer wieder gewisse Abhängigkeifen auch unabhängigster Zeitungen auf... Die Londoner Magna Charta der Freiheit und Sauberkeit der Presse soll ein Warnruf ein.

DAS ERGEBNIS DER WAHLEN IN ITALIEN liegt bei Redaktionsschluß in seinen Einzelheiten noch nicht vor. Eine genaue Analyse dieses, wie inzwischen auch von anderer Seite mehrfach bestätigt, ruhigsten italienischen Urnengangs seit der Wiederherstellung der Demokratie auf der Apenninenhalbinsel sei deshalb der nächsten Nummer unserer Wochenschrift vorbehalten. Wohl aber ist es erlaubt, aus den stündlich einlaufenden Zwischenresultaten einige Tendenzen zu erkennen. Man brauchte kein Prophet zu sein, um — wie es in der „Furche“ geschehen ist — gewisse hochgespannte Erwartungen auf eine absolute Mehrheit der Democrazia Cristiana zu dämpfen. Diese ließ alle anderen Parteien zwar nach wie vor mit Abstand hinter sich, mußte ctbjjr. jeiJiige lokale, Veränderungen registrieren. Dasselbe gilt auch für ihre kommunistischen Gegenspieler. Durch das Wahlgesetz begünstigt, konnten die kleinen laizistischen Parteien des Zentrums — allen voran die Liberalen — Achtungserfolge er?'elen, Ueberraschend isf der im Gegensalz zu ihrem Aufwand im Wahlkampf stehende geringfügige Erfolg der monarchistischen Gruppen — die Neofaschisten behaupten sich als Tradifionspartei. Theoretisch könnte die DC mit den kleinen Parteien der Mitte die alte „Zentrumskoalition“ Degasperis erneuern — aber... Von diesem „aber“ kann es abhängen, ob Italien auf kurz oder lang das Schicksal der lateinischen Schwester Frankreich drohen kann.

SCHUSSE IN LISSABON. Seil mehr als dreihig Jahren herrschte in Portugal ein innerer Friede, wie ihn dieses Land früher nur seifen und kaum je in so langer Dauer gekannt hat. Um so unerwarteter und für alle Freunde Portugals bestürzend waren die turbulenten Vorfälle, die sich unlängst im Zuge der Kampagne für die Präsidentenwahlen — am 11. Juni soll das Staatsoberhaupt gewählt werden — in Lissabon ereignet haben. Doch die Kommunisten, denen der Staat Salazars als angeblich „faschistisch“ ein Dorn im Auge ist, frohlockten zu früh. Es haf sich dort keineswegs um den Auftakf einer Volkserhebung gegen eine „unerträgliche Diktatur“ gehandelt, sondern, anfänglich, blofj um eine Demonstration für den oppositionellen Präsidentschaffskandidaten, einen durchaus „bürgerlichen“ General übrigens, die nur deshalb zu Blutvergießen führte, weil die Polizei sich veranlaßt sah, von der Waffe Gebrauch zu machen — nicht gegen die Demonstranten, sondern zu deren Schutz gegen eine erregte Volksmenge, die in der oppositionellen Kundgebung eine kommunistisch inspirierte Bedrohung der Ruhe und Ordnung im Lande erblickte. Ungeachtet mancher oder auch berechtigter Klagen über das Regime schätzt die Masse des Volkes die bestehende politische Stabilität und den allmählich steigenden Wohlstand eben doch zu sehr, um nicht vor dem Gedanken eines Umsturzes zurückzuschrecken. Die Vorgeschichte des spanischen Bürgerkrieges dient auch den Portugiesen heute noch zur Warnung. Allerdings bleibt es eine offene Frage, ob der Ständestaat im Gefühl und im Denken des an sich unpolitischen portugiesischen Volkes genügend fest verwurzelt ist, um auch dann nicht ins Wanken zu kommen, wenn seine Führung nicht mehr in den Händen eines Mannes von der sfaatsmännischen und persönlichen Autorität Antonio de Oliveira Salazars liegt. •

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