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Randhemerkungen zur woche

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AM ERSTEN MAIENSONNTAG wird voraussichtlich die Wahl des Bundespräsidenten durch das Volk stattfinden. Wertvoll und schön für Staat und Volk wäre es gewesen, hätten sich zu diesem großen Akt die beiden Koalitionsparteien auf den Entschluß zu einigen vermocht, den Mann, der dem ganzen Volk zugehören und ungeteiltes Vertrauen besitzen soll, aus dem leidigen Partei-Hin-und-Her loszulösen und gemeinsam eine Persönlichkeit so bezeugter Eignung vor das Volk zu stellen. Es fehlt nicht an solchen Männern. Unsere Demokratie ist aber offenbar noch nicht zu solchen Erprobungen bereit. Wenn es aber schon so ist, so sollte doch darüber Übereinstimmung festgestellt werden, daß die Wahl des Bundespräsidenten nicht mit dem Drum und Dran eines parteipolitischen Wahlkampfes behaftet werden darf, und schon in der Art, wie die Volksmeinung festgestellt wird, der Respekt zum Ausdruck kommt, der dem gebührt, der als der Erkürte des Volkes hervorgehen soll. Mit eindrucksvoller rascher Einmütigkeit hat die Volkspartei aus der Mitte ihrer Besten Landes-, hauptmann Dr. Gleißner als ihren Mann vorangestellt, dessen Kandidatur ein Bundesparteitag zu sanktionieren haben wird. Auf sozialistischer Seite wird eine Reichskonferenz das entscheidende Wort sprechen.

DIE BEVORSTEHENDE HOCHZEIT OTTOS VON HABSBURG-LOTHRINGEN in Nancy regt denjenigen, dem die österreichische Geschichte lebendige Tradition ist, zum Nachdenken über Weg und Schicksal dieses mit unserer Vergangenheit untrennbar verbundenen Geschlechts an. In den sieben Jahrhunderten, in denen die Habsburger mit der europäischen Geschichte so eng verbunden waren, daß man fast sagen konnte, der Mittelpunkt Europas lag jeweils dort, wo dieses Geschlecht regierte, sind sie immer wieder in schicksalhaften Wendungen ihrer Geschichte in das Gebiet zurückgekehrt, von wo sie ihren Anfang genommen. Wie ihre Gegner und Rivalen im späteren Mittelalter, die Luxemburger — die ebenfalls aiis dem Westen kamen und im Osten, in Böhmen, ihre Territorialmacht aufrichteten —, und wie ihre späteren Gegner, die Savoyer, stammten auch sie aus jenem Kerngebiet des karolingischen Reiches und der abendländischen Kultur, wo West und Ost, Nord und Süd einander berühren und wo schon der Ahnherr Rudolf eine bedeutsame Macht in seinen Händen vereinte; die Legende vom „armen Grafen“ war bekanntlich eine Propagandathese der Przemysliden. Das Gebiet des alten lotharingischen Zwischenreichs wurde für die Habsburger von weltgeschichtlicher Bedeutung in jenem Schicksalsjahr 1477, da durch die Ehe Maximilians I. mit Maria von Burgund die Voraussetzungen geschaffen wurden zum Aufstieg des „Hauses Österreich“ zur Weltmacht — wenige Monate, nachdem der letzte Burgunderherzog Karl der Kühne, der Vater Marias, bei Nancy sein Leben eingebüßt hatte bei dem Versuch, das noch zum Wiedererstehen des alten „Lotha-ringien“- fehlende Herzogtum Lothringen seiner von den Niederlanden bis in die Alpen reichenden Herrschaft einzuverleiben. Zweieinhalb Jahrhunderte später aber erstand aus der Verbindung des letzten Lothringerherzogs mit der letzten und größten Frau aus dem alten Habsburgerstamm das Haus Habsburg-Lothringen. — Indem er Nancy als Ort für seine Eheschließung ausgewählt hat, dokumentiert Otto von Habsburg-Lothringen die Verbundenheit mit der Geschichte seiner Familie. Einem das Erbe, und die Tradition der österreichischen Geschichte bewußt pflegenden .Organ wird es gewiß nicht als „legitimistische Propaganda“ ausgelegt werden können, wenn es bei dieser Gelegenheit auch der Zusammenhänge österreichischer Geschichte mit der Geschichte dieses universalistischen und wahrhaft europäischen Geschlechtes gedenkt.

DER WIEDERAUFBAU DES EHEMALIGEN KRIEGSMINISTERIUMS am Stubenring in Wien nähert sich seinem Ende. Begonnen wurde er kurz nach 1945 — und man erinnert sich noch sehr gut, daß damals die Absicht bestand, sämtliche Ministerten unseres Landes und die Präsidentschaftskanzlei womöglich noch dazu in dem ungeheuerlichen Baukomplex unterzubringen: aus Gründen der Ersparnis, der Zentralisation und einer ökonomischen Verwaltung. Es war ein schöner Plan. Leider unterlag er im Laufe seiner Ausführung gewissen kleinen Veränderungen; es stellte sich nämlich heraus, daß nicht alle, sondern nur sechs Ministerien am Stubenring würden Platz finden können — aber auch das, so sagte man, würde viel, sehr viel freien Wohnraum für den privaten Bedarf schaffen. Schade, daß es auch bei diesen sechs Ministerien nicht bleiben konnte! Eine Zeitlang nannte man wieder die Zahl

fünf, dann nur noch vier. Und nun, da es soweit ist, bleibt es — hoffentlich nun doch endgültig? — bei drei Ministerien, dem Handels-. Sozial- und Landwirtschaftsministerium, die im Herbst mit der Übersiedlung beginnen sollen. Da nach den vorliegenden Angaben das graue Monstergebäude über 7 Stockwerke und 1400 Zimmer verfügt, wird sich also jedes dieser drei. Ministerien durchschnittlich in 460 Zimmern zusammendrängen müssen, während der Rest der Räume vermutlich der Bundestheaterverwaltung zugesprochen wird. — Solche Ziffern geben zu denken, und der Hinweis, daß für alle drei Ministerien „aus Er sparung s gründen“ gemeinsame Repräsenr tationsräume geschaffen wurden, vermag den Eindruck einer immer noch anhaltenden Aufblähung des Verwaltungsapparats nicht zu verwischen. Wie schön war die Gelegenheit, das Schlagwort von der Verwaltungsreform in eine Tat umzusetzen! *

DIE GEWÄHRUNG DER NOTSTÄNDSHILFE AN VOLKSDEUTSCHE hat jetzt wenigstens auf einem Sektor eine rechtliche Gleichstellung der deutschsprachigen Hei-matvertriebenen mit den österreichischen Staatsangehörigen gebracht. Inder „Furche“, die von Anfang an immer wieder eine dem christlichen Gewissen, der sozialen Gerechtigkeit und alter historischer Verbundenheit entsprechende Behandlung der Heimatver-triebenen verlangt hat, sei der erfolgte legislatorische Akt mit Genugtuung verzeichnet. Aber er bedeutet nicht alles, was zu geschehen hat;, von einer völligen arbeitsrechtlichen Gleichstellung kann leider noch nicht die Rede sein. Erschwert wird- die notwendige Säuberung von Härte und Un,-gerechtigkeit durch den übermäßigen Formalismus, von dem so manche unserer Ämter und Behörden belastet sind: er trifft die Volksdeutschen als Staatenlose besonders hart, wenn sie ihre Einbürgerung zu betreib ben haben. — Einige Hoffnung, daß nun aber doch das dickste Eis gebrochen ist, darf man jetzt aus der verständnisvoller gewordenen Haltung der Gewerkschaften schöpfen.

DIE STÄRKE VON VIERZIG DIVISIONEN wird die atlantische Verteidigungsmacht in ihrer Vollendung bis zum Ende 1952 erreichen. Diese Bezifferung wurde von General Eis enhow er im amerikanischen Senatsauschuß gegeben, sie ist also keine Hausnummer. Vierzig Divisionen — also bei 600.000 Mann — bedeuten eine ansehnliche militärische Kraft. Sie markiert eine militärische Stellung, den Willen, wenn es not tut, sich zu verteidigen und. dann im Erforderungsfälle auch mehr zu leisten. Von ihr jedoch zu sagen, daß sie eine Herausforderung, eine Drohung gegenüber der bis an die Zähne bewaffneten Sowjetmacht darstellen würde, wäre eine Falschmeldung* Sich ihrer polemisch zu bedienen, muß am schlechtesten einer Propaganda anstehen, die immer von dem Friedenswillen der eigenen Seite und von Kriegsdrohung der anderen redet.

DIE DEUTSCHE SPRACHE erfreute sich in den ehemals besetzten Ländern Europas nach dem Kriege nicht eben sonderlicher Beliebtheit. So auch in der Tschechoslowakei, wo ihr Gebrauch im Jahre 1945, zuweilen sogar mit Lebensgefahr verbunden war. Mit der Wirtschaftskonjunktur des zweiten Nachkriegsjahres, die die Tschechoslowakei zu einem gutbesuchten, Fremdenverkehrsland machte, kamen die, ersten Konzessionen. In den Straßen Prags erschienen neben Aufschriften wie „English“ und „Frangais“ auch kuriose, wie „Schweif zerdeutsch“. Als bei der Weltmeisterschaft im Eishockey das österreichische Team in Prag zum Königsmacher der Tschechoslowaken wurde, verstand urplötzlich alle Welt rundum sogar deutsch! — Darüber sind nun Jahre verstrichen. Die Deutschen-, aussiedlung ist abgeschlossen, die im Lande, verbliebenen Reste der deutschen Minderheit haben schon gewisse staatsbürgerliche Rechte zurückerlangt. Man ist sogar mit einem deutschen Demokratenstaat befreundet. Nicht nur der Eifer der Ultraradikalen, auch der Erlös der indessen waggonweise nach dem Ausland verkauften beschlagnahmten deutschsprachigen Literatur scheint sich allmählich erschöpft zu haben So soll also in naher Zukunft wieder die Ausgabe einer deutschsprachigen Wochenzeitung und später auch einer Tageszeitung erfolgen. Die staatliche Verlags-anstalt „Orbis“ soll auch die Einrichtung deutscher Buchläden in erfolgversprechenden Gebieten planen. Das „Zugeständnis“ sprachlicher Art kommt zur passenden Zeit. Was den Inhalt der deutschen Druckwerke angeht, wird es ohnedies kaum Zugeständnisse geben. Die politische Atmosphäre ist ein für allemal „gesäubert“ — aber die leeren Taschen wollen neu gefüllt werden.

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