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Wie denken Sie über Rumänien?

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Zur Zeit des Berliner Kongresses von 1878, der den unter dem Namen Rumänien vereinigten bisherigen Donaufürstentümern die völkerrechtliche Unabhängigkeit brachte, machte ein geflügeltes Wort die Runde: Wie denken Sie über Rumänien? Das eben epst von der türkischen Oberhoheit befreite Land gab den europäischen Staatsmännern genug Anlaß zum Kopfzerbrechen. Seine gebildete Oberschicht hatte französische Politur, die Gelehrten und politischen Ideologen neigten im Namen der angeblichen Herkunft von den Legionären de Römischen Kaisers Trajan zu Italien; die harten Notwendigkeiten der Gegenwart ließen die rumänische Diplomatie zwischen Rußland, dem Reich des Zar-Befreiers, und Oesterreich-Ungarn hin- und herpendeln, und auf dem Throne saß eine deutsche Dynastie. Das Volk, tüchtig, arbeitsam, doch kulturell weit zurückgeblieben, hatte andere Sorgen als der Hof, die Fanarioten-Aristokratie und die anderen Bojaren, die Professoren und die Berufspolitiker, samt den Dichtern und Zeitungsschreibern. Es werkte um kargen Lohn und wurde von Zeit zu Zeit von Agitatoren aufgeputscht. Die beiden größten Reichtümer des Landes, das Erdöl und die ausgedehnten Wälder, wurden von einer dünnen Oberschicht und vor allem durch fremde Großunternehmer ausgebeutet, ohne daß diese Schätze voll genutzt worden wären.

Der zweite Weltkrieg brachte insoferne einen tiefgreifenden Umbruch, als nach einem paradoxalen Zwischenspiel einer kommunistisch geleiteten Monarchie, der Hof, dann die fremden und die heimischen Kapitalisten verschwanden. Die Bojaren wurden wenigstens als geschlossene Klasse ausgeschaltet. Doch in mancher Hinsicht hat Rumänien mehr Ueberbleibsel aus früherer Zeit behalten als die meisten andern Volksdemokratien. Die orthodoxe

Kirche hat noch immer großen tintluB, und obzwar sie formell vom Staate getrennt ist, genießt sie faktisch eine bevorzugte Stellung. Der Patriarch Justinian übt erhebliche Autorität aus, er wird mit ausgesuchter Artigkeit behandelt und er dankt dafür durch völlige politische Unterordnung unter das jetzige Regime. Als erstes Kirchenoberhaupt hat er den Marxismus als Obligatgegenstand in den Priester-seminarien eingeführt. Er pflegt die besten Beziehungen zu seinem Moskauer Amtsbruder Aleksiej. Erst vor wenigen Wochen hat sich der rumänische Kirchenfürst zu einem längeren Besuch in die UdSSR begeben, wo er als geschätzter Gast behandelt wird. Nicht nur die Hierarchie kommt mit dem Regime gut aus, auch .den Angehörigen der früheren Oberschicht ist es zugebilligt, um den Preis uneingeschränkter Fügsamkeit die vornehmsten dekorativen Würden des Staates zu bekleiden. Vorsitzender des kollektiven Staatsoberhaupts, der rumänische Kalinin und Woroschilov, ist jener einstige königliche Minister, Geschäftsadvokat, Großgrundbesitzer und Goldmillionär Peter Groza, der rechtzeitig aufs rote Pferd gesetzt hatte, dem nach Beseitigung westlich gesinnter Vorgänger die Ministerpräsidentschaft übertragen wurde und der schließlich, als die Kommunisten die Regierungsgeschäfte auch formell in die Hand nehmen wollten, nach oben auf den jetzt von ihm verwalteten Ehrenposten abgeschoben wurde. Auch sein erster Stellvertreter, der schon unter der Monarchie sehr berühmte Schriftsteller Sadoveanu, ist ein „ci-devant“. Der Religionsminister und Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften Constantinescu-Jasi und viele andere Dignitäre entstammen alten Bojarenfamilien. Allerdings hat derlei Toleranz gegenüber dem Gestrigen ein Ende, sobald die entscheidenden Schlüsselpositionen in Frage kommen. Der Kommunist Nummer Eins, Gheorghiu-Dej — Grozas Nachfolger als Regierungschef —, die stellvertretenden Ministerpräsidenten Chisinevschi (Jude), Moghioros (Magyare), der Verteidigungsminister Bodnaras (Ukrainer) und der Erste Parteisekretär Gh. Apostol sind von unten her, bestenfalls aus dem Kleinbürgertum, emporgestiegen; bezeichnenderweise gehören drei der eben genannten fünf Männer, die in Rumänien heute über die wirkliche Macht verfügen, ursprünglich nationalen Minderheiten an. So werden wir uns nicht darüber wundern, daß die scheinbare Milde des Regimes gegenüber den mit dem Geburtsmakel der Klassenfremdheit Behafteten oder gegenüber Kirchenleuten nichts an der konsequenten Durchführung des gleichen kommunistischen Programms ändert, das in allen Volksdemokratien gemäß

den Weisungen Moskaus und im Einklang mit den sich wandelnden taktischen Direktiven de Kremls durchgeführt wird; daß die rumänische Emigration mannigfachster Abschattung die heimischen Gewalthaber inbrünstig haßt, und daß auch die gegenwärtige Entspannung auf internationalem Terrain keine spürbare Rückwirkung auf die innere politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes zeigt.

Die Bukarester Regierung hat bis zur Genfer Tagung und auch nach dem Wiener Staatsvertrag nur zögernd die neuen sowjetischen Methoden der Diplomatie mitgemacht. Zu Beginn des heurigen Jahres befand sie sich in einem arg zugespitzten Konflikt mit dem zahmsten der westlichen Großstaaten, mit Frankreich. Die ungeachtet wiederholter Zusagen immer wieder verschleppte Freilassung aus fadenscheinigen Gründen verhafteter französischer „Spione“ und „Saboteure“ verhinderte die Aufnahme und den Abschluß von Handelsvertragsbesprechungen. Ein Zwischenfall in Paris, während des Gastspiels einer rumänischen Tanzgruppe, goß Oel ins Feuer. Bald darauf brachte das Eindringen bewaffneter rumänischer Emigranten in die Berner Gesandtschaft ihres Vaterlandes die Bukarester Propaganda in Harnisch gegen die ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen durchaus gehorchende. Eidgenossenschaft. Mit Oesterreich hatte man Krach aus ähnlichen Gründen wie mit den Franzosen; Bukarest weigerte sich, einen österreichischen Handelsdelegierten in Freiheit zu setzen. Das erste Zeichen einer zwar äußerlichen, doch radikalen Umkehr geschah, als Chruschtschew und Bulganin auf der Rückreise aus Belgrad Anfang Juni nach Rumänien kamen und Gheorghiu-Dej pflichtschuldig die Aussöhnung mit Tito pries. Seit damals erglühte das Herz der rumänischen Volksdemokratie immer heißer für den noch vor kurzem mit allen Laugen des Propagandakübels übergosse-nen Erzverräter. Jugoslawische Gelehrte, Künstler, Literaten wurden eingeladen, Gegenbesuche angekündigt. Jugoslawische Filme finden in den Kinos Beifall, jugoslawische Bücher werden übersetzt. Doch diese Welle von Freundschaft galt immerhin einem Kommunisten, der vom Makel der Ketzerei gereinigt worden war.

Ende Juni aber erfolgte der zweite Schritt: eine Amnestie für Emigranten, nach dem Muster der tschechischen und ähnlich der späteren polnischen. Einen Monat darauf greift die Ilmorientierung auch auf das Gebiet der Beziehungen zum Westen über. Eine gemeinsame französisch-rumänische Erklärung beendet den Streit über die, in Freiheit zurückgekehrten, Staatsbürger der Vierten Republik und sie bildet den Auftakt zu einem regen Austausch, nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern auch auf kulturellem Terrain. Das Parteiblatt „Scinteia“ meldet stolz, im Handel mit den kapitalistischen Ländern sei 1954 eine Steigerung um 69 Prozent zu verzeichnen gewesen. (Nicht, daß dem so war, sondern, daß man dies befriedigt mitteilt, ist bemerkenswert.) Ein neuer

Als im März d. J. der österreichischen Wirtschaft die Aufgabe gestellt wurde, ein Richtfunknetz und ein Sendernetz für Fernseh- und UKW-Zwecke zu errichten, dessen erste Ausbaustufe für das Fernsehen bereits in diesem Sommer betriebsbereit sein sollte, übernahm die Waagner-Biro-AG. die Aufgabe der Herstellung der zugehörigen Stahlkonstruktionen. Obwohl es anfänglich schien, daß der verlangte Fertigstellungstermin kaum einzuhalten wäre, hat die Firma in intensivster Zusammenarbeit von Planung, Konstruktion, Werkstättenanarbeitung und Montage in einer Zeit von knapp vier Monaten die Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit der Auftraggeber, der Oesterreichischen Post-und Telegraphenverwaltung und des österreichischen Rundfunks, erledigt. Am 26. Juli dieses Jahres konnte die Waagner-Biro-AG. mit der Fertigstellungsfeier des Sende- und Richtfunkendstellenmastes auf dem Kahlenberg (130 m hoch) das erste Programm beenden, welches außer dem genannten Sendemast auch noch die Sende- und Richtfunk-Relaisstellenmaste Graz-Schöckl und Salzburg-Gaisberg (je zirka 74 m hoch) und die Richtfunk-Relaisstellenmaste Graz-Stadt, Sonnwendstein, Anninger, Sonntagsberg und Hausruck umfaßte. Zur Zeit steht die Firma mitten in der Arbeit für die anschließende zweite Ausbaustufe, die sich auf Bauwerke im gesamten Bundesgebiet — von Wien-Schillerplatz bis zur Vallugaspitze am Arlberg in 2800 m Seehöhe — erstreckt.

Seit den Anfängen des Funkwesens ist die Waagner-Biro-AG. von den ersten Versuchen und den seinerzeitigen 130 m hohen Bisambergsendemasten neue theoretische und praktische Wege in der Gestaltung der Funkmaste selbstverständlich im engsten Einvernehmen mit den in Betracht kommenden Stellen des österreichischen Rundfunks, der Post- und Telegraphenverwaltung und der Radio-Austria-AG. gegangen. Sie gilt heute als die Spezialfirma für Funkmaste. Von den jüngsten Objekten seien noch die Mäste für den Langwellensender in Deutsch-Altenburg sowie der neue 270 m hohe Wiener Rundfunksendemast für den Bisamberg erwähnt. H~

Sowjetbotschafter, Jerischev, erscheint; offenbar mit dem Befehl aus Moskau, nunmehr nach allen Seiten hin artige Mienen aufzustecken. Sogar mit Oesterreich wird der leidige Konflikt abgeblasen; der gefangene „Wirtschaftsspion“ erhält die Freiheit wieder und die „Politische Mission“ Rumäniens in Wien empfängt, als letzte diplomatische Vertretung in dieser Stadt, den Rang einer regelrechten Gesandtschaft.

Und schon ist Chruschtschew wieder in Bukarest zu sehen, wo er erst sieben Wochen zuvor kurz geweilt und den dortigen Parteiführern nachdrücklich den Wechsel in der Taktik eingebläut hatte. Niemand glaubt, daß der sowjetische Erste Parteisekretär einzig zum Zweck hier eingelangt sei, um der Akademie und dem Truppen-Defile anläßlich des elften Jahrestages der Befreiung vom Faschistenjoch beizuwohnen. Etwas muß noch immer faul sein im Staate Rumäniens oder (und) in dessen KP. Gheorghiu-Dej hatte kurz vor der Ankunft des lieben hohen Gastes einer amerikanischen Argentur ein sonderbares Interview gegeben, aus dem man, eingehüllt in viele übliche Klauseln und in den hergebrachten bolschewikischen Jargon, nur herauslas, daß er einen Abzug der sowjetischen Truppen erwarte „sobald die fremden Heere aus dem Westen abzögen“. War das nur eine Stimme aus dem Chor der vom Kreml dirigierten Friedenssymphonie oder etwa ... ? Nun, Chruschtschew hielt seinerseits in Bukarest eine friedentriefende Rede, mit ein paar Komplimenten an die westlichen Großen Drei und dazu mit der Warnung, sich noch nicht in Sicherheit zu wiegen, es gäbe noch eine Menge böser Kriegshetzer. Gheorghiu-Dej bedachte in seiner Ansprache Jugoslawen, Türken und Griechen mit freundnachbarlicher Zärtlichkeit, Franzosen und Italiener mit herzlichen, Angelsachsen mit kühl-verbindlichen Worten. Er forderte Rumäniens Eintritt in die UNO und er gebärdete sich überhaupt in Uebereinstimmung mit den jetzigen Moskauer General- (oder Marschall-) Linien. Daß er dem Genossen Oberbefreier mit ähnlich unterwürfiger Dankbarkeit begegnete, wie nur je Rumäniens Monarchen dem jeweiligen Zar-Befreier, versteht sich von selbst. Chruschtschew wurde im Triumph durch Bukarest geleitet und zu einigen Mustergroßunternehmen der Industrie geführt. Ob der schlaue und klarblickende Gast von dem Gesehenen entzückt war, darüber haben wir vorläufig nichts erfahren. Eines aber bleibt außer Zweifel. Den Bukarester Parteigrößen, die zu den lautesten Rufern im Streit gegen Tito zählten, ist nicht minder unheimlich zumute als ihren Prager Genossen. Sie wissen nicht, ob ihre nunmehrigen Liebenswürdigkeiten an die Adresse Belgrads die Verzeihung des beim Kreml wieder in besonderer Gunst stehenden Tito sichern und ob ihnen Moskau auf die Dauer gestatten wird, einen außenpolitischen Kurs zu steuern, der gerade das Gegenteil ihrer vorigen Gewohnheiten bedeutet. Sie hegen noch stärkere Besorgnisse darüber, ob die Innen politik samt den Wirtschaftsrichtlinien in der nächsten Zukunft, gemäß den Absichten Chruschtschews und Bulganins, eher der Formel Räkosis oder der Imre Nagys zuneigen soll. Nicht nur fremde Beobachter, nein, auch die, denen es um die Plätze am Staatsruder geht, denken nach über Rumänien, ohne zu einem festen, gültigen Schluß zu gelangen.

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