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RANDBEMERKUNGEN ZUR WORCHE

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DAS E!S BRICHT. Wenn die Zeichen nicht trügen, dann wurden in den letzten Aussprachen und Verhandlungen zur endgültigen Bereinigung der Frage des Konkordats endlich die Signale aut Grün gestellt. Die österreichischen Katholiken vernehmen die Kunde mit tiefer Genugtuung. Aber auch alle Fürsprecher der Idee des Rechtstaates müssen es begrüben, wenn ein Komplex aus der Well geschafft wird, der auf infernationalem Parketf dazu angetan war, die Achtung der Rechtskontinuität durch Oesterreich und seine Regierung — einer der stärksten moralischen Waffen gerade kleiner Staaten und Völker — in Frage zu stellen. Das Eis bricht also; kein Wunder, wenn dieses Schauspiel einen Reigen Neugieriger anzieht und — wieder einmal — Vermutungen und Kombinationen über die nächsten Phasen der Verhandlungen Legion sind. Was von diesen politischen Wahrsagereien einer gewissen Presse zu halfen ist, das wurde deutlich durch die Mitteilung eines Wochenblattes, das sich stolz „Das Oesterreichische Nachrichtenmagazin” nennt und das Schwesfer- blaft einer großen, der Seriosität verpflichteten Tageszeitung ist. In diesem „Nachrichtenmagazin”, dessen sonstige Informationen hoffentlich stichhältiger sind als jene aus dem katholischen Raum, konnte man lesen, daß anläßlich des Vortrages von Vizekanzler Pittermann im Oesterreichischen Kulturinstitut in Rom „Botschafter Dr.. Kohlruß” gebeten wurde, „die Möglichkeit einer Aussprache mit dem Oesterreich-Referenten des vatikanischen Sfaafssekretariafs, Monsignore Z a p I e t a I … zu sondieren”. Nun, Botschafter Kohlruß, der sich vor Jahren von seinem römischen Posten in den wohlverdienten Ruhestand zurückgezogen hat, wird diese „Information” mit Interesse gelesen haben, und Msgr. Josef Zabkar vom Sfaafssekretariat besitzt zwar Humor, im „Msgr. Zapleta!” wird er sich jedoch kaum wiedererkannf haben. Doch vom politischen Kabarett zurück zu ernsteren Dingen: Die so lange blockierten Geleise sind also frei. Einer Bereinigung des gesamten Fragenkomplexes „Konkordat” steht kaum mehr ein Hindernis entgegen. Jetzt braucht es nur noch den Mul, ohne propagandistische Seitenblicke nach links und rechts den Weg, den zu beschreiten man sich endlich entschloß, zu Ende zu gehen. Je rascher, um so besser. Für alle Beteiligten.

DER JESUIT UND DIE GEWERKSCHAFT. Es bedürfte kaum eines stärkeren Beweises für das gewandelte Verhältnis von Kirche und Industriearbeiterschaft, ja auch von Kirche und soziätisfischer Arbeiterschaft, als die TäTiaehe, daß der bekannteste SozialwissenschaUlet des katholischen Deutschlands im Mittelpunkt einer Reihe von Veranstaltungen des mehrheitlich von Sozialisten geführten OeGB gestanden hat. Die Versachlichung der Gewerkschatisarbeit in Oesterreich trägt ihre allen um den sozialen und religiösen Frieden Besorgten willkommenen Früchte. So war es möglich, daß am letzten Tag seines Wiener Aufenthaltes Professor Pater v. Nell-Breuning nach einem eindeutigen Bekenntnis zur Gewerkschaftsbewegung manche kritische Dinge sagen konnte, die vor Sozialisten auszusprechen noch vor einigen Jahrzehnten einem Priester in unserem Land kaum möglich gewesen wäre. Die Gewerkschaften sind heute eine der großen Sicherungen einer freien Welf. Freilich gibt es so manche, die zwar dem Gedanken der politischen Freiheit zugeneigt sind, aber trotzdem aus mehr als eigensüchtigen Gründen eine Schwächung der Gewerkschaften, wenn nicht gar ihre Liquidierung und Ersetzung durch gelbe Gewerkschaften wünschen. Es war daher notwendig, daß Professor v. Nell- Breuning, der auch in den Kreisen der deutschen Industrie einen guten Namen hat, feststellte, die bürgerliche Gesellschaft täte gut daran, die positive Leistung der Gewerkschaften zu würdigen. Das gilt auch für Oesterreich. Wer das nicht wahrhaben will, dem sind bestimmte Epochen der Geschichte der Zweiten Republik nicht mehr gegenwärtig. Der Vortragende unterließ es aber auch nicht — von bundesdeutschen Erfahrungen ausgehend —, ernste Worte zur Vermachfung auch der Gewerkschaftsbewegung zu sagen. Im Ausmaß der Ansammlung von Macht an der Spitze kommt es zu einer Entmachtung unten. Das gilt für jede Organisation, sie sei so oder so etikettiert. Auch für die Gewerkschaffen. Macht kann zur Sicherung des Bestandes der Gesellschaft benutzt werden. Aber auch zur Schaffung einer Kleingesellschaff von Managern, die unabhängig vom ursprünglichen Auftrag nur ihrem eigenen Interesse dienstbar sind. Es darf angemerkf werden, daß Professor v. Nell- Breuning, als er auf die Gefahren der Ver- machtung des Gewerkschaftsapparates hinwies, auch von Seite der sozialistischen Teilnehmer der Kundgebung reichen Beifall erhielt. Der Versuch der Führung des OeGB, von sich aus einen Beitrag zur Wandlung des Verhältnisses von Kirche und Arbeiterschaft zu leisten, soll nicht ein einmaliges Bemühen sein.

BONN BRICHT MIT TITO: diese Tatsache ist für Europa, besonders Mitteleuropa, von außerordentlicher Bedeutung. West und Ost erhalten damit hier wieder scharfe Konturen in unserem r.aum, wie seit Jahren nicht mehr; Bonn sah siöh in einer Zwangslage: es befürchtet mit Recht, dafj über dreifjig Staaten dem Beispiel Belgrads folgen werden, wenn es nicht zu seinen eigenen Ankündigungen steht, die jeden auswärtigen Akt einer Anerkennung der DDR als feindselig gegen die Bundesrepublik erklären. Tragisch, dafj dieser Schritt gerade in einem Augenblick erfolgen mußte, in dem Bonn neue Wege seiner Ostpolitik sucht, nicht zuletzt Polen gegenüber, dessen Außenminister soeben in Washington mit Mr. Dulles verhandelt hat. Inwieweit das Konzept der gegenwärtigen Bonner Außenpolitik, die sich im Bannkreis ihres Pankow- Komplexes einigermaßen verfangen hat, politisch realistisch ist, darüber wollen wir diesmal den Kommentar des Leitartiklers der „Süddeutschen Zeitung’ vernehmen, der seine Betrachtung über Bonns Bruch mit Tito mit den Bemerkungen schließt:

„Die Technik hat manche Illusion unserer Großväter Wirklichkeit werden lassen. Der sowjetische Vorbote der Wellraumschiffahrt zeugt dafür. Die Politik aber liebt es, sich vom steinigen Boden der Wirklichkeit zu entfernen und an Illusionen fesfzuhalfen — etwa daran, daß es kein rotes China gäbe, sondern nur die nationalistische Insel Formosa. Oder, daß eine DDR nicht offiziell existiere, sondern nur Adenauers demokratisches Deutschland. Aber ob man mit der Theorie, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, eine dauerhafte und friedliche Existenzgrundlage für die so verschiedenartigen Völker dieser Erde zu finden imstande ist, muß leider stark bezweifelt werden.”

Nun, gewisse, zumal wirtschaftliche Beziehungen werden zwischen Bonn und Belgrad auch weiterhin bestehen, zumal da Bonn seine im Vorjahr eingegangenen wirtschaftlichen Verpflichtungen Jugoslawien gegenüber erfüllen will. Das weitere geht, unter anderem, auch Oesterreich an: im Rahmen des Möglichen und von seinen beiden Anrainern Deutschland und Jugoslawien Gewünschten, wird es gerne bereit sein, Mittler zwischen dem deutschen und südöstlichen Raum zu sein, wie es seiner allen Tradition und immer neuen Aufgabe entspricht.

SPUTNIK-DIPLOMATIE: dieser Begriff ist schnell ein Schfagwort geworden, während, der sėhneffe:J tote Mönd über unserer Erde kreist. Man versteht darunter bekanntlich die Versuche der Sowjets, aus ihrem Erdsatelliten möglichst viel weltpolitisches Kapital zu schlagen- und auf der Erde Satelliten und Mitläufer zu gewinnen. Der uralte politische Sternglaube asiatischer und afrikanischer Völker feiert hier, in der Verehrung des roten Heilssternes, seltsame Urständ: Magische Gläubigkeit bindet sich immer gern an technische „Wunder”. — Die Völker des Nahen Orients müssen gegenwärtig, in jeder Weise, daran glauben: Moskau hat ihren Nationalismus zum Weißglühen aufgepufscht, hat Syrien zu einem Waffenarsenal ausgebaut und posaunt aus allen ihm zur Verfügung stehenden Lautsprechern, daß Krieg, Weltkrieg drohe, wenn die Türkei und USA Syrien überfallen. Weder Moskau noch Washington glauben an einen solchen Ueberfall, die Frage ist nur, was Moskau hinter dieser mit enormem Aufwand erhaltenen Schallwand verbirgt. Der englische Premier unterhält sich in diesen Tagen mit dem amerikanischen Präsidenten darüber. Hiermit scheint Moskau ein erstes Ziel erreicht zu haben. Strebt es doch nach einer neuen Gipfelkonferenz, möglichst noch vor den Feiern zum vierzigsten Jahrestag der Oktoberrevolution von 1917. (Die ja nach westlicher Kalenderrechnung auf den November fällt.) Da soll den geladenen Gästen aus aller Welf ein großer weltpolitischer Erfolg demonstriert werden. Diesem Ziel dienen auch die merkwürdigen Droh- und Freundschaftsbriefe Chruschtschows an die sozialistischen Parteien des Westens, in denen sie der Chef der KPdSU als „werte Genossen” an- sprichf. Die Russen haben gegenwärtig mit ihrer Internationale, die sie hektisch genug neu aufbauen, nicht genug. Noch eine zweite Internationale, ein sozialistische, soll sich, als schützender Ring, um das empfindliche Riesenreich legen, in dem gegenwärtig innere Vorgänge sorgfältig nach außen hin abgeschirmt werden. Möglicherweise geht es um den organisatorischen Umbau des gesamten Staates. Dieser wurde von Chruschtschow eingeleitet mit der Dezentralisierung aller Aemter und Ministerien, hat aber vor kurzem ein Debakel erlitten, wie offen eingestanden wurde. Die neuen Planungen waren nicht zu erfüllen. Man gab jetzt bekannt, daß man jetzt nur mehr von Jahr zu Jahr planen wolle. Es geht aber noch um Bedeutenderes: das Riesenreich muß über kurz oder lang zu einer neuen Wirfschafts- und Gesellschaftsform finden, wohl jenseits des stalinisfischen Staatskapitalismus und seiner barbarischen Zwangswirtschaft, wohl aber auch jenseits der Experimente dieser ersten Jahre nach Stalin.

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