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Befürchtungen eines Katholiken

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Der Vatikan nehme auch eine sehr scharfe Kritik seiner Ostpolitik nicht übel, erklärte der päpstliche „Außenminister“ Casa-roli in einem Gespräch dem russischen orthodoxen Schriftsteller Anatolij Levitin-Krasnov, dem es 1974 gelungen war, nach viermaliger Haft in der Sowjetunion diese zu verlassen. Levitin-Krasnov hatte in einem Schreiben an Casaroli dargelegt, daß die moralische Autorität des Vatikans in der russischen Intelligenz und unter den einfachen Gläubigen bedeutend gewachsen sei. Die katholische genieße eine zunehmende Achtung, was auch darin zum Ausdruck komme, daß in Moskau und Leningrad Inte-lektuelle zum katholischen Glauben gefunden haben. Um so größeren Kummer bei den Russen verursache in den letzten Jahren die Ostpolitik des Vatikans, die sich um ein gutes Verhältnis zur sowjetischen Regierung bemühe, aber die Leiden der Christen und übrigen Bürger des Landes übergehe.

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Der Vatikan nehme auch eine sehr scharfe Kritik seiner Ostpolitik nicht übel, erklärte der päpstliche „Außenminister“ Casa-roli in einem Gespräch dem russischen orthodoxen Schriftsteller Anatolij Levitin-Krasnov, dem es 1974 gelungen war, nach viermaliger Haft in der Sowjetunion diese zu verlassen. Levitin-Krasnov hatte in einem Schreiben an Casaroli dargelegt, daß die moralische Autorität des Vatikans in der russischen Intelligenz und unter den einfachen Gläubigen bedeutend gewachsen sei. Die katholische genieße eine zunehmende Achtung, was auch darin zum Ausdruck komme, daß in Moskau und Leningrad Inte-lektuelle zum katholischen Glauben gefunden haben. Um so größeren Kummer bei den Russen verursache in den letzten Jahren die Ostpolitik des Vatikans, die sich um ein gutes Verhältnis zur sowjetischen Regierung bemühe, aber die Leiden der Christen und übrigen Bürger des Landes übergehe.

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Im Sinne der Äußerung des Erzbischofs Casaroli auf dieses Schreiben Levitin-Krasnovs veröffentlichen wir im folgendem einen Artikel des bekannten österreichischen Publizisten.

Die Furche

Beginnen wir mit der Feststellung, daß es die primäre Aufgabe der Kirche ist, zu lehren und die Sakramente zu spenden. Um dies zu tun, muß sie oft von ihrem Piedestal heruntersteigen, muß sie mit arroganten Regierungen und tyrannischen Zwingherrn verhandeln. Gibt es da Grenzen der verantwortbaren Demütigungen? Pius XI., wohl kein Freund von Kompromissen, hat klipp und klar erklärt: „Um die Seelen unserer Kinder zu retten, würden wir mit dem Teufel in Person verhandeln!“

Eine servile Haltung der Kirche würde uns nicht so sehr beunruhigen, wenn sie greifbare Resultate erzielte und (was wichtig ist) ihre Politik dem Sowjetblock gegenüber lediglich auf kaltblütiger Berechnung und nicht auf einer inneren Überzeugung beruhte. Doch weder das eine noch das andere ist der Fall.

Der Marxismus ist eine abgerundete Ideologie, und seine Anhänger sind ihrer Sache völlig sicher. Manche Ideologien mögen eine religiöse Unterlage haben, meist aber stellen sie einen Religionsersatz dar — was sie zu natürlichen Feinden der christlichen Glaubensform macht. Schon deshalb neigen sie dazu, totalitäre Staaten mit kollektivistischen Gesellschaften aufzubauen, in denen alles und jegliches von einer ideologischen Körperschaft (fälschlich „Partei“ genannt) monopolistisch kontrolliert, geformt und verwaltet wird. In einem solchen Staat ist jede Kirche eine absolute Anomalie und gleichzeitig ein echter Anachronismus. Im Roten Imperium stellen die Kirchen (mitsamt dem Glauben) ,ein bloßes Überbleibsel des Kapitalismus und der „bourgeoisen“ Lebensformen dar. Und da Religion der „Ausbeutung“ dient und „die Wissenschaft ignoriert“, verkörpert sie ja nichts als Aberglauben, Unwillen und Böswilligkeit.

Mit anderen Worten: in einem marxistischen Staat ist eine „organisierte Religion“ ein geduldeter Skandal — in dem Sinn wie es die Freudenhäuser in christlichen Ländern sind. Man meint im Roten Weltreich, daß ein zu plötzlicher und zu brutaler Bruch mit dem religiösen Unsinn zu überflüssigen Traumata führen könnte, die dem Staat und der Gesellschaft abträglich wären. Deshalb muß man, wie bei der Behandlung von Süchtigen, behutsam vorgehen und Lenins zigzagnaja politika — zwei Schritte nach vorne, einen nach hinten — praktizieren. Im geeigneten Moment kann man dann zum Schluß die übrig gebliebenen Priester einsperren oder in Irrenanstalten überführen, die restlichen „noch in Betrieb stehenden (djejst-wujuschtischije) Kirchen, sofern sie künstlerischen Wert haben, in Museen verwandelt, und, was immer noch an religiösen Büchern zu finden ist, auf die „versteckten Regale“ (zakrytije fondy) der Staatsarchive relegieren. Dieses Verfahren läßt sich im Rahmen einer recht liberal scheinenden Gesetzgebung, begleitet von brutalen Prozeduren in der täglichen Praxis, durch Druck, Erpressung und Drohungen sehr wohl durchführen.

Wenn man aber einmal begreift, daß der echte Marxist die Kirchen wirklich nur als ein Werkzeug des „Monopolkapitalismus“ und anderer „übernationaler Mächte“ betrachtet, so versteht man auch, warum ihm die plötzliche Freundlichkeit Roms so verdächtig erscheint. Entweder (so räsoniert er) will die Kirche verlorene Positionen in der „klassenlosen Gesellschaft“ des Marxismus wieder erschleichen; oder ihre Politik ist nur ein verzweifelter, letzter Versuch, eine Art von Lebensversicherung einzugehen. Sind doch die Marxisten weitgehend davon überzeugt, daß sie schon heute den Sieg in der Tasche haben und daß der Vatikan daran ist, die Nerven zu verlieren. Wie ein gut trainierter Wachhund riecht der Rote Osten von weitem die Angst.

Es bedarf keiner besonderen Klugheit, um zu sehen, daß eine Politik des appeasement, der Beschwichtigung, und des Kompromisses, in dieser Domäne dieselben betrüblichen Resultate zeitigen wird wie es in nicht so ferner Vergangenheit im rein politischen Bereich der Fall war. Dem Teufel gibt man nicht einmal den kleinen Finger; und die totalitären Mächte waren immer schon erbarmungslos. Deshalb darf man von einer apertura a sinistra keine Erfolge erhoffen. Moskva sljozam nje wjerit — Moskau glaubt nicht an Tränen. Leider wirkte für den Vatikan die Erfahrung mit Jugoslawien wie ein Irrlicht. Dort konnte ein erträglicher Kompromiß ausgehandelt werden, weil Tito kaum irgendwelche Trumpfkarten in den Händen hielt. Also stiegen die Hoffnungen und Erwartungen in jeder Richtung.

Unglücklicherweise ist jedoch die Ostpolitik des Vatikans nicht bloß das Resultat strategischer oder taktischer Erwägungen — es gibt auch Gründe, die in viel tieferen Schichten zu suchen sind.

Vielleicht verstehen wir das Problem besser nach einem Blick auf die Landkarte. Innerhalb der katholischen Ökumene ist die Lage Italiens eine rein marginale: Rom liegt auf dem halben Weg zwischen den Moscheen und Minaretts von Sarajewo und Tunis. Weit entfernt von der

Mitte des Orbis Catholicus, kultiviert Rom einen ganz sonderbaren Provinzialismus; abseits von den wahrhaft wirksamen Strömungen unserer Zeit leidet es an einer sprachlichen und kulturellen Isolierung. Besonders den Norden und Osten Europas versteht man hier nicht. Und da die neuen Ideen in Italien noch mehr verspätet ankommen, als die Schnellzüge, dafür aber dann als dernier cri betrachtet werden (was nicht nur auf den Vatikan, sondern auch auf das intellektuelle Leben Italiens zutrifft), besteht eine quälerische Sehnsucht nach einem sogenannten aggiorna-mento, nach einer Anpassung an die Zeit.

Die wiederholten strategischen Irrtümer der Kirche müssen also nicht nur auf die Tatsache zurückgeführt werden, daß die Kinder des Lichts weniger gescheit sind als die Kinder der Finsternis; hinzu kommt eben noch die permanente Weltfremdheit der Kirche. Sie war, wie schon Augustinus sagte, immer „arm und hilflos“; und das Bild des Vatikans als einer großartigen SuperOrganisation mit bestinformierter Diplomatie, raffinierter Weltklugheit, und globalem Horizont, ist ein muteinflößendes Märchen für einfältige Katholiken, die ohne diesen Trost an Untergangsstimmungen litten, und ein

Schreckbild für ängstliche Pastorenwitwen, die in Rom noch die Hure von Babylon sehen. Nun ist aber, wie gesagt, die vatikanische Ostpolitik nicht nur das Ergebnis eines verfehlten Kalküls, eines Versagens der Computer, sondern das Resultat einer irrigen, mehr als bloß naiven Programmierung.

Da ist vor allem der uralte Hang, der Welt zu verfallen. Immer wieder warnte Christus (auch Paulus und Johannes) vor der Versuchung, sich der Welt, dem Aion an den Hals zu werfen. Aion bedeutet aber nicht nur „Welt“, sondern auch „Zeit“. Heute also hat man „humanistisch“ eingestellt zu sein; wobei zu bemerken ist, daß die Humanisten des 15. und 16. Jahrhunderts sich ob des Mißbrauchs dieser Bezeichnung im Grabe umdrehen müssen. Für einen „Humanhumanismus“, für reine „Mitmenschlichkeit“ brauchen wir keine Kirche; da genügen die UNESCO, das Rote Kreuz, die Ethische Gesellschaft oder der Tierschutzverein. Wenn sie die Kirche überhaupt respektiert, so tut die Welt es nur um der Eigenschaften willen, die ihr selbst fremd sind: Stetigkeit, Kompromißlosigkeit, Spiritualität. Um wahre Achtung zu gewinnen, muß die Kirche ein Fels, nicht ein Stück Schaumgummi sein.

Indessen erleben wir aber, wie ein Denken, das sich für modisch hält, von der theologischen Demimonde (innerhalb und außerhalb Roms) gierig verschlungen wird. Überall zeigen sich die hippokratischen Züge auf dem Gesicht der Demokratie; und nun, nach Generationen römischer Skepsis der Demokratie gegenüber, taut man plötzlich auf. (Immerhin stellte Dr. Kissinger im Vorjahr in Brüssel fest, daß Europa seit 1918 keine legitimen Regierungen mehr hatte; und Schah Reza Pahlevi bemerkte in einem Interview, im Westen werde heute überhaupt nicht mehr regiert.) Ganz kuriose Formen des Feminismus machen sich heute breit, während die bilologische Forschung immer tiefergreifende Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen muß; die Ausbeutung und Entfremdung des Arbeiters wird in gewissen katholischen Kreisen 150 Jahre nach der Industriellen Revolution, und im Zeitalter der Machtentfaltung riesiger Gewerkschaften, als brennendes Problem betrachtet.

Um aber das Maß voll zu machen, hat uns das Schicksal jetzt eine „katholische“ Wiederentdeckung des von der Geschichte, der Wissenschaft und der Wirtschaftstheorie restlos wiederlegten Marx beschert. Dazu kommt noch ein stets latentes, heute aber höchst virulentes Ressentiment gegen die Freie Wirtschaft, obwohl diese uns bedeutend besser ernährt als der Sozialismus. (Warum ich so antisozialistisch bin? Weil ich mich als einen Freund der Arbeiter betrachte. Aber hat sich denn die Kirche nicht immer auf die Seite der Reichen gestellt?, fragt da mit bangem Augenaufschlag der katholische Masochist. Jedesmal wenn ich diese Legende zu hören bekomme, zücke ich erwartungsvoll Bleistift und Notizblock, um genaue Angaben zu vermerken — die zu bekommen mir noch nie gelungen ist.) Doeh was nützt alle praktische Erfahrung, wenn die ungeistigen „Geistesströmungen“ von gestern stärker sind als die greifbaren Tatsachen?

Bleiben wir beim wiedererstandenen Marx, der an der Ostpolitik Roms keineswegs unschuldig ist. Nomina sunt odiosa, aber ich kann nicht umhin, einen sehr hohen päpstlichen Emissär zu erwähnen, der in Kuba(!) einmal erklärte, „daß auch wir von Marx viel gelernt haben“; oder einen verstorbenen französischen Dominikaner, wichtigen Mitarbeiter der letzten Sozialenzykliken, der vor Seminaristen in Säo Paulo schlicht zugab, er hege den Verdacht, daß Gott den Kommunisten näher stehe als den Kapitalisten.

Ist das alles nur Zufall? Nun, obwohl der Kapitalismus in der Lombardei geboren wurde, hat sich die Freie Wirtschaft erst nach der Reformation in Nordwesteuropa machtvoll entwickelt. In der katholischen Kirche hat es von jeher einen starken Antikommerzialismus gegeben, der vielleicht darauf zurückzuf'ihren ist, daß Geldwechsler und Händler die einzigen waren, die der Herr körperlich züchtigte. Auch Thomas von Aquin hatte vernichtendj Ansichten über den Kaufmann. Formell hat die Kirche auch das Zinsverbot nie widerrufen. In konfessionell gemischten Gebieten standen nur zu oft katholische Christen jüdischen Bankiers, calvinischen Fabrikanten und lutherischen grand bourgeois gegenüber. Der katholische Latifundienbesitzer (in vielen Fällen ein Spiritus agens konservativer Parteien und dabei „sozial“ gesinnt) hatte wenig für all diese Leute übrig.

Diese katholischen Haltungen sind aber nicht nur die Folge einer sittlichen Entrüstung über die „Ausbeuter“, sie beruhen auch auf einer geradezu monumentalen wirtschaftlichen und wirtschaftsgeschichtlichen Ignoranz. Es ist bezeichnend, daß seit dem Tod von Götz Briefs und Daniel Villey kaum noch gläubige katholische Wirtschaftstheoretiker von Weltrang (wir meinen hier nicht „Soziallehrer“) vorhanden sind; oder daß im Jahre 1930 von den 6 Regenten der Banque de France fünf Reformierte und einer ein Jude war. Das Verhältnis zwischen der katholischen Geisteswelt und den Altliberalen war denkbar schlecht, woran freilich der soignierte Fanatismus der Altliberalen nicht schuldlos war.

Die klassischen Liberalen redeten zwar von Freiheit, liebäugelten aber auch mit dem philosophischen Relativismus und Nihilismus, sprachen stets vom Eigeninteresse und dem Überleben des brutal Tüchtigsten; was dann zarte katholische Seelchen in die Richtung des Kollektivismus trieb. (Das zeigte sich auch in Peru, wo die „soziale“, aber wirtschaftlich blödsinnige Militärdiktatur sofort katholischen Beifall erntete.) Die Marxisten schließlich sprachen mit frommem Augenaufschlag gegen die Ausbeutung und für soziale Gerechtigkeit und tätige Menschenliebe. Dazu kam noch das Gerede von der „Gemeinschaft“ und der messianischen Rolle der „Armen“. Dieser pseudoreligiöse Sentimentalismus löste bei einfältigen Christen den Stoßseufzer aus: „Ach wären sie doch nur nicht Atheisten! Wenn sie die Religion zuließen, müßten wir ja alle gute Kommunisten werden!“ Also vielleicht doch ein christlicher Kommunismus

— wie wir ihn so anschaulich unter Jan Bokelszoon in Münster erlebt haben? Eine Kommandowirtschaft mit wöchentlicher Beichte unter KGB-Aufsicht? Eine katholische Version des Gulag? Das wäre die ärgste Karrikatur des Glaubens und sein Ende.

Wie aber steht es mit dem Kloster? Ist das nicht eine Form des Sozialismus? Als ich das letztemal die UdSSR besuchte, wurde ich öfter um meine Meinung über diesen Staat befragt; worauf ich antwortete, daß er mir wie ein enormes, gottloses Kloster erscheine, ein Gebilde, in dem die drei klösterlichen Gelübde der Armut, des Gehorsams und, wenn auch nicht gerade der Keuschheit, so doch einer puritanischen Lebensweise den Menschen abgefordert werden, die das Unglück haben, innerhalb der Mauern dieses Zwangsklosters geboren zu werden. (Man war über dieses Definition allgemein begeistert.) Auf diese rote Karrikatur des Klosters paßt das Wort des Aqui-nanten: corruptio optimi pessima. Dieser materialistische „Monastizis-mus“, der dem Sozialismus deutlich innewohnt, diese „Sozialisierung des Klosters“ (A. Rüstow) stellt zweifellos eine spezifisch „katholische Versuchung“ dar, die wiederum eine psychologische Wurzel der kirchlichen Ostpolitik ist.

Zweifellos gibt es neben den schweigenden Mehrheiten in den Oststaaten auch brave, ehrliche Kommunisten („anonyme Christen“, wie ein viel gebrauchter aber gefährlicher Ausdruck lautet); aber man muß sich doch fragen, wie es dort um unsere christlichen Brüder steht — nicht nur die katholischen Christen, sondern auch die Russisch-Orthodoxen oder die „inoffiziellen“ Baptisten, die ganz besonderes zu leiden haben. Da sind nicht nur Nachfolger der Apostel (wie Mindszenty oder Slipyi, die beide für den Glauben gelitten haben, sondern auch Männer und Frauen, Kleriker und Laien, die in „Freiheit“ oder im Kerker mit großem Mut das schwere Kreuz Christi im Roten Osten tragen. Darf man sie verraten? Darf man (bei all dem Gerede über Subsidiarität und Kollegialität) über die Köpfe der dortigen Hierarchen — die genau wissen, was tragbar und was untragbar ist — hinweg Abmachungen treffen? Darf man eine Politik bejahen, die keine guten Früchte bringt? Einen indirekten Verrat begehen, der nur Verachtung erntet? Ein weiteres unehrenhaftes Kapitel der Geschichte der Kirche hinzufügen? Wenn man sich erinnert, daß der Osservatore Romano in den Jahren 1973—1974 monatelang die Verfolgung der russischen Dissidenten mit keinem Wort erwähnte, dann hat man guten Grund, verstimmt zu sein.

Der Mißerfolg der vatikanischen Ostpolitik ist jedermann offenbar, der die Lage nur einigermaßen kennt. Es soll gar nicht bestritten werden, daß die Formulierung einer sinnvollen und einigermaßen ehren-, vollen Ostpolitik keineswegs eine einfache Aufgabe ist. Sicherlich ist die militärische Macht der UdSSR höchst beeindruckend. Aber darf und soll man sich einem Großreich anbiedern, das offensichtlich geistig, sittlich und zum Teil auch wirtschaftlich bankrott ist?

Auf der Suche nach den Ursachen römischer Fehlberechnungen stößt man sehr bald auf die falschen Götter und Götzen unserer Zeit. Die Heilige Schrift warnt eindeutig vor einer „Öffnung“ der Welt gegenüber

— vor einer willentlichen Blindheit in Bezug auf das Böse, das nun einmal in der Welt ist. Die Öffnung nach Links beruht auf Prämissen, die genau so falsch sind wie jene, die im 19. Jahrhundert zu höchst sterilen Isolierungen und Bündnissen führten. Dem wahrhaft Gläubigen ist das ein Grund zur Trauer, zur Scham — nicht aber zur Verzweiflung. Denn er erinnert sich der Verheißung Christi. Doch auch für die Kirche gilt das anscheinend banale Wort von Jaques Bainville: „Tout a toujours tre mal marche.“ Es wäre aber immerhin zu wünschen, daß das Schifflein Petri klug gesteuert und nicht zum Spielball wilder Winde und trügerischer Strömungen auf dem Meer der Weltgeschichte werde.

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