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Digital In Arbeit

Wandel auf beiden Seiten

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Eoziallehre. Dieses Buch hat, als es damals erschienen Ist, weniger Aufsehen erregt als die Tatsache, daß die sozialistische Monatszeitschrift „Die Welt der Arbeit“ diese Äußerungen in einer Nummer im August 1962 übernommen hat. Es war also damals nicht die Meinung des Redakteurs in der Zeitschrift wiedergegeben, sondern die von Prof. Knoll, und diese Zeitung, nicht dieses Buch, hat dann In der Öffentlichkeit so viel Aufsehen erregt, daß man sich bemüßigt gesehen hat, in Interventionen bis zu den höchsten Parteistellen gegen die Behandlung dieses Themas in der „Welt der Arbeit“ aufzutreten Mag sein, daß es sehr harte Ausdrücke sind, die hier Prof. Knoll verwendet, er charakterisiert aber damit das, wag ich vorhin schon sagte, daß die Befreiung des Menschen von sozialem Unrecht nicht das Werk der Kirche war, sondern daß es hier Aufgaben gegeben hat, die zwangsläufig von anderen Organisationen übernommen werden mußten.

Und diese Auffassungen zeugen eben davon, wie verschieden die Zielsetzungen der Sozialisten und derer sind, die glauben, mit Hilfe der katholischen Kirche die sozialen Probleme zu lösen. Dabei wäre die Möglichkeit, sich zu verständigen, an sich schon in der Bibel gegeben, denn wenn das Christuswort Gültigkeit hat, in dem Er sagt „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ und weiters „Gebt Gott, was Gottes ist, und den Menschen, was des Menschen ist“, dann wäre doch die Möglichkeit gegeben und gegeben gewesen, diese Probleme unabhängig voneinander einer wirklich echten Behandlung zuzuführen. Es scheint, daß diese Auffassungen in der Gegenwart oder in der jüngsten Vergangenheit auch von kirchlichen Stellen sehr stark aufgegriffen wurden, denn in einem Wort an die Journalisten (Auszug aus „Orbis Catholicus“, Herderkorrespondenz) heißt es: „Am 12. Mai 1953 empfing der Heilige Vater, Papst Pius XII., Mitglieder der Vereine der ausländischen Presse in Rom und hielt folgende Ansprache an sie:

,Der Heilige Stuhl ist die höchste Autorität der katholischen Kirche, also einer religiösen Gemeinschaft, deren Ziel im Übernatürlichen und im Jenseits liegt. Eine politische Macht, das heißt eine Macht, die mit politischen Mitteln politische Ziele verfolgt, will und kann die Kirche nicht sein. Sie ist eine religiöse und sittliche Macht, deren Zuständigkeit sich soweit erstreckt wie der, religiöse und sittliche Bereich selbst; und der umfaßt das freie und verantwortliche Tun des Menschen für sich selbst und in der Gesellschaft. Gegenüber den politischen Mächten bleibt die Kirche neutral, oder, besser gesagt, da dieser Ausdruck zu passiv oder zu zweideutig ist, unparteiisch und unabhängig. Der Heilige Stuhl läßt sich von keiner Macht ins Schlepptau nehmen, auch wenn man tausendmal das Gegenteil behauptet. Durch Umstände kann es sich zuweilen ergeben, daß der Weg des Heiligen Stuhls sich mit einer politischen Macht trifft. Was jedoch Ausgangspunkt und Ziel ihres Weges angeht, so folgen die Kirchen und ihr Oberhaupt ausschließlich ihrem eigenen Gesetz der Sendung, die ihnen von ihrem göttlichen Stifter überkommen ist, und die darin besteht, alle Menschen für Gott zu gewinnen und sie ohne Unterschied ihrer Nationalität und ihrer staatlichen Zugehörigkeit zu Ihm zu führen.' “

Nicht wie Wasser und Feuer

Das sind Worte, meine Damen und Herren, die dem heutigen Gespräch sehr wohl in mancher Hinsicht Klarheit geben können, hier wäre die Bestätigung dafür, daß Kirche und Sozialismus nicht wie Wasser und Feuer sind, von denen jeweils nur ein Teil bestehen kann, sondern daß Aufgaben bestehen, die nebeneinander, zum Teil sicher auch miteinander verwirklicht werden können. Und dieses Thema behandelte auch Kardinal König in einem Referat anläßlich eines Delegiertentages der Katholischen Männerbewegung der Diözese St. Pölten am 27. Mai 1965 in Krems. Auch dort ist davon die Rede, daß der Auftrag, den die Kirchen von ihrem göttlichen Stifter empfangen haben, nicht dahingehe, bestimmte Gesellschaftsformen, noch viel weniger bestimmte Wirtschaftsformen zu erringen oder zu verteidigen, sondern einzig und allein darum, die Menschen in dieser Welt einzugliedern in die Kirche Christi und vorzubereiten auf das kommende Reich; daß die Kirche in jeder gesellschaftlichen Form existieren werde, ja mit jeder dieser Formen bis zu einem gewissen Grad zusammenarbeiten müsse. Änderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse herbeizuführen, ist nicht immer und nicht in erster Linie Aufgabe der Christen. Ebensowenig aber ist es ihre Aufgabe, sich zeitlichen Veränderungen entgegenzusetzen. Wenn diese Worte, die sicherlich von sehr hohem Verantwortungsbewußtsein getragen sind, auch in die Tat umgesetzt würden, wären jene Probleme, die uns in der Vergangenheit so stark bewegt haben, einer Lösung zuzuführen. Allerdings, und hier muß ich wieder einen Punkt berühren, der in der Vergangenheit, wahrscheinlich aber auch in der Gegenwart und in der Zukunft eine Rolle spielen wird, nur dann, wenn man nicht zu sagen versucht: der Klerus, der Priester hat sich an die Worte des Kardinals, an die Worte des Papstes zu halten, der Laie, der in den verschiedenen katholischen Vereinigungen tätig ist, ist an diese Wort nicht gebunden.

Und wir haben es wieder bei der letzten Nationalratswahl erlebt, daß im Bezirk Neulengbach eine Flugschrift der Katholischen Männervereinigung des Gebietes Neulengbach verteilt wurde, gezeichnet von der Katholischen Männervereinigung, in der der damalige Justizminister Broda verdächtigt und verleumdet wurde, sich in irgendeinem Gasthaus mit dem Parteivorsitzenden der Kommunistischen Partei getroffen zu haben, und über die Volksfront, die damals hoch im Kurs war, Gespräche geführt zu haben. Wenn nun der einfache Mensch ein solches Flugblatt bekommt, in dem diese Verleumdungen enthalten sind und er nicht die Möglichkeit hat, sich davon zu überzeugen, daß es Verleumdungen sind, dann wird der Eindruck In ihm entstehen, daß hier die Katholiken eine Tatsache mitteilen und diese Mitteilungen auch ihre Auswirkungen auf die politische Entscheidung des einzelnen haben müssen. Wenn wir also die Fronten der Ver-

gangenheit so weit zurückgehen, wie sie Frau Prof. Weinzierl behandelt hat, oder die Fronten der Vergangenheit, wie wir sie in jener Zeit erlebt haben, in der wir selber tätig sind, betrachten, dann gibt es hier genug Stoff, um über diese Vergangenheit zu reden und daraus Möglichkeiten für die Gegenwart und für die Zukunft zu besprechen. Ich stimme weit und in sehr vielem mit den Ausführungen von Frau Prof. Weinzierl überein; wenn sie aber erklärt, daß man am Hainfelder Parteitag aus taktischen Gründen eine Formulierung in der Kirchenfrage gefunden hat, dann, bitte, können wir uns nur auf das Schrifttum jener Zeit verlassen und da möchte ich dieser Behauptung widersprechen. Es wäre ja auch schwer zu widerlegen, wenn ich hier die Behauptung aufstellen würde, irgendein Papst habe aus taktischen Überlegungen diese oder jene Erklärung abgegeben, er sei also im Inneren nicht davon überzeugt gewesen.

Die Sozialisten haben es verhältnismäßig einfach, ihr Verhältnis zur katholischen Kirche in der Vergangenheit darzulegen, zu dokumentieren, denn in den schon erwähnten Parteiprogrammen beginnend vom Parteiprogramm in Hainfeld 1888 bis zum letzten Parteiprogramm ist die Stellungnahme der Sozialistischen Partei Österreichs zur Frage der katholischen Kirche sehr klar und sehr eindeutig klargelegt. Und es ist verständlich — die sozialistische Bewegung konnte und kann Ja keine katholische Bewegung sein — daß wir uns auch nicht jener Formen bedient haben, die dahin gehen: wenn du eine auf die linke Backe kriegst, dann halt die rechte hin! Ich glaube, so ein ähnliches Zitat gibt es. Nach diesen Grundsätzen haben sich und konnten sich die Sozialisten nie richten, denn das stünde im Gegensatz zu ihren Bestrebungen. Wenn die sozialistische Bewegung im Gegensatz zur katholischen Kirche bestimmte Ziele verfolgt hat, dann war es zwangsläufig, daß die Sozialisten auch der katholischen Kirche gegenüber — ebenso wie dem Kapitalismus gegenüber — ihre Stellungnahme sehr klar dokumentiert haben, am den Weg, der für sie möglich war, auch für ihre Mitglieder und für ihre Anhänger zu kennzeichnen. Und es ist manches, das in der vergangenen Zeit von den Sozialisten an der katholischen Kirche

bekämpft oder bemängelt wurde, in der Zwischenzeit anders geworden. Vielleicht nicht nur deswegen, weil es die Sozialisten bekämpft haben, vielleicht auch deswegen, weil die Verantwortlichen in der katholischen Kirche selber zur Überzeugung gekommen sind, daß sich die Dinge geändert haben. Wir können jedenfalls heute feststellen, wenn wir den Weg der Sozialistischen Partei im Spiegel ihrer Programme verfolgen und gerade in Hinblick auf die katholische Kirche verfolgen, daß wir sehr klare Auffassungen gehabt haben, die ebenso wie die Stellungnahme der katholischen Kirche vom jeweiligen Standpunkt aus bestimmt gewesen sind. Wenn in Hainfeld und noch später im Programm erklärt wurde, daß Religion Privatsache ist, dann ist zum Ausdruck gekommen, daß die Frage der Religion an sich kein Gegensatz zur sozialistischen Idee ist, aber daß die Religion auch nicht als sehr geeignet betrachtet wurde, die staatlichen und gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Ich glaube, daß hier die Fronten der Vergangenheit doch klar ausgesprochen wurden; wenn dieses Betrachten der Fronten der Vergangenheit zu einem echten Ergebnis führen soll, dann ist es notwendig, daß aus dieser Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft die nötigen Konsequenzen gezogen werden.

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