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Dienst der Laien

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Es gibt Ereignisse im Leben eines Menschen, nach denen man ein anderer ist als man vorher war und hinter die es kein Zurück mehr gibt.

Solche Zäsuren gibt es nicht nur für den einzelnen, sondern auch für gesellschaftliche Gebilde. So hat man mit Reoht auch von der Kirche gesagt, sie sei nach dem Konzil eine andere als sie vorher war und so viele Rückfälle in präkonziliare Konzeptionen es auch geben mag, im großen und ganzen gäbe es doch kein Zurück mehr zu einer präkon-ziliaren Kirche, weil man Ereignisse einfach nicht mehr unereignet machen kann. Es wäre geradezu seltsam, wenn nun gerade die Katholische Aktion nach dem Konzil keine andere wäre als sie vorher war, wenn sie sich nicht anders, zum mindesten nicht tiefer verstünde als sie sich vorher verstand.

Katholische Aktion als Form des Apostolates

Das Konzil ist der Meinung, daß es unter den vielen Formen des Laienapostolates eine Kategorie geben soll, die man unter dem Namen Katholische Aktion subsumieren kann.

Schern die Kirchenkonstitution unterscheidet von einem schlechthin alle Christen angehenden und verpflichtenden Apostolat auf Grund der Taufe und der Firmung eine, wie es heißt, „mehr unmittelbare Mitarbeit der Laden mit dem Apostolat der Hierarchie“. Dazu „können die Laien auf verschiedene Weise von

Als ein katholischer Rundfunkredakteur in Deutschland die Berufung des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Karl Fürst zu Löwenstein, durch Papst Paul VI. in den neueingerich-teten Laienrat der Weltkirche zum Anlaß nahm, nicht nur die fachliche Qualifikation des Zentralkomiteepräsidenten, sondern darüber hinaus die traditionellen Formen der Laienvertretung innerhalb der Kirche überhaupt in aller Öffentlichkeit in Frage zu stellen — und daraufhin vorübergehend von seinem Dienst beim Westdeutschen Rundfunk suspendiert wurde —, gab es heftige Diskussionen, viel Aufregung und Unruhe über diesen „Fall Löwenstein-Waltermann“ unter organisierten und nichtorga-nisierten Katholiken, unter Klerus und Laien und vor allem unter den kirchlich engagierten Journalisten.

Mit einem klärenden Wort, das über den speziellen Anlaß hinausgeht und auch über die Grenzen Deutschlands hinaus in diesen Tagen aktuelle Bedeutung gewinnt, nahm Prof. Dr. Karl Rahner SJ. in einer Sendung des Norddeutschen Rundfunks zu diesen Problemen Stellung:

„Es muß das freie Wort in der Kirche geben. Im Rahmen des katholischen Glaubens und des Gehorsams gegenüber der Hierarchie darf es erhebliche Meinungsverschiedenheiten unter den deutschen Kathoder Hierarchie berufen werden“ (Art. 33). Aus der Relation geht hervor, daß das Konzil dabei an die Katholische Aktion dachte.

Das Laienapostolatsdekret hat nun im Artikel 20 das Thema Katholische Aktion ausdrücklich aufgenommen. Von der Katholischen Aktion wird hier gesagt, daß sie in verschiedenen Formen existiert, daß hier die Laien in engerer Verbindung mit der Hierarchie die im eigentlichen Sinne apostolischen Ziele verfolgen, daß sie reichste Frucht für die Herrschaft Christi hervorgebracht hat, daß sie auch „in unserer Zeit ein Apostolat von hohem Wert ausübt“, daß ihr also eine besondere Zeitgemäßheit zukommt, daß sie von den Päpsten und vielen Bischöfen mit Recht empfohlen und gefördert wurde und wiederholt als „Mitarbeit am hierarchischen Apostolat beschrieben wurde“.

Vier Merkmale kennzeichnen die Katholische Aktion

Das Konzil führt vier Weaens-merkmale an, die alle zusammentreffen und zusammen bejaht werden müssen, damit eine Organisation Katholische Aktion sei.

„Die Organisationen, in denen sich diese Merkmale nach dem Urteil der Hierarchie“, also des Bischofs Inder Diözese, der Bischofskonferenz in einem Land, des Papstes in der Welt, vereint vorfinden, sind als Katholische Aktion anzusehen, wenn sie auch vielleicht wegen der lokalnationalen Erfordernisse verschiedene liken geben. Diese Ansichten dürfen, ja sollen auch geäußert werden, selbst wenn das Unruhe schafft, die sehr heilsam sein kann. Und auch, wenn vielleicht Bischöfe anderer Meinung sind. Das Konzil sagt: Oftmals wird gerade eine christliche Schau der Dinge den Katholiken eine bestimmte Lösung in einer konkreten Situation nahelegen, aber andere Christen und Katholiken werden vielleicht — wie es häufiger, und zwar legitim der Fall ist — bei gleicher Gewissenhaftigkeit in der gleichen Frage zu einem anderen Urteil kommen. In solchen Fällen hat niemand das Recht, die Autorität der Kirche für sich und seine eigene Meinung in Anspruch zu nehmen. Immer aber sollen sie in einem offenen Dialog sich gegenseitig zur Klärung der Frage zu helfen versuchen. Soweit das Konzil.

Dieser offene Dialog muß auch öffentlich geführt werden. Die Unruhe, die dann entsteht, ist unvermeidlich und heilsam. Uneinigkeit kann ein Zeichen echten Lebens und die Weise sein, durch die Stagnation und Kirchhoffrieden vermieden, neue Aufgaben und neue Lösungen gesucht und gefunden werden. Es fehlt uns aber noch — so will mir scheinen — weitgehend an einem offenen Gesprächsforum. Weithin ist auch noch bei uns die Neigung verbreitet, den Dialog vorschnell abzubrechen oder gar zu unterdrücken, damit Ruhe im Lande herrscht.“

Formen und verschiedene Namen annehmen.

• Das erste Merkmal betrifft die Zielsetzung. Das unmittelbare Ziel der hier gemeinten Organisationen ist das apostolische Ziel der Kirche.

Das Ziel wird nun in zwei Richtungen beschrieben: In Hinordnung auf die Evangelisierung und Heiligung der Menschen, also auf die innergemeindliche Aufgabe und auf die missionarische Aufgabe der Gemeinde nach außen; und in Hinordnung auf die christliche Bildung der Gewissen der Menschen, und zwar ganz allgemein, nicht nur ihrer Mitglieder und nicht nur der Christen, sondern aller Menschen. In diesem zweiten Zielbereich geht es um den Beitrag der Katholischen Aktion zum Weltdienst oder Weltauftrag der Menschen. Darnach können also

Aufgabenbereiche und Kompetenz der Katholischen Aktion nicht weiter reichen als die der Kirche selbst. Gewiß kann und unter Umständen soll die Katholische Aktion auch „die Anwendung der christlichen Prinzipien auf die Probleme unserer Zeit“ (Art. 6) studieren und auf Grund solcher Studien auch konkrete Vorschläge, etwa zur Beseitigung sozialer Notstände, zur Familienpolitik, zur sozialen Gesetzgebung machen; diese werden freilich, je konkreter sie sind, desto unverbindlicher sein und desto mehr nur Anregungscharakter haben. Der unmittelbare Aufbau der Welt aber ist ihr nicht aufgetragen. Anderseits kann keine Rede davon sein, daß die Katholische Aktion nur innerklirch-liche Seelsorgehilfe wäre. Schon durch ihre Gewissensbildung auf den Weltdienst der Liebe gegenüber aller Not der Welt wirkt sie tief ins öffentliche, ins gesellschaftliche Leben hinein, wie auch die Kirche selbst: man denke an die Friedensaktionen des Papstes oder an die Papstrede vor der UNO.

Partnerschaft zwischen Kirche und Laien

• Das zweite Merkmal betrifft den genuin laikalen Charakter der Orga-nisationien, die hier gemeint sind. Hier ist davon die Rede, daß in der Zusammenarbeit mit der Hierarchie .die den Laien eigentümliche Weise des Wirkens“, der Beitrag ihrer eigenen Erfahrung und die Eigenverantwortung der Laien hinsichtlich der Leitung der Katholischen Aktion, hinsichtlich der „Beurteilung der Verhältnisse unter denen die pasto-rale Tätigkeit der Kirche auszuüben ist“ und hinsichtlich der Planung und Durchführung des Aktionsprogramms gewahrt bleiben muß. Auch hier handelt es sich um ein Wesensmerkmal der Katholischen Aktion. Dabei ist jedes Wort von Bedeutung. Vom grundsätzlichen Verhältnis zur Hierarchie wird noclh im vierten Merkmal die Rede sein.

Das mindeste, was hieraus folgt, ist die Partnerschaft zwischen Laien und Klerus; sonst könnte von Leitung und Eigenverantwortlichkeit keine Rede sein. Darum ist es auch entscheidend, ob in einer Katholischen Aktion mündige, ausgewachsene, initiative, fachkundige Laien, besser Weltchristen, Platz und Entfaltungsraum haben oder ob sie zu einem völlig uninteressanten Klub von Jasagern, Zettelausträgern und Lakaien wird. Die Geistlichen Assistenten trifft hier ganz schwere Verantwortung.

Man wird auch an Artikel 6 desselben Dekretes denken, der „die Laien, jeden nach seiner Begabung und Bildung“, ermutigt, schon „bei der Herausarbeitung der christlichen Prinzipien“, also schon vor der Verkündigung, dann aber auch bei ihrer Verkündigung und Verteidigung „ihren Beitrag zu leisten“.

• Das dritte Merkmal bezieht sich auf den spezifisch organisatorischen Charakter der Katholischen Aktion. Darnach ist diese „körperschaftlich“ verfaßt. Das ist ein Rechtsausdruck, der besagt, die Katholische Aktion habe eine klare Leitung mit klar umgrenzten Befugnissen, und auch ihre Glieder hätten klar umgrenzte, umschriebene und statutarisch festgelegte Rechte und Pflichten. Auch die kirchlichen Autoritäten müssen sich wohl an das von ihnen bestätigte Statut halten, solange es nämlich gilt. Der Bischof kann gewiß aus schwerwiegenden Gründen ein Statutenänderung verlangen; er wird aber auch hier noch mit größter Klugheit und Vorsicht vorgehen und nicht, ohne den Rat sachverständiger Laien gehört zu haben, wetil das Bischofsamt ein Dienst und keine Diktatur ist.

• Das vierte und letzte Merkmal bestimmt das spezifische Verhältnis zur Hierarchie. Interessanterwaise wird gerade am Beginn hier noch einmal auf die Laieninitiative hingewiesen, durch die ja auch geschichtlich die meisten Teilorganisationen der Katholischen Aktion entstanden sind. Wenn aber die Katholische Aktion von oben her begründet wird, werden die Laien „eingeladen“, wie es heißt. Früher stand der stärkere Ausdruck „berufen“. Dieser Ausdruck wurde, obwohl er theologisch besser wäre, gestrichen, um den gerade hier notwendigen Freiheitscharakter zu betonen. Mit Mitgliedern, die unter irgendwelchem Druck der Katholischen Aktion beigetreten sind. ist nichts getan. Die Einladung, von der die Rede ist, geht auf „direkte Mitarbeit mit dem hierarchischen Apostolat“.

Diese Unmittelbarkeit wird nun dadurch hergestellt, daß die Laien unter dem „superius moderamen“, unter der höheren Leitung der Hierarchie handeln.

Was besagt nun aber „höhere Leitung“? Der Ton liegt zweifellos auf dem „höher“. Dieses „superius“ ist eine Einschränkung. Es bedeutet letzte Verantwortung, Bestätigung der Statuten, der wichtigsten Beschlüsse. Es bedeutet im übrigen: sich beschränken auf eine Generallinie, also auf einen weiteren Rahmen, innerhalb dessen Initiativ- und Handlungsfreiheit liegen muß. Doch selbst dabei wird die Hierarchie auf Grund des zweiten Merkmales nicht ohne ständigen Kontakt und Dialog mit den führenden Laien der Katho-lisahien Aktion entscheiden dürfen.

Dienende Katholische Aktion

Noch kurz eine dritte These. Die starre, statische, ueiformistische, triumphalistische Katholische Aktion, die, oberflächlich betrachtet, mitunter eher einer faschistischen „acies ordinata“ zu ähneln schien, ist einer beweglichen, dynamischen, evolutiven, siah an Situationen und Bedürfnisse anpassenden, einer dienenden Katholischen Aktion gewichen.

Damit ist tatsächlich eine neue Ära der Katholischen Aktion angebrochen. Die Phrasen von kirchlicher oder auch christlicher Welteroberung sollten wir endgültig abschaffen und aufgeben, mag es sich nun um Eroberungen des Rundfunks oder des Films, der Kultursachbereiche oder der Fabriken, der verschiedenen gesellschaftlichen Stände und Klassen, etwa der Arbeiterklasse, handeln. Wir haben gar nichts zu erobern; wir haben nur durch Leben und Verkünden Seine Zeugen zu sein und dadurch Sein Leben weiter zu zeugen.

Auf noch eine unausgesprochene Aufgabe möchte ich hinweisen, nämlich auf die Überlegung welches unsere spezifische Spiritualität ist, die uns gemeinsam ist und die uns berechtigt, uns als Arbeitsgemeinschaft über unsere Aufgaben in bestimmten Milieus und Sachbereichen hinaus noch zusammenzuschließen. Und wenn ich mir hier noch eine Andeutung erlauben darf, in welcher Richtung unsere Spiritualität vielleicht zu finden sein könnte oder dürfte, was ums prägt oder prägen soll, so scheint es wohl gerade das zu sein, daß uns nichts, sonst nichts prägt und prägen soll als der selbstlose Dienst an der Gemeinde Christi.

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