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Geheime Schismen in der Kirche

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Lassen sich die Aufgaben von Laien und Klerikern fein säuberlich trennen? Das Vorbereitungspapier für die nächste Bischofssynode („Lineamenta”) wird heiß diskutiert.

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Lassen sich die Aufgaben von Laien und Klerikern fein säuberlich trennen? Das Vorbereitungspapier für die nächste Bischofssynode („Lineamenta”) wird heiß diskutiert.

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Drei einander verwandte Versuchungen gibt es im Christentum: Jenseits und Diesseits, Heilsdienst und Weltdienst, Klerus und Laien zu trennen und gegeneinander auszuspielen. Die eine Versuchung gebiert die andere. So stehen am Ende Jenseits als Heilsdienst der Kleriker dem diesseitigen Weltdienst der Laien gegenüber.

Die Geschichte des Verhältnisses von Klerus und Laien ist gut aufgearbeitet. Finden wir in den frühchristlichen Kirchengemeinden noch das charismatische Miteinander der vielfältigen Dienste (und darunter jenes der Leitung), so kommt es bald zu einem folgenreichen „pastoralen Grundschisma”: Immer mehr werden nur wenige „religiöse Virtuosen” in der

Kirche mit der radikalen Botschaft des Evangeliums behaftet, immer weniger nennen sich Brüder und Schwestern, weil sie die vergänglichen Lebensweisen (wie Ehe, Macht, Besitz) verlassen haben und ihren „Erstwohnsitz” in der Familie Gottes bezogen haben, und so Christen wurden.

Immer seltener wußten sich alle für das priesterliehe und apostolische Handeln der Kirche verantwortlich. Subjekt dieses kirchlichen Handelns in der Menschheit wurden so immer weniger, so vermögen wir heute schultheologisch zu sagen. Die übrigen Kirchenmitglieder, zumeist identisch mit dem Rest der christentümlichen Gesellschaften der nachkonstan-tinischen Zeit, wurden zu Seel-sorgs„objekten”, zu Empfängern jener Gnadenmittel, welche die wenigen Kleriker verwalteten.

Unsere Seelsorgskonzepte sind von diesem Denkmuster nach wie vor randvoll. Wir machen Seelsorge „an Fernstehenden”/Ausländern, Familien, Jugendlichen, Arbeitern und Schülern, Unternehmern und Drogenabhängigen. Wir haben inzwischen diese Kleruskirche weiterentwickelt und sind dabei, sie zu einer noch „klerikaleren Expertenkirche” umzuformen. Diese hat ihre „Zielgruppen”, definiert deren Bedürfnisse und „bewirtschaftet” sie professionell. Praktisch ist das Volk immer noch passiv, „besucht” die Kirche. Aber im übrigen hegt die Verantwortung nicht beim Volk, sondern bei den Experten.

Pastoralgeschichtlich haben wir angefangen, von einem tragischen „pastoralen Grundschisma” zu reden. Tragisch ist es deshalb, weil die derart gespaltene Kirche nur dann arbeitsfähig ist, wenn der Großteil der Seelsorge von einem wohlgesinnten Staat und der von ihm garantierten „christlichen Kultur” getragen wird. Jedermann weiß, daß diese Zeiten vorbei sind. Damit geht auch die Zeit einer „Kirchenbesucher-Experten-Kirche” zu Ende.

Was wir brauchen, ist ein Volk, in dem zunehmend viele wieder ihre „geistliche Berufung” erkennen, die von Gott kommt (und nicht von den Pfarrern delegiert wird), diese annehmen und dann genug Raum in der Kirche finden, ihrem Charisma gemäß zu handeln. Die „geistliche Berufung” zu Orden und Ämtern wird dann eine unter den vielfältigen „Kirchenberufungen” sein.

Nun weiß jeder, welcher die pa-storale Entwicklung der letzten Jahrzehnte verfolgt, daß dieses Postulat nach einer von allen Christen verantworteten Kirche ganz auf der Linie des II. Vatikanischen Konzils liegt. Auch das Vorbereitungsdokument zur kommenden Bischofssynode nimmt dieses Postulat auf, um die Entwicklung in den Kirchengebieten in dieser erwünschten Richtung voranzutreiben (Linea-menta Nr. 4 -12) - ein erfreuliches Faktum.

Allerdings kann dem aufmerksamen Beobachter nicht verborgen bleiben, daß der Entwurf nur einen Aspekt der dreifachen „Spaltung” aufhebt, nämlich jenen in aktives Subjekt und passives Objekt. Hingegen wird der andere Aspekt der Spaltung eher verschärft, nämlich jener zwischen Heilsdienst und Weltdienst.

Man hat den Eindruck, als würde die Kluft zwischen den passiven Laien und den aktiven Klerikern nur unter der klaren Bedingung überbrückt werden, indem zugleich umso deutlicher die Trennung zwischen Welt und Kirche betont wird. Gewiß, Laien können vereinzelt (und im Notfall) auch an innerkirchlichen amtlichen Vorgängen beteiligt werden (die natürlich allesamt als Dienste definiert werden). Die Laien gehören in die Welt, Priester offenbar nicht. Zwar werden Laien und Kleriker als Subjekte verstanden, dennoch haben sie sauber getrennte Wirkbereiche: den Heilsdienst für den Klerus, den Weltdienst für die Laien.

Nun muß hier innegehalten werden. Tatsächlich sind die Verkündigung der Auferstehungsbotschaft, die Reich-Gottes-Pre-digt, das Setzen der Christen auf die Reich-Gottes-Praxis, die „Praxis des Himmels” also inmitten der „alten Welt”, nicht einfach identisch mit dem konkreten Handeln von Christen in Politik, Wirtschaft, Bildung, Freizeit. Dieses Handeln ist wegen der komplizierten Situation dieser Lebensbereiche auch unter Christen nicht uniformierbar, auch wenn alle diese Christen sehr wohl von ihrer gläubigen Einwur-zelung in Gottes Reich getrieben sein müssen.

Daraus folgt, daß jene, die einen kirchlichen Dienst innehaben, zunächst gelegen oder ungelegen (undmicht nur gelegentlich: wie es in Fragen der Rüstung, der Gerechtigkeit viel zu leicht passiert) die Reich-Gottes-Praxis zu vertreten haben; gemessen ah der je möglichen Real-Politik behält diese einen prophetischen „utopischen Uberschuß”. Amtliche Verkündiger können deshalb nicht zugleich ein politisches Amt ausüben. Geschähe dies dennoch, führte uns dies in triumphalisti-sche Zeiten zurück (das „Opus-Dei-Syndrom”), auf der anderen Seite besteht die Gefahr, daß eine durchaus christlich mögliche Politik sich als eine schlechthin christliche ausgeben könnte (das „Nicaragua-Syndrom”). Die Zeiten sollten aber vorbei sein, in denen Bischöfe Politik machen oder das Kreuz auf eine Parteifahne gesteckt wird.

Heils- und Weltdienst

Doch bieten solche Abgrenzungen keine Rechtfertigung dafür, mit Hilfe der Unterscheidung von Heilsdienst und Weltdienst Laien und Klerus einfach zu trennen. Dies würde nämlich die Priester (und ihre Verkündigung) apolitisch machen und umgekehrt die Laien von den Quellen der Reich-Gottes-Praxis faktisch abschneiden, nämlich dem Evangelium. Priester wie Laien bleiben sowohl für den Heils- als auch für den Weltdienst zuständig, wenngleich in der ihnen als Priester und Laien eigenen Weise. Diese Position wird zur Zeit aber offiziell weder im deutschsprachigen Raum, noch in den Lineamenta konsequent vertreten.

Die Trennung wird unbedacht behauptet und als theologisch gesichert vorausgesetzt. Die enge Durchdringung von Evangelium und Gerechtigkeit, wie sie in „Etfangelii nuntiandi” Pauls VI. oder auch in den großen Dokumenten zur befreienden Praxis der Kirche zu Puebla und Medel-lin zum Ausdruck kommt, bleibt für die Frage des Verhältnisses zwischen Heilsdienst und Weltdienst, damit zwischen Priestern und Laien folgenlos.

Angesichts solcher Widersprüchlichkeiten wird der vorliegende Entwurf, zumal die aufgebrochenen Laien, mit zwiespältigen Gefühlen versehen. Ins Bild gesetzt: Die Mutter Kirche umarmt sie und weist sie zugleich zurück. Die eine Spaltung (die zwischen Klerus und Laien) wird formal überwunden, und gleichzeitig die andere (zwischen Heilsdienst und Weltdienst, zwischen der Praxis des Himmels und der Praxis der Erde) verfestigt. Es ist nur zu hoffen, daß im Schlußdokument die Neuverteilung der kirchlichen Arbeit zwischen Laien und Klerikern mit einem anderen Schlüssel erfolgt als mit diesem theologisch nicht haltbaren.

Der Autor ist ordentlicher Professor für Pastoraltheologie an der Universität Wien.

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