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Vorwort und Bitte

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In diesen Tagen befaßte sich wieder eine Konferenz der Bischöfe Österreichs mit Fragen des gesamtösterreichischen Katholikentages; sie ist nicht die erste ihrer Art und wird nicht die letzte .sein.

Es drängt den österreichischen Katholiken, sich bei diesem Anlaß einige der brennenden Probleme vorzustellen, die einer Lösung harren. Das ist ja das charakteristische Zeichen, unter dem sich die vielen Arbeitsgruppen von Priestern und Laien nun schon seit vielen Monaten versammeln, um die Kundgebung im September vorzubereiten: Der entschiedene Ernst, es nicht bei einer Demonstration nach außen hin bewenden zu lassen, sondern einen Auftakt zu geben, die feierliche Verpflichtung zu konkreter Arbeit im inneren Aufbau des österreichischen Katholizismus. Einige Momente haben sich bei diesen Vorarbeiten, die einen Höhepunkt in der Mariazeller Tagung fanden, eindeutig herausgestellt. Klerus und Laienschaft bilden heute in Österreich eine von Stunde zu Stunde immer mehr zusammenwachsende Arbeits-, Lebens- und Notgemeinschaft. Der Antiklerikalismus, lange bekanntlich gerade in der katholischen Laienwelt weit verbreitet, gehört als ein historisches Phänomen durchaus der Vergangenheit an. Heute sieht der Laie klarer denn je Not, Sorge und Mangel des Priesters und sucht ihm beizustehen, ebenso vertieft sich der aufgeschlossene Priester priesterlich-brüder- lich nicht nur in Bücher der Laikologie, sondern nimmt Anteil an den Lebenserfahrungen des Laien, versteht dessen Schwierigkeiten in ihrer oft ausweglos erscheinenden Tragik und Tiefe. Das ermöglicht eine neue Freiheit und Würde der gegenseitigen Aussprache als Vorbedingung für Rat, Tat und Hilfe, die beide Teile der Kirche einander heute mehr denn je schulden. In herzlicher Hilfsbereitschaft wird so erkannt: Nur in einer positiven Desillusionierung aller Katholiken kann die Bereitschaft geweckt werden zu’den Handlungen und Aktionen, die heute nötig sind, soll die Situation wirklich gewendet und aus einer permanenten Krise ein neuer Aufstieg gewonnen werden.

Desillusionierung ist nicht Deprimie- rung und dürfte von ehrlich Strebenden niemals mit Defaitismus auch nur zusammen gedacht oder gar genannt werden. Sind jene beiden letzteren negative Erscheinungen, die nicht selten jenen befallen, der, aus Träumen aufgescheucht, das Bild der Wirklichkeit als zu hart empfindet, so geht es ersterer positiv um eines: zu, sehen, wo wir heute wirklich steten, und zu befinden, was wir deshalb morgen zu tun haben.

Ein Musterbeispiel positiver Kritik gab die letzte Rede des Erzbischof-Koadjutors von Wien, die herausstellte: In der gegenwärtigen Zeitenwende wird die Kirche vielfach mit neuen Mitteln und auf neuen Wegen ihre ewigen Aufgaben zu erfüllen haben. Der Abfall auf dem Lande, das Entgleiten breitester Massen in der Stadt, die erschreckend niedrigen Zahlen von Neupriestern sprechen eine deutliche Sprache. „Res ad triarios venit.“ Es geht ums Erste und Letzte.

Allen Mitarbeitern am gesamtösterreichischen Katholikentag ist in diesem Sinne klargeworden: Dieser muß, soll er seiner Aufgabe gerecht werden, eine neue Sammlung des Katholizismus in Österreich zu einer Lebens- und Aktionsgemeinschaft bringen, wie sie heute erst in Ansätzen besteht. Beschämend war doch in der Vergangenheit oft die Tatsache: Während viele andere, etwa politische, wirtschaftliche, aber auch konfessionelle Bewegungen, längst schon die Mauern und Barrieren landsmannschaftlicher Isolierung übersprungen haben, gibt es bei uns noch einen Kantönligeist und eine Abschließung, die oft jede echte Gesamtaktion im Keim zu ersticken droht.-Wie soll bei gewissen immer noch bestehenden Absperrungen, in den Diözesen etwa, jene soziale Aktivität entwickelt werden, die die Stunde fordert? Eine neue Missionierung des Landes kann ebenfalls nur als einheitlich geplante und vorbereitete Aktion, die sorgfältig alle Reserven sammelt und . einsetzt, begonnen werden. Dasselbe gilt für die Erstellung des so vordringlich gewordenen konkreten und konsequenten Familienprogramms, die der Mitarbeit aller vorhandenen Kräfte bedarf, soll die schwerringende christliche Familie gesichert, erhalten und neu geschaffen werden — als jener erste Raum von Freiheit und Würde des Christenmenschen, ohne den alles andere Phrase und Illusion bleiben muß.

Nur ein Gesamtkatholizismus als Tat- und Lebenseinheit unseres Klerus und unserer Laienschaft in allen österreichischen Ländern und Diözesen ist also den Aufgaben gewachsen, Familie und Gesellschaft wirklich mit neuen Kräften zu durchsäuern und zu erneuern. Hier springt eines der heikelsten Probleme in die Augen. Nach und mit der Familie ist die Schule eines der lebenswichtigsten Anliegen der Kirche heute. Seit langem ist sie ein Kardinalpunkt auf dem Forderungsprogramm des Episkopats; das aber genügt nicht. Muß sich heute der österreichische Katholik nicht selbst die Frage vorlegen: Haben wir die Wirklichkeit der christlichen Schule schon genügend durchdacht? Wo nehmen wir neue Lehrer, christliche Erzieherpersönlichkeiten her? Wo sind neue pädagogische Richtlinien, wo ist die psychologische und soziologische Vorbereitung einer neuen katholischen Schule? Müssen nicht bestehende Einrichtungen teilweise modernisiert werden, ist hier nicht noch eine Fülle von Vorarbeiten zu leisten, ehe wirklich daran gedacht werden kann, neue Schulen als lebensformende Kräfte zur Erziehung der Katholiken Österreichs von innen her zu gestalten? Hier fällt der Blick des hier naturgemäß hochinteressierten Klerus — erhofft er doch von der christlichen Schule wesentliche Hilfe und Unterstützung — auf einige prekäre Tatsachen. Immer noch sind in Österreich trotz des Priestermangels nicht wenige Priester in nicht- priesterlichen Berufen eingesetzt. Da muß einer Kommerz treiben, der andere unter-richtet Mathematik, der dritte und vierte ist mit Verwaltungsaufgaben betreut, Während in Land und Stadt Priester fehlen, mehr als ein Stück Brot, sind nicht wenige Stellen von Priestern besetzt, wo längst eine Ablösung durch Laien fällig ist. Diese Ablösung hat der Wiener Erzbischof-Koadjutor in seiner Rede übrigens bereits angedeutet; sie kann aber erfolgreich nur eingeleitet werden, wenn sie wirklich alle Diözesen inStadtund Land erfaßt.

Stadt und Land: Wer ihr Gefälle betrachtet, sieht sofort zwei Grundprobleme — die noch völlig ungenügende Spezialausbildung des Klerus für Stadt- oder Landseelsorge, Großstadt-, Kleinstadt-, Industrieseelsorge; so daß junge Kapläne und Pfarrer, oft von Jahr zu Jahr wechselnd, in immer neuem und immer fremdem Milieu arbeiten müssen. Was in der Welt seit hundert Jahren sich als notwendig erwiesen hat: die Ausbildung von Fachleuten und Facharbeitern, gilt in bedeutendem Maße auch für die Kirche. — In der notwendigen Revision der Ausbildung des jungen Klerus in den Priesterseminaren und theologischen Fakultäten (letztere wird übrigens seit geraumer Zeit vorbereitet) ist auch dies zu bedenken: die Fachausbildung für die Reich-Gottes-Ar- beit in den verschiedenen agrarischen und “industriellen, städtischen und ländlichen Bezirken. Ein Gang durch Stadt und Land führt zudem an folgende Scheidewege heran: Sind in den letzten Jahren nicht Fehlinvestitionen katholischer Gelder geschehen? Sind nicht allenthalben Restaurationen und Ausgaben für tote Dinge in einem unverhältnismäßig hohen Maße geschehen, während für die Förderung und Entfaltung des katholischen Lebens oft kein Geld zur Verfügung stand? Vergeblich harrt heute manches Stift an der volksdemokratischen Grenze auf neue Alumnen, die es als Forstmeister,, öko- nome, Kellermeister auszubilden gerne bereit ist, alle Gebäude sind restauriert, während etwa ein Seminar für kirchliche Frauenberufe sich seit Jahren buchstäblich durchhungert und im Winter durch- fraert. Diese Dinge sind nüchtern revidierbar, der österreichische Katholizismus wird sie neu zu ord- ( nen haben, soll ihm nicht das Heft aus der Hand genommen werden. In diesem Zusammenhang ist auch ein offenes Wort über die Erhebungs- und Einhebungsverfahren der Kirchensteuer am Platz. Eine Reihe von Kirchenaustritten ist einem mangelhaften Taktgefühl der Prozedur hier zuzuschreiben. Zweifellos sind die Eingänge dieser Steuer unbefriedigend, sie können erhöht werden, aber nicht durch ein hart wirkendes unvermitteltes Herantreten an Menschen, die lange schon nur mehr im Vorraum und der Randzone der Kirche verweilen und diese Geldforderung als erste Wiederbemühung von seiten der Kirche um sie mißverstehen.

Die Revision der Verwendung der katholischen Gelder, der Finanzwirtschaft, kann heute nur mehr unter einem Gesichtspunkt stehen: Geld zu beschaffen, Geld freizumachen für gute Werke, die, wie es die Sdirift fordert, den Ungläubigen den Glauben sichtbar machen: Siedlungen und Gottessiedlungen in halbheidnischem Land; Wohnbauten als Dombauten; Krippen und Kindergärten, Mütterheime und Plätze für die Mühseligen und Beladenen, die an den Zäunen stehen.

Sollen diese Forderungen der Stunde nicht in den Akten, Petitionen und Tagungsprotokollen verschimmeln, sollen sie mit Hilfe des österreichischen Katholikentages eine neue Stunde für den gesamtösterreichischen Katholizismus mit- heraufführen helfen, dann geht das nur, wenn die respektvolle Bitte der österreichischen Katholiken an Österreichs Bischöfe Gehör findet: Die Bischöfe mögen sich entschieden an die Spitze der Laienbewegung stellen und deren Gruppen, Gliederungen und Werke planend, führend, helfend in die Hand nehmen. Unterbindung einer Laieninitiative und Verkennung des Organisationsprinzips müssen Österreichs Katholizismus schweren Schaden zufügen.

Nur in einer im guten Sinn des Wortes aktiven, in Freiheit und Würde in der Kirche dienenden und mitschaffenden Laienwelt ist jener Boden gegeben, aus dem eines Tages im missionarischen Aufbruch neue Priester wachsen können. Priester, die die Kirche in Österreich vor allem braucht, soll sie nicht aus Mangel an Priestern und mangelnder Mitarbeit der Laien die große Chance dieser Stunde versäumen.

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