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Dokumente zur Religionsverfolgung in Polen

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Wie noch in allen Ländern, in denen der Kommunismus zur Macht kam, zielt auch in Polen die kommunistische Regierung darauf ab, eine „nationale“ katholische Kirche zu schaffen, um sie als ihr ganz und gar willfähriges Werkzeug zu gebrauchen. Die Taktik ihres Vorgehens offenbarte sich neuerdings in der mit 23. Jänner dieses Jahres vom Zaun gebrochenen offenen Verfolgung der kirchlichen „Caritas“. Diese hatte in den vergangenen Nachkriegsjahren durch die Vermittlung des polnischen Episkopats aus aller Welt, wie es naheliegt, überaus wertvolle Hilfe_ erfahren. Wesentlich geringer war der Anteil, den die polnischen Katholiken für die Not ihrer Landsleute aufbringen konnten. Dabei arbeitete die „Caritas“ als rein kirchliche Institution. Die feindselige Haltung des Staates stand längst schon eindeutig fest; seit Monaten war eine gemischte Kommission, bestehend aus drei vom Episkopat gewählten Bischöfen und drei Vertretern der Regierung, an der Arbeit, um in den umstrittenen Fragen zwischen Kirche und Staat einen Vergleich zu erzielen; dessenungeachtet erließ die Regierung während dieser Zeit zahlreiche antireligiöse Dekrete, und der servilen Presse fiel die Aufgabe zu, deren Bedeutung zu verharmlosen.

Mehr als 1000 Priester wurden mit Gewalt, mit List und Präpotenz ins Polytechnikum geholt. Einige von ihnen hielten dort ihnen aufgezwungene Reden oder ergriffen in den Diskussionen das Wort; aber es waren solche, die während des Krieges vom rechten Weg abgekommen waren, sich in Konflikt mit dem Gesetz der Kirche befanden, oder aber von den Polizeibehörden durch Drohungen schwerer Sanktionen dazu genötigt wurden.

Der Primas von Polen, Erzbischof Wyszynski, schrieb darüber an seine Gläubigen:

„Gerade während die Verhandlungen im Gange waren, wurden der Kirche durch antikirchliche Gesetze und Dekrete, welche die Gesdiichte gut mit dem traurigen Namen .Augustgesetze' benennen könnte, die schwersten Schläge versetzt. So wurde die Kirche ihrer Bruderschaften und Vereine, die sie nicht registrieren konnte, beraubt; sie hat einige zehn (viele) Spitäler verloren, sie weint über ihre zerstörten Schulen. Die religiösen Genossenschaften sind gezwungen worden, sich einer minutiösen Registrierung zu unterziehen. Man versäumte auch nicht, die Freiheit der Versammlung, der Prozessionen, Wallfahrten, bischöflichen Visitationen einzuschränken, ja man hat sogar die kirchlichen Funktionen und Missionen zu reduzieren versucht.“

Ab 23. Jänner wurden nun fast alle Diözesanzentren der „Caritas“ geschlossen und durchsucht und, bevor noch eine regelrechte Untersuchung stattfand, unter offener Mißachtung der bestehenden Gesetze wurde ein neuer Verwaltungsrat eingesetzt, der aus einigen Priestern und sogenannten „aktiven Katholiken“ bestand. Bald darauf zwang die Regierung viele Priester, von denen eine große Zahl die nationalsozialistischen Konzentrationslager mitgemacht hatte, an einer Versammlung im Polytechnikum von Warschau teilzunehmen, um sich dort Motionen gegen angebliche Mißstände in der „Caritas“ vorlegen zu lassen.

In einem Aufklärungsbrief an seine Gläubigen schreibt Erzbischof Wyszyinski von Warschau über diese Versammlung unter anderem:

„Die Absichten der Veranstalter dieser Versammlung erhellten aus den Reden; es ging nicht darum, die .Caritas' zu reformieren, sondern vielmehr darum, den Klerus gegen den Episkopat zu mobilisieren und dann die Kirche aufzusplittern. Immer haben wir uns widersetzt, daß der Klerus sich in die Politik einmische, und dies übrigens in Ubereinstimmung mit dem Wunsch der Behörden; darum beklagen wir es, daß man versucht hat, dieses Prinzip zu verletzen. Der Pfarrer muß kraft seiner Aufgabe allen dienen. Jedesmal, wenn er sich Parteien zuwandte, hörte er auf, geistlicher Vater zu sein, und wurde irgendein Agitator. Der katholische Klerus weiß, daß er an Versammlungen politischen Charakters nicht teilnehmen darf, und dies erst recht nicht, wenn es sich um solche handelt, die sich gegen die kirchlichen Institutionen richten. Er kann nicht einmal von nicht-kirchlichen Behörden Aufträge übernehmen.“

Man konnte keinerlei wirkliche Mißstände in der kirchlichen „Caritas“ nachweisen; anlasten konnte man höchstens Kleinigkeiten, die durch die schwierige Arbeitsweise bedingt waren.

Ein Einspruchstelegramm Kardinals Sapieha, des Vorsitzenden der „Caritas“, an den Präsidenten der Republik, Bierut, blieb ohne Antwort. Daraufhin antworteten die Bischöfe auf den aufgezwungenen neuen Verwaltungsrat mit der Auflösung der „Caritas“ und sandten mit Datum vom 30. Jänner ein Memorandum an den Präsidenten. Nach Feststellung der Illegalität des Vorgehens der staatlichen Behörden und des verleumderischen Charakters der Anklagen, heißt es darin unter anderem:

„Der Episkopat erhebt Einspruch nicht allein gegen diese Kampagne, die zum Schaden der Katholiken und der Kirche wirkt, sondern auch gegen die Tätigkeit der Regierungsbehörden, die den katholischen Klerus, Ordensleute und Gläubige gegen die katholische Wohltätigkeit mobilisieren und damit die Freiheit ihres Gewissens verletzen. Durch verschiedene Taktiken werden Priester, Ordensleute und Gläubige zu Vorträgen und Versammlungen geholt: bisweilen greift man nicht bloß zu Betrug, indem man ie aus dienstlichen Gründen zu Vorträgen und Zusammenkünften ruft, sondern auch zum Terror. Sehr oft erscheinen die Weisungen von schwerem moralischem Druck begleitet ... Es mangelt nicht an Fällen, in denen wahre Priesterjagden veranstaltet wurden; einige von ihnen wurden nachts von bewaffneten Agenten geweckt, und diese gestatteten ihnen oft nicht einmal, die Messe zu lesen, oder man zwang sie, die Funktionen zu unterbrechen, so daß manche von t ihnen bei den Versammlungen in liturgischen Gewändern zugegen waren. Viele mußten sich verbergen. Um solche Versammlungen dahin zu bringen, sich gegen die caritative Betätigung der Kirche auszusprechen, inszenierten die Behörden prunkvolle Empfänge, bei denen auch reichlich alkoholische Getränke verabreicht wurden. Die Priester, die vom Zweck der Versammlungen erfuhren und sich weigerten, daran teilzunehmen, wurden mit Geldstrafen belegt. In den veröffentlichten Listen der Priester, die an solchen Versammlungen teilgenommen hatten, wurden auch die Namen von längst Verstorbenen eingetragen. Manche Priester wurden genötigt, in der staatlichen Verwaltung der „Caritas“ Ämter anzunehmen oder sie wurden dort ohne ihr Wissen und trotz ihres Protests eingetragen.

Zugleich mit diesem Brief an den Präsidenten, in dem feierlicher Prolest eingelegt und Widerruf der getroffenen Maßnahmen gefordert wurde, erging ein gemeinsames Schreiben der Bischöfe an den Klerus, in dem dieser über die Gründe der Auflösung der „Caritas“ unterrichtet und vor Annahme von

Ämtern in der neuen „Caritas“ gewarnt wurde. Obwohl nur ein ganz geringer Teil der Priester unsicher oder gar schwach geworden war, unterließen es die Bischöfe, angesichts der schweren Lage, nicht, ihrem Klerus eine Gewissenserforschung anzuempfehlen und die Normen des kirchlichen Gesetzbuches ins Gedächtnis zu rufen. Unter anderem werden sie daran erinnert, daß es ihnen nicht erlaubt ist, an Versammlungen politischen Charakters oder politischer Färbung teilzunehmen. Um so weniger an Versammlungen, deren Zweck Kampf gegen die Institutionen und die Organisation der Kirche ist und die den Klerus von der Hierarchie losreißen wollen.

Nachdem die Bischöfe erneut ihre Bereitschaft, alles zu tun, was den inneren Frieden des

Landes und eine zweckdienliche Zusammenarbeit mit der staatlichen Autorität gewährleisten kann, beteuert und den Klerus ausdrücklich daran erinnert haben, daß ihnen vom kirchlichen Gesetzbuch sowohl die Annahme kirchlicher Ämter von nicht-kirchlichen Behörden, als auch die Annahme bürgerlicher Ämter, die Verantwortung und Abhängigkeit von wem immer, bedeuten, verboten ist, schließen sie ihr Schreiben mit dem Wunsche, die traurigen Vorkommnisse mögen eine wirksame Warnung für die Zukunft sein, und mit dem Hinweis auf die zahlreichen Priester, die von Anfang an das Beispiel unbeugsamen Mutes gegeben haben.

Am 12. Februar erging ein weiteres Schreiben der Bischöfe an die Gläubigen, um sie über die neue Lage zu unterrichten. Die Behörden griffen aber zu allen Mitteln, angefangen von E i n-s c h ü c h t e r u n g s v e r s u c h e h bis zu Gewalt und Verhaftungen, um die Verlesung dieses Schreibens zu verhindern. Der Primas von Polen entband nun seinen Klerus von der Pflicht der Verlesung und richtete ein persönliches Schreiben an seine Gläubigen, in dem er ihnen die Geschichte der letzten Monate darlegte. Nach seinen — aus unserer Darlegung schon bekannten — Ausführungen schreibt er:

„Abschließend will ich noch meinem Schmerz Ausdruck geben über eine gewisse Presse und über jene, die ihr anhangen und unter dem Namen „fortschrittliche Katholiken“ uns bitteres Leid bereiten wegen ihres Mangels an katholischem Empfinden und jeder theologischen Kenntnis, und die heute die unverständliche Haltung von Lehrern und Führern der Bischöfe einnehmen. Mit offenen Armen werden wir jeden aufnehmen, der bereit ist, die Verantwortung für die Anliegen der Kirche zu teilen; aber unter der Bedingung, daß er die Lehre der Kirche kennt und die hier-archischeOrdnung anerkennt.“

Nach einem Briefwechsel des Sekretärs der Bischofskonferenz, Bischof Z y g-munt Choromanski, mit dem Minister für öffentliche Verwaltung, Wolski, in dem die falschen Behauptungen des letzteren über die „Caritas“ widerlegt wurden, richteten Kardinal Sapieha von Krakau und der Primas von Polen, Erzbischof Wyszynski von Gnesen und Warschau, mit Datum von 16. Februar im Namen des polnischen Episkopats ein Schreiben an den Präsidenten der Republik, Boleslaw Bierut. In diesem Brief heißt es unter anderem:

„1. Ihre zahlreichen Versicherungen, Herr Präsident, sowie die des Herrn Ersten Ministers und des Ministers Wolski besagten, daß es in Polen keinen Kampf gegen die Kirche gibt, noch geben wird. Diese Versprechen wurden von uns so aufgenommen, wie sie gegeben wurden. Heute jedoch haben die schmerzlichen Erfahrungen der jüngsten Ereignisse in uns Zweifel über den Sinn der Versicherungen von Seiten der hohen Autoritäten erstehen lassen.

Wir müssen darauf hinweisen, daß in Polen schon seit einiger Zeit der Kampf gegen die Religion geführt wird und daß die angewandte Methode jede Taktik übertrifft, die man sich hätte ausdenken können, um gegen Gott vorzugehen.

Gewiß sind die Kirchen offen und gedrängt voll, doch dies allein deshalb, weil das Volk in seiner Tragödie dort seine letzte Zuflucht findet, da es bei seiner Arbeit im Amt und in der Partei wegen seiner innersten religiösen Gefühle ständig verfolgt wird.

Die Beweise dafür finden sich in jeder Art von Schulprogrammen, in den Schulbüchern, in den Unterweisungsmethoden außerhalb der Schule, in den Parteireglements, in den Beschlüssen der Versammlungen der verschiedenen Organisationszellen, in den für die Aktivisten vorbereiteten Vortragsschemen, in den Klagen und Protesten jener, die gezwungen werden, Reden anzuhören, die überfließen von Haß gegen alles, was irgendwie religiös ist.

Beweis dafür ist das Los, das der katholischen Schule bereitet wird, den Spitälern religiöser Genossenschaften, den religiösen Vereinigungen und Bruderschaften, dem Wiederaufbau kirchlicher Gebäude. Beweis dafür ist ferner das Schicksal der katholischen Presse, die nach und nach alle ihre Veröffentlichungen einstellen mußte, die sozusagen erstickt werden von der immer tiefer eingreifenden Zensur. In deren Büros werden die Manuskripte katholischer Werke aufgestapelt, und das ist eine Anklage gegen das System der Regierung, die es wagt, das religiöse Denken in Polen zu ersticken und aus der Bibliographie der Nation Tausende von Werken zu streichen, die nicht erscheinen können.

Herr Präsident! Der Kampf gegen die Kirche, gegen dieReligion, gegen Gott ist in Polen mehr als e v i die n t.

Angesichts alles dessen wünschen wir nur das eine, daß man uns nicht weiszumachen versucht, diesen Kampf gäbe es nicht. Wir verlangen das Mindestmaß an Rücksicht, das jedem Menschen gebührt, daß man ihm die Dinge beim Namen nennt. Es gilt also, entweder seine Taten offen zu bekennen oder die Handlungsweise gegenüber der Kirche zu ändern. Wenn man zugibt, daß der Kampf offen angesagt ist, so ist die Frage zu stetllen: Kann man sich das Recht anmaßen, den christlichen Ideen der Nation .den Krieg zu erklären? Polen hat nie die Religion und den Glauben seiner Bürger bekämpft, es war nie im Kampf mit der katholischen Kirche. Das beweist, daß die Kirche niemals die.Freiheit des nationalen Geistes bedroht hat.“

Im weiteren sagte das Schreiben der beiden obersten kirchlichen Würdenträger Polens:

„Der Episkopat enthält sich der Teilnahme am politischen Leben und auferlegt das gleiche dem Klerus. Es ist nicht unsere Sache, das Tun der Regierung zu billigen; wir haben das nie getan und sehen auch keinen Grund, warum wir es heute tun sollten. Das Feld unserer Tätigkeit ist klar begrenzt und wohlbekannt. Wir wünschen, innerhalb seiner Grenzen zu bleiben, denn wir sind überzeugt, daß unser Werk den Interessen Polens gute Dienste leistet.

Es überrascht uns aber der Versuch, den Klerus in die Politik und in die politischen Versammlungen hineinzuziehen, wo man doch von der Partei zu hören bekommt: ,Die Priester sollen sich von der Politik fernhalten.' Zuerst hat man versucht, die Militärkapläne in politische Agitatoren zu verwandeln, und als dieses hinterlistige Spiel mißlang, hat man versucht, den ganzen Klerus in die Politik hineinzuziehen und ihn in Gegensatz zum Episkopat zu bringen ...“

Nachdem der Brief das schmachvolle Manöver gegen die „Caritas“ und die Verschleppung der Verhandlungen zwischen den Bischöfen und den Vertretern der Regierung, besonders mit dem bevollmächtigten Minister Wolski, gebrandmarkt hat, schließt er mit den Worten: „Dieses Mal trägt unser Schreiben nicht den Charakter eines Protests, es ist weder der Protest des erniedrigten Klerus, noch der Protest des verleumdeten Episkopats. Dieses unser Schreiben enthält keine Forderungen.

Es ist die Stimme der polnischen Nation, die sich durch uns erhebt, und diese Stimme wendet sich an Sie, als den Präsidenten der Republik, und sieht sich gezwungen, Sie, Herr Präsident, und Ihre Regierung als vor Gott und der Geschichte für den Kampf gegen die Religion und gegen die Kirche in Polen verantwortlich zu betrachten.“

Die vorstehend wiedergegebenen Dokumente wurden bisher der Öffentlichkeit nicht übergeben, weil der polnische Episkopat und der Heilige Stuhl immer noch die Möglichkeiten einer Verständigung mit der Staatsgewalt offenhalten wollten, trotz allem und allem. Alle Versuche, einer solchen Verständigung zu dienen, waren umsonst.

Die jetzige Publikation von Aktenstücken, deren erschütternder Inhalt die kulturpolitische Lage in Polen taghell beleuchtet, verurteilt das neueste Manöver Warschaus, an ein jetzt erfolgtes Abkommen zwischen Regierung und polnischem Episkopat und an ein Polen der tadellosen Freiheit der Kirche und eines beispielhaften Friedenszustandes zwischen Staat und Kirche glauben zu machen, zu einer geschmacklosen Zumutung an die Urteilslosigkeit der europäischen Öffentlichkeit.

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