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Sender und Hörer

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Die Aufnahme von Reklamesendungen in das Programm der Ravag hat bei den Hörern heftige Proteste ausgelöst und zu öffentlichen, nicht immer sachlichen Diskussionen geführt. Trotz entschiedenen Einwänden aber hat die Ravag — die sich im allgemeinen einer sachlichen Kritik nicht entzieht — in dieser Frage bisher keine nennenswerten Zugeständnisse gemacht, was darauf schließen läßt, daß sie sich in einer Zwangslage befindet. Sie ist ein kulturellen Belangen dienendes Unternehmen, das aber, wie einzusehen ist, unter kommerziellen Gesichtspunkten verwaltet werden muß, und es mag wirklich so sein, daß die Ravag, die infolge der Besetzungsverhältnisse nur mehr von den Beiträgen eines Drittels ihrer ehemaligen Hörerschaft unterstützt wird, sich gezwungenermaßen nach neuen Einnahmequellen umsehen muß. Man wird ihr vielleicht sogar noch zugute halten müssen, daß sie die Teilnehmergebühren nicht sehr wesentlich erhöht und überdies noch einen zweiten Sender in Betrieb genommen hat. Es wäre wohl höchst wünschenswert, wollte die Ravag sich zu diesen Problemen einmal unmißverständlich äußern — was unseres Wissens bis jetzt noch nicht geschehen ist.

Dies alles entschuldigt natürlich die „Bunten Minuten“ und ähnliche Zwischenspiele keineswegs. Eine Kritik der Hörerschaft, die an der Ravag als einer Kulturinstitution interessiert ist, wird, ohne sich von oft zitierten ausländischen Vergleichsfällen beeindrucken zu lassen, stets an dem Grundsatz festhalten müssen, daß Reklame im Rundfunk nichts zu suchen hat. Sie wird aber, ehe sich nicht die Verhältnisse auch auf diesem Sektor des öffentlichen Lebens normalisiert haben, fruchtbarer sein, wenn sie versucht, vorläufig aus den nun einmal gegebenen Umständen das Beste herauszuholen.

So wie jetzt, ist die Lage jedenfalls unbefriedigend; man wird von der Ravag bedeutendere Zugeständnisse fordern müssen. Es geht zum Beispiel nicht an, daß die Reklamesendungen, rechnet man „Bunte Minuten“, „Verlautbarungen“, Schallplattenintermezzi und die Sendung „Ein Gruß an dich“, die eine sozusagen private Form der Reklame darstellt, zusammen, etwa zwei Stunden einnehmen — und dies Tag für Tag, während die Tendenz zu weiterer Ausdehnung nidit zu übersehen ist. Erwägt man noch, daß diese Sendungen gerade in den wichtigsten Hörzeiten laut werden — sonst blieben sie freilich erfolglos —, so ergibt sich der Schluß, daß dem Wertlosen wirklich zuviel von dem Raum gegönnt wird, der dem Besseren oder Besten Vorbehalten bleiben müßte. Dementsprechend muß hier die erste klare Forderung erhoben werden: zeitliche Einschränkung der Reklamesendungen.

Nun zum Stil und der Art der Reklame selbst: wenn sie schon gesendet wird, so kann nur ein gewisses Maß von Witz und — Anstand sie erträglich machen. Was den Witz anlangt, so hat sich hier einiges gebessert; die „Bunten Minuten“ sind, soweit das überhaupt möglich ist, flüssiger geworden und hie und da einmal sind sie sogar witzig. Es fehlt freilich ganz und gar das, was beispielsweise die Reklamesendungen einiger italienischer Sender den Hörern vergnüglich macht: die Selbstironie. Deren Anwendung würde auch der hiesigen Radioreklame nur eut tun.

Schlimmer ist es mit dem Taktgefühl der verantwortlichen Werbefachleute bestellt. Es unterlaufen bisweilen Schnitzer, die in Bildoder Schriftreklamen noch hingingen, im gesprochenen Wort aber höchst peinlich wirken. So wäre es, um nur einen Punkt herauszugreifen, sehr angenehm, wenn eine gewisse Neigung zur „Pikanterie“, die in letzter Zeit an den „Bunten Minuten“ deutlich wird, bald wieder verschwände. Wobei es freilich unter Umständen zu noch schlimmeren Dingen kommt, wenn sich die Reklame „seriös“ oder „gebildet“ gebärdet; in solchen Fällen nämlich kann man dann etwa eine recht ernst gemeinte Erörterung hören, wie „die Musen sind griechische Göttinnen, die mit der Kunst was zu tun haben“.

Ganz bös ist es aber, wenn Amerikanismen ins Spiel geraten. So ist wohl anzunehmen, daß der Mitteleuropäer der eindringlichen Frage des Sprechers, was wohl besser sei, der Frühlingsstimmenwalzer oder das Zähneputzen mit der bekannt guten Sowieso-Zahnpasta, nicht das erhoffte schmunzelnde Verständnis entgegenbringt. Hier hört vermutlich auch das Wohlwollen der einsichtsvollsten Kritik auf.

Der ersten Forderung nach der möglichsten Einschränkung der Reklamesendungen gesellen sich also zwei weitere zu: nach mehr Witz und mehr Anstand.

An letzterem mangelt es, wie angefügt sei, einer Sendung völlig, die zwar nichts mit Reklame zu tun hat, aber wohl ebenfalls ein modernes Verlangen zu befriedigen beabsichtigt: die Sensationslüsternheit, welche die Ravag mit Unrecht bei einem Teil ihrer Hörerschaft veraussetzt. Gemeint sind damit jene „Lokalnachrichten aus Österreich“, die anschließend an den Frühnachrichtendienst um 6 Uhr vorgetragen werden. Gut zwei Drittel dieser Lokalnachrichten beschäftigen sich ausschließlich mit Kriminalfällen aus Stadt und Land — und beschreiben ausführlich, ja geradezu mit Genuß die blutrünstigsten Detail der erstaunlichsten Verbrechen. Wirklich, wenn keine besseren Nachrichten vorhanden sind — auf diese Meldungen kann man leichten Herzens verzichten.

Reklame und Sensation im Rundfunk? Wenn sie schon nicht zu vermeiden sind, mögen sie wenigstens mit Maß und Anstand vorgebracht werden.

Der Schweizer Nachrichtenagentur Kapa k n eine aus Innsbruck, 19. Jänner, datierte und von Notar Dr. Peer in Innsbruck auf üire Echtheit beglaubigte Erklärung des bisherigen Generaldirektors des Ungarischen Katholischen Volksbundes, erzbischöfl. Rat Dr. Josef Jaszovsky, zu, in der dieser von folgendem, zum bevorstehenden Minidszenty.Prozeß gehörigen Sachverhalt öffentlich Zeugnis gibt:

„Unterzeichneter, Dr. Josaf Jaszovsky, erz- bischöflicher Rat, Generaldirektor des katholischen Volksbuindes, welche Ongamisation im gegen Kardinal Mindszenty geführten Prozeß eine Rolle spielt, halte es für meine Gewissenspflicht, folgende Tatsachen festzusetzen:

Ende September 1947 erschienen in meinem Büro vom .Katholischen Volksbund’ zwei Männer mitderen Alters, wiesen den Ausweis der geheimen Staatspolizei vor und sagten folgendes:

,Wissen Herr Generaldirektor, daß in Ungarn jede Nacht Menschen verschwinden? Auch Sie können heute nacht verschwinden! Später erklärten sie jedoch, daß mir nichts zustoßen werde, falls ich im Namen des ,Katholischen Volksbundes’ eine Deklaration veröffentliche, in welcher ich das Verhalten Kardinal Mimdsaemtys verurteile und außerdem mich verpflichte, die von der Staatspolizei mir angegebenen Personen aus der Leitung des .Katholischen Volksbundes’ entfernen, beziehungsweise diese einwählen zu lassen; wenn ich die von der Staatspolizei mir vorgelegten Akten gegen Kardinal Mindszenty bestätige, endlich wenn ich bereit bin, den Kardinal, die Bischöfe und die Umgebung des Kardinals zu beobachten und von meinen Erfahrungen ihnen ständig Rechenschaft zu geben.

Als ich diese Bedingungen energisch zurückwies, sperrten sie die Türe meines Arbeitsraume und drohten, mich sogleich zu verschleppen. Nachher versuchten sie mich zu überreden, ihre Forderungen zu erfüllen.

Nach vier Stunden vergeblichen, harten Kämpfen entfernten sich die beiden damit, daß ihr Beauftragter mich besuchen weide, um mk mit zu verhandeln, da sie jetzt durch meine Verhaftung kein Aufsehen erregen wollen. Zum Abschied drohten sie mir, daß, falls ich mit irgend jemandem über dies sprühen würde, ich es mit meinem Leben büßen würde, selbst wenn es mir gelingt, eventuell ins Ausland zu fliehen.

Ich gab sogleich eine ausführliche Meldung über diese Ereignisse Seiner Eminenz dem Kardinal Mindszenty und tnachtere, mit Berufung auf meine unterdessen kommende schwere Krankheit, der Begegnung mit dem Beauftragten der politischen Polizei zu entgehen. Trotzdem zwangen sie midi mehr als zehnmal zu einer Begegnung unter vier Augen.

Bei diesen, in größtem geheim vorbereiteten und jedes Auffallen sorgfältig vermeidenden Begegnungen unterbreiteten sie mir alle diese Anklagen, welche im jetzt inszenierten ,Verschwörer. prozeß1, als Sensation dienend, Vorkommen.

Schon im Aprilund Mai 1948 machte mir die ungarische politische Polizei alle Anklagepunkte der jetzt enthüllten .Verschwörung“ bekannt, dessen entscheidende Beweise (Dokumente) angeblich in Esztergom (Gran) im Keller Seiner Eminenz Kardinal Mindszenty jüngstens vorgefunden sein sollten.

Ende Juli 1948 bekam ich das Ultimatum, den Forderungen der politischen Polizei genug- zutun und unter anderem die Anklagen gegen Kardinal Mindszenty zu bestätigen. Endlich gelang es mir, im Oktober 1948 nach dem Westen zu fliehen. Im sogenannten ,Verschwörerprozeß’ gegen Kardinal Mindszenty sehe ich mich genötigt, ausgesprochen festzustellen, daß der unter meiner Leitung stehende .Katholische Volksbund“

— im Gegensatz mit der von seiten der ungarischen Polizei aufgebrachten Anklagen — niemals politische Tätigkeit ausübte, noch legithnisti- sche Organisation bestrebte.

Über die Stichhaltigkeit dieser Äußerung bin ich bereit, jederzeit einen Eid zu leisten.“

Aus Berichten von Flüchtlingen geht hervor, daß die Verfolgung der katholischen Kirche in Rumänien in verstärktem Maße weitergeht. So befinden sich in Cluj 92 Geistliche im Militärgefängnis und weitere 28 im Zivilgefängnis. Über die Anklage- punkte wurde bezeichnenderweise Schweigen bewahrt. Eine erhebliche Anzahl von Priestern, die din Übertritt zum Schisma verweigert hätten, wird in einem chismatisdien Klöster in der Moldau festgehalten, darunter der Propst von Temesvar, Julia Rattu. In Bajamare war vor einiger Zeit der sdiismatische Bischof von Oradea, Nikolaus Ugovici, erschienen und hatte die katholische Kathsdrale dem schematischen Kultus übergeben, nachdem die bischöfliche Residenz schon vorher geplündert worden war. In vielen Pfarreien wurde die Orthodoxie .mit Gewalt eingeführt, wobei die katholischen Gläubigen ohne ihr Wissen von Amts wegen in die1 chismatischen Listen eingeschrieben wurden, Das Seminar von Oradea ist atls Schule für zukünftige Staatsangestellte eingerichtet worden, während man Blaj (Blasendorf), die bisher stärkste Stellung des Katholizismus in Rumänien, jetzt als Sitz des sdiisma- tischen Metropoliten bestimmt hiit. Die Käthe- draie wurde durch einen Handstreich besetzt, ferner wurden viele Priester verhaftet, darunter alle, die der erzbischdflichen Kanzlei angehörten. Die glaubenstreuen Priester Uttd Gläubigen wurden als Umstürzler betrachtet; min hat ihnen jegliche Tätigkeit verboten, selbst io Priorathäusern.. Bei Zuwiderhandlungen „gegen die Sicherheit des Staates“ ist strengste Bestrafung gedroht.

Um Abhilfe der dringendsten Wohnungsnot in Mailand zu schaffen, hat Katid’iriial Schuster kürzlich einen Aufruf erlassen, in dem er alle Wohlhabenden aitffordert, Beiträge zu spenden, tim für Obdachlose Unterkunftsmöglichkeiten zu errichten. Als erster hat er selbst mangels anderen persönlichen Besitzes seinen Kardinalsring hiefür gestiftet mit den Worten „Ich war arm, als ldl vor zwanzig Jafa- reh nach Mailand kam, ich bin arm geblieben und will arm sterben.“ — Irt Rom hat sich ein Ausschuß zur Errichtung von Einfamilienhäusern im Vorort Acilia gebildet. Die Siedlung, die der herrsdienden Wohnungsnot zu steuern helfen soll, erhält den Namen Sin Francesco. Bauplätze, Materialien und Baupläne wurden hiezu umsonst beigestellt.

Die Auseinandersetzung der „Union der progressiven Katholiken“ nimmt ihren Fortgaftg, wie die Äußerungen in verschiedenen Blättern zeigen. So erinnert der Chefredakteur von „Temoignage Chretäen“, Jaam Baboulene, daß die gegenwärtigen Bestrebungen dieser Union an die vor fünfundzwanzig Jahren gegründete „Action franęaise“ gemahnen. Auch heute würden die Katholiken in dieselbe Versuchung geführt wie damtals durch Charles Maurras, wenn auch die politischen Vorzeichen diametral Verschieden seien. Heute wie damals gäbe es Christen, die der Meinung sind, daß der Erfolg die erste Forderung im politischen

Leiben sei. Weldie Mittel aagewendet werden dürften, um einen solchen zu erreichen, könne nicht anders beurteilt werden als auf Grund ihres augenblicklichen Mißerfolges oder seines Gelingens. Daß die Religion auf nkhts anderes bedadit zu sein habe als auf das Seelenheil der Menschen, liege auf einer ganz anderen Ebene. Baboulene fahrt io seiner Auseinandersetzung fort: „Heute wie damals verkündet man eine totale Unabhängigkeit dieser beiden Ordnungen und man verlangt von der Kirche ein unbedingtes Gewährenlassen für die Staatsmänner. Diese Staatsmänner Sind aber Zweifelsohne irt ihren Augen diie — Kommunisten.“

Im Rahmen des Ansch Affungspro- gramms der . New Yorker Staatsbibliothek beabsichtigt man, in diesem Jahr voraussichtlich 10.000 wissenschaftliche Werke im Ausland anzukaufen. Die angeschaifften Bücher sollen an die Mitglieder einer Interessengemeinschaft wissenschaftlicher Bibliotheken verteilt werden, um auf diese Weise die Bücherankäufe zu rationalisieren. Damit ‘soll erreicht werden, daß d:e einzelnen Bibliotheken nicht nur überall erhältliche Standardwerke, sondern auch weniger wichtige Büdier in ihrem Einkaufsprogramm berücksichtigen. Im ersten Jahr des Bestehens des Programm berücksichtigte die Irtteressen- gemeinschait nur die wissenschaftliche Literatur Frankreichs, Schwedens und der Schweiz, zu denen nun jene der Niederlande, Italiens, Belgiens, Dänemarks, Norwegens und Mexikos kommen soll. Nach Maßgabe der vorhandenen Mittel werden in das Ankaufsprogramm auch andere Länder einbezogen.

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