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An den Round geschrirben

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GERÜCHTE UM DEN KARDINAL.

Die Sensation ist die Kraftnahrung des modernen Zeitgenossen. Um so höhergestellt die Person ist, mit der sie sich beschäftigt, desto besser. Wenn es ein Kardinal und Erzbischof ist: dann doppelt und dreifach gut. Anders ist das in letzter Zeit zu vernehmende Gerücht von einer bevorstehenden Änderung an der Spitze der Wiener Erzdiözese, das sich auch Eingang in die Tagespresse verschaffte, kaum zu erklären. Halten wir uns an die Tatsachen: Der Wiener Kardinal nimmt, wie seit längerem bekannt, an den Konzilsvorbereitungen dank seiner hervorragenden Kenntnisse auf wichtigen Gebieten, die wohl Hauptgegenslände des Konzils bilden werden, in immer stärkerem Maße teil. Ein dadurch bedingter längerer Aufenthalt in der Ewigen Stadt wird wohl unvermeidlich sein, birgt aber weder besondere Probleme kirchenpolilischer oder verwaltungstechnischer Art in ich, noch kann er rechtens als geheimnisumwittert daraestellt werden, zumal er auf dem üblichen Wege auch beizeiten anqekündigt wurde. Der Rest ist ein Spiel der Phantasie. Es maq unterhaltend sein, im Kreis von Kolleaen zu vorqerückfer Stunde jenem Gesellschaftsspiel zu frönen, welches mit den Worten „Was wäre, wenn .. . beginnt, die verschlungenen Pfade eines solchen Spieles jedoch auch in den Zeitungssoalten zu verfolgen, tsf zumindest müßig.

BEKENNTNISSE ZUR STABILITÄT. Das

Aktionsprogramm gegen die Teuerung, das Bundeskanzler Dr. Gorbach am letzten Wochenende der Öffentlichkeit vorlegte, ist zunächst als Diskussionsgegenstand gedacht, mit dem sich das neugeschaffene Ministerkomitee für Preis- und Lohnfragen in Kürze beschäftigen soll. Auf den ersten Blick kann man feststellen, daß es sich dabei um mehr und wohl auch um etwas anderes handelt als um einen taktischen Zug, der dem von der Österreichischen Volkspartei zu Recht gewünschten „währungsgerechten und von den ‘‘erschie- denen Ressortwünschen arg bedrängten Budget zur Hilfe eilen sollte. Denn heiße, längst diskutierte, nur von gewissen Interessenvertretungen umschwiegene oder ., verzerrt f-dori gestellte Fragen wurden da beim Namen genannt: so etwa die Frage von gezielten Zollsenkungen und ebenso die von der Lockerung von Einfuhrbeschränkungen, beide richtig als Marktregulativ gedacht, die das Angebot an billigeren Konsumgütern vermehren würden. Gleichzeitig stellt der Bundeskanzler den im letzten Frühjahr vielleicht etwas überhastet vorgebrachten Vorschlag der Industriellenvereinigung über einen Preis- und Belastungsstop wieder vor, und erst die hierzu einsetzende Debatte wird zeigen, ob dieser Vorschlag, der wohl auch aus rein volkswirtschaftlichen Erwägungen als umstritten gilt, der Gegenseite diesmal annehmbar oder zumindest spruchreif erscheinen wird. Dasselbe gilt für die Frage der ausländischen Arbeitskräfte. Ohne Einschränkung wäre jedoch der Wunsch zu begrüßen, Absprachen, die direkt oder indirekt zu Preiserhöhungen führen, überorüfen zu lassen. Daß das Budget 1961 die besonders in Österreich so wichtige — weil allein dastehende — Funktion des Budqefs als Konjunkturbremse nur schlecht erfüllt hat, soll allen Verantwortlichen als dringende Mahnung dienen. Die Bekenntnisse zur sparsamen Budgetierung und zur Preisstabilität, die jetzt von allen Seiten vernehmbar sind, dürfen nicht Lippenbekenntnisse bleiben.

SCHÜSSE IN DER NACHT. Wir wissen nicht, ob der diensthabende Sicher- heitsbeamfe disziplinarisch entschuldigt werden kann. Vom Standpunkt des gesunden Menschenverstandes aus ist seine Reaktion der Verblüffung und Sprachlosigkeit nur allzu verständlich, als er in früher Morgenstunde ansehen mußte, wie aus einem rasend schnell vorbeifahrenden Auto Pistolenschüsse auf die italienische Botschaft in Wien knatterten. Gegenüber dem totalen Nihilismus ist aber auch der Politiker sprachlos. In seine Behandlung müssen sich Kriminalist und Psychiater feilen. Wer in diesen Wochen halbwegs denken kann, mul; sich sagen, daß gerade jetzt der Sache der Südtiroler nur durch Verzicht auf sinnlose Gewalttaten genützt werden kann. Was immer die in ehrlicher Weise um die Zukunft des Landes an der Etsch besorgten Männer in Richtung auf das schließliche Endziel aller Verhandlungen trennen mag: sinnlose Schüsse und pathetische posthume Anklagen gegen die angeblich falschen Freunde Andreas Hofers, die in der Kapuzinergruft verhallen müssen, können niemandem auch nur den geringsten Nutzen bringen. Oder j sollte es am Ende doch einen Sinn haben, datj sich gerade durch solche Aktionen der notwendige Trennungsvorgang, der unaufhaltsame Scheidungsprozeß zwischen Patrioten und Terroristen schneller und radikaler vollziehen wird, als man dies noch vor kurzem erhoffen durfte?

STAATSBESUCH AUS AFRIKA. Als erster Regierungschef eines der neuen afrikanischen Staaten, wenn man vom Eintagsbesuch des Präsidenten von Ghana, Kwame Nkrumaih, im vorigen Sommer absieht, hat der Ministerpräsident der Republik Senegal, Ma- madu Dia, Österreich einen viertägigen Staatsbesuch abgestattet. Österreich, ohne Tradition als Kolonialmacht, wie heute zuweilen mit einer gewissen Selbstzufriedenheit hervorgehoben wird, hat bisher in Wirklichkeit kaum überhaupt ein Verhältnis zu den Ländern Afrikas südlich der Sahara, von denen heule schon zwanzig als selbständige Staaten ein Fünftel der stimmberechtigten Mitglieder der UNO bilden. Die gleichzeitig zu Ende gegangene Wiener Tagung der Leiter der Außenhandelsstellen der Bundeshandelskammer in Afrika hat die Notwendigkeit dafür auch auf wirtschaftlichem Gebiet nur unterstrichen, beträgt doch der Anteil des österreichischen Afrikaexports am Gesamtexport nur 2,6 Prozent, während der Anteil Afrikas am Welthandel 6,7 Prozent erreichte, und war außerdem mit einer Höhe von achthundert Millionen Schilling 1958 bis 1960 mit etwa 10 Prozent rückläufig.

In den am Jahresende 1961 bereits 29 selbständigen Staaten verfügt Österreich über ganze drei effektive Vertretungsbehörden, davon keine in einem der neuen schwarzen Staaten. Gewiß wird Österreich sich kaum in stärkerem Ausmaß an „Großprojekten der Entwicklungshilfe beteiligen können. Man darf hoffen, daß der senegalesische Staatsbesuch erneuten Anlaß dazu geboten hat, solche Fragen mit Realismus zu prüfen und unsere Regierung dabei in Mamadi) Dia, der auch als Autor politischer und wirtschaftlicher Studien hervor- aetreten ist, einen sehr kompetenten Gesprächspartner hatte. Mit einer Grö,ße’yon 197.000 Quadratkilometern ynd 2.3 Millionen Einwohnern ein Kleinstaat, erwartet der Senegal — nach den Worten Dias — viel von einer Partnerschaft der „reichen Nationen Europas mit den Entwicklungsländern, deren Emanzipation er als die eigentliche Revolution des zwanzigsten Jahrhunderts bezeichnet hat.

UM HAARESBREITE. Ein englischer Kommentator meinte soeben, daß in der gegenwärtigen Gesprächssituation zwischen West und Ost Optimismus und Pessimismus nur um Haaresbreite voneinander geschieden seien. Keiner kann sagen, ob das mit so viel Spannung am Ende einer vorbereitenden Konferenzserie der beiden Außenminister von USA und UdSSR erwartete Gespräch zwischen Kennedy und Gromyko einen Anfang oder ein vorläufiges Ende bedeutet. Man hat — gemeinsamem Bericht zufolge — nicht eigentlich verhandelt, sondern einander den Standpunkt klargemacht. Der Russe hat versucht, die globale Bedeutung der Berlinfrage im Zusammenhang mit der von Deutschland ausgehenden mitteleuropäischen Gleichgewichtsfrage als eine Aufgabe des „Ord- nungmachens” zwischen den Weltmächten zu beleuchten. Kennedy soll sehr deutlich geantwortet haben: Ein Zurückweichen ohne sichtbare sowjetische Gegenleistung könne es schon aus Prestigegründen für den Westen nicht geben, der damit die Vertrauensbasis des Bündnissystems zerstören würde. Unversöhnt und nach den Gesetzen sachlicher Logik auch kaum versöhnbar steht hier Standpunkt gegen Standpunkt. Das nächste Wort haben die Sowjets.

Chruschtschow wird es aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem nahe bevorstehenden 22. Parteitag der KP der SU sprechen. Erst darnach wollen die Wesfmächte ihre Außenminister zu neuer Beratung zusammentrefen lassen. Auch der deutsche Außenminister wird dabei sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach doch wieder ein Mann mit dem Vertrauen Adenauers.

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