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Digital In Arbeit

Eine neue Ätherstrategie?

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Auf dem Villacher Parteitag der SPÖ entfesselte Bundeskanzler Dr. Kreisky mit dem Plädoyer für eine zweite, private Fernsehgesellschaft auf höchst spektakuläre Weise eine Diskussion. Diese Diskussion wird lange, laut und leidenschaftlich geführt und schließlich allen lästig werden. Erst dann wird der Zeitpunkt gekommen sein, an dem sich erkennen lassen wird, worum es wirklich geht. Und vor allem: ob es darum geht, wovon es heute heißt, es gehe darum!

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Auf dem Villacher Parteitag der SPÖ entfesselte Bundeskanzler Dr. Kreisky mit dem Plädoyer für eine zweite, private Fernsehgesellschaft auf höchst spektakuläre Weise eine Diskussion. Diese Diskussion wird lange, laut und leidenschaftlich geführt und schließlich allen lästig werden. Erst dann wird der Zeitpunkt gekommen sein, an dem sich erkennen lassen wird, worum es wirklich geht. Und vor allem: ob es darum geht, wovon es heute heißt, es gehe darum!

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Das „Problem ORF“ hat drei wesentliche Komponenten: ein aktuell-politische, eine aktuell-wirtschaftliche und eine zeitlos-grundsätzliche.

Es war diese Zeitung, die lange vor allen anderen und lange bevor Kreisky Bundeskanzler wurde, die grundsätzliche Frage aufgeworfen hat, ob es sinnvoll und ratsam sei, in einem Zeitalter der aufschießenden „Bewußtseinsindustrie“ und der dazu gehörigen „Kommunikationsindustriellen und -manager“ Meinungsmonopole zu etablieren, ob diese nun staatlicher oder privater Natur sind. Damit wurde auch nach den diesen Monopolen innewohnenden „Herrschaftsstrukturen“ gefragt. Es darf nämlich einer Gesellschaft nicht gleichgültig sein, ob ein solches Monopol ausreichend kontrolliert, also „im Zaume gehalten“ werden kann, oder ob — Eigentum hin, Eigentum her — die wirkliche und oft fast ausschließliche Verfügungsgewalt in allem und jedem nur in den Händen einiger weniger liegt.

Politische und gesellschaftliche Zustände sind entgegen anderslautenden optimistischen Hoffnungen zwangsläufig instabil. Sie können sich ändern. In wenige Hände zusammenlaufende Herrschaftsstruk-turen in Meinungsmonopolen können dann, quasi über Nacht, eine völlig andere Wirkung haben. Aus hinlänglicher Harmonie kann unerträgliche Beherrschung werden.

Theoretisch sieht das Rundfunkgesetz da einiges vor: Aufsichtsrat und Generalversammlung haben starke Kontrollrechte und, logischerweise, Kontrollpflichten. Aber diese Vorkehrungen erweisen sich in unserem Falle als mangelhaft. Weil nämlich der Aufsichtsrat zufolge seiner offenkundig parteipolitischen Struktur andauernd im Kräfteparallelogramm der Tagespolitik steht und mit diesem hin- und her-gezerrt wird; und weil die Generalversammlung praktisch nur aus dem Bundeskanzler besteht, woraus sich im Rahmen der ihr zugeordneten Befugnisse eine omnipotente Kombination von staatlicher und parteipolitischer Macht ergibt. Wie wir — übrigens seit Gründung des ORF — gesehen haben, folgen daraus Funktionsfehler, sachwidrige Verhaltensweisen und opportunistische Zugriffe oder Unterlassungen.

Eine solche Betrachtungsweise führt, falls sie ernst gemeint ist, zu zwei Konsequenzen: entweder Beseitigung des Monopols durch Lizenzierung wirklich freier Konkurrenz, oder, wenn dies nicht möglich sein oder aus wirtschaftlichen Gründen nur ein theoretisches Modell bleiben sollte — Reformierung des Monopols und seiner Kontrollinstanzen.

Der Einwand, ein klarer Text des Rundfunkgesetzes stünde solchen Versuchen unüberwindbar im Wege, Ist irreführend; mit dem ORF betrat man in Österreich Neuland. Im Lichte der phasenweise gesammelten Erfahrungen wird man da und dort auch das Gesetz ändern müssen. Denn Gesetze haben keinen Ewigkeitswert. Und schon gar nicht solche, die von einer immer stürmischer werdenden einerseits technischen, anderseits gesellschaftlichen Entwicklung eines Tages fortgeschoben werden könnten, wollte man sie „tabuisieren“.

Über die aktuell-wirtschaftliche Seite des ORF-Problemes ist nicht viel zu sagen: die Hoffnungen, mit denen ausgestattet man daranging, eine große, moderne, mit allen technischen Möglichkeiten und vieler Programmen ausgestattete Gesellschaft auf- und auszubauen, stoßer sich hart an den verhältnismäßig vie. bescheideneren Möglichkeiten de: vorgegebenen Marktes. Und sie stoßen sich auch hart im Räume mil ökonomischen und politischen Interessen anderer, gleich wichtige] Medien, etwa mit jenen der Zeitungen (man denke etwa an die Werbetarife und an die Werbezeiten!) Diese Erkenntnis mag für den ORI unerfreulich sein. Unerfreulich auch deshalb, weil da „politische Preise-(z. B. Hörergebühren) mit im Spiele sind. Er wird ihr aber nicht expansiv begegnen, sondern nur durch Anpassung entsprechen können; auch wem das einige schöne Absichten und Vorhaben zu unerfüllbaren Wunschträumen werden läßt.

Die Zeitungen, die einmal in schöner Selbstlosigkeit einen ihrei hauptsächlichsten Konkurrenten reformiert und damit auch sanier! haben, können, dies wird auet Kreisky sehr bald feststellen müssen, nicht noch einmal etwas ähnliches tun. Etwa, indem sie zu alleinigen oder hauptsächlichen Pachten von FS-2 werden. Denn erstens fehll den meisten von ihnen das dazt nötige Geld, und zweitens würde dei später zu erhoffende Nutzen wiederum nur den wirtschaftlich Stärkster unter ihnen zugute kommen und damit die Konkurrenzsituation für die Schwächeren und Schwachen fas' aussichtslos verschlechtern. Es sei denn, man sinnt auf eine „solidarische Verteilung“, womit man abei erstens tief in die bestehende Wirtschaftsordnung eingreifen und zweitens dennoch einen nur sehr bescheidenen Nutzen erzielen würde.

„Schuß vor den Bug!“

Kommen wir nun zur aktuellpolitischen Komponente, die allein dadurch verdeutlicht wird, daß ja Kreisky einen Parteitag zum Forum wählte, vor dem er seine spektakuläre Idee ausbreitete.

Es mag nun sein, daß Kreisky damit allen jenen in der Partei zuvorkommen wollte, die möglicherweise andere und hitzigere Vorschläge auf Lager halten. Wenn wirklich nur das beabsichtigt war, ist ihm gewiß ein großer Erfolg beschieden gewesen. Der Dampf ist abgelassen, der innere Druck aus der SPÖ gewichen, und sei es auch nur vorerst. Kommt Zeit, kommt Rat!

Es war aber sicher mehr! Schon gleich nach seinem Regierungsantritt ließ Kreisky eine „Demokratisierungswelle“ an den ORF branden. Leider führte das zu nichts Konkretem, zu nichts Besserem, ja eigentlich überhaupt zu nichts. Denn ebenso schnell wie diese Welle aufschäumte, verlief sie sich wieder. Sie war wohl allen Beteiligten lästig geworden, auch dem, der sie erzeugt hatte. Immerhin, ein Ziel war erreicht: der berühmte Schuß vor den Bug. Es läßt sich unschwer nachweisen, daß damals ein „neues Verständnis“ der aktuell-politischen Situation, wenn schon nicht den ORF insgesamt, so doch einige dort Tätige durchflutete. Es liegt aber In der Natur solcher politpsychologischen Schocks, daß sie allmählich wieder verebben.

In der Tat, auch das muß erwähnt werden, geriet der ORF mitunter in den gar nicht so unbegründeten Verdacht, eine ganz spezielle „Meinungspolitik“ zu machen (andere sagen „Manipulation“, aber das ist in diesem Zusammenhang ein sehr unklarer Begriff). Eine größere Anzahl von Querelen, Kleinskandalen, unverständlichen Maßnahmen und schließlich sogar „echter Manipulation“ weckte nicht nur den Ärger der Sozialisten, die sich nie ganz damit abgefunden haben, daß sie dem.ORF ihren „ursprünglichen Besitz“, das Fernsehen, hatten überlassen müssen, sondern auch anderer Gruppen und Kreise, ja, gelegentlich auch der ÖVP (selten nur der FPÖ, die sich immer zufriedener zeigte}.

Darin war der ORF schlecht beraten. Unklug war es auch, sachliche, aber strenge Kritik entweder „nicht einmal zu ignorieren“ oder zurückzuweisen. Das mußte zwangsläufig ein Image verstärken, das auf „gesellschaftlich unbewältigte Herrschaftsstrukturen“ hindeutete. Diese Entwicklung kulminierte im sogenannten „Fall Schranz“, der sehr vielen eine haselnußgroße Gänsehaut über den Rücken rieseln machte. Übrigens nicht nur Sozialisten!

Beteiligungen aus dem Ausland?

Unglücklicherweise beteiligten sich zunächst viele Politiker aller Richtungen und recht intensiv auch Kreisky selbst an der damit am Rande sich bietenden Gelegenheit zur* Popularitätshascherei und zum Tendenz-Opportunismus. Das sollte man gerade jetzt nicht vergessen.

Ebenso unglücklich ist, daß Kreisky außer einigen vagen, wirtschaftlich rasch als unbrauchbar festgestellten Andeutungen nichts geboten hat, was die wahre Absicht seiner Vorschläge decouvrieren könnte. So ist man auf Vermutungen, auf Gerüchte und Beobachtungen angewiesen.

Da seine wirtschaftliche Skizze ungenügend ist und er außerdem auch „von anderen“ sprach, „die sich da beteiligen können“, gewinnen hartnäckige Gerüchte neue Nahrung, diese „anderen“ säßen im Ausland, vornehmlich in der Bundesrepublik, und harrten nur der Dinge. Das, so heißt es, tun sie schon seit längerer Zeit, in welcher erste zarte Fäden hin und her gesponnen wurden. Wiederum unglücklicherweise spinnt auch der ORF selbst an Fäden in die gleiche Richtung. So taucht am wenn auch noch sehr fernen Horizont plötzlich die wahrnehmbare Möglichkeit auf, Österreich versuche sich da in einer „integralen Verflechtung“, vor der sich weitaus freiwirtschaftlichere, viel größere und weltweit engagierte Staaten vorsorglich hüten. Denn niemand, der ganz bei politischem Trost ist, wird heute zulassen, daß Verflechtungen mit ausländischen Interessen just die besagte „Bewußtseinsindustrie“ durchwirken; im Falle eines Monopoles oder eines zumindest monopolartigen Gebildes wäre das geradezu eine Katastrophe. Es genügt da schon — als warnendes Beispiel — die überaus dichte „Programmkooperation“, obschon man darin ja (zumindest theoretisch!) „freie Hand“ behält.

So wäre denn ein klärendes Wort von großem Wert. Es müßte von Kreisky als Bundeskanzler kommen. Und es müßte besagen, daß Lizenzen nur an „in der Wolle“ — und im Kapital! — echter österreichischer Kombinationen vergeben werden. Das aber fehlte in Villach. Ja, man würde sich diesbezüglich auch eine gewisse Revision der hauseigenen ORF-Politik wünschen.

Sollte aber am Ende der theoretischen Modellreihe jenes Modell auftauchen, von dem auch viel geredet wird, nämlich einer Genossenschaft, in der sich Zeitungen, Buchverlage, Werbewirtschaft, Kammern, „gesellschaftlich relevante“ Gruppen, Organisationen und Institutionen (wie das so schön heißt) zusammenfinden, dann muß man zwar nicht mehr an den „wirtschaftlichen Möglichkeiten“ zweifeln, aber kein Zweifel bestünde darüber, daß sich zu einem Staatsmonopol nur ein dem Charakter nach wenig unterscheidbares „öffentliches Monopol“ gesellt hat. Eine solche „Konkurrenz“ — etwa auch unter der Mitwirkung der Bundesländer — wäre bloß eine Spiegelfechterei von höchst fragwürdigem

Charakter. Ähnliches oder gleiches ließe sich ja schon durch die Erweiterung des bestehenden Monopols um einige „Eigentümer“ oder deren Anteile (Länder, Kammern usw.) erreichen. Das wäre dann zwar auch nicht viel schöner, würde aber voraussichtlich weniger kosten!

„Privatgirlanden“

Bei solcher Perspektive darf man nicht übersehen, daß z. B. der Föderalismus nicht vo“ aktuell-politischen Eingriffen slhützt. Je nach Ausgang diverser Landtags-, Kammer- und anderer Wahlen würden sich die wirksamen Gewichte in Aufsichtsrat und Generalversammlung ergeben. Das „Problem ORF“ wäre um einige Schattierungen reicher, aber nicht gelöst. Kann es sein, daß Kreisky darauf seine Erwartungen setzt? Wobei dann etwa „die Zeitungen“, vor allem die notleidenden, noch froh (und dankbar!) sein müßten, „mitgenommen“ worden zu sein!

Zurück also zu weniger aktuellpolitischen Erwägungen! Freie Konkurrenz ist immer gut. Freie Meinungsäußerung noch besser. Meinungsmonopolismus ist immer schlecht. Aber ganz schlecht wäre es, würde man die sich zwingend stellenden Fragen nur mit „Privatgirlanden“ drapieren, um dahinter bloß eine aktuell-politische Absicht zu verbergen, die in sich ebenfalls alle Keime eines monopolistischen Anspruchs trägt.

Wie man sieht, es gibt da noch viel zu fragen. Nach allen Seiten. Fragen an den ORF. Fragen an die Parteien. Und Fragen, vor allem, an Kreisky selbst. Damit man bald erfährt, ob es darum geht, wovon es heute heißt, es gehe darum!

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