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Nach dieser Maßnahme kein zweites Kabinett Klaus..
Furche; Herr Dr. Kreisky, die Krise, in der sich die ÖVP nach Meinung vieler Persönlichkeiten
i nnnfflftfnm Teile der österreiefn-sehen Presse befindet, müßte Sie
“Oppositidnsftthf er undPartei-obmawn der Sozialisten ja eigentlich frohlocken lassen. Wie schätzen Sie nun tatsächlich die Lage in der ÖVP ein?
Kreisky: Zuerst möchte ich einmal sagen, daß ich keineswegs frohlocke. Die Reden, die ich in Zusammenhang mit dieser letzten Krisenerscheinung gehalten habe
— die Krise selbst dauert so schon seit Jahren an — zeigen dies ja deutlich. Frohlocken kann man deswegen nicht, weil es sich schließlich um die Regierungspartei handelt und weil diese Partei
— wie immer man auch über sie denkt — ja schließlich Verpflichtungen hat, zuerst einmal zu regieren und das kann sie nicht, wenn sie von inneren Krisen geschüttelt wird, was leider in den letzten Monaten der Fall ist.
Furche: Wieso können Sie behaupten, daß die ÖVP seit Monaten von einer Krise befallen ist, und wenn ja, worauf führen Sie diese zurück? Ist dies Ihrer Meinung nach eine personelle Krise oder liegt es daran, daß eben jede Regierungspartei gewisse Abnützungserscheinungen erleidet?
Kreisky: Ich glaube, daß Abnützungserscheinungen i-ff denn die Krisenzeichen sind ja bereits nach der Hälfte der Regie-irungsperiode aufgetreten — nicht nach so kurzer Zeit auftreten können. Ich sehe das anders, ich glaube, daß die Volkspartei einfach viel zuviel Propaganda gemacht hat und zuviel beweisen wollte. Sie wollte einfach alle Probleme in unserem Land in ihrer vierjährigen Regierungszeit lösen. Man erkennt nun, daß dies nicht der Fall ist und auch nicht der Fall sein kann. Da beginnt nun schon Schein und Sein in Widerspruch zu geraten und das erste Phänomen dieses Widerspruches waren die oberösterreichischen Wahlen. Denn niemand konnte in Oberösterreich auf den Gedanken kommen, daß der dortige Landeshauptmann an der Niederlage der ÖVP bei den letzten dort abgehaltenen Wahlen schuld sei.
Furche: Sie würden also der ÖVP ■vcmvifen, sie, ftdhe mhwzuvieh: :PMSemmxnen und j es sei ikeinen ausgesprochen personelle Krise, die die ÖVP befallen hat?
Kreisky: Das möchte ich nicht sagen. In der Politik gibt es selten nur eine Ursache. Ich glaube allerdings, daß es für die massive Propaganda der ÖVP zuwenig Substanz gegeben hat. Außerdem glaube ich aber, daß es in der Demokratie zwar möglich ist, daß irgendeine Persönlichkeit über ihren Wert hinausgehoben wird, auch wieder durch die Propaganda; wenn aber dann diese Persönlichkeit zu wirken hat, dann treten die Folgen ein. Wenn man jemanden zu etwas macht, das er nicht ist, und das ist meiner Meinung nach dem Bundeskanzler geschehen, dann kommt es zu Spannungszuständen. Es geht einfach nicht, daß dieselben Leute in der ÖVP, die den Bundeskanzler kritisieren, nach außen hin mitgetan haben, ihn in den Himmel zu heben.
Furche: Diese direkten Angriffe gegen den Bundeskanzler würden eigentlich das bestätigen, was man Ihrer Partei immer wieder vorwirft, daß Sie im vorwiegenden Maß die Opposition so verstehen, daß Ihre Partei persönliche Angriffe gegen einzelne Regierungsmitglieder unternimmt und so also mehr destruktive denn konstruktive Opposition betreibt. Sie glauben also nicht, daß für die Ihrer Meinung nach vorhandene Krise sachliche Fragen maßgebend waren?“
Kreisky: Zuerst einmal möchte ich sagen, daß die Kritik an einer Person In der Politik durchaus nicht etwas Unsachliches ist, sondern auf der Feststellung beruhen kann, daß dieser oder jener Mann für eine bestimmte Position einfach nicht geeignet ist. Das muß durchaus nicht bedeuten, daß er nicht auf anderen Gebieten Ausgezeichnetes leisten kann. Es ist also nicht eine unlautere, persönliche Kritik, sondern eine politische Kritik, die ich übe. Aber ich muß zur Unterstützung dessen, was ich vorher gesagt habe, noch etwas anderes sagen: In allen entscheidenden Phasen war es doch so, daß bei wichtigen Gesprächen jemand anderer mein Gesprächspartner war als“ der Bundeskanzler. In einer Zeit aber, in der eine Partei in eine etwas stürmische Phase gerät, muß der Oberste dieser Partei für alle sichtbar auf der Kommandobrücke stehen und das Steuer fest in der Hand haben. Die Tatsache, daß dies bei Bundeskanzler Dr. Klaus nicht der Fall war, das dürften nicht nur wir bemerkt haben — sondern auch seine eigene Partei. Furche: Sie würden also sagen, daß die eigentlich starken Persönlichkeiten in der ÖVP andere smd. Soll das heißen, daß Sie überrascht sind, daß die Bundesparteileitung der ÖVP in der vergangenen Woche beschlossen hat, mit demselben Spitzenteam Klaus-Withalm auch weiterhin zu arbeiten?
Kreisky: Es steht mir nicht zu, zu beurteilen, ob dies vernünftig ist oder nicht, das geht mich nichts an — nämlich, wie eine Partei ihre eigenen Verhältnisse regelt. Mich interessiert das alles nur vom Standpunkt der Staatspolitik. Wie ist eine Regierung in der Lage, die notwendigen Entscheidungen zu treffen und die Dinge im Staat weiterzubringen. Wie gesagt, die wichtigen politischen Gespräche sind in den letzten Jahren nicht mit dem Bundeskanzler geführt worden, sondern mit anderen Politikern der ÖVP. Das eine Mal mit Dr. Withalm, das andere Mal mit Dr. Koren und dann wieder mit anderen. So ergibt sich natürlich für uns die wichtige Frage, wer ist nun eigentlich der starke Mann innerhalb der ÖVP. Furche: Sie machen, diese personellen Unklarheiten vor allem für die Niederlage der ÖVP in den letzten Landtags- und Gemeinderatswahlen verantwortlich — und weniger ein eventuelles Versagen in sachlichen Fragen der Regie-rungsarbeit?
Kreisky: Ich möchte klar und deutlich sagen, daß ich hier anderer Meinung bin. So hat die Regierung zum Beispiel nach meiner Ansicht keine Wirtschaftspolitik betrieben. Ich meine auch, daß es keine Kulturpolitik gegeben hat. Dies geht ja wohl auch daraus hervor, daß der Unterrichtsminister und der prominenteste Schulmann der ÖVP im Parlament dieser Tage zurückgelegt haben. Zur Außenpolitik möchte ich nur feststellen, daß man auch hier der Propaganda den Primat gegeben hat. Ansonsten hätte man ja auch zum Beispiel in der Südtirolfrage vorsichtiger gehandelt. Meiner Meinung nach gibt es auch keine echte Finanzpolitik, denn Finanzminister Dr. Koren hat selbst zugegeben, daß die von mir geübte Kritik an der Kreditpolitik der Regierung richtig gewesen ist. Ich finde also beim besten Willen nichts, was eine echte Verbesserung unter der ÖVP-Regierung gebracht hat
Furche: Hat sich nach Ihrer Meinung dies auf die Neubildung des Kabinetts ausgewirkt? Kreisky: Der Herr Bundeskanzler löst eben diese ganze Frage so, daß er sich ein persönliches Kabinett aus persönlich Vertrauten geschaffen hat. Diese Art, Politik zu machen, widerspricht aber dem Sinn, gute Politik zu machen, denn auch in der Politik muß das Erfolgsprinzip gelten. Ein Politiker muß eben in der Politik zeigen, was er wert ist. Der Beamte in der Politik riskiert gar nichts; ganz im Gegenteil, ein Beamter als mißglückter Politiker wird abgeschoben auf seinen alten Posten und in der Regel — wenn er sehr jung ist — überspringt er
dann noch eine ganze Reihe seiner Vordermänner. Beamtenkabinette gelten als Uber gangslösungen, aber nicht als~ echte Regierungen. So glaube ich, daß es nach dieser Maßnahme am Ende einer Legislaturperiode praktisch kein zweites Kabinett Klaus geben wird. Furche: Sie müssen aber doch zugeben, daß man junge Leute in das Kabinett genommen hat, um der Jugend diese Regierung schmackhafter zu machen. Kreisky: Ich glaube, daß diese These in dem Fall nicht gilt, weil junge Menschen in der Politik nur dann wirkliche Bedeutung haben, wenn sie eigene, selbständige Ideen verwirklichen können. Bei den zwei Sekretären des Bundeskanzlers, von denen hier die Rede ist, ist dies aber nicht der Fall, denn diese Voraussetzung können sie nicht erbringen. Furche: Sie haben eine ÖVP geschildert, die in einer großen Krise steckt. Nun sind in nicht ganz neun Monaten Wahlen, und es besteht durchaus die Möglichkeit, daß es nach diesen Wahlen wieder zu einer großen Koalition kommt. Würden Sie mit einer Partei, die Ihrer Meinung nach von großen Krisen geschüttelt ist, in eine Koalition eingehen?“ Würden Sie mit einem soviel kritisierten Politiker, wie Bundeskanzler Klaus, in derartige Gespräche eintreten? Kreisky: Ich möchte zuerst einmal feststellen: Daß die SPÖ bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen, wenn die Wähler sie dazu berufen. Wenn der Wählerentscheid dies aber notwendig macht, wird man sich auch um neue Formen der Zusammenarbeit bemühen müssen, wobei ich ausdrücklich sage, es muß eine neue Form sein, denn man kann nicht 1970 dort fortsetzen, wo man 1966 aufgehört hat. Abschließend möchte ich sagen, daß — will man eine Zusammenarbeit — man dem Partner nicht vorschreiben darf, wen er dafür nominiert. Es muß das autonome Recht jeder Partei sein, zu sagen, wer ihr Parteiobmann und ihre führenden Politiker sind.
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