6790865-1970_37_01.jpg
Digital In Arbeit

Macht und Einfluß, nicht Demokratie

Werbung
Werbung
Werbung

Die Entscheidung, wer die Nachfolge Dr. Withalms als Klubobmann antreten soll, wurde dem Parlamentsklub der ÖVP überlassen. Nicht die Tatsache als solche stimmt bedenklich, denn es ist absolut in Ordnung, daß der Klub selbst seinen Obmann wählt. Bedenklich hingegen stimmen die Randerscheinungen. Da war zunächst der abrupte Rücktritt Doktor Withalms als Klubobmann, der eine Reihe von Fragen auslöste, die sich vor der Landtagswahl in Tirol und der Nachwahl für den Nationalrat in Wien nicht gerade vorteilhaft für die ÖVP auswirken werden. Und da war die Tatsache, daß sich die Führungsspitze der ÖVP, bestehend aus dem Parteiobmann, dem Generalsekretär und den Obmännern der drei Bünde, auf keinen gemeinsamen Kandidaten einigen konnte. Die Frage, warum Withalm als Klubobma'nn zurücktrat, bleibt für die Öffentlichkeit nach wie vor unbeantwortet. Die offizielle Version, daß er nicht gleichzeitig den Aufgaben des Klub- und Parteiobmannes nachkommen könne, ist wenig überzeugend, da er in der Ära der ÖVP-Alleinregierung nicht davor zurückscheute, die Amter eines Generalsekretärs, Klubobmannes und Vizekanzlers zu vereinen. Überzeugender dagegen wirkt die inoffizielle Version, daß Withalm Sorge hat, Dr. Schleinzer könne seine Stellung als Generalsekretär so ausbauen, daß er selbst als Parteiobmann ins Hintertreffen gelangt. Deshalb will er sich einen zweiten starken Mann als Verbündeten holen, um selbst der Stärkste zu bleiben. Wenn dies der Fall sein sollte, dann wurde die Aktion alles andere denn meisterhaft vorbereitet, Wie überhaupt die mangelnde Taktik und wirkungslose Propaganda seit Jahren, insbesondere seit ihrer Niederlage bei den Nationailratswahlen im Frühjahr, ein Kennzeichen der ÖVP ist. Im konkreten Fall hätte Withalm als Klubobmann erst zurücktreten dürfen, wenn der von ihm ins Auge gefaßte Nachfolger bei den Bünden abgesichert gewesen wäre. Dabei gibt es innerhalb der ÖVP-Führung derzeit überhaupt nur einen Mann, der als Klubobmann in Frage kam, den ehemaligen Finanzminister Dr. Koren. Aus mehreren Gründen, doch der Hauptgrund ist der: Die ÖVP besitzt derzeit keine Persönlichkeit mit dem politischen Image Dr. Kreiskys. Sie hat deshalb kaum eine Chance, die SPÖ politisch zu übertrumpfen. Wohl aber werden das Budget und die wirtschaftliche Entwicklung der nächsten Monate zahlreiche Angriffsflächen im Kampf gegen die Regierung bilden. Wenn überhaupt, dann hat die ÖVP in der Auseinandersetzung um das Budget die erste Gelegenheit, ihre derzeitige, sich vor aller Öffentlichkeit abspielende Krise zu überwinden Hier aber drängte sich Koren einfach auf. Als ehemaliger Finanzminister hat er nicht nur Erfahrung und Ubersicht in Budgetfragen, sondern er gilt auch in der Bevölkerung als Fachmann in Wirtschaftsfiragen, der in der Lage ist, von sich aus Alternativen zu den Vorschlägen seines Nachfolgers im Finanzministerium anzubieten. Als zusätzliches Plus kommt noch hinzu, daß Koren ein ausgezeichneter Redner ist und jenes Quantum an Angriffslust und Ironie besitzt, die nun einmal für einen parlamentarischen Oppositionsführer notwendig sind, wenn die Opposition in der Zukunft ihren Platz in der Regierung erkämpfen will und nicht bloß hofft, daß ein Zufall einen Teil ihrer Schattehmini-ster einmal auf die Regierungssessel lotst.

Es zeigt die derzeitige politische und propagandistische Schwäche der ÖVP, daß es zu einem Streit der Bünde um den Posten des Klubobmannes kam. Das wäre noch verständlich, wenn sich eine große Auswahl von Kandidaten angeboten hätte. Nun bot sich alber außer Koren kein anderer an, nicht deshalb, weil es keine tüchtigen Nationalräte in der ÖVP gäbe, sondern deshalb, weil nur Koren für diese bestimmte Aufgabe im gegenwärtigen Augenblick jene Voraussetzungen mitbringt, die ihn auch in der Öffentlichkeit dazu prädestinieren. Jeder sogenannte Kömpromißkandidat müßte die ÖVP in den Augen ihrer Anhänger und ihrer Gegner als aktionsschwach stempeln.

Aber gerade deshalb, weil die gegenwärtige Regierung auf Grund ihres Status als Minderheitsregierung notgedrungen Aktionsschwächen aufweist, muß die Oppositionspartei aktionsstark erscheinen, damit den Wählern eine Alternative geboten wird. Die ÖVP braucht eine Nationalratswahl kaum zu fürchten, wenn sie den Kampf nicht scheut, Sie hat aber bereits die nächste Wahl verloren, wenn sie in kurzsichtiger Überheblichkeit auf die Bankrotterklärung der Regierung Kreisky wartet: diese wird niemals kommen. Ohne innere Reform, wozu eine grundlegende Umgestaltung der Presse- und Propagandaarbeit gehört, und ohne die Erkenntnis, daß in der Ära der Opposition die stärkste und nicht die gefälligste Persönlichkeit in eine Spitzenstellung der Partei gehört, schwinden die Zukunftsaussichten der ÖVP immer mehr dahin.

Die ÖVP muß endlich erkennen, daß es für eine Partei, die stets an der Regierung teilnahm, schwerer ist, sich in der Opposition zu bewähren als zu regieren. Sie täte deshalb gut daran, als Oppositionspartei geschlossen aufzutreten. Nur in ihrer Geschlossenheit nämlich kann sie der Regierung gefährlich werden. Einzelaktionen, wie die Erklärung Withalms zur Budgetfrage oder die in aller Öffentlichkeit ausgetragene Auseinandersetzung der Bünde um den Kluibobmann, machen die inneren Schwächen der ÖVP allzu deutlich. Man sage nicht, dies alles beweise nur, wie demokratisch es in der Volkspartei zugeht. Die Auseinandersetzung der Bünde um den Klubobmann beispielsweise bewies doch nur, daß es um Macht und Einfluß, nicht um Demokratie geht. Für eine Oppositionspartei, die sich noch nicht stabilisiert hat, scheint jedoch das Wichtigste die Einsicht zu sein, das Notwendige zu tun. Und diese Einsicht erweist sich vor allem auch darin, daß man in eine Führungsposition jenen Mann beruft, der dafür am geeignetsten ist, gleichgültig, welchem Bund er anr gehört

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung