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Salzach-Schiffstaufe

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Wer Spannung erwartete, wer hoffte, in den Couloirs beim Weichenstellen dabeizusein, wer meinte, man werde herbe Worte in Richtung Parteiführung vernehmen, und wer schließlich glaubte, bei den Schelten politischer Entscheide durch vielleicht junge Löwen dabeizusein, der wurde enttäuscht. Der 15. außerordentliche Parteitag der ÖVP war sachlicher Arbeit gewidmet, er war programmiert. Diese Generalversammlung war Tribüne für die Demonstration von Einigkeit und Gleichklang des Wollens: Zurück zur RegierungsVerantwortung — um das Wort Macht zu vermeiden.

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Wer Spannung erwartete, wer hoffte, in den Couloirs beim Weichenstellen dabeizusein, wer meinte, man werde herbe Worte in Richtung Parteiführung vernehmen, und wer schließlich glaubte, bei den Schelten politischer Entscheide durch vielleicht junge Löwen dabeizusein, der wurde enttäuscht. Der 15. außerordentliche Parteitag der ÖVP war sachlicher Arbeit gewidmet, er war programmiert. Diese Generalversammlung war Tribüne für die Demonstration von Einigkeit und Gleichklang des Wollens: Zurück zur RegierungsVerantwortung — um das Wort Macht zu vermeiden.

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Alles war, stromlinienförmig, auf ein neues Beginnen, auf eine glaubwürdige Alternative zugeschnitten.

Äußerlich besehen zeigte sich das in einem neuen Signet, in einer neuen Parteifarbe (weiß) und in neuen Slogans: „Zielbewußt, modern, verläßlich — die Volkspartei“ und „Ihr Partner für morgen“.

Inhaltlich wurde eine offensive Oppositionspolitik angepeilt. Ein Bemühen, das sich vorerst auf die Basis der eigenen Partei erstreckte, indem Grundsatzprogramm und Statut zur Diskussion standen.

Vor allem zum Programm sprach eine imponierende Zahl von Rednern — ein Teil setzte Akzente. Hier wurden nach einer breiten, mehr als ein Jahr dauernden Diskussion und Reflexion der Grundsätze auf der ideologischen Basis noch einmal Marginalien angebracht. Insgesamt bestand über die Brauchbarkeit und Realitätsbezogenheit des später einstimmig beschlossenen Programmentwurfes Einigkeit und Zufriedenheit. Wenngleich immer wieder angemerkt wurde, daß dieses Grundsatzprogramm der Konkretisierung durch Aktionsprogramme bedürfe, daß die „Partei der -fortschrittlichen Mitte“ Dynamik in der politischen Auseinandersetzung beweisen müsse. Verknappt: Aktion statt Reaktion, Konzepte und Alternativen statt einfacher Ablehnung.

Freilich steht fest, daß gerade längerfristige Aktionsmodelle, die Diskussion einer Oppositionsstrategie, auf diesem Parteitag fast vollständig ausgeklammert waren: Hier ersetzt die Ankündigung von konkreten Aktionsprogrammen („Wirtschaft und Lebensqualität“) nicht das wissenschaftliche Gespräch über sich wandelnde politische Strukturen oder das alte Thema: Strategie und Taktik. Doch vielleicht heißt derartiges von einem Parteitag zuviel verlangen.

Innerparteilich gewendet ist Salzburg die Bestätigung des Kurses von Karl Schleinzer — und dessen Profilierung zum Oppositionsführer. Während Generalsekretär Kohlmaier zu seiner Rede Dias und Befriedigung über organisatorische Arbeit zeigt und solcherart einen Büroberioht liefert, stellt Schleinzer Weichen: Sein Angebot an die FPÖ, Trennendes der Vergangenheit zu vergessen und Gemeinsamkeiten der Gegenwart und Zukunft zur Zusammenarbeit zu nützen, sein Bekenntnis zum Proportionalwahlsystem und damit zum Bestehen einer „dritten Kraft“ sind mehr als eine unverbindliche Absichtserklärung.

Die Reaktion des FPÖ-Vorsitzen-den Peter und die schon zum Teil praktizierte Ko-Opposition der beiden Oppositionsparteien beweisen, daß sich ein tiefgreifender Wandel der innenpolitischen Szene Österreichs abzeichnen könnte: Inflationsbekämpfung, Novellierung des ORF-Gesetzes erhellen die Entwicklung.

Während Karl Schleinzer den ganzen Parteitag hindurch präsent war und man sich des Eindruckes nicht erwehren konnte, daß alles nach seiner Regie ab- und in eine von ihm geplante Richtung läuft (die Annahme des Statuts mit nur einer Gegenstimme verstärkt diesen Eindruck, wenn auch gleich hinzugefügt werden muß, daß echt Kontro-versielles schon vorher, noch lange vor dem Parteitag, ausgeräumt wurde), beschränkte sich Klubobmann Professor Koren auf ein großes Referat. Nach einer Abrechnung mit der Regierung und deren Versäumnissen — vor allem auf wirtschaftspolitischem Gebiet —, nannte er eine allgemeine Humanisierung des Lebens, die Weiterentwicklung der Demokratie und eine forcierte Bildungspolitik als Schwerpunkte der kommenden Arbeit.

Beide, Koren und Schleinzer, warnten die Funktionäre, auf Grund des Sandes im Getriebe der Regierungspartei in Euphorie zu verfallen und allein auf Fehler des politischen Gegners zu hoffen: Aufgabe der ÖVP sei es, Alternativen und Sachlösungen auszuarbeiten und dem Wähler anzubieten.

Insgesamt war dieser Salzburger Parteitag eine Schiffstaufe im Trockendock — um das alte Bild zu gebrauchen. Entscheidend wird freilich die tägliche Politik und relevant für das erhoffte Wahlverhalten des Österreichers wird die sachliche urtd glaubwürdige Alternative zur Regierung sein.

Die ÖVP stach vorerst in die Salzach. Doch auch diese führt — irgendwann — ihr Wasser ins offene Meer.

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