6895678-1980_10_03.jpg
Digital In Arbeit

Qualitative Wende?

19451960198020002020

Um zwei Fragen ging es am vergangenen Wochenende bei den zwei Parteitagen der Opposition: Hat die Erneuerungsdiskussion aus der Volkspartei eine neue Partei gemacht, mit der man wieder rechnen kann? Wer wird neuer Parteiobmann der FPÖ? Vom Salzburger Parteitag der Volkspartei kommt die Antwort: Mit Alois Mock muß man rechnen, mit der ÖVP nur dann, wenn sie bereit ist, ihrem Parteiobmann zu folgen - dies durchaus im doppelten Sinn des Wortes. Und aus Linz kommt die FPÖ-Antwort: Wir haben knapp Norbert Steger und mit diesem neuen Obmann die Chance gewählt, ein Stück weiter von „brauner" Vergangenheit abzurücken. Damit ein Teil der Wähler aber beim nächsten Urnengang von der SPÖ zu einer der beiden Oppositionsparteien überwechselt, werden sich ÖVP und FPÖ noch einiges einfallen lassen müssen.

19451960198020002020

Um zwei Fragen ging es am vergangenen Wochenende bei den zwei Parteitagen der Opposition: Hat die Erneuerungsdiskussion aus der Volkspartei eine neue Partei gemacht, mit der man wieder rechnen kann? Wer wird neuer Parteiobmann der FPÖ? Vom Salzburger Parteitag der Volkspartei kommt die Antwort: Mit Alois Mock muß man rechnen, mit der ÖVP nur dann, wenn sie bereit ist, ihrem Parteiobmann zu folgen - dies durchaus im doppelten Sinn des Wortes. Und aus Linz kommt die FPÖ-Antwort: Wir haben knapp Norbert Steger und mit diesem neuen Obmann die Chance gewählt, ein Stück weiter von „brauner" Vergangenheit abzurücken. Damit ein Teil der Wähler aber beim nächsten Urnengang von der SPÖ zu einer der beiden Oppositionsparteien überwechselt, werden sich ÖVP und FPÖ noch einiges einfallen lassen müssen.

Werbung
Werbung
Werbung

Alois Mock wurde von den ÖVP-Delegierten mit 99,56 Prozent zum Parteiobmann gewählt. Dieses Maß an Vertrauen auch nur in die Nähe volksdemokratischer Entscheidungen rücken zu wollen, hieße den Delegierten Unrecht zu tun: Sie stehen tatsächlich hundertprozentig hinter Mock.

Denn die Delegierten wußten fein zu differenzieren: Sixtus Lanner etwa, der sich als Generalsekretär zur Wiederwahl stellte, wurde von 32 Prozent der Delegierten gestrichen. Und bei der erstmaligen Wahl von vier Mock-Stellvertretern mußten, im Gegensatz zu Josef Ratzenböck und Bertram Jäger, Erhard Busek und Marga Hubinek Abstriche zur Kenntnis nehmen: mit 78,4 bzw. 71,49 Prozent der gültigen Stimmen. ■

Ebenso wurden bei der Wahl der Bundesparteileitung Zensuren vergeben: Sie fielen für Jugendobmann Josef Höchtl mit 77,13 und den Obmann der Christgewerkschafter, Johann Gassner, mit 87,25 Prozent am schlechtesten aus.

Innerparteiliche Demokratie wurde nicht nur in das geänderte Statut eingearbeitet, sie wird auch praktiziert. Ein weiteres Beispiel dafür ist auch die politische Fragestunde, die -auf Anregung von Seniorenbund-Obmann Hermann Withalm - in Salzburg erstmals auf der Tagesordnung eines Parteitages stand. Gewiß: Das Experiment hatte diesmal noch Kinderkrankheiten und litt unter der Langatmigkeit der Antworten auf zu allgemein gestellte Fragen. Doch verspricht die Fragestunde eine Belebung künftiger Parteitage.

Ob die ÖVP mit ihrem neuen Statut als Gesamtpartei erfolgreicher agieren kann, wircfsich erst weisen. Der Vorrang der Gesamtpartei muß sich, deutlicher noch als in statutarischen Bestimmungen, in der Gesinnung der politischen Entscheidungsträger widerspiegeln.

Denn ganz so unumstritten ist dieser Vorrang der Gesamtpartei auch im neuen Statut nicht. Obwohl sich bei der Urabstimmung beispielsweise eine klare Mehrheit von 60 Prozent für eine Direktmitgliedschaft in der'Ferm ausgesprochen hat, daß man zuerst der ÖVP beitritt und dann erst einer Teilorganisation beitreten kann, räumt das Statut nun ein: „Die Mitgliedschaft bei einer Teilorganisation ohne ÖVP-Mitgliedschaft ist zulässig."

Allerdings: Mit ihren Statuten wird die ÖVP ohnehin keine Wahlen gewinnen müssen, sondern mit ihrer Politik. Und da kam leider die politische Diskussion gegenüber der Debatte um die neue Parteiverfassung in Salzburg zu kurz.

Dieses Manko spürten auch die Delegierten und begeisterten sich deshalb an den politischen Vorstellungen und Perspektiven, die Alois Mock in seiner bisher sicherlich besten Rede vor ihnen ausbreitete: Vorstellungen von einer Politik, die sich nicht am politischen Gegner, sondern am Menschen orientiert, die dadurch nicht kurzatmig und kritisierend kleinkariert, sondern grundsatzorientiert und langfristig glaubwürdig ist.

Mock, der die ÖVP „als Bildungspartei, Eigentumspartei, Partei des Lebens und Demokratiepartei stärker erkennbar machen" will, setzte dabei auch durchaus neue Akzente. Er plädierte etwa für einen „Basiswohlstand" und wies damit einen neuen sozialpolitischen Weg der Volkspartei: Künftige Wohlstandssteigerungen sollen „in erster Linie dafür verwendet werden, die Einkommen der immer noch Benachteiligten zu erhöhen, statt mit einer Gießkanne wahllos an alle zu verteilen".

Um die Zukunft zu gewinnen, forderte Mock auch Mut zum Risiko, aber auch zu einer „qualitativen Wende in der Politik". Politiker sollten nicht nur an das Heute denken, sondern auch er Probleme nachdenken, die sich erst abzuzeichnen beginnen".

„Eine wesentliche Voraussetzung, hier eine Antwort zu finden", sieht der ÖVP-Obmann darin „nach dem Vorbild der 17er-Kommission, der seinerzeitigen .Aktion 20', als Mitarbeiter qualifizierte Fachleute zu gewinnen, aber auch in einem stärkeren Ausmaß Bürgernähe zu praktizieren, um das eigene Wollen stets an den Sorgen und Anliegen der Menschen zu messen".

Und selbstkritisch: „Wir reden zwar oft davon, wogegen wir sind, aber leider noch viel zuwenig, wofür wir sind, was wir wollen, wie die Zukunft aussieht, die wir uns wünschen und für die wir arbeiten."

Der sprunghaften Politik, dem Denken in Legislaturperioden, bei dem taktische Entscheidungen heute für Schlagzeilen sorgen, die morgen schon ins Gegenteil verkehrt werden, ein Problem mit dem leider alle Parteien kämpfen, will Mock den Kampf ansagen. Damit soll auch die Kritik der ÖVP an 'der Regierung weniger tagesbezogen, sondern grundsätzlicher, sachlicher und letztlich auch glaubwürdiger werden.

Kommt es zu dieser qualitativen Wende?

ÖVP-Obmann Mock ist zuversichtlich. Bei der 17er-Kommission zur Parteireform ist erstmals etwas gelungen, woran sowohl „Aktion 20"

wie auch „Zukunftskommission" gescheitert sind: die Ergebnisse werden umgesetzt. Daran, aber auch an die durchaus beachtliche Tradition der „Aktion 20" will er anknüpfen.

Die Idee, Politik und Wissenschaft im Interesse der Zukunftsbewältigung an einen Tisch zu bringen, wurde in der Volkspartei im Jänner 1965 - also noch in der Koalitionszeit - geboren. Noch im Herbs't dieses Jahres standen Konzept und Aktion: da die Arbeit auf die nächsten zwanzig Jahre ausgerichtet sein sollte, nannte man sich schlicht „Aktion 20".

Wissenschafter von Rang und Namen, wie der Mediziner Karl Fellinger, der Verfassungsrechtler Günther Winkler, der Volkswirtschaftler Stephan Koren, der Biochemiker Hans Tuppy und der Soziologe Leopold Rosenmayr machten mit. „Es war", erinnert sich der Geschäftsführer der „Aktion 20" und heutige Abgeordnete zum niederösterreichischen Landtag, Ferdinand Manndorff, „eine Sensation, daß solche Leute an einem Tisch gemessen •sind und sich über die Zukunft den Kopf zerbrochen haben".

Neue Ideen wurden gewälzt, neue Konzepte erarbeitet: ein System für eine moderne Spitalsorganisation, Grundzüge eines Persönlichkeitswahlrechtes, alles Fragen, die heute wie damals aktuell sind.

Eine Arbeitsgruppe unter dem nunmehrigen Armeekommandanten Emil Spannocchi überlegte sich sogar ein Wehrkonzept, das dem heutigen Wehrsystem nicht unähnlich ist. Eine Verkürzung der Wehrdienstzeit und der Aufbau einer Landwehr hatten auch darin Platz. „Hätten wir damals dieses Konzept aufgegriffen", blickt Manndorff heute zurück, „wäre es 1970 nie zu diesem vielleicht doch sehr wahlbeeinflussenden SPÖ-Slogan .Sechs Monate sind genug' gekommen".

Aber dieses Konzept wurde nicht aufgegriffen. Ein Schicksal, das es mit anderen Ideen teilte. „Wir hatten die Alleinregierung, aber das, was von den Wissenschaftern erarbeitet wurde, wurde von den Politikern nicht umgesetzt. Die Praktiker in der Vollziehung haben sich eigentlich weiterhin auf die routinemäßig traditionellen Berater gestützt", resümiert der ehemalige Geschäftsführer. Und so schlief die „Aktion 20" ein.

Karl Schleinzer, der selbst noch in der „Aktion 20" mitgemacht hatte, versuchte unter seiner Obmannschaft mit der „Zukunftskommission" diesen Weg fortzusetzen. „Schleinzer hatte zu den Wissenschaftern, die dabei mitgemacht haben", weiß deren Geschäftsführer Heribert Steinbauer noch genau, „auch privat einen sehr guten und engen Kontakt." Eine Vielzahl von Enqueten der „Zukunftskommission" lieferte auch jene Denkanstöße, die in den ÖVP-Plänen zur Lebensqualität ihren Niederschlag fanden.

Auch die Alternativkonzepte der ÖVP unter der Obmannschaft von Josef Taus wären nicht ohne „Zu-kunftskommission" entstanden. Allerdings hat sie sich nur dort bewährt, „wo einzelne Wissenschafter projektmäßig gearbeitet haben, wie etwa bei den Alternativen zur Arbeitsmarkt- und Budgetpolitik", hat auch der nunmehrige Leiter des politischen Büros in der ÖVP-Zentrale, Ernst Streeruwitz, seine Erfahrungen gesammelt. Wie Steinbauer weiß aber auch er heute, daß auch davon letztlich zu wenig politisch umgesetzt wurde.

„Die Politik und die politische Führung", sieht Manndorff jetzt Mock auf dem richtigen Kurs, „muß klare Leitlinien vorgeben und Aufgaben stellen." Dann kann man die Wissenschaft als Partner einladen und auch, was Sixtus Lanner hofft, „alle jene Menschen integrieren, die keinen Blindflug in die Zukunft machen wollen".

Während sich der ÖVP-Parteitag hundertprozentig hinter Alois Mock und seine politische Linie stellte, konnte der neue FPÖ-Obmann Norbert Steger nur 55 Prozent der Linzer Delegiertenstimmen auf sich vereinen. Zwar versuchte er in seiner Antrittsrede eloquent, für jeden - auch für die Wähler seines Gegenkandidaten Harald Ofner - etwas zu bieten, doch Aufschlüsse über den zukünftigen FPÖ-Kurs gab er keine: Er sagte nichts, was nicht schon gesagt worden wäre.

Die FPÖ steht heute damit dort, wo die Volkspartei im Sommer des Vorjahres gestanden ist: Sie hat einen neuen Obmann, aber noch lange kein neues, gemeinsames Selbstverständnis. Den mühsamen Weg, die internen Gegensätze auszudiskutieren, will sie nach dem Obmann-Streit nicht gehen. Am Parteitag wurde eine Diskussion darüber unterbunden: Der Dampf ist noch lange nicht abgelassen. Steger könnte dies schon bald erfahren.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung