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Grundsatzdiskussion wird weitergeführt

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Er macht Politik aus christlich-demokratischem Bewußtsein, will die Grundsatzdiskussion zu neuem Leben erwecken, die Volkspartei den Künstlern öffnen, zu den erfreulichsten politischen Initiativen seit 1945 zählt er das Wohnungseigentumsgesetz und die Idee der Volksaktie: Alois Mock, mit dem Alfred Grinschgl sprach.

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Er macht Politik aus christlich-demokratischem Bewußtsein, will die Grundsatzdiskussion zu neuem Leben erwecken, die Volkspartei den Künstlern öffnen, zu den erfreulichsten politischen Initiativen seit 1945 zählt er das Wohnungseigentumsgesetz und die Idee der Volksaktie: Alois Mock, mit dem Alfred Grinschgl sprach.

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FURCHE: Herr Dr. Mock, wie beschreiben Sie Ihren persönlichen ideologischen Standort: Bekennen Sie sich zur katholischen Soziallehre, sind Sie ein Liberaler oder haben Sie von allem, ein bißchen?

MOCK: Ich bin an und für sich bestrebt, Politik aus christlich-demokratischem Bewußtsein zu machen und glaube, daß eine solche Politik sowohl einen hohen Stellenwert für soziale Gerechtigkeit veranschlagt als auch für Liberalität. Das heißt, für Respekt und Toleranz vor dem anderen Menschen.

FURCHE: Kommen Sie aus dem katholischen Lager?

MOCK: Ja; ich glaub' nur es gibt kein „katholisches Lager“. Das ist eine politische Formulierung, die sich erhalten hat. Was den weltanschaulichen Hintergrund anbelangt, ist es sicherlich, wenn Sie wollen, die christliche Weltanschauung. Ich sehe das so, daß es in der österreichischen Volkspartei immer eine breite christlich-demokratische Basis gegeben hat, aber auch einen liberalen Flügel.

FURCHE: Josef Taus wollte vor einigen Jahren in Österreich eine Diskussion über einen neuen politischen Katholizismus beginnen. Halten Sie eine solche Diskussion unter den jetzigen Umständen für sinnvoll?

MOCK: Wie ich es gesehen habe, war es dem Bundesparteiobmann immer sehr daran gelegen, die grundsatzpolitische Auseinandersetzung und Klarstellung des grundsatzpolitischen Hintergrundes vor allem der großen Parteien zu forcieren. Das war sein Anliegen. Und ich glaube, daß es sein Verdienst ist, daß er es hier weitergebracht hat. Der Bundesparteiobmann hat aber leider zu wenige Mit-Diskutanten gefunden, was mich nicht davon dispensieren kann, dieses Anliegen weiter zu verfolgen.

FURCHE: Das heißt, Sie wollen die Grundsatzdiskussion weiterfuhren. Das schließt aber nicht unbedingt ein, daß sie den Begriff „politischer Katholizismus“ für verwendbar halten.

MOCK: Ich würde mit dem Begriff in der aktuellen Politik nicht arbeiten. Ich weiß auch nicht, in welchem

Ausmaß tatsächlich Dr. Taus damit gearbeitet hat, vielleicht hat er ihn analysiert, weil es ihn in einer ganz spezifischen Form gegeben hat.

FURCHE: Die Volkspartei hat in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, sie sei eine im wesentlichen auf ihre Kernschichten reduzierte und daher zuwenig offene Partei. Wird es jetzt nicht notwendig sein, eine Offenheitfür die Intellektuellen, für die Künstler und für die Schriftsteller in diesem Land zu signalisieren?

MOCK: Ich glaube, daß dies notwendig ist. Die Politik ist auch Teil der Kultur eines Landes. Ich glaube, gerade im kulturellen Bereich gibt es politisch sehr relevante Vorgänge. Gerade, wenn ich vorhin gesagt habe, daß christlich-demokratische Politik hohen Respekt vor dem Freiheitsraum des anderen impliziert, muß dies auch nicht zuletzt gegenüber jenen gelten, die den Freiheitsraum durch ihre Kreativität maximal beanspruchen, also gegenüber den Künstlern.

FURCHE: Welche gesellschaftspolitischen Veränderungen oder auch Gesetzesbeschlüsse der letzten Jahrzehnte haben Ihre besondere Sympathie?

MOCK: Seit dem Zweiten Weltkrieg sicherlich das Wohnungseigentumsgesetz von 1948, dann auch Sozialgesetze, wie sie unter Frau Minister Rehor beschlossen worden sind, etwa die Erhöhung der Witwenpension, also die Vorsorgemaßnahmen für die älteren Menschen; damals in den sechziger Jahren auch die Vorsorge für die älteren bäuerlichen Menschen, die Einführung der Bau-errtpension unter der ÖVP-Regie-rung. Ich halte auch die Initiative, die zur Volksaktie geführt hat, die aber dann sektoral stecken geblieben ist, für sehr positiv.

FURCHE: Wird es in dieser Legislaturperiode eine konkrete Gesetzesinitiative der Volkspartei zur Vermögensbildung geben?

MOCK: Es wird sicherlich eine konkrete politische Initiative geben. Ob das in Form eines Gesetzesentwurfes ist, das hängt immer davon ab, ob auch die technischen Schwierigkeiten zu bewältigen sind. Die Opposition hat keinen gigantischen Ministerialapparat zur Verfügung. Die einzelnen Gesetze können ja oft sehr kompliziert sein. Aber es wird sicherlich eine konkrete politische Initiative geben.

FURCHE: Welchem Ihrer Vorgänger als Bundesparteiobmann der Volkspartei stehen Sie gedanklich näher: Josef Taus oder Karl Schlein-zer?

MOCK: Ich bin glücklich, sagen zu können, daß ich mich persönlich mit beiden sehr gut verstanden habe. Was die konkrete politische Tätigkeit anbelangt, habe ich natürlich durch meine Tätigkeit beim ÖAAB mit Josef Taus ein besonders enges Verhältnis gehabt, der schon viele Jahre vor mir wichtige Funktionen im ÖAAB innegehabt hat.

FURCHE: Wo fehlt es in der Volkspartei derzeit am meisten: an der politischen Konzeption, an der Mitar-bei tder unteren Funktionärsgruppen oder an Management und Werbung?

MOCK: Ich glaube, die wichtigste Aufgabe, die auf die Volkspartei zukommt, ist jetzt, wieder ein starkes Engagement zu finden. Anders ausgedrückt, könnte man auch sagen, daß natürlich nach so einer Wahlniederlage eine beachtliche Enttäuschung vorhanden ist, was zu einer starken innerparteilichen Diskussion geführt hat. Aber ich glaube, daß jetzt eine große Bereitschaft vorhanden jst, sich für eine Erneuerung der Volkspartei im Rahmen einer breiten Diskussion zu engagieren und gleichzeitig damit wieder in einem wachsenden Ausmaß die Aufgaben einer kontrollierenden Opposition ernst zu nehmen. Die Reformphase soll ja dann im Frühjahr 1980 abgeschlossen werden.

FURCHE: Trifft es zu, daß ein Teil der in der Volkspartei festzustellenden mangelnden Solidarität darauf zurückzuführen ist, daß die vielen Mitglieder und Funktionäre keinen klar umrissenen Auftrag haben? Ist es so, daß manche mangels anderweitiger politischer Beschäftigung sozusagen aus Langeweile über die eigenen Politiker herzuziehen beginnen?

MOCK: Das glaube ich in keiner Weise. Aber es mag insoferne ein Kern Wahrheit in dieser Frage sein, als man in jenen Bereichen, wo man ohne starkes politisches Bewußtsein tätig ist, weil man sich zu wenig mit Grundsatzfragen auseinandersetzt, mit der Motivation für das politische Engagement auseinandersetzt, daß dort einmal eine unterschiedliche Meinung in einer Sachfrage oder eine persönliche Differenz schärfer ausgetragen wird, als dort, wo eine starke Solidarität auf Grund eines starken gemeinsamen Wertbewußtseins vorhanden ist.

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