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Solidarisch mit den Schwachen

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Alois Mock will sparen, aber nicht den Gürtel enger schnallen, daß es kracht. Sparen für den Aufschwung. Denn ein Wachstumsverzicht, meint er, ginge nur auf Kosten der Schwachen. Sein Angebot: eine solidarische Politik.

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Alois Mock will sparen, aber nicht den Gürtel enger schnallen, daß es kracht. Sparen für den Aufschwung. Denn ein Wachstumsverzicht, meint er, ginge nur auf Kosten der Schwachen. Sein Angebot: eine solidarische Politik.

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FURCHE: Für die Regierungspartei sind Sie ein Buh-Mann. Nicht als Person, sondern durch den sogenannten Kurswechsel, den Sie anstreben: Mock will Österreich „kaputtsparen“. Mock will eine konservative Wirtschaftspolitik nach dem Muster von Reagan, Thatcher, Kohl & Strauß steuern. Worin unterscheidet sich Mock?

MOCK: Daß die sozialistische Propaganda nicht gerade fein mit mir umgehen wird, darüber habe ich mir keine Illusionen gemacht. Was mich wundert: Ich werde immer wieder zu Reagan, Thatcher und Strauß hingestellt — und dabei hat sich der Herr Bundeskanzler sehr bemüht, mit Reagan wieder ins Reine zu kommen, hat erklärt, in sachpolitischen Fragen sei er in einer sehr hohen Übereinstimmung mit Franz Josef Strauß. Und nun hängt er sich mit seinem Aufschwung auch noch an die Politik von Helmut Kohl an.

FURCHE: Es geht aber um Ihre Position.

MOCK: Die Vergleiche hinken da in jeder Hinsicht. Ich mache eine Politik für Österreich, an unseren Möglichkeiten, an den österreichischen Bedürfnissen und Erfahrungen gemessen. Dem entspricht keine Politik, die den Gürtel enger schnallt, daß es kracht. Unser Ziel ist es, mit dem Mobilisierungskonzept für 90.000 Arbeitsplätze die Vollbeschäftigung zurückzuerobern. Und da gibt es jetzt unterschiedliche Auffassungen.

Die Sozialisten sagen, man kann die Arbeitsplätze durch höhere Schulden und höhere Steuern sichern. Heute haben wir den höchsten Schuldenstand der Republik, die höchste Steuerbelastung und gleichzeitig die höchste Arbeitslosenrate seit dem Wiederaufbau. Also dieses Rezept führt in die Sackgasse.

Wir wollen einen anderen Weg gehen: Geld, das vorhanden ist, aber unproduktiv eingesetzt wird, soll für Investitionen verwendet werden. Ich nenn’ nur einige Stichworte: Konferenzzentrum, AKH in Wien, Verwaltungsaufblähung, eine ÖBB, die nicht reformiert wird…

FURCHE: Was Ihnen den Vorwurf einbringt, ein Drittel der Eisenbahner arbeitslos machen zu wollen.

MOCK: Da geht’s nicht um den kleinen Eisenbahner, sondern um die Unfähigkeit der Sozialisten, etwas durchzuführen, was sie sich selbst zum Ziel gesetzt haben: Im ÖBB-Unternehmenskonzept steht ja drinnen, daß bis 1985 das Budget ausgeglichen sein soll. Darinnen steht auch: 8000 Dienstposten weniger. So radikal sind nicht einmal wir. Und auch der Fi nanzminister hat nach seinem Amtsantritt gemeint, bei einer Reform könnte man sich zwei bis drei Milliarden Schilling jährlich ersparen.

Aber generell: Wir wollen einen Aufschwung über die Investitionen, konzentriert auf die mittelständische Wirtschaft, für Forschung und Innovation, für eine Exportoffensive, für eine Baukonjunktur, für neue Produktionssparten der Landwirtschaft und zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Das geht durch Umschichtung der Verschwendungsmilliarden hin zur Investitionsbelebung …

FURCHE: was ebender SPÖ

als Politik des ,Kaputtsparens“ erscheint.

MOCK: Die Umschichtung von 60 Budgetmilliarden, also von drei Prozent, in vier Jahren ist aber — obwohl das für einen Finanzmini- ster doch sehr viel Geld bedeutet— zumutbar.

Ich möchte den Betrag, um den es geht, mit einem einfachen Beispiel veranschaulichen: Jemand verdient 10.000 Schilling im Monat. Und dem gebe ich den Ratschlag, künftig 300 Schilling vernünftiger zu verwenden, allenfalls mit 100 Schilling seine Schulden abzubauen und die anderen 200 Schilling überlegter als bisher aufzuwenden.

FURCHE: Sie setzen voll auf einen neuen Wirtschaftsaufschwung, auf Wachstum als Schlüssel zur Lösung der Probleme des Arbeitsmarktes, der sozia-

Mock im ÖVP-Wahlkampfbus

(Foto Waschei)

len Sicherheit, der Umwelt. Damit stehen Sie im Gegensatz zu jenen, die heute für einen bewußten Wachstumsverzicht plädieren.

MOCK: Um es hart zu formulieren: Die, die gut beschäftigt sind und ein gutes Einkommen haben, sind zu einem Wachstumsverzicht bereit. Null-Wachstum ist eine idealistische Utopie — aber auf Kosten der Schwachen. Außerdem geht es mir um ein qualitatives Wachstum, also um eine Politik, die auf die Anforderungen der Ökologie Bedacht nimmt. Ökonomie und Ökologie sind ebenso vereinbar und synchronisierbar wie gutes Wirtschaften und sozialer Fortschritt: dazu ist gerade das Modell der Sozialen Marktwirtschaft flexibel genug.

FURCHE: Sie bauen optimistisch auf einem Wachstum von drei Prozent jährlich auf. Je ge ringer das Wachstum ausfiele, desto härter würden dann die Verteilung s kämpfe.

MOCK: Das wird von der Gesprächsfähigkeit der Parteien und von der Funktionsfähigkeit der Sozialpartnerschaft abhän- gen. Wird klassenmäßig gedacht, werden die Konflikte größer sein, und kleiner bei solidarischem Denken. Und wo sind bei geringerem Wachstum die Armen, die zum Handkuß kommen? Das sind die Bergbauern, die Familien, größere ebenso wie jene, wo nur einer verdient, das sind die Behinderten und heute besonders die Arbeitslosen. Sie brauchen eine solidarische Politik.

FURCHE: Sie haben die Ge-> sprächsfähigkeit der Parteien erwähnt und damit ein latentes Harmoniebedürfnis in der Bevölkerung angesprochen:Die Parteien sollen weniger streiten, sondern mehr Zusammenarbeiten. Jetzt einmal ohne Koalitionsspekulationen: Läuft das nicht auf eine Rückkehr zu einer sehr pragmatischen Politik hinaus?

MOCK: Ich bin der Auffassung, daß das keine Rückkehr zur pragmatischen Politik wäre. Im Gegenteil: Jemand, der grundsatzpolitisch gefestigt ist, weiß auch, wo er allenfalls einen Kompromiß eingehen kann und wo nicht. Und der, der keinen festen Standort hat, ist unsicher, starr, abweisend

— und eigentlich zur Zusammenarbeit unfähig.

FURCHE: Das Wahlprogramm der OVP ist im Stil ganz auf Sie zugeschnitten und sehr persönlich: ,Jch werde “. Alois Mock

— ein Machertyp?

MOCK: Ich bin sicher nicht der Macher. Ich halte bei weitem nicht alles für machbar, halte nichts von der Politisierung und der Zuteilung des Glücks. Ich kann nur bessere Rahmenbedingungen schaffen, damit sich der einzelne entfalten und selbst sein Leben gestalten kann. Da können wir mehr machen.

FURCHE: Gerade auch dieser Wahlkampf war wieder von einer massiven Personalisierung der Politik gekennzeichnet. Was denkt einer, der selbst dabei ein Hauptdarsteller ist?

MOCK: Die Person hat ihren hohen Stellenwert. Das bedingt aber auch eine besonders große Verantwortung, weil die Identifikation mit einer Partei oft über eine Person erfolgt.

Aber mir wäre es lieber, wenn Grundsatz- und Sachpolitik im Wettbewerb und im Vordergrund stünden. Wir haben auch deshalb sehr viele Sachprogramme vorgestellt. Die Diskussion hat sich auch bis vor einige Wochen — denken Sie nur an den Ausgangspunkt unseres Gespräches — darauf konzentriert.

Jetzt aber beschäftigt man sich jeden Augenblick mit einem anderen Koalitionsmodell, damit, wer unter Umständen wann wieder regieren wird. Daher versteh’ ich gut die Aversion der Leute.

Mit Alois Mock sprach Hannes Schopf. Ein Interview mit Bruno Kreisky erschien in der FURCHE 9/1983.

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