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Verstaatlichte: Woher nehmen?

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nationale wirtschaftliche Lösungen nur um einen politischen Preis zuzugestehen? Einen Preis, den manche nicht bezahlen können? Oder ist eine-solche Denkweise ökonomisch richtig? Widerspricht es nicht unseren Auffassungen von einer wahren Demokratie, wenn wir wirtschaftliche Lösungen unbedingt mit politischen verknüpfen wollen? Können, ja müssen wir nicht eigentlich als Menschen des abendländischen Denkens ökonomische Probleme nur nach ökonomischen Grundsätzen lösen?

Die Menschen des freien Westens sehen die große Aufgabe dieses Jahrhunderts darin, die Freiheit zu erhal-

ten. Dafür bedarf es politischer Entscheidungen von höchster Bedeutung. Dafür müssen sich politische Kampfgemeinschaften bilden. Dafür haben wir politische Ziele. Aber, bedarf die Beseitigung bereits entstandener Handelsdiskriminierungen zwischen den freien europäischen Nationen politischer Konzessionen? Begehen wir nicht, wenn wir die gesamt europäische Wirtschaftsintegration von politischen Bedingungen unter uns selbst abhängig machen, eine Sünde wider unseren eigenen Geist? Müssen wir nicht genau den umgekehrten Weg gehen und unsere ökonomischen Probleme nur nach ökonomischen Ge-

sichtspunkten lösen? Ist nicht das die Wahrheit, daß wir mit einer solchen Haltung in Wirklichkeit auch unseren politischen Auffassungen gerecht werden? Die Beseitigung der schon entstandenen Handelshemmnisse innerhalb aller freien europäischen Nationen ist ein ökonomisches Problem, das ohne Beeinträchtigung der politischen Zielsetzung Westeuropas gelöst werden kann. Warum lösen wir es also nicht auf diese Weise?

Was wir Österreicher für die Freiheit Europas beitragen können, tun wir aus ganzen Kräften, denn wir glauben, daß zu Europa alle gehören, wenn dieser Kontinent Europa bleiben soll.

War 1945 das Problem, den Schutt wegzuräumen, den Betrieb wieder in Gang zu setzen, die Produktion wieder aufzunehmen und, sobald dies geschehen war, den Wiederaufbau zu finanzieren und zu organisieren, so gilt es heute, da diese Probleme gemeistert sind, die Produktion sicherzustellen, die bestmögliche Produktivität zu erreichen und den gewonnenen Absatz zu festigen, wo eine Ausweitung nicht erreichbar ist.

Die Voraussetzungen dafür sind zielsichere Fortsetzung der Investitionen und deren glückliche Finanzierung. Beides ist im Abschnitt, von dem wir eingangs sprachen, in erfolgreicher und befriedigender Weise erreicht worden. Die Finanzierung durch die gewaltigen Mittel, die aus dem ERP-Fonds und als SAC-Darlehen der verstaatlichten Industrie zugeführt wurden: 2.906,404.000 S. Diese Hilfe war um so wirksamer, als von den verstaatlichten Betrieben keine kostenverursachenden Sicherheiten, zum Beispiel Hypotheken, verlangt wurden. Mit Recht hat Präsident Dr. Mayer-Gunthof auf der Konferenz der Vorstände der verstaatlichten Betriebe, die kürzlich. in Wiener Neustadt ab-

In den ersten drei Quartalen des Jahres 1961 beträgt der Exportanteil der verstaatlichten Industrie insgesamt 36 Prozent. Am meisten angewiesen auf den Export sind die Eisen- und Stahlbetriebe. Ihr Anteil am Gesamtexport der verstaatlichten Unternehmungen machte nicht weniger als 75 Prozent aus.

Drei Gruppen

Diese Betriebe müssen sich nicht nur technisch auf der Höhe halten, sondern auch so ausgestalten, daß sie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sein können und verbleiben. Grob umrissen kann man drei Gruppen unterscheiden: jene, die wohl ausgerüstet sind, aber das Optimum erreichen müssen; jene, deren Ausrüstung hinter dem Gegenwartsstandard zurückbleibt oder schon zurückgeblieben ist, und schließlich die, deren Investitionsstand noch unzulänglich ist, weil sie lange unter Fremdführung standen, von dieser vernachlässigt wurden und kaum Investitionsmöglichkeiten hatten, weil sie mit dem Wegfall der Fremdführung auch noch das, wenn auch wenig ergiebige Absatzgebiet verloren hatten und auch seither noch kein befriedigendes finden konnten.

• In die erste Gruppe gehören: VÖESt., Böhler, Stickstoffwerke, Vereinigte Metallwerke Ranshofen-Bern-dorf, ÖMV usw.

• In die zweite Gruppe kann man rechnen: Alpine, Schoeller-Bleckmann, Flin, Siemens-Schuckert usw.

• Die dritte Gruppe umfaßt alle anderen Buntmetallbetriebe, ferner Hof-herr-Schrantz, die Trauzl AG usw.

Die Kohlenbergbaubetriebe scheiden aus dieser Betrachtung aus. Ihre Problematik ist sui generis, sie beruht auf einer Strukturwandlung der Energiequellen, die nicht auf Österreich beschränkt ist, sondern eine zumindest gemeineuropäische Erscheinung darstellt.

Allein die Aufzählung dieser Betriebe macht verständlicli, daß die Mittel, die für die ins Auge gefaßten Investitionen erforderlich sind, außer-

gehalten wurde, darauf hingewiesen, daß die Privatindustrie dies niemals beanstandet noch mit Neid etwa kritisiert hätte, denn sie war sich stets der Bedeutung dieser Betriebe, da sie die Grundstoffindustrie Österreichs umfassen, bewußt — auch bewußt ihrer Bedeutung für die Privatindustrie und für die Volkswirtschaft an sich.

Inlandsmarkt genügt nicht

Für den nun anlaufenden Abschnitt ist die Finanzierung der Investitionen erheblich schwieriger. Die Quelle, aus der man bisher geschöpft hat, ist zeitweilig versiegt; aber auch sobald sie wieder fließt, wird ihr Fluß einen anderen Lauf nehmen müssen. Die Frage ist nun: welche Finanzierungswege stehen offen? Daß erhebliche Investitionen erforderlich sind, steht außer Zweifel. Unsere verstaatlichten Betriebe könnten vom Absatz auf dem Inlandsmarkt allein nicht leben. Bei vielen ist der Inlandsabsatz nur ein Bruchteil der Produktion. Gerade bei den bedeutendsten Unternehmungen liegt der Exportanteil am Nettoerlös über 40 Prozent. Um die wichtigsten aufzuzeigen, seien in abgerundeten Zahlen genannt:

ordentlich erheblich sein müssen. Echt wirtschaftlicher Geist ist notwendig, sie nationalökonomisch richtig aufzu-

bringen und aufzuwenden. Das will besagen, man muß sich eine echte Rangordnung der Notwendigkeiten und der Dringlichkeiten der Aufwendungen erstellen, um sich der Produktionsund Marktlage anzupassen, um schon im Zuge der Ausgestaltung der Betriebe eine Gewinnrate zu sichern, die allenfalls Amortisation und Zinsendienst deckt und den Hauptzweck wirtschaftlicher Unternehmungen, dem Eigentümer einen gebührenden Ertrag abzuwerfen, nicht nur nicht behindert, sondern sicherstellt. Betriebe, die andauernd keinen Ertrag abwerfen, sind

wirtschaftlich sinnlos. Sie gehören abgestoßen. In der Zeit der Verknappung der Arbeitskräfte sind sie geradezu gemeinschädlich; sie vergeuden Arbeitskraft auf unfruchtbaren Arbeitsplätzen und entziehen sie Arbeitsgebieten, die fruchtbringend wären. Das ist auch sozialpolitisch verkehrt und die Arbeitnehmerschaft schädigend, weil es weit leichter ist, Arbeitskräfte umzuschulen, umzustellen und nötigenfalls auch umzusiedeln in Zeiten der Konjunktur und des Massenwohlstandes, denn in Zeiten der Rezession und des sinkenden Lebensstandards.

„Die nächsten zwanzig Jahre“

Ein bloßes „Wirtschaften in sich“, ein dauerndes Aufzehren der Betriebserträgnisse durch den Betrieb, kann — und konnte in- Österreich zwischen 1945 und 1960 — seine Berechtigung haben, jetzt aber müssen die Betriebe des Staates auch in der Dividendenleistung vorbildlich sein. Es geht dabei auch um den guten Ruf des Unternehmens. Das gilt besonders für „das Unternehmen, das mit Sorgfalt Besitz aufgebaut oder Rücklagen für Erweiterung und Forschung angesammelt hat“, schreibt der Verfasser des Buches „Die nächsten zwanzig Jahre“, Peter F. Drucker (Econ-Verlag, Düsseldorf). „Nur allzu leicht kann der Eindruck erweckt werden, als habe das Management den Aktionären Gewinne vorenthalten, die in Form von Dividenden hätten ausgeschüttet werden müssen.“

Anleihen und Aktienbegebune

Die Selbstfinanzierung soll damit nicht diskriminiert, wohl aber in ihre gebührenden Schranken gewiesen werden. Kann der Investitionsbedarf aber innerhalb dieser nicht gefunden werden, dann bleibt nur der Weg auf den Kapitalmarkt übrig: die Anleihe und die Aktienbegebung. Der Zugang zur Anleihe ist in Österreich heute erschwert.

Es bleibt daher nur der Weg auf den Kapitalmarkt des Inlands. Hier aber kann nur die Aktienemission zum Ziel, Beschaffung neuen Kapitals für Großinvestitionen, führen. Ob dabei der Umweg über WandeLschuld-i verschreihungen beschritten (werden 5 soll, ist keine grundsätzliche Frage, J sondern eine der Taktik, die für jedes Unternehmen unterschiedlich sein mag und individueller Beurteilung unterliegt.

Das Abkommen von Kleßheim

Das große, als Frucht der Konferenz von Kleßheim abgeschlossene Ressort-

abkommen, das Vizekanzler Doktor Pittermann und Finanzminister Doktor Klaus zu Ende des Jahres 1961 abgeschlossen haben, ebnet den Weg* zur Aktienbegebung auch für schwächere Betriebe, da diese jetzt erheblich entschuldet und finanziell gestärkt erscheinen. Dieses Abkommen sieht — soweit es hier von Interesse ist —, auf das knappste dargestellt, vor: Eine Gruppe von Betrieben wird ihre Bundesdarlehen von rund 95 Millionen Schilling zurückerstatten. Bei acht Betrieben werden die Bundesdarlehen im Gesamtausmaß von rund 221 Millionen Schilling in Kapitalbeteiligungen umgewandelt. Bei einer Gruppe von sieben Betrieben werden Beträge von insgesamt rund 535 Millionen Schilling abgebucht, um Jahresabschlüsse ohne Defizit zu ermöglichen. Dieser Leistung des Finanzministers steht die Verpflichtung der Sektion IV des Bundeskanzleramtes gegenüber, die Regreßforderungen für Haftungsübernahme

im Ausmaß von 330 Millionen Schilling zu übernehmen und weitere 300 Millionen Schilling zur Refundie-rung der Bundesdarlehen aufzuwenden. Diese Aufwendungen erfolgen aus den Dividendenausschüttungen der verstaatlichten Unternehmungen durch den Investitionsfonds der Sektion IV. Für 1962 sind 130 Millionen Schilling zu leisten. Für 1963 und 1964 je 15 Prozent, ab 1965 25 Prozent aus den dem 1.-Fonds zufließenden Beträgen nach Abzug der Aufwendungen für die Verstaatlichungsentschädigung und des 25prozentigen Anteils, der von Gesetzes wegen dem Bund zufällt.

Durch dieses großzügige Arrangement ist der Weg auf den Kapitalmarkt erheblich erleichtert. Die Aktienbegebung ist unbestreitbar der normale Weg der Deckung der Investitionserfordernisse. Der schon einmal zitierte Pewr F. Drucker schreibt: „Die Menge des als Aktienkapital zur Verfügung stehenden Betrages bestimmt das Ausmaß der Neuerungen und Erweiterungen, welche die Wirtschaft vornehmen kann.“ Und weiter sagt er: „In fast allen Ländern — das stimmt auch für Österreich — hieß du Alternative zum Wirtschaftsbaron -Staatseigentum. In den Vereinigter Staaten hat man eine andere Alternative gefunden: Die Demokratisierung des Eigentums, bei der die wahren Eigentümer in zunehmendem Maßt die Arbeitnehmer selbst sind.“ „Wii sind mit Recht stolz darauf, den Mittelstand und die arbeitende Bevölkerung in die Lage versetzt zu haben den Millionärskapitalisten von einsl zu ersetzen“, schreibt Drucker fil Amerika. Für Österreich ist dies ein Zukunfts- oder, besser gesagt, d i < Gegenwartsaufgabe: „Wir müssen nui noch einen Weg finden, einen angemessenen Teil des Einkommens dei neuen Wirtschaftskapitäne in Aktiei umzuwandeln.“ Das Ende des Wege hat das Aktiengesetz in seinem i schon gefunden: es ist die Kleinaktie

Ohne ideologische Hemmungen

Man darf sich wohl der Meinuni des Finanzministers Dr. Klaus an .schließen, der nach Genehmigung de Ressortabkommens erklärte: „Di Sachlichkeit der Verhandlungen laß mit Recht erwarten, daß nun ohn ideologische Hemmungen die wirt schaftlich einzig richtige Inanspruch nähme des Kapitalmarktes — di Aktienbegebung als logische Folge de finanziellen Flurbereinigung in Gan kommt.“

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