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Zum Geleit

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Das christliche Gotteshaus hat eine deppeile Hauptfunktion, die Im Laufe von bald zwei Jahrtausenden gleichgeblieben ist und auch für alle Zukunft gleichbleiben wird: Aufnahme zu bieten für Christus den Herrn, der Sein Kreuzesopfer erneuern und mit Seinen Jüngern Mahlzeit halten will; Aufnahme zu bieten für das Gottesvolk des Neuen Bundes, das am Opfer Christi Anteil nehmen und von Ihm empfangen will das Brot des Lebens und das Wort des Lebens. Das gleichbleibende Wort der Heiligen Schrift und das In die Zeit gesprochene Wort des Priesters, als Zeugen des Glaubens der lebendigen Kirche.

Durch diese doppelte Zweckbestimmung ergibt sich eine äufjere Form des Gotteshauses, die den Geist der Gemeinschaft, Erhabenheit über alles Irdisch-Alltägliche und zugleich weifüberwindenden Opfimlsmus ausdrückt. Doch kann man schwerlich von endgültigen sakralen Formen sprechen, die nun einmal fixiert sind, von Jahrhundert zu Jahrhundert weitergegeben und weifergepflegt werden müssen. Jede Zeit hat das Recht, ihre Einstellung zum gleichen objektiven Sachverhalt in ihrer Sprache, in Ihrer Nuancierung und mit Ihren technischen Mitteln zum Ausdruck zu bringen. So ist es auch tatsächlich bald zwei Jahrtausende lang in der Kirche Gottes praktiziert worden.

Der schlichte Grundgedanke des chrisllichen Gotteshauses Ist Im Lauf der vergangenen Jahrhunderte oft durch Nebengedanken und durch Ideen des Jeweiligen Zeitgeisfes bereichert oder auch umgeformt worden.

Da galt es durch den Bau wahrer „Gotfesburgen“ die Machtfülle weiflicher oder geistlicher Fürsten zum Ausdruck zu bringen, oder durch weiträumige Kloster- und Münsterbeuten den Sieg der einen oder anderen innerkirchlichen Richtung oder Gemeinschaff. Da galt es den Vorrang des Klerus vor den Laien stolz zu betonen oder die Freude der

Bettelmönche an der neubelebten Volkspredigt zum Ausdruck zu bringen. Bald wieder galt es die Bedeutung und Macht einzelner Helliger In besonderer Weise zu verherrlichen oder das Ansehen einer Bruderschaft, die sich In der Kirche wie ein Staat im Staate fühlte, zu unterstreichen. Immer aber sollten und durften die Kirchen, bis knapp an das Zeitalter der Französischen Revolution heran, Zeugnis geben von der machtvollen Wirklichkeit und der die Geister und oft auch die Wirtschaft beherrschenden Stellung der Kirche.

Diese stolze Sprache kann und will das christliche Gotteshaus Im Zeitalter der pluralistischen Gesellschaft nicht mehr sprechen. Dafür aber zeugt es von einer innerkirchlichen Erneuerung und einer Wiederbesinnung auf den schlichten, innigen Geist der ersten christlichen Jahrhunderte.

Die verwirrende Fülle der Nebenaltäre und Heiligenbilder tritt zurück vor dem alles beherrschenden Kreuzesbild und dem Hauptaltar, der den einen Christus darstellt und auf dem das eine Opfer dargebracht wird.

Die moderne Kirche wird wieder empfunden und gebaut als der Raum einer grofjen, lebendigen Opfergemeinschaft, die den s I c h o p f e r n d e n Christus, den opfernden Priester und das mitopfernde Volk innig umschlieht, für die Opfer- und Wortgottesdienst eine selbstverständliche Einheit bilden.

Die moderne Kirche gibt Zeugnis vom wiedererwachfen Bewußtsein der Laien, nicht blofj Betreuungsgegenstcnd der Kirche, sondern selbst lebendige Kirche zu sein.

Das neue Baumaterial Stahl, Beton und Glas hat sich In hervorragender Welse als geeignet gezeigt, den Anforderungen des neuen Klrchenbewuhtseins zu dienen und von seinem Geist in einer der Gegenwarf vertrauten Sprache Zeugnis zu geben.

Kammeramtsdirektor Dr. Hermann Kurzbauer

Steiermark und die Integration

Die Tatsache, daß sich eine kulturpolitisch und religionswissenschaftlich profilierte Wochenschrift bei bestimmten Anlässen bemüht, ihrem naturnotwendig begrenzten Leserkreis ausgewählte Abschnitte aus dem wirtschaftlichen Geschehen eines österreichischen Bundeslandes nahezubringen, verdient volle Anerkennung; gerade die Steiermark und ihre Wirtschaft sind besonders daran interessiert, ihre berechtigten Sorgen und Anliegen gelegentlich auch einem Leserkreis der Bundeshauptstadt zu offenbaren, von dem zwar keine Linderung der Sorgen und keine Erfüllung berechtigter Forderungen erwartet werden kann, der aber immerhin kraft seines geistigen Niveaus und der daraus resultierenden Ansehensfülle sehr wohl imstande sein könnte, seinen nicht zu unterschätzenden Einfluß im Sinne der Steiermark geltend zu machen.

Die Situation der steirischen Wirtschaft am Ende des Jahres 1961 bietet so gut wie keinerlei Anhaltspunkte für die Erstellung einer einigermaßen hieb- und stichfesten Vorschau. Das Weiterbestehen der EFTA und die kommenden Verhandlungen mit der EWG wären — insbesondere angesichts der verpflichtenden Maßnahmen und. dem Zollsektor — sozusagen von einem Tag zum anderen geeignet, völlig geänderte Verhältnisse auf so gut wie allen Wirtschaftssektoren und damit völlig neue Gesichtspunkte bei der Spekulation auf die wirtschaftliche Zukunft zu schaffen. Es darf allerdings in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, daß hinsichtlich einer Assoziierung mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die nachhaltigste Initiative von der Handelskammer Steiermark ausgegangen ist, deren gewichtigste Mitglieder einen von den Ereignissen klar bestätigten Weitblick bewiesen haben, ohne seinerzeit jene Gegenliebe zu finden, deren Vorhandensein der österreichischen Wirtschaft zweifellos viele Sorgen und Überlegungen erspart hätte. Immerhin: Mit einem Exportanteil von rund vierzig Prozent der Gesamtproduktion ist die Steiermark das exportintensivste Bundesland (österreichischer Durchschnitt 30 Prozent), so daß das Interesse, das gerade die steirische Wirtschaft an den Außenhandelsverflechtungen Österreichs nimmt, zweifellos berechtigt ist. Nicht einmal die Tatsache der steirischen „Verkehrsferne“, die oft den Verdacht erweckt, als werde sie von bestimmten Instanzen der Bundeshauptstadt besonders liebevoll gepflegt, kann die steirische Wirtschaft von der Überzeugung abhalten, daß nur eine möglichst rasch herbeigeführte engere Bindung mit der EWG jene Tatsachen sanktioniert, die durch die tägliche wirtschaftliche Praxis längst ihre Bestätigung gefunden haben. Ob sich dann die derzeit bereits klar erkennbaren Schwierigkeiten auf dem Kohle-, Eisen- und Holz- (Papier-) Sektor weiter vergrößern werden oder beheben lassen, kann heute kaum mit Sicherheit vorausgesagt werden. Soweit diese Depressionserscheinungen auf weltweite wirtschaftliche Ursachen zurückgeführt werden können, müßte sich eine Besserung im gleichen Zusammenhang ergeben; soweit innerösterreichische Verhältnisse die Ursache bilden, wird sich eine Änderung der derzeit absolut unbefriedigenden Situation nur im Zusammenhang mit einer grundlegenden Strukturverbesserune der gesamtösterreichischen Wirtschaft herbeiführen lassen. Wie weit die Richtigkeit dieser Feststellungen von den zuständigen Stellen erkannt und demgemäß nach Abhilfe Ausschau gehalten wird, kann von Graz aus kaum mit Bestimmtheit gesagt werden; daß aber in einem Staat, der bereits in die geringfügigste wir fcrliaff-lirlifs- ManirVcrarirtn marrirvnll und nicht immer glücklich eingreift, auch die Abhilfe nur vom Staat selbst kommen kann, dürfte für alle Kenner der Verhältnisse außer jedem Zweifel stehen.

Das lahr 1961 hat der steirischen Wirtschaft ganz allgemein eine deutliche Verflachung der Konjunkturkurve gebracht, wenn auch hervorgehoben werden muß,, daß sich diese Feststellung in erster Linie auf die Produktion bezieht. Dienstleistungsgewerbe und Handel hatten diese Tendenz noch weniger zu spüren, soweit sich dies auf Grund freiwilliger Berichte erkennen läßt. Während beispielsweise die industrielle Produktion (1937=100) vom Jahre 1959 auf

1960 noch von 235,89 auf 258,83 Indexpunkte zunahm, belief sich die Steigerung von 1960 auf

1961 nur mehr von 258,83 auf 264,78 Indexpunkte. Auch in der industriellen Beschäftigung und Produktivität zeigen sich ähnliche Tendenzen: In ersterer belaufen sich die drei Ziffern auf 194,79 beziehungsweise 199,47 und 202,00 Indexpunkte, in letzterer auf 121,10, auf 129,76 und auf 131,08 Indexpunkte. Angesichts der Bedeutung deT steirischen Industrie für alle vorgeordneten Produktions- und nachgeordneten VeTarbeitungs- und Konsumzweige der Wirtschaft mag man ermessen, welchen Einfluß eine derartige Verflachung zwangsläufig ausüben muß. Anderseits muß jedoch gerade an dieser Stelle betont werden, daß die Steiermark nach wie vor das an Rohstoffvorkommen und Bodenschätzen reichste österreichische Bundesland ist und daß besonders in kritischen Zeiten das Vorhandensein derartiger Reserven einen unschätzbaren Faktor darstellt. Diese Tatsache verdient um so größere Beachtung, als anderseits die Steiermark nicht gerade das Bundesland ist, welches sich über allzu heftige Förderung seitens der Zentralstellen zu beklagen hätte. Nach Größe, Einwohnerzahl und Flächeninhalt etwa an dritter Stelle unter allen Bundesländern stehend, nimmt die Steiermark bei dem durchschnittlichen Steueraufkommen pro Kopf nur den sechsten Platz ein. Und während der österreichische Durchschnittslohn der Angestellten (Mitte August 1961) monatlich auf 2328 Schilling zu stehen kam, erreichte er in der Steiermark nur 2132 Schilling. Bei den Arbeitern (Schwerindustrie!) war der Unterschied weniger kraß, aber immerhin lagen die steirischen Arbeitslöhne um zwei Schilling monatlich unter dem Bundesdurchschnitt. Der Umstand, daß sich die Generaldirektionen so gut wie aller großindustriellen steirischen Betriebe in Wien befinden, wirkt sich eben auf diesem Gebiet nachhaltig — und sehr zu Ungunsten der. steirischen Landes- und der Grazer Stadtfinanzen — aus.

Die Handelskammer Steiermark beobachtet die wirtschaftliche Entwicklung laufend mit größter Aufmerksamkeit und ist ständig bemüht, im Interesse ihrer Mitglieder alles zu unternehmen, um ihnen ein Bestehen und erfolgreicheres Abschneiden im kommenden größeren Markt zu gewährleisten. Die Einzelbetreuung der Mitglieder wurde in den letzten Jahren erheblich intensiviert: Fachkurse, Rationalisierungsunter-suchungen, Kreditaktionen zwecks Modernisierung usw. wurden im Rahmen des Möglichen vervielfacht und in den großen Grundsatzfragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik jene Stellung bezogen und verteidigt, die Aussicht dafür bietet, daß mit Hilfe der Initiative und des Leistungswillens des einzelnen Wirtschaftstreibenden auch die Zukunft erfolgreich gemeistert wird.

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