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Die „grünen Betriebe“

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Von den Spitzen des Dachsteins bis zu den Einschnitten der pannonischen Tiefebene liegt Steiermark als breiter Fächer in der Südostecke Österreichs vermittelnd und ausstrahlend in Länder, die einst zum großen österreichungarischen Wirtschaftsraum zählten. Mit 16.384 Quadratmeter ist es das zweitgrößte Bundesland Österreichs, und mit seinen rund 1,138.000 Einwohnern steht es ebenso an zweiter Stelle. Von den rund 256.000 Berufstätigen sind 344.000 unselbständig Beschäftigte, von denen wiederum rund 250.000 kammerumlagepflichtig sind. Die Arbeiterkammer hat sich auf Grund des Arbeiterkammergesetzes um das wirtschaftliche und soziale Wohl dieser 250.000 Menschen zu kümmern. Die Größe der Verantwortlichkeit wird sofort klar, wenn man weiß, daß rund 64 Prozent des gesamten Volkseinkommens aus Löhnen und Gehältern kommen. Mit anderen Worten heißt das, daß die Lohn- und Gehaltsempfänger zu einem mächtigen Wirtschaftsfaktor innerhalb Österreichs und selbstverständlich auch der steirischen Wirtschaft geworden sind. Es steht ebenso außer Zweifel, daß, je höher die Löhne und Gehälter steigen — nicht zahlenmäßig, sondern wertmäßig —, um so entscheidender dieser Faktor notwendigerweise die Wirtschaft beeinflußen muß.

Erfreulich ist, wenn der Prozentsatz und die effektiven Zahlen der unselbständig Beschäftigten in der Wirtschaft immer mehr zunehmen und die Zahl der aus dem Arbeitsprozeß Ausgeschiedenen wie in diesen Wochen ein Tief erreichte wie noch nie und trotz zusätzlich 1000 aufgenommenen Fremdarbeitern Arbeitskräftemangel herrscht. Erfeulich oder bedauerlich — je nach Auffassung — ist auch der Umstand, daß 1963 in der Steiermark 2315 offenen Lehrstellen nur 1617 Lehrstellensuchende gegenüberstanden. Bedauerlich, weil zu befürchten ist, daß vor allem unser Gewerbe in Zukunft stark unter Facharbeitermangel leiden wird. Erfreulich aber, weil sich das Blatt einmal gewendet hat und augenblicklich alle jungen Menschen, die einen Beruf erlernen wollen, es auch können und nicht schon mit jungen Jahren die Arbeitsämter belagern müssen und von allem Anfang dem Nichtstun geopfert sind.

Wir würden gerne mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen, daß sich im Verlauf der letzten zehn Jahre die Masseneinkommen mehr als verdoppelt haben und die Löhne der Arbeiter eine jährliche Zuwachsrate von 7,7 Prozent und die der Angestellten von 7,5 Prozent aufweisen können, wenn im selben Zeitraum nicht die Preise in wesentlich höheren Prozentsätzen gestiegen wären und damit nicht nur der Wert des Schillings gesunken ist, sondern selbstverständlich im gleichen Ausmaß der Reallohn. Mit größtem Bedauern müssen darum die Preisexzesse in den vergangenen Monaten erwähnt werden, und zwar darum, weil gerade solche Ausschreitungen die Gefahr in sich bergen, das wirtschaftliche und soziale Gleichgewicht in Österreich völlig zu zerstören. Auch darum, weil die österreichische Wirtschafts- und Sozialpolitik gerade in den letzten Jahren sich durch ihre Regelmäßigkeit im positiven Sinne auszeichnet, wenngleich Preissteigerungen für die Lohnempfänger keine erfreuliche Erscheinung sind und Lohnforderungen automatisch nach sich ziehen müssen. Sie sind aber vertretbar, wenn sie ihren Grund in der internationalen Preisentwicklung haben.

Vielleicht darf an dieser Stelle auch gesagt werden, daß wir von der Arbeitnehmerseite hier nur bedingtes Verständnis für die Erfüllung des Angebot- und Nachfragegesetzes haben. Wir verstehen, daß man in Zeiten der Konjunktur versuchen wird, mehr als seine Kosten hereinzubringen. Aber wir haben kein Verständnis dafür, daß nicht nur vom Zwischenhandel, sondern auch von den Produzenten her und hier auch von seifen der Agrarproduzenten versucht wird, sich ständig und in steigender Weise auf Kosten der Konsumenten schadlos zu halten. Es scheint uns dieser Weg für die Dauer sehr gefährlich zu sein. Ich muß betonen, daß es uns oft schwierig wird, die Interessen der Arbeitnehmer auf Grund dieser Tatsachen verantwortungsbewußt zu vertreten, weil wir uns oft außerstande sehen, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Ich darf anderseits sagen, daß es uns schwer wird, die Arbeiter- und Angestelltenschaft zu mahnen, Ruhe zu bewahren.

Für die Steiermark dürfen wir sagen, daß es uns seit Jahren gelungen ist, den sozialen Frieden zu bewahren. Wir können in unserem Bundesland gottlob auf den Höchststand der Beschäftigten verweisen, wir können darauf verweisen, daß alle Betriebe fast restlos ausgelastet sind, daß wir in der Obersteiermark, wie beispielsweise bei Böhler, einen echten Arbeitskräftemangel haben. Wir müssen aber feststellen, daß das Baugewerbe hingegen wenig Notiz von der Möglichkeit der Winterbeschäftigung nimmt und daß man sich dort jetzt gegenseitig die Arbeitskräfte abwirbt und in den Wintermonaten die Bauarbeiter zu Tausenden unbeschäftigt bleiben. Es wäre notwendig, daß von der Bauwirtschaft versucht wird, auch hier einen Ausgleich zu schaffen. Dies ebenso im Interesse einer gleichmäßigen Sozialentwicklung.

Wenn ich auch einen kurzen Überblick über die steirische Wirtschaftsentwicklung geben darf, dann wäre neben vielen anderen zu erwähnen, daß der Kohlenbergbau Seegraben nach 1350 fast ununterbrochenen Jahren desAbbaus mit einer Gesamtförderung von 30 Millionen Tonnen Kohle im März dieses Jahres wegen Auskohlung eingestellt werden mußte. Damit haben rund 800 Arbeiter und Angestellte endgültig ihren alten Arbeitsplatz verloren. Glücklicherweise konnten die Mehrzahl von ihnen in das Alpine Montanwerk Donawitz überstellt werden. Dem steirischen Kohlenbergbau wird insgesamt nur mehr eine Lebensdauer von höchstens 50 Jahren gegeben. Das erscheint aber vor allem für die Industrie nicht so beunruhigend, da ihr Abnahmeanteil von 34 Prozent in früheren Jahren auf 20 Prozent zurückgegangen ist. Die Umstellung erfolgte auf Erdgas und E-Energie. Es ist also anzunehmen, daß in den nächsten 20 bis 30 Jahren eine völlige Umstellung auf andere Energiequellen erfolgen wird. Die Abnahme der Haushalte liegt nach wie vor bei rund 20 Prozent. Allerdings ist die Zunahme des Verbrauches der kalorischen Werke in den letzten 20 Jahren enorm gestiegen, das heißt, um rund das 15fache.

Da in dieser Ausgabe eine besondere Abhandlung über Eisen und Stahl erscheint, brauche ich auf diesen Produktionszweig nicht näher eingehen. Für uns Steirer ist besonders die Entwicklung der Maschinen, und hier vor allem der Fahrzeugindustrie, interessant. Obwohl eine leichte Abnahme bei der Kleinwagenproduktion festzustellen ist, erhöhte sich doch der Umsatz der Steyr-Daimler- Puch-Werke gegenüber dem Vorjahr um mehr als 10 Prozent. Besonders erfreulich stieg der Prozentsatz des Exportes, er liegt bei rund 30 Prozent mehr gegenüber dem Vorjahr. Über das Bauhandwerk und über die Bautätigkeit braucht kein Wort mehr verloren zu werden, da allzu bekannt ist, daß hier Vollbeschäftigung — zumindest wie schon vorher erwähnt — in den drei Saisonen des Jahres besteht. Ebenso hervorragende Auftragslage zeigen alle Bauindustriezweige, vom Ziegel angefangen bis zur Beschlägindustrie. Bei Magnesit, das infolge der negativen Stahlproduktionsentwicklung ebenfalls Einbruch erlitt, ist die Lage 1964 wieder etwas besser geworden. Ebenso erfreulich ist die Erscheinung auf dem Papier-, Pappen- und Zellulosenmarkt, wo allgemein eine Produktionssteigerung gegenüber 1963 feststellbar ist. Das soll aber nicht heißen, daß unsere Papier- und Pappeindustrie nicht auf den großen Absatzmärkten bitter gegen die große Konkurrenz aus Schweden und auch aus dem Osten anzukämpfen hätte. Die Konkurrenz war nur teilweise durch Preisnachlässe zu bezwingen. Da der Hauptexport unserer Papier- und Zellulosewaren in den EWG-Raum geht und der Export durch die Zolldiskriminierung belastet ist, ist dieser Wirtschaftszweig stärkstens an einer Assoziierung interessiert.

Diese speziellen Einblicke in einige unserer Wirtschaftszweige zwingen mich zu der Feststellung, daß auch die Überhitzung der Baukonjunktur eine Stagnation in den übrigen Wirtschaftszweigen nicht verhindern kann, sofern nicht eine weitgespannte Abstimmung über die Investitionspolitik erfolgt. Es steht außer Zweifel, daß sich unsere Industrie mit den technischen Neuheiten unserer Zeit auseinanderzusetzen hat und sich gesteigerten Investitionen nicht wird verschließen können, wenn sie in der kommenden Integration den Wettbewerb mit den Auslandsmärkten aus halten will. Ich bin mir bewußt, daß diese Feststellung keine Neuigkeit ist, dennoch muß sie immer wieder vor Augen geführt werden. Anderseits ist trotz allen Schwierigkeiten notwendig, daß die steirische und österreichische Wirtschaft ständig auf Wachstum bedacht sein muß, um die Arbeitsplätze aller Arbeiter und Angestellten auf Dauer sichern zu können.

Es steht also außer Zweifel: Je größer das

Als Präsident der steirischen Kammer für Arbeiter und Angestellte darf ich mit Befriedigung feststellen, daß es durch unsere Tätigkeit gelungen ist, das Preisniveau einigermaßen unter der Höhe vieler anderer österreichischer Bundesländer zu halten.

Ich stelle ebenso mit Befriedigung fest, daß sich die Preisauftriebstendenzen nicht auf Österreich allein beschränken, sondern eine

Wirtschaftswachstum, je besser die Koordinierung der Investitionen, je höher Produktion und Absatz, um so größer kann auch kraft der Tätigkeit der Arbeiterkammer und des Gewerkschaftsbundes der Anteil des Einzelnen am gesamten Nationalprodukt sein und um so eher wird auch sein Realeinkommen nicht nur gehalten, sondern sogar erhöht werden können.

Wir verstehen, daß bei einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung die Preise nicht starr sein können, sondern selbstverständlich sich ständig in Bewegung befinden, aber dieses Bewegtsein muß sich in den Grenzen der Wirtschaftsentwicklung halten.

leider natürliche allgemeine Erscheinung auf dem Weltmarkt sind. Trotzdem sei eines betont: Ich glaube, es ist besser, wir zerbrechen uns den Kopf über Maßnahmen, mit denen wir Preisauftriebe bekämpfen, als daß wir uns mit der Tatsache befassen müssen, wie wir eine größere Arbeitslosigkeit verhindern können.

Abschließend darf ich erwähnen, daß wir mit der Entwicklung, wie sie sich uns 1964 auf dem Produktions-, dem Lohn- und im wesentlichen auch auf dem Preissektor zeigte, zufrieden sein können, mit Ausnahme — wie gesagt — der leidlich diskutierten Preisexzesse auf einigen Lebensmittelsektoren.

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