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Der Export

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Mit Befriedigung hat die Industrie zur Kenntnis genommen, daß sich der Herr Bundeskanzler in seiner ersten Rede vor der Vereinigung Österreichischer Industrieller zur Notwendigkeit einer neuen Exportkampagne und zu einer Wirtschaftspolitik bekannt hat, die der Ausfuhr ihre besondere Förderung angedeihen läßt. Der Export ist und bleibt einer der Tragpfeiler der Konjunktur in unserem Land, damit der Sicherung der Arbeitsplätze und des materiellen Aufstieges aller Österreicher. Ihn auszuweiten, möglichst breit zu streuen und somit gegen Krisen weitgehend abzuschirmen, ist eine Aufgabe, die keineswegs die Industrie allein, sondern vielmehr die gesamte österreichische Bevölkerung angeht.

Einmal im Jahr wird im Rahmen der ,,Österreich-Woche“ eine Leistungsschau der heimischen Qualitätsarbeit veranstaltet. Manchmal scheint es aber, als werde das Motto dieser Woche: „Kauft österreichische Qualität!“ im Ausland mehr beachtet als in Österreich selbst, und es ist wohl eine österreichische Eigenart, daß die Menschen unseres Landes die eigenen Erzeugnisse erst dann zu schätzen beginnen, wenn sie wissen, wie sehr diese jenseits der Grenzen anerkannt und begehrt sind.

Die österreichische Exportwirtschaft kann in der Tat auf ihre bisherigen Erfolge stolz sein. Nach 1945 war eine radikale Umorientierung des österreichischen Außenhandels das Gebot der Stunde. An Stelle der weitgehend ausgefallenen Absatzmärkte im Osten und Südosten Europas mußte ein neuer Kundenkreis in Westeuropa und Übersee erschlossen werden. Dank der Initiative der Unternehmer, des österreichischen Forscher- und Erfindergeistes und der Güte unserer Arbeit ist es, unterstützt von der rührigen Außenhandelsorganisation der Bundeswirtschaftskammer, gelungen, den Erzeugnissen unseres Landes neue Abnehmer zu gewinnen. Zugleich konnte die Qualität der Exportgüter immer mehr verbessert werden. Die expansive Tendenz der österreichischen Ausfuhr ist erfreulicherweise gerade bei jenen Produkten wirksam, die infolge des technischen Herstellungsvorganges besonders hochwertig sind und eine hervorragende Qualität erfordern, damit sie im Wettbewerb mit anderen industriell hoch- entwickelten Ländern bestehen können. Der technische Fortschritt, der steigende Lebensstandard in den Industriestaaten und die schärfer werdende Konkurrenz auf dem Weltmarkt stellen an die Güte der Produkte eines Landes immer höhere Anforderungen. Anderseits sehen sich die „alten“ Industriestaaten in ihrer Gesamtheit vor der Notwendigkeit, stets höherwertige Produkte anzubieten sowie Qualität und Präzision zu verfeinern, da im Zuge der Umstellungen in der Weltwirtschaft die Entwicklungsländer eigene Industrien aufbauen und bereits als Konkurrenten in Erscheinung treten.

Die österreichische Industrie verfügt über die denkbar besten Voraussetzungen, um sich durch Spezialerzeugnisse im Qualitätswettbewerb behaupten zu können. Unser Land kann auf eine lange und glänzende Tradition in der Technik und den Naturwissenschaften hinweisen, unsere Forscher, Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker genießen nach wie vor international höchstes Ansehen, und in unseren Betrieben steht uns eine hochqualifizierte Arbeiterschaft zur Verfügung. Österreich kann sehr eindrucksvolle Leistungen verzeichnen: Erwähnt seien die internationale Stellung der österreichischen Pulvermetallurgie, die Qualität unserer Edelstahle, unsere Erfolge auf dem Gebiet der Gießereiforschung, hochleistungsfähige Werkzeugmaschinen, die sich infolge des in Österreich entwickelten „Baukastensystems" gerade für die Automation der Mittelbetriebe eignen, Pumpen und Pressen, landwirtschaftliche und Holzbearbeitungsmaschinen, industrielle Wärme- und Heizungsanlagen, Seilbahnen und Aufzüge, Lokomotiven, Dieselfahrzeuge, Traktoren, der Kesselbau, Turbinen und Kraftwerkseinrichtungen, elektrische Schaltanlagen, Diktaphone und Magnetophone, Elektromotoren, Meßinstrumente, Kameras und Mikroskope, oberflächentechnologische und elektrochemische Verfahren, feinste Kondensatorenpapiere, Kunststoffe und Medikamente. Aus Österreich gehen zum Beispiel Spezialeinrichtungen für Feuerwehren, ja selbst Maschinen für Walfangschiffe in die Welt. Nach wie vor genießen die Erzeugnisse der traditionellen österreichischen Konsum- und Geschmacksgüterindustrien einen weltweiten Ruf: Garne und Gewebe, geschmackvolle Fertigkleidung, feinste Strick- und Maschenware, Schuhe, Lederwaren und Sportausrüstungen. Diese Reihe könnte noch lange fortgesetzt werden.

Die anhaltende Hochkonjunktur bringt für die Wirtschaft leider auch die Versuchung mit sich, über der Nachfrage auf dem Inlandsmarkt die Pflege der Auslandsbeziehungen zu vernachlässigen’ Vor einer solchen Mentalität kann nicht oft und deutlich genug gewarnt werden.

(Fortsetzung auf Seite 17)

Aus diesem Grunde wurde auch von industrieller Seite bewußt eine neue Exportoffensive gefordert. Ein kleiner Staat wie Österreich, der ständig rund ein Drittel seiner Industrieproduktion ausführt, muß das Exportgeschäft unermüdlich auch in Zeiten der Binnenkonjunktur pflegen und bestrebt sein, zu den angestammten Märkten neue zu gewinnen. Ein Ausruhen auf einmal erzielten Erfolgen kann leicht zum Verlust von Absatzgebieten führen, der vielleicht nie wieder aufgeholt werden kann.

Für den Erfolg einer Exportkampagne müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden:

• Die Wirtschaftspolitik muß exportfreundlich sein. In diesem Zusammenhang gewinnen die österreichischen Bestrebungen, sobald wie möglich zu einem Arrangement mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu kommen, besondere Bedeutung. Über die Haltung der Industrie zu diesem Problem wurde in letzter Zeit so viel gesprochen und geschrieben, daß sich eine ausführliche Darstellung wohl erübrigt. Die Industrie begrüßt es, daß die Bundesregierung fest entschlossen ist, unter Wahrung aller völkerrechtlichen Gegebenheiten jenen Weg zu gehen, der dem österreichischen Export die Märkte in Westeuropa erhält.

• Die Wirtschaftspolitik muß auch i n v e s t i- tionsfreundlich sein. Der Nachholbedarf unseres Landes auf dem Gebiet der Investition ist noch lange nicht befriedigt. Die Erschöpfung der Reserven an Arbeitskräften verschärft den Zwang zur Vornahme von Rationalisierungsinvestitionen. Weiter müssen, um dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen, ständig neue Produktionsanlagen angeschafft und neue Verfahren eingeführt werden. Das künftige wünschenswerte Wachstum der österreichischen Wirtschaft setzt daher, wie auch kürzlich vom Institut für Wirtschaftsforschung festgestellt wurde, eine anhaltend hohe Investitionsrate voraus.

• Forschung und Entwicklung sowie das Schul- und Erziehungswesen müssen stärker gefördert werden als bisher. Österreich kann es sich nicht leisten, auf diesem Gebiet allein von seiner, wenn auch reichen Substanz zehren zu wollen. Die „geistigen“ Investitionen sind in der heutigen Zeit vielfach schon wichtiger als die materiellen.

Mit der Erfüllung der genannten Voraussetzungen allein kann aber nicht das Auslangen gefunden werden. Die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Exportgüter ist nur dann gewährleistet, wenn dem ständigen Kostenauftrieb energisch Einhalt geboten wird. Sollte die Kostenauftriebsbewegung, wie wir sie in den letzten Monaten, vor allem als Folge der Expansion des Budgets für das laufende Jahr, mit größter Sorge wahrnehmen konnten, an- halten, wäre zweifellos mit einer schweren Benachteiligung unserer Ausfuhrgüter auf ausländischen Märkten zu rechnen.

Diese Maßnahmen müssen aber auch durch die Verankerung eines Exportbewußtseins in allen Kreisen unseres Volkes abgerundet werden. Die Exportgesinnung sollte schon der Schuljugend vermittelt werden. In diesem Zusammenhang liegt der Industrie besonders die Förderung des

Sprachstudiums am Herzen. Mit ein wenig Neid muß man an die Zeiten der alten Monarchie zurückdenken, da für Beamte und Offiziere die Kenntnis mehrerer Sprachen selbstverständlich war. Bedauerlicherweise hat das Interesse an der Erlernung fremder Sprachen sehr nachgelassen. Um aber im weltweiten Ausfuhrgeschäft erfolgreich operieren zu können, ist die Kenntnis fremder Sprachen unerläßlich. Nicht nur an Führungskräfte werden derartige Anforderungen gestellt, sondern auch schon an Facharbeiter, da eine ganze Reihe von österreichischen Betrieben Spezialisten ins Ausland zur Montage und zur Anlernung einheimischer Kräfte entsendet. Das Studium sollte sich aber nicht nur auf die „gängigen“, sondern auch auf die slawischen und — was immer wichtiger wird — die orientalischen Sprachen erstrecken. Man wird gut daran tun, auch der Zukunftsbedeutung des chinesischen Marktes frühzeitig Rechnung zu tragen. Industrieunternehmungen und Kammerstellen sollten auch überlegen, ob es nicht zweckmäßig wäre, in den Sommermonaten Nachwuchskräfte für einige Wochen ins Ausland zu entsenden, da solche Aufenthalte besser als die besten Sprachkurse nicht nur die Kenntnisse vertiefen, sondern auch den Horizont erweitern.

Es wäre nützlich, sich immer das Beispiel der Schweiz vor Augen zu halten, in der eine hoch- qualifizierte Industrie einen starken Rückhalt in einer sehr exportorientierten Bevölkerung hat. Die Stärkung des Exports festigt die wirtschaftliche Stellung Österreichs in Europa und der Welt, sie ist damit auch ein Beitrag zur Erhaltung der Unabhängigkeit unseres Landes nach allen Seiten.

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