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Innovation - einziges Rezept in der Krise?

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Seit kurzem hat sich auch in Österreichs wirtschaftspolitischer Diskussion die Forderung nach einer eindeutig ausgerichteten Strukturpolitik etabliert: die Konzentration auf neue,,,hirnintensive” Güterund Verfahren soll die Strategie für die 80er Jahre sein.

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Seit kurzem hat sich auch in Österreichs wirtschaftspolitischer Diskussion die Forderung nach einer eindeutig ausgerichteten Strukturpolitik etabliert: die Konzentration auf neue,,,hirnintensive” Güterund Verfahren soll die Strategie für die 80er Jahre sein.

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Was spätestens seit der konsequenten Durchsetzung der Hartwährungspolitik in Österreich an Eile bezüglich Umsetzung dieses Anliegens geboten gewesen wäre, wird heute an Penetranz nachgeholt: Banken und Sparkassen gründen „ihre” Innovationsgesellschaften, der Ruf nach Förderung kommerziell orientierter Forschung und Entwicklung ist allgegenwärtig, Symposien beschäftigen sich mit dieser Thematik.

Insoferne hat das Etikett „Innovation” für wirtschaftspolitische Programme nur mehr Imitations- und nicht mehr Innovationscharakter.

Dieser Beitrag soll sich daher kaum mit weiteren Begründungen für eine solche Strategie auseinandersetzen, sondern wird sich mit weniger beachteten Aspekten dieser Forderung beschäftigen.

Eine Variante, die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, besteht darin, Anlagen zur Erzeugung gerade jener Güter zu exportieren, die man selbst im Produktionsprogramm hat und im Ausland abzusetzen versucht. So ist etwa die VOEST als Stahlproduzent selbst an der Errichtung eigenständiger Stahlwerke im Ausland beteiligt.

Damit ist der Verlust dieses Exportmarktes, jedenfalls für Kommerzstahl, verbunden. Eventuell tritt dieser neue Produzent sogar als Konkurrent auf Drittmärkten auf. Es scheint, als ob man die Etablierung der eigenen Konkurrenz selbst vorantreibe.

Die wirtschaftliche Realität dürfte allerdings keine andere Wahl lassen, da bei eigener diesbezüglicher Zurückhaltung nur zu gerne andere Industrieländer als Anlagenexporteure in die Bresche springen würden. Diese Entwicklung ist offenbar dahingehend interpretierbar, daß die Anlagenerzeugung „anspruchsvoller” als die ursprüngliche Güterproduktion ist.

Kann man aber den zunehmenden Absatzschwierigkeiten bei den bisher erzeugten Produkten durch eine Um-orientierung auf den Anlagenexport nicht nur kurzfristig ausweichen? Lassen sich dabei langfristig Rückgänge in der Beschäftigung vermeiden oder ist nicht vielmehr eine umfassende Umstellung auf höherwertige, allerdings auch konsumnahe Güter unumgänglich?

Von der in Österreich notwendigen Umstrukturierung erwartet man, daß im wesentlichen standardisierte Güter und Produktionsprozesse, die keine Fachkräfte erfordern, ausgelagert werden sollten. Diese Ausgliederung soll durch den Vorstoß auf technologisches Neuland und Entwicklung neuer Güter mit komplexer Funktionserfüllung kompensiert werden.

Diese prinzipiell formulierte Strukturpolitik hat allerdings einen - selten ausdrücklich berücksichtigten - unangenehmen regionalen Aspekt.

Ähnlich wie zwischen den einzelnen Staaten existieren auch innerhalb der Länder zwischen Regionen Entwicklungsunterschiede; Die für ein entwik-keltes Industrieland eher ungünstigen standardisierten Produktionszweige haben ihren Standort in den am wenigsten entwickelten Regionen.

Andererseits erfolgt die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren vornehmlich in Ballungsgebieten mit sehr dichter Infrastruktur, die nicht zuletzt von der großen Anzahl der hier notwendigen hochqualifizierten Fachkräfte verlangt wird. Die erwartete Umstrukturierung würde die regionale Polarisierung und die Abwanderung aus den charakteristischerweise als „strukturschwach” bezeichneten Regionen noch weiter verstärken.

Arbeitsmarktuntersuchungen scheinen diese Befürchtungen gerade auch für Österreich zu erhärten.

Als notwendige Gegenstrategie wäre dafür Sorge zu tragen, daß auch innerhalb Österreichs ein Auslagerungsprozeß vor sich geht: Routinetechnologien sollten aus Regionen mit größtem Anteil an qualifizierten Kräften und damit auch höchstem Einkommen in die wirtschaftlichen Randzonen umdirigiert werden. Damit ließe sich die Unterausnutzung bereits vorhandener Infrastrukturvermeiden.

Auch werden damit die sozialen Kosten der sonst notwendigen Wanderung der Arbeitskraft vermieden.

Längerfristig kann es nicht sinnvoll sein, allein durch regionale Mobilität der Arbeitskraft die Anpassungsprobleme zu bewältigen. Vielmehr sollte die räumliche Streuung des Arbeitsplatzangebotes vorangige Beachtung finden. Sonst hätte die Bevölkerung in den Randzonen der Industrieländer, die Hauptlast der Anpassungskosten einer „Höherqualifikations- und Auslagerungsstrategie” zu tragen.

Woraus lassen sich nun Hinweise auf die Chancenträchtigkeit und internationale Wettbewerbsfähigkeit einzelner Produktionen gewinnen? Für den industriellen Sektor ist eine weitgehend in allen Ländern ähnliche Hierarchie der Forschungsintensität der Branchen festzustellen.

Dies könnte nun als Hinweis auf die unterschiedliche Einträglichkeit der eingesetzten Forschungsaufwendungen in den „forschungsintensiven” Bereichen verstanden werden.

Österreich hat nun, abgesehen von relativ niedrigerem Gesamtniveau der Forschungsausgaben, eine im internationalen Vergleich atypische Forschungsstruktur. Beispielsweise liegen die relativ stärksten Entwicklungsanstrengungen in der Eisen- und Stahlindustrie.

Sie gilt aber international nicht (mehr) als technologisch zukunftsträchtig. Anderseits könnte eine einseitige Ausrichtung der Forschungsanstrengungen auf die wenigen Branchen mit vermeintlich hohem Neuerungspotential (etwa Luftfahrzeuge-, Computer-, Teile der Elektro- und chemischen Industrie) durchaus nicht zu den erhofften Gewinnen im Außenhandel führen.

Denn gerade in diesen technologisch fortschrittlichen Bereichen wäre dann der internationale Wettbewerb enorm hoch. Folglich würden die entsprechenden Neuentwicklungen auch anderen Ländern sehr rasch und relativ billig zur Verfügung stehen. Damit kommt es zu einem wirtschaftlich nur kurz nutzbaren Vorsprang.

Zusätzlich fallen die Branchenspitzenreiter teilweise in den Sektor der Militärforschung und der Großtechnologien. Sie lassen sich aber möglicherweise selbst bei massiver staatlicher Förderung für eine Volkswirtschaft von der Größe Österreichs nicht konkurrenzfähig entwickeln.

Insoferne wäre eine Konzentration auf die von den Forschungsstrategien des Auslandes vernachlässigten Branchen mit etwas geringerem Neuerungspotential, d. h. geringerer Grenzproduktivität der Forschung, nicht von vornherein als strukturpolitisch unvernünftig abzutun.

Schließlich sollte noch ein weiterer wesentlicher Aspekt betont werden. In einigen forschungsintensiven und damit technologisch sehr dynamischen Bereichen (etwa der Feinmechanik und Optik) stellt die eigentliche Fertigung der neuen Produkte nur geringe qualitative Anforderungen an die Arbeitskraft.

Auf Grund seines relativ hohen Einkommensniveaus ist Österreich bei solchen Tätigkeiten, die schon der Imitationsphase dieser Produkte zuzurechnen wären, kaum international wettbewerbsfähig. In diesen Fällen sollten nur die Produktentwicklung selbst und die Anlaufphase der Erzeugung in den hochindustrialisierten Ländern durchgeführt werden. Eine häufig angeregte Strategie, daß Österreich sich zwar auf die Frühphase der Imitation, nicht aber auf die Entwicklung neuer Güter konzentrieren sollte, scheint mir demnach nicht zielführend.

Die bisher beleuchteten Aspekte einer forcierten Innovationspolitik gehen von einer für die Bewältigung der Be-schäftigungs- und Außenhandelsprobleme offenbar erfolgversprechenden Strategie aus. Dabei besteht allerdings die Gefahr, daß eng definierte ökonomische Kriterien und die Schaffung neuer Bedürfnisse einen integrierten Bestandteil der ziemlich wahllosen Versuche der Durchsetzung von Neuerungen darstellen.

Sollte die Entwicklung von „Fernsehtennis” und ähnlichen elektronischen Spielen tatsächlich die wünschenswerte Stoßrichtung der Neuerungen sein?

Könnte nicht die wenigstens teilweise beobachtbare Unzufriedenheit mit dem Lebensstil in den hochentwickelten Ländern den professionellen Neuerungsproduzenten einen Hinweis auf ein weites Feld ungedeckter, nicht materieller Bedürfnisse geben?

ALFRED SITZ

(Dr. Alfred Sitz ist Assistent am Institut für politische Ökonomie der Wirtschaftsuniversität in Wien)

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