6665461-1960_31_04.jpg
Digital In Arbeit

Kann die Konjunktur gehalten werden?

Werbung
Werbung
Werbung

Der Wechsel im Finanzministerium hat die Diskussion über eine konjunkturgerechte Finanzpolitik erheblich belebt und es wurden in der letzten Zeit immer mehr Stimmen laut, die eine noch stärkere Orientierung der Finanzpolitik in Richtung auf die Sicherung und Erhaltung der bestehenden Hochkonjunktur verlangen und dabei eine Reihe von Gefahrenquellen aufzeigen, die derzeit bestehen. (Siehe auch „Die Furche“, Nr. 26.)

Steht es nun auch ohne Zweifel fest, daß wesentliche Impulse der Konjunkturstabilisie* rung durch die Finanzpolitik erfolgen, so wäre es doch ein verhängnisvoller Irrtum, zu glauben, daß einfache monetäre Manipulationen ohne ein umfassendes wirtschaftliches Konzept Erfolg versprechen könnten.

Die Ziele eines solchen wirtschaftspolitischen Konzepts dürften unbestritten sein: die Sicherung der Währungsstabilität und die Verhinderung aller inflationistischen Tendenzen einerseits und die weitere Vergrößerung des Nationalprodukts sowie die Sicherung eines weiterhin ansteigenden Lebensstandards anderseits.

DER PLAFOND IST NAHEZU ERREICHT Befassen wir uns vorerst mit dem zweiten Punkt, weil hier eine ernste Gefahrenquelle besteht. Dank der herrschenden internationalen Hochkonjunktur ist die Kapazität der österreichischen Industrie in vielen Betrieben fast aller Branchen voll ausgelastet, und Kapazitätsausweitungen bzw. weitere erhebliche Kapazitätsaussteigerungen werden in sehr vielen Fällen durch einen akuten Mangel an qualifizierten Arbeitskräften äußerst erschwert. Es ist eine allbekannte Tatsache, daß zum Beispiel in Wien und anderen Industriezentren hochqualifizierte Metallarbeiter, Meister, Arbeitsvorsteher, aber auch Textilarbeiterinnen, Näherinnen, qualifizierte Stenotypistinnen usw. nur mit größten Schwierigkeiten gefunden werden können. Darunter leiden vor allem Klein- und Mittelbetriebe, die sich geographisch nahe bei Großbetrieben befinden, da durch die oft besseren Arbeitsverhältnisse und etwas höheren Löhne die qualifizierten Arbeitskräfte von der Großindustrie aufgesaugt werden.

Um diesem Dilemma auszuweichen, bestehen zwei Möglichkeiten:

• Abwanderung bzw. Neugründungen in Gegenden, in denen noch ausreichend Arbeitskräfte vorhanden sind,

• Produktionssteigerung durch Produktivitätssteigerung, das heißt also mit Hilfe durchgreifender Rationalisierung der Betriebe in allen Bereichen.

Vor allem diese Möglichkeit ist, obwohl heute kaum noch die Notwendigkeit einer Rationalisierung der Produktion betont werden muß, noch keineswegs ausgeschöpft.

Die bisher durchgeführten Rationalisierungsmaßnahmen haben zwar dazu geführt, daß der Maschinenpark des Großteils der Betriebe annähernd dem westeuropäischen Standard entspricht — aber, und das ist sehr wesentlich, die Arbeitsmethoden wurden im allgemeinen von den Rationalisierungsmaßnahmen kaum berührt. Untersuchungen in zahlreichen Betrieben haben ergeben, daß die Bearbeitungszeiten in fast allen Branchen weit über den in Westeuropa üblichen Zeiten liegen. Hier bestehen große Möglichkeiten, durch Senkung der Bearbeitungszeiten und bessere Maschinenauslastung die Produktion ohne Personalerhöhung erheblich zu steigern.

Sowohl die Frage der Standortverlagerung als auch die der Produktionssteigerung durch Rationalisierung sind besonders für kapitalsschwächere Betriebe von größter Bedeutung. Kapitalsstarke Betriebe haben in der Regel kaum ein Arbeitskräfteproblem, da sie auf die vorhandenen Arbeitskräfte erfahrungsgemäß eine starke Anziehungskraft ausüben. Diese Betriebe haben aber meist auch bereits erfolgreiche Reorganisationsmaßnahmen durchgeführt und führen sie weiter durch, da sie über die hierfür erforderlichen Mittel verfügen.

Anders ist es jedoch bei kapitalsschwächeren Betrieben, die hierfür Fremdkapital beschaffen müßten, was sie jedoch mangels eines gutfunktionierenden Kapitalmarktes und der restriktiven Kreditpolitik nicht sehr einfach erhalten können.

Im Interesse der Aufrechterhaltung der Konjunktur, .müßte diesen Betrieben die Möglichkeit zu einer leichteren Kapitalbeschaffung gegeben werden.

Dies könnte durch eine Reihe finanz- und steuerpolitischer Maßnahmen erreicht werden. Die wichtigste dieser Maßnahmen wäre die Einführung einer gezielten Investitionsbegünstigung an Stelle der derzeitigen generellen Investitionsbegünstigung und die Beendigung der steuerlichen Diskriminierung der Kapitalgesellschaften durch Aufhebung oder Milderung der Körperschaftssteuer, um den Unternehmungen in größerem Umfang die Möglichkeit der privaten Kapitalbeschaffung zu geben.

Die derzeitige Form der Investitionsbegünstigung hat ergeben, daß sich sehr viele, vor allem kapitalstarke Unternehmungen aus steuerlichen Gründen gezwungen sehen, in den eigenen Betrieben Investitionen vorzunehmen, die bereits eine geringere Rentabilität ergeben, als bei Anlage der gleichen Kapitalien in Fremdbetrieben erzielt worden wäre. Der zweite, im Interesse der Rentabilität der Investition viel interessantere Weg konnte aber nicht eingeschlagen werden, da Investitionen in Fremdbetrieben nicht steuerbegünstigt sind und eine Beteiligung an einer anderen Firma in Form von Aktienkauf bzw. Erwerb von Anteilscheinen einer Ges. m. b. H. durch die Körperschaftssteuer eine zu große Schmälerung der Rendite ergeben würde.( nswimsbichd rsaih i Hier könnte das Finanzministerium eingreifen und, ähnlich wie in der Deutschen Bundesrepublik, durch gezielte Investitionsbegünstigung — wie Steuerbegünstigung für Investitionen in bestimmten Branchen und bestimmten Gebieten, und zwar gestaffelt nach dem volkswirtschaftlichen Interesse, Steuerbegünstigung für Investitionen in Fremdbetrieben — eine aktive Konjunkturpolitik betreiben, und zwar ohne den Steuerertrag zu mindern, da die Erweiterung der Investitionsbegünstigung auf der einen Seite durch die Aufhebung der allgemeinen Investitionsbegünstigungen kompensiert werden könnte.

STEIGERUNG DER KONSUMKRAFT

Diese Maßnahmen, die der Sicherung der weiteren Expansion der Wirtschaft dienen würden, wären aber nur eine Seite einer aktiven Konjunkturpolitik, und die Konjunktur könnte nicht gesichert werden, wenn nicht mit Hilfe monetärer und anderer Maßnahmen die Massenkaufkraft gestärkt wird, die das steigende Gütervolumen absorbieren kann.

Diese Steigerung der Kaufkraft der Konsumenten muß parallel mit der Steigerung der Produktivität und der Produktion erfolgen. Dabei muß sorgsam darauf Bedacht genommen werden, daß diese Kaufkrafterhöhung nicht die Kostenstruktur der Betriebe stört und nicht zu einer echten Erhöhung der Herstellkosten führt.

Es werden hierbei eine Reihe von Methoden angewandt, die im Prinzip auf einer Beteiligung am Betriebserfolg des Unternehmens beruhen. Die wichtigste und erfolgreichste dieser Methoden beruht auf Ertragskonten im Rahmen einer besonderen Art von Plankostenrechnung, die eine Prämienausschüttung auf Grund von Überschüssen auf den Ertragskonten der verschiedenen Kostenstellen ermöglicht. Dieses System ermöglicht tatsächlich eine gerechte und korrekte Gewinnbeteiligung der gesamten Belegschaft unter absoluter Wahrung aller Kostengeheimnisse des Betriebes, und führt darüber hinaus zu einer erheblichen Steigerung des Leistungs- und Kostenbewußtscins aller Beschäftigten und damit zu dem Gefühl einer echten Partnerschaft im Unternehmen.

SICHERUNG DES PREISNIVEAUS

Bei Verwirklichung dieses Konzepts ist die weitere Expansion der Wirtschaft als Stützpfeiler der Konjunktur sichergestellt, nicht wäre jedoch die Gefahr inflationistischer Tendenzen gebannt. Das steigende Güterangebot wird ja von einer Erhöhung der Konsumkraft begleitet, wobei es selbstverständlich unmöglich ist, hier einen völligen Synchronlauf zu erreichen. Um zu vermeiden, daß eine übergroße Nachfrage nach bestimmten Gütern Preisauftriebstendenzen auslöst, muß für ein ausreichendes Warenangebot, und zwar auch eventuell im Importweg, gesorgt werden. Die so erfolgende Verschärfung der Konkurrenz im In-•land muß natürlich sehr sorgfältig gesteuert werden, ist aber absolut vertretbar, da ja anderseits mit Hilfe der obgenannten Maßnahmen den Unternehmungen die Möglichkeit zur Rationalisierung und Kostensenkung und damit zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegeben würde.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung