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Sozialpolitischer Ausblick nach der Währungsreform

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Gegen die Durchführung der Währungsreform im gegenwärtigen Zeitpunkt und in der durch das Währungsschutzgesetz festgelegten Form haben sich zahlreiche durchaus beachtenswerte warnende Stimmen erhoben. Nun, da das Gesetz in Durchführung begriffen ist, hat negative Kritik keinen Sinn. Wir halten es aber dennoch für richtig, festzustellen, daß ein dauerhafter Erfolg nicht von einer einmaligen Maßnahme — mag diese nun richtig oder falsch gewesen sein — erwartet werden darf, sondern wesentlich von der Wirtschaftspolitik abhängt, die sich daran anschließt.

Das Währungsschutzgesetz verringert in einem zur Zeit noch nicht endgültig feststehendem Ausmaß den Umfang der in unserer Wirtschaft verwendeten Zahlungsmittel. Es ist zweckmäßig, bei Beurteilung dieser Maßnahme zwischen Dauerwirkungen und jenen Erscheinungen zu unterscheiden, die wir als ■ „Symptome einer Umstellungskrise“ bezeichnen können. Die Verringerung der unserer Wirtschaft zur Verfügung stehenden Zahlungsmittel zwingt ebenso wie jeder andere einschneidende Eingriff den Wirtschaftskörper zur Anpassung an neue Gegebenheiten. Der Übergang von der Umstellungskrise, wir können auch sagen von den unmittelbaren Folgen einer Operation, zur definitiven Gesundung unserer Wirtschaft erfordert zie'eewußte, feinfühlige, wirtschaftspolitische Maßnahmen. Er ist die Bewährungsprobe einer bewußt sozialen Wirtschaftspolitik.

In weiten Kreisen der Bevölkerung wird in erster Linie die Streichung der Sperrkonten als soziale Härte empfunden. Es ist Sache des Staates, die Streichung jener Beträge zu verantworten, die auf seine Aufforderung hin nach Beendigung des Krieges auf Konten eingezahlt wurden. Bezüglich der Altguthaben ist freilich zu sagen, daß alle Ersparnisse, die den Kreditinstituten bis zu Ende des zweiten Weltkrieges zugeflossen waren, seitens des nationalsozialistischen Staates durch ein raffiniertes Abschöpfungssystem ohne oder doch gegen den Willen der Sparer zur Finanzierung dej Krieges verwendet wurden. Dem österreichischen Staat blieb die traurige Aufgabe, diese Veruntreuung der Spargroschen durch den nationalsozialistischen Staat den Betroffenen bekanntzugeben, sie als uneinbringliche Forderungen aus unserer Wirtschaftsbilanz zu streichen. Dem einzelnen ist durch diese Feststellung wenig geholfen. Er ist geschädigt und es ist ihm gleichgültig, ob dies ein Kriegs- oder anderer Schaden ist. Und doch hilft uns die Feststellung, daß die Streichung der Sperrkonten eine unmittelbare Kriegsfolge ist, um ein Stückchen weiter. Wir alle sind Opfer dieses Krieges. Je unmittelbarer wir uns der drückenden Schwere der Opfer bewußt werden, um so eher werden wir geneigt sein, einig und gemeinsam diese Opfer zu tragen und den Armen und Ärmsten aus unserer Mitte zu helfen. Gemeinsam die Not, gemeinsam die Arbeit, gemeinsam der Erfolg.

Die höhere Wertschätzung des Geldes als Folge der Verknappung der Zahlungsmittel wird nach übereinstimmender Auffassung dazu führen, daß die Wirtschaft knapper kalkulieren muß. Sollten sich einzelne Betriebe — insbesondere Staatsbetriebe mit ihrer ohnehin so engen Rentabilitätsbasis — diesem Zwang entziehen, so tun sie dies auf Kosten des gesamten Volkes. Es wird auch nicht mehr, wie es bisher geschehen ist, möglich sein. Arbeitskräfte bürokratisch anzuhäufen oder Schund zu erzeugen. In der nun schärferen Luft werden sich — so wird erwartet — nur jene Verwaltungen und Betriebe als lebensfähig erweisen, die wirtschaftlich arbeiten. Die Kostenrechnung wird mehr und mehr die realen Wertbewegungen widerspiegeln und jene Betriebe zur Ausscheidung aus dem Produktionsprozeß zwingen, deren Wirtschaftlichkeit auch bisher nur fiktiv war. Man muß jedoch sorgfältig zwischen der notwendigen Bereinigung unserer wirtschaftlichen Struktur und ungerechtfertigten Härten unterscheiden. Von letzteren muß überall dort gesprochen werden, wo an sich gesunden und auch bei scharfer Konkurrenz lebensfähigen Betrieben ihre Betriebsmittel entzogen wurden. Es hat den Anschein, daß die Neuordnung der Währung uns der Erkenntnis nähergebracht hat, daß wir viel, gut und rationell arbeiten müssen, um leben zu können. Wenn die Währungsreform die Erwartungen erfüllt, die in sie gesetzt werden, wird der Wirtschaftskörper einen Reinigungsprozeß durchmachen, der die Beziehung zwischen solider Arbeit, guter Ware und kaufkräftigem Lohn wiederherstellt.

Es ergeben sich jedoch im Ablauf dieses Prozesses soziale Härten, die wir erkennen und denen wir im Rahmen efes Möglichen begegnen müssen. Die angedeutete, durch kriegsbedingte Schädigungen noch entwertete Rationalisierung der Wirtschaft trifft naturgemäß unmittelbar jene Bevölkerungskreise am härtesten, die die wirtschaftlich schwächsten sind, weil sie von abhängiger Arbeit leben. Der Mangel an Rohstoffen und technisch einwandfreiem Betriebsinventar wird es oft nicht leicht machen frei werdende Arbeitskräfte unmittelbar produktiver Arbeit zuzuführen. Es wäre verfehlt, daraus den Schluß zu ziehen, daß eine Umstellung unterbleiben soll, die den Produktionsapparat erst 'wieder voll leistungsfähig und lebensfähig macht. Wir kommen um eine Maßnahme nicht herum, die schließlich allen zum Vorteil gereicht, weil sie eine Vergrößerung des Umfanges und Verbesserung der Qualität des Sozialprodukts und damit eine reichlichere Güterversorgung der breiten Massen zum Ziele hat. Auch hier müssen ungerechtfertigte Härten ausgeglichen werden. Das tätige und geübte Bewußtsein gegenseitiger Abhängigkeit und Zusammengehörigkeit von den höchsten Staatsstellen bis in die letzten

Verästelungen unseres Volkes muß auch dem Schwächsten und Hilflosesten die Zusicherung vermitteln, daß er nicht allein ist und nicht allein gelassen wird. Konkret gesprochen: Sorgfältige Uberleitung frei werdender Arbeitskräfte an andere Arbeitsplätze oder in andere Berufe, Umschulung, Überbrückungshilfe, elastische Kredit- und zielbewußte Investitionspolitik.

Noch ein- weiterer wirtschaftlich und sozial sehr schwerwiegender Faktor soll hier Erwähnung finden. Das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung gibt in seinem letzten Bericht der Vermutung Ausdruck, daß auch nach Durchführung des Währungsschutzgesetzes die offiziellen Preise lebenswichtiger Güter eher eine weiterhin steigende als fallende Tendenz zeigen werden, sowie daß mit einem Verschwinden des Schwarzen Marktes vorerst nicht gerechnet werden kann. Diese Festr rtellung ist ebenso bedauerlich wie zutreffend. Auch der Begründung, die das Institut seiner These gibt, kann nicht widersprochen werden. Die Summe der Verbrauchereinkommen ist größer als die Summe der dem Verbrauch zur Verfügung stehenden und zu offiziellen, das heißt gebundenen Preisen bewerteten Waren. Es bewahrheitet sich der Satz, daß unmittelbar nicht Geldmengen, sondern Einkommen als Nachfrage auftreten. Das Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage stört weiterhin das wirtschaftliche Gleichgewicht. Wir stehen vor folgendem Dilemma:

Solange die Produktion nicht in der Lag« ist, eine der gegenwärtigen Einkommenslage entsprechende Versorgung des Marktes zu gewährleisten, ist Güterknappheit und damit die Nötigung zur Bewirtschaftung und zu deren logischem Korrelat, der Preisbindung, weiterhin gegeben. Nun ist nicht zu übersehen: Im Wege über die Einkommenspolitik wird die Knappheit der Märkte und damit die Notwendigkeit planwirtschaftlicher Maßnahmen künstlich aufrechterhalten. Der wirtschaftlich richtige Weg, die Einkommen auf ein Niveau zu senken, das bei gegebenen Preisen dem gesamtwirtschaftlichen Güterfond entspricht, ist nicht gangbar. Das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung spricht von „der bekannten Starrheit der Löhne“. Es muß daher mit einem nun nicht mehr durch die Fülle der Zahlungsmittel, sondern .durch die relative Überhöhung der Verbrauchereinkommen bedingten Inflationsdruck weiterhin gerechnet werden. Diese vornehmlich politische Gegebenheit hat wirtschaftlich und daher sozial unerfreuliche Folgen. Wir halten die Fiktion hoher Einkommen und damit die Erwartungen der Bevölkerung trotzder Verarmung unserer Wirtschaft aufrecht. Der Zwang zu bewirtschaften lähmt weiterhin die Produktion, obwohl nur rasche und deutliche Steigerung derselben, endgültig der Schwierigkeiten Herr werden und die sozial dringend nötige reichlichere Versorgung der breiten Massen gewährleisten kann. Gerade die Arbeiterschaft hat ein Interesse daran, daß viel und gut produziert wird. Fiktive Geldeinkommen nützen ihr nichts. Das, worauf es ihr ankommt, das Realeinkommen, ist eine direkte Funktion der gesamtwirtschaftlichen Produktivität. Wenn wir daher aus den geschilderten Gründen vorerst nicht in der Lage sind, den Störungsfaktor einer inflationistischen Einkommenspolitik zu beseitigen, müssen wir mit verdoppelter Energie darangehen, alles auszuschalten, was in irgendeiner Weise die Produktion behindert. Sie muß so rasch als möglich in den Kaufkraftüberhang hineinwachsen. Zur Zeit warten aber noch Berge von Schutt bürokratischer Hemmnisse, doktrinärer Vorurteile und kleinlichen Egoismus darauf, beiseite geräumt zu werden. Denken wir auch daran, daß erst der Rufmord, das unvernünftige Gerede, daß unsere Währung nichts wert und reformbedürftig sei, ihr den Todesstoß versetzt hat. Dieser Rufmord hat das Vertrauen in die Währung immer mehr und mehr untergraben, zu Warenhortungen und somit dazu geführt, daß der alte Schilling seine Kaufkraft endgültig verlor. Die Stabilität der Währung ist im hohen Maße eine Frage des Vertrauens. Vertrauen ist nicht zuletzt Glauben an die Vernunft jener, die die Verantwortung tragen. Diese wirtschaftliche und soziale, undoktrinäre Vernunft muß bewiesen werden.

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