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Nach der Euphorie

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Die Stationen der österreichische! Geschichte der vergangenen fünfzii Jahre, die gleichzeitig Staats- un< damit politische, wirtschaftliche un< nicht zuletzt auch Währungsgeschicht ist, sind dem Leser hinreichend be kannt. Es genügen Schlagworte: 191 bis 1922 Kroneninflation und darau folgend die Geburt des Schillings -eine Stabilisierung mit einschneiden den, wirtschaftlichen, vor allem abe auch politischen Opfern und dement sprechenden Fernwirkungen. Di Wirtschafts- und Kreditkrise de: dreißiger Jahre; der Alpendollar -gehärtet durch eine inhumane Defla tionspolitik — sowie schließlich, 1936 der Untergang des Staates und dami auch seiner Währung. 1945 bis 195! die politische und wirtschaftlich Wiedergeburt Österreichs und dii Vernarbung der Kriegswunden ii ökonomischer Hinsicht; wieder Stabi lisierung des Geldwertes, wieder Ver lust von Arbeitsplätzen im Zuge de: Stabilisierungsmaßnahmen, aber — als Fortschritt und Lehre aus ver gangenen Erfahrungen — nach Er reichung des unmittelbaren Stabiii tätszieles der bewußte Einsatz de: Budgetpolitik (insbesondere im Wegi von Investitionsausgaben) zur wachs tumsorientierten Ausschöpfung de: nunmehr vorhandenen freien Kapa zitätsreserven. Entscheidend für dei Erfolg sowohl der Schillingstabilisie rung als auch der anschließende! Vollbeschäftigungspolitik war dii Neufestsetzung der Schillingparität die in Verbindung mit einer schritt' weisen Liberalisierung des Waren-und Zahlungsverkehrs die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs im Ausland untermauerte.

Seit dieser erfolgreichen Wiedergewinnung eines wertstabilen Schillings verzeichnete Österreich einen kaum vorstellbaren wirtschaftlichen Aufstieg, dessen politische Bedeutung darin zu ersehen ist, daß die Mehrheit seiner Staatsbürger im Gegensatz zur Zwischenkriegszeit zu diesem Staat und seiner demokratischen Regierungsform eine bejahende Haltung einnahm. Grund genug, um gerade heute — angesichts einer weltweiten Teuerungswoge und entsprechenden „hausgemachten“ Teuerungsimpulsen — skizzenhaft einige Schlüsse zu ziehen zu versuchen.

Das Übel jedes sich beschleunigenden Preisauftriebs besteht darin, daß er — weil die einzelnen Preiserhöhungen in den Wirtschaftszweigen nicht synchron vor sich gehen — nachhaltig die Einkommensverteilung in gesellschaftlich unerwünschter Weise beeinflußt und darüber hinaus die Maßstäbe für eine rationale Disposition der einzelnen Unternehmungen und öffentlichen Haushalte verzerrt. Dies führt im Wege forcierter Lageraufstockung, vorgezogener oder sogar zusätzlicher Investitionen, sowie nicht zuletzt durch bewußte Erhöhung der Ausgaben der privaten Haushalte für langlebige Konsumgüter zu einer schrittweisen Veränderung der Wirtschaftsstruktur; die Volkswirte sprechen von einer Fehlleitung der Ressourcen. Eine notwendige, keineswegs aber hinreichende Bedingung für dieses Verhalten ist das Vorhandensein einer entsprechenden Liquidität oder Verschuldungsmöglichkeit. Dieser Disharmonie im güterwirtschaftlichen Bereich entspricht vom Standpunkt des Bankkaufmannes auch eine Fehlleitung der Finanzierungsströme; in- ^ dem die Bereitschaft der Sparer zum Konsum- und Liquiditätsverzicht abnimmt, fehlen den Kreditinstituten korrespondierend die notwendigen und wünschenswerten Gelder zur Finanzierung angebotserhöhender und wachstumsträchtiger Investitionen.

Der hier beklagte Mangel an ausreichenden Finanzierungsmöglichkeiten für einzel- wie gesamtwirtschaftlich fruchtbare Investitionen steht nicht im Gegensatz zu der oben erwähnten Investitionshausse in anderen Sparten. Denn das geradezu Typische einer Periode sich beschleunigender Teuerungsraten besteht darin, daß sich die auf gewisse Sektoren der Wirtschaft verlagernde Nachfrage dort einerseits eine large Preispolitik,

also zukünftige höhere Wiederbe-schaffungspreise bereits vorwegnehmende Preisanhebungen, und anderseits damit aber nominelle Gewinnsteigerungen ermöglicht, so daß zusätzliche Investitionen dort leichter (selbst-)finanzierbar werden.

Jeder ernsthafte Versuch, heute ein Mehr an Schillingstabilität zu erringen, bedeutet daher zwangsläufig, daß diese an „windfall-profits“ und an einen Verkäufermarkt gewöhnten Unternehmungen einem schmerzhaften Anpassungs- und vielleicht sogar Schrumpfungsprozeß ausgesetzt werden. Friktionsarbeitslosigkeit, zumindest zweitweise unausgelastete Kapazitäten, und bei unzureichender finanzieller Fundierung einzelbetriebliche Liquiditätskrisen werden kaum zu vermeiden sein.

Eine derart nüchterne Betrachtung hat aber auch für die Kreditwirtschaft und das Geldwesen Österreichs als Gesamtheit grundlegende Folgerungen. Die Zeit der Euphorie, jede sich einzelwirtschaftlich ergebende Finanzierungslücke im Wege ausländischer Geld- oder Kapitalmärkte überwinden und nahezu jeden Betrag „darstellen“ zu können, scheint auf Grund jüngster Erfahrungen bereits der Vergangenheit anzugehören. Unabhängig von währungspolitischen Leitlinien werden die Institute selbstverantwortlich gut beraten sein, den Rahmen ihrer eigenen, durch das Primäreinlagenaufkommen ihrer Kunden gegebenen Finanzkraft realistisch einzuschätzen. Je rascher und nachhaltiger diese Größe mit dem Aktivgeschäft in Einklang gebracht wird, um so solider wird sich

das Fundament des österreichischen Geldwesens erweisen. Und gerade dieses solide Fundament ist notwendig, wenn eine wirksame Stabilisierung nicht unerwünschte und zum Teil unübersehbare Sekundärwirkungen zeitigen soll. Jeder Versuch einer monetären Steuerung — sei sie restriktiv oder expansiv — muß scheitern, wenn die Steuerungsinstru-mente nicht die notwendige Effizienz aufweisen und höheren Beanspruchungsgraden nicht hinreichend ge-wacteen sind.

Gerade die wirtschaftsgeschichtlich so interessante Periode von 1951 bis 1955 lehrt uns noch etwas Bemerkenswertes: so bedauerlich das Stabilisierungsopfer in Form einer bis über 300.000 Menschen erfassenden Arbeitslosigkeit gewesen ist, so ver-

antwortungsbewußt hat die Regierung dann aber auch gehandelt, als sie bei Erreichung des wirtschaftlichen Etappenzieles (sprich: Brechung der Teuerungswelle) durch massive investitionspolitische Maßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft — hier aber in einer langfristig wünschenswerten Form (siehe das damalige Investitionsprogramm der Bundesregierung) — wesentlich beigetragen hat.

Wenn man heute, da die Wirtschaft noch auf vollen Touren läuft, wegen der in ihren politischen Auswirkungen nicht zu unterschätzenden Teuerungsraten für ein monetäres Bremsmanöver eintritt, so sind gleichzeitig zwei weitere Überlegungen erforderlich. Erstens müßten die Kosten und Opfer der Stabilisierung sozial symmetrisch verteilt werden. Dies wäre ohne eine zusätzliche Akzentuierung einer aktiven Arbeitsmarktpolitik kaum denkbar. Zweitens müßte bereits in dem Augenblick, da man sich zur energischen Beschneidung des inflationären Wildwuchses entschließt, eine Forcierung der Investitionstätigkeit konzipiert werden. Solche sozial wie wachstumspolitisch flankierende

Aktionen könnten quasi jenes ökonomische Fangnetz darstellen, mit dessen Hilfe die politischen Folgen dieser eben unvermeidlichen Anpassungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen gesellschaftlich tragbar gemacht würden. Unser heutiges Wissen über die Funktionen der öffentlichen Hand auf dem Gebiete des Umweltschutzes und ihrer Möglichkeiten zur Stelgerung der Qualität des Lebens sollte hier neue Aspekte eröffnen.

In geld- und kreditwirtschaftlicher Hinsicht wird es notwendig sein, den Liquiditäts- und Sicherheitspostula-ten des Bankbetriebes mehr denn je Vorrang einzuräumen. Dies bedeutet vorerst Verzicht auf ungesundes nominelles Wachstum, stärkere innerbetriebliche Kontrolle der wachsenden Kostenbelastung, sowohl von der Seite der Geldbeschaffung als auph der reinen Betriebskosten, angesichts der nur mehr langsamer zunehmenden Ertragsmöglichkeiten bei eingeschränktem Inlandsgeschäft — während dem Ausweichen auf währungspolitisch neutrale Auslandsgeschäfte wegen der auf den internationalen Finanzmärkten vorherrschenden Instabilität ebenfalls deutlich sichtbare Grenzen gesetzt sind. Die seit der Schillingstabilisierung 1951/52 immer wieder auf freiwilliger Basis bekundete Bereitschaft des Kreditapparates, im Interesse eines gesunden und funktionsfähigen Geldwesens und eines wer-tstabilen Schillings auf kurzfristige kommerzielle Vorteile zu verzichten und für das höhere gemeinsame Ziel zusammenzuarbeiten, läßt auch in der gegenwärtigen Lage — trotz fehlender gesetzlicher Grundlagen (siehe die noch immer ausständige Neufassung des Kreditwesengesetzes sowie anderer, für einzelne Institutsgruppen wichtiger Gesetzesmaterien) — die Geld- und Kreditwirtschaft Österreichs als kooperativen Partner für gemeinsame Bemühungen um die Erhaltung der Schillingstabilität erscheinen.

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