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Garant eines besseren Lebens

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Alle Fachleute sind der Ansicht, daß sich das wirtschaftliche Wachstum auf der ganzen Welt in den kommenden Jahren verlangsamen wird; das stürmische Tempo, in dem in der jüngsten Vergangenheit die Konjunktur immer neuen Rekordhöhen zustrebte und gelegentlich sogar schon Überhitzungserscheinungen zeigte, die Anlaß zu berechtigter Sorge gaben, kann nicht weiter durchgehalten werden. Die Entwicklung wird sich in einem ruhigeren Tempo fortsetzen, und die Zuwachsraten des Nationalproduktes werden in allen Staaten der freien Welt ein bescheideneres Aussehen haben als bisher. In jenen Ländern, deren wirtschaftliche Grundlagen einen bemerkenswert hohen Grad von Konsolidierung aufweisen, wird dieses langsamere Wachstum keine besonderen Probleme aufwerfen, denn in diesen war ja bereits die Ausgangslage der Konjunktur hoch; in Österreich ist dies leider, wie Wir alle wissen, weniger der Fall, denn wir haben vor zwanzig Jahren praktisch bei Null anfangen müssen, und in jenen Jahren, in welchen glücklichere Staaten lediglich von der an sich hohen Warte ihres intakten Produktionsapparates aus zu einer weiteren Expansion ausholen konnten, mußten wir in Österreich erst unsere wenigen verbliebenen Produktionseinrichtungen aus Bombenschutt und Trümmern hervorgraben.

Mit dieser Erinnerung an die Heldenzeit unseres staatlichen und wirtschaftlichen Neu beginnens soll nur angedeutet werden, daß Österreich, dessen Wirtschaft heute in der Gemeinschaft der freien Welt einen durchaus hochgeachteten Platz einnimmt, unter ganz anderen Startbedingungen anfangen mußte als andere Staaten, mit denen wir uns auf den Weltmärkten in scharfer Konkurrenz messen müssen. Hinzu kommt noch, doch dies sei nur am Rande erwähnt, daß die Summe von Kompromissen, aus welchen die österreichische Innenpolitik der letzten zwanzig Jahre hauptsächlich bestand, der freien wirtschaftlichen Entwicklung nicht gerade günstig war.

Wenn trotz aller dieser Schwierigkeiten und Behinderungen die gewerbliche Wirtschaft Österreichs ein derart hohes Produktions- und Dienstleistungsniveau erreichte, wie wir es derzeit verzeichnen können, so stellt dies den gewerblichen Unternehmern ein ganz besonderes Zeugnis aus, sie haben im Interesse ihres eigenen wirtschaftlichen Fortschrittes sowie im Interesse der Sicherung der Arbeitsplätze Gewaltiges geleistet und haben sich in ihrer Gesamtheit die Bezeichnung des staatstragenden Elements erster Ordnung vollauf verdient. Jetzt, angesichts der Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums, wird die Bevölkerung mit noch mehr Hoffnung und Erwartung auf sie blicken, denn von ihnen, und nur von ihnen allein, hängt der österreichische Wohlstand und Fortschritt ab!

In dieser Situation, die wir weder allzu pessimistisch betrachten wollen, die aber auch wenig Anlaß zu besonderem Optimismus bietet, erhebt sich mit Recht die Frage, ob die gewerbliche Wirtschaft überhaupt in der Lage ist, die Hoffnungen und Erwartungen der Bevölkerung auf einen weiter steigenden Lebensstandard, auf Sicherheit und wachsenden Wohlstand zu erfüllen? Die Frage läßt sich leider nicht einfach beantworten. Wir alle wissen aus verschiedenen Veröffentlichungen der jüngsten Zeit, daß sich das wirtschaftliche Wachstum in der ganzen Welt, also auch in Österreich, verlangsamen wird, und daß — um auf unsere engere Heimat zu sprechen zu kommen — die Steiermark angesichts ihrer besonderen Struktur-, Verkehrs- und Grenzprobleme nur unter Obwalten besonders günstiger Umstände hoffen kann, dieses langsamere Tempo mitzumachen. Die steirische Wirtschaft leidet unter einigen besonderen Hypotheken, an denen sie größtenteils schuldlos ist, die jedoch selbst in den konjunkturell erfreulich günstigen Jahren nicht abgetragen werden konnten, weil es an der Unterstützung durch den Bund mangelte.

Die Schwierigkeiten auf dem Kohle-, Eisen- und Stahl- sowie auf dem Holz- und Papiersektor, die unsere drei größten Produktionsbereiche sind, können nicht aus der Welt geschafft werden, weil sie durch die Entwicklung auf den Weltmärkten hervorgerufen und vergrößert wurden. Hier kann nur langfristig Abhilfe geschaffen werden! Diese Abhilfe wird nur dann möglich und späterhin erfolgreich sein, wenn der gerade in wirtschaftlichen Dingen fast schon allmächtige Staat bereit ist, auch seinerseits aktiv einzugreifen und jene Maßnahmen zu erbringen, zu welchen er moralisch schon darum verpflichtet ist, weil er auf der anderen Seite dank seiner sehr umfassenden Befugnisse für die derzeitige Situation voll mitverantwortlich ist. -Selbstverständlich vertrauen gerade die steirischen Wirtschaftstreibenden in erster Linie ihrer eigenen Kraft, ihrer Dynamik und ihrem Leistungswillen, aber es kann und darf nicht übersehen werden, daß dem Einsatz aller dieser unternehmerischen Tugenden eben durch den Staat zahlreiche Fesseln angelegt wurden!

Mehr als bisher wird man sein Augenmerk darauf richten müssen, die gewerbliche Wirtschaft der Steiermark im allgemeinen und die unter besonders ungünstigen weltwirtschaftlichen Bedingungen leidenden Sektoren im besonderen den neuen. Gegebenheiten anzupassen, um sie lebensfähig zu erhalten und ihre Konkurrenzfähigkeit in Österreich und auf den Weltmärkten zu stärken. Diese Bemühungen setzen jedoch eine den betreffenden Betrieben selbst innewohnende Elastizität voraus, und um diese ist es gerade infolge der allzu intensiven Reglementierung durch die Behörden leider nicht sehr gut bestellt. Es fehlt, und damit soll auf die konkreten Anliegen der steirischen Wirtschaft eingegangen werden, vor allem an Kapital. Ohne ein den möglichen Verdienstspannen entsprechend zur Verfügung stehendes Kapital können weder die erforderlichen Umstellungen, Rationalisierungen und Modernisierungen durchgeführt werden, ohne dieses Kapital, dessen Zinsen und Amortisationsraten sehr wohl den vorhandenen Tatsachen und nicht theoretischen Erwägungen angepaßt sein müssen, können weder gewinnversprechende Exportgeschäfte angestrebt noch neue Fertigungen aufgenommen werden. Was also in erster Linie mit allem Nachdruck gefordert werden muß, ist die endliche Schaffung eines normalen, funktionsfähigen Kapitalmarktes, welcher der gewerblichen Wirtschaft, ob groß oder klein, zu Bedingungen zur Verfügung stehen muß, wie sie in der freien Welt sehr zum Nutzen aller allgemein üblich sind.

Eng mit der Neuordnung beziehungsweise endlichen Belebung des Kapitalmarktes hängen die sogenannten Wachstumsgesetze zusammen, durch welche die Kapitailbildung erleichtert und damit die Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft gefördert werden soll. Es muß überhaupt entschieden betont werden, daß der seit über einem Jahrzehnt geführte Kampf der Handelskammer Steiermark gegen das derzeit geltende Abgabenrecht, also für eine Vereinfachung und Vermenschlichung des Steuersystems, noch immer nicht die Früchte getragen hat, die im Interesse aller Mitglieder unerläßlich wären. Von dieser Vereinfachung muß selbstverständlich auch die Gratisarbeit der Unternehmer für den Fiskus betroffen werden.

Die kommenden Jahre werden ein langsameres wirtschaftliches Wachstum bringen und Fehler und Verzerrungen der Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsstruktur offenbar werden lassen, die zu Zielten einer Hochkonjunktur kaum in Erscheinung treten. Das Gebot der Stunde lautet daher für die steirische Wirtschaft, der Fachleute in den kommenden Jahren eine bescheidene Zuwachsrate Vorhersagen, alles zu unternehmen, um die Fehler, Fehlleistungen und Verzerrungen zu sanieren, um sich auf die Gegebenheiten eines größeren Marktes mit schärferer Konkurrenz einzustellen und auch sonst alles zu unternehmen, was die Wirtschaft als tragende Säule dieses Staates und als Garant eines besseren Lebens für alle leisten kann.

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