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Creditanstalt Ertrag vor Wachstum

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Mehr denn je stehen die Kreditinstitute im Mittelpunkt des wirtschaftlichen und des wirtschaftspolitischen Geschehens und spiegeln in ihren Bilanzen die wesentlichen Ergebnisse der Wirtschaftsentwicklung. Die Bilanz 1983 der größten Bank des Landes, die in ihr abgebildeten Ergebnisse, unterstreichen diese Aussage.

Die Bilanzsumme der Creditanstalt erreichte 1983 300,9 Mrd. S. Die Zunahme um 23,8 Mrd. S oder 8,6%, seit 15 Jahren der erste einstellige Prozentzuwachs, lag deutlich unter den Werten, über die wir in vergangenen Jahren berichten konnten. Das verlangsamte Wachstum ist zum Teil Resultat der allgemeinen Konjunkturschwäche und der überraschend niedrigen Inflationsrate von nur 3,3% - ein Wert, der gleichfalls vor rund 15 Jahren zum letzten Mal erreicht wurde -, im besonderen jedoch das Ergebnis einer klaren geschäftspö-litischen Priorität: Wir haben Er-tragsorientieruhg vor Marktanteilsdenken gestellt.

Es gelang uns bei schwierigen Rahmenbedingungen, insbesondere einem unausgewogenen Zinsgefüge, bei bescheidenem gesamtwirtschaftlichem Wachstum, von dem unsere Hauptkundengruppen betroffen waren, und scharfem Wettbewerb im österreichischen Kreditapparat ein unter diesen Umständen befriedigendes ordentliches Betriebsergebnis zu erzielen. Eine weitere Zunahme der Belastungen aus dem außerordentlichen Bereich, die im wesentlichen außerhalb unserer Einflußsphäre lag, war jedoch nicht zu vermeiden. Das Gesamtergebnis entsprach dem, was realistisch zu erreichen war, allerdings nicht dem, das möchte ich nicht verhehlen, was wir uns gewünscht hätten. Das Ergebnis erlaubte uns jedenfalls, den gestiegenen Risken im nationalen und internationalen Geschäft durch entsprechende Vorsorgen zu begegnen, einen Teil der bedeutenden Belastung aus den Kosten der Umstrukturierung uns nahestehender Unternehmen, denen wir mit entscheidender Hilfe der öffentlichen Hand zur Seite stehen, zu tragen, Rücklagen zu bilden und neuerlich eine Dividende von 10% auf das um 300 Mio. S auf 2,1 Mrd. S aufgestockte Grundkapital auszuschütten.

Nach der längsten Rezession der Nachkriegszeit scheint nun wieder ein vorsichtiger Konjunkturoptimismus gerechtfertigt. Ausgehend von den Vereinigten Staaten sind die meisten Industriestaaten in eine Phase wirtschaftlicher Erholung eingetreten, die auch Österreich zugute kommt. Erste Informationen für das laufende Jahr deuten auf eine nur langsam nachgebende Konsumneigung und eine fortgesetzte Kräftigung der Auslandsnachfrage zu Jahresbeginn. Die Zuversicht wächst, daß sich der Konjunkturaufschwung, so maßvoll er auch in Europa sein mag, zumindest noch 1985 fortsetzen wird.

Die verbesserten Wirtschaftsperspektiven dürfen nun allerdings nicht zu dem Trugschluß verleiten, daß sich die drängenden Probleme unserer Zeit von selbst lösen. Ohne einem Wachstumfetischismus huldigen zu wollen, müssen wir dennoch alles daransetzen, diesem Aufschwung zur nötigen Eigendynamik zu verhelfen.

Obwohl 1983 die Zahl von Länderp, die in Zahlungsschwierigkeiten gerieten, weiter anstieg, konnte die Funktionsfähigkeit des internationalen Finanzsystems voll aufrechterhalten werden. Dazu haben sicherlich die großen Banken, ich schließe hier die Creditanstalt ein, einen wesentlichen Beitrag geleistet. In gleicher Weise aber trugen die Schuldnerländer dazu bei, die im Rahmen von internen Spar- und Anpassungsprogrammen oft drastische Importeinschränkungen in Kauf genommen haben. So sank das Leistungsbilanzdefizit der Entwicklungsländer um ein gutes Drittel. Noch sichtbarer ist die Verbesserung der Außenposition der Länder des RGW, deren Situation vor zwei Jahren als besonders akutes Problem angesehen worden war. Diese Ländergruppe konnte ihre Nettoverschuldung gegenüber dem Westen vom Höchstwert 73 Mrd. US-$ zu Ende 1981 auf etwa 60 Mrd. US-$ zu Ende 1983 abbauen. Im Lichte dieses bemerkenswerten Erfolges scheint mir die Kritik an der Ausweitung der österreichischen Kreditgewährung an die RGW-Staaten, unsere Nachbarstaaten und in vielen Bereichen traditionellen Handelspartner, nicht gerechtfertigt, zumal wir die Entwicklung der Schuldnerqualität der einzelnen kreditnehmenden Länder sehr sorgfältig geprüft haben.

Die globalen Leistungsbilanzungleichgewichte haben sich im vergangenen Jahr vermindert. Ich habe bereits die deutliche Senkung des Leistungsbilanzdefizits der Entwicklungsländer erwähnt. Die aggregierte Leistungsbilanz der ölexportieren-den Länder zeigte ein mäßiges Defizit, die Leistungsbilanzen der Industriestaaten waren in Summe nahezu ausgeglichen. Dahinter verbergen sich allerdings erhebliche Unterschiede vor allem zwischen Japan, das einen Überschuß in laufender Rechnung von mehr als 20 Mrd. US-$ aufwies, und den USA, deren Defizit bei rund 35 Mrd. US-$ lag. Und alle Anzeichen deuten auf eine dramatische weitere Öffnung dieser Schere im Jahre 1984. Es ist nicht überraschend, daß diese Entwicklung letztlich den Dollar-Kurs beeinflußt. Womit sich die ökonomische Weisheit wieder bestätigen dürfte, daß langfristig die economic fundamentals, deren eine wesentliche Bestimmungsgröße die Leistungsbilanz ist, die Wechselkurse bestimmen. Aber eben nur langfristig.

Der Welthandel konnte sich im letzten Jahr aus einer mehrjährigen Stagnation befreien. Die nunmehr angesprungene Konjunktur in vielen OECD-Staaten bot hiezu günstige Voraussetzungen. In der Beurteilung der wirtschaftlichen Situation Europas und Nordamerikas sticht nicht nur die unterschiedliche Budgetpolitik, sondern auch ein weiterer wesentlicher Unterschied ins Auge. Die USA scheinen die Herausforderung des Strukturwandels weit besser zu meistern als die meisten europäischen Industriestaaten. Auch die USA haben das ungelöste Problem der alten Schornsteinindustrien und damit verbunden die Forderung nach Subvention und Protektion. Aber gleichzeitig sind im Westen des Landes wirtschaftlich äußerst dynamische Regionen mit zukunftsträchtigen, Know-how-intensiven Mittelbetrieben entstanden. Es sollte uns zu denken geben, daß dieser Erfolg nicht das Ergebnis mühsam erarbeiteter Strukturpolitik war, vielmehr auf die günstigen Rahmenbedingungen im Bereich der Finanzierung, der Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, der Unternehmensgründung, der Mobilität, und generell auf eine positive und aktive Industriegesinnung zurückgeht. Es sollte uns auch zu denken geben, daß die USA seit 1970 jährliche Beschäftigungszuwächse von im Durchschnitt nahezu 2Vz% realisieren konnten, Europa von nicht einmal V?%. 1983 waren die Unterschiede besonders kraß: Einem Beschäftigungsrückgang in Europa von rund Wo stand eine Zunahme um 2% in den Vereinigten Staaten gegenüber.

Sicherlich stellt das amerikanische Budgetdefizit ein ernstes Problem nicht nur für die USA, sondern auch die Weltwirtschaft dar. An diesem Beispiel wird wieder einmal deutlich, wie stark die globalen Interdependenzen ausgeprägt sind: Was oberflächlich als inneramerikanisches Problem erscheinen könnte, hat maßgeblich zum weltweit hohen Realzinsniveau beigetragen. Denn wir dürfen nicht vergessen, daß dem amerikanischen Budgetdefizit eine im Vergleich zu anderen Industriestaaten deutlich geringere Sparquote gegenübersteht. Dieses Argument behält aufch sein Gewicht, wenn wir von den 180 Mrd. US-S Bundesbudgetdefizit die 60 Mrd. US-$ Überschüsse, die die einzelnen Bundesstaaten und die Gemeinden ausweisen, abziehen. Es ist auf Dauer nicht vertretbar, daß die USA die Ersparnisse anderer Länder, darunter im besonderen von Entwicklungsländern, anziehen und bei Fortsetzung dieses Trends binnen kurzem international zu einem Netto-schuldnerland würden.

Während die Wirtschaft der Vereinigten Staaten derzeit von einer eindeutig expansiven Fiskalpolitik gestützt wird und große Industriestaaten, wie die BRD und Großbritannien, ihre Budgetsanierungsmaßnahmen schon weit vorantreiben konnten, befinden sich andere Länder in einem Stadium der Sanierung oder Konsolidierung, wie etwa die Niederlande, Belgien, aber auch Österreich. Die kurzfristigen Wirt-schaftsperspektiven unseres Landes sind durch die notwendigerweise mit jeder Budgetkonsolidierung verbundenen dämpfenden Wirkungen auf die Inlandsnachfrage getrübt. Umso größeres Gewicht kommt dem Export und der Leistungsfähigkeit der österreichischen Exportwirtschaft zu. Ich möchte einige Kennzahlen zur Bedeutung des Außensektors für die österreichische Wirtschaft und damit die Beschäftigungslage herausstellen. Mehr als 50% der österreichischen Industrieproduktion werden exportiert. Von den Gesamt-nächtigungen im Fremdenverkehr entfallen drei Viertel auf Ausländernächtigungen. Die gesamten Deviseneinnahmen aus Exporten von Gütern und Dienstleistungen erreichen nahezu 500 Mrd. S, sie entsprechen etwa 40% des österreichischen Bruttoinlandsprodukts. Ein bedeutender Teil der heimischen Arbeitsplätze steht damit in direkter Abhängigkeit von der Auslandsnachfrage.

In klarer Erkenntnis dieser Grundvoraussetzungen wirtschaftlichen Erfolgs ist die Lohnpolitik der österreichischen Gewerkschaften weiterhin von besonderem Verantwortungsbewußtsein getragen. In der Lohnrunde des vergangenen Herbstes wurde auf eine Abgeltung der mehrwertsteuerbedingten Inflationsbeschleunigung und auf eine Beteiligung am Produktivitätszuwachs verzichtet, womit die kostenmäßige Konkurrenzfähigkeit der exportierenden Unternehmen gestärkt werden konnte. Flankierend zur Lohnpolitik verfolgte die Währungspolitik unseres Landes ihr Ziel, in einer Welt der Unsicherheit für den größtmöglichen Teil der Wirtschaft einen stabilen monetären Rahmen zu sichern.

Angesichts der Notwendigkeit weiterer Maßnahmen zur Konsolidierung des Bundesbudgets und angesichts der Abhängigkeit im Geld- und Währungsbereich von der internationalen Entwicklung bleibt der Handlungsspielraum für die Wirtschaftspolitik eingeschränkt. Er besteht im wesentlichen darin, die notwendigen strukturellen Anpassungen rascher und besser zu bewältigen als dies in anderen Ländern gelingt.

Noch ein Wort zur Kreditwirtschaft: Das Jahr 1983 war durch einen harten Konditionenkampf im Kreditapparat charakterisiert, der partiell Formen des Verdrängungswettbewerbs annahm. Die vor kurzem bekannt gewordenen Ergebnisse einer Anschlußuntersuchung der OECD an die 1980 publizierte Studie „Costs and Margins in Banking: An international survey" kam daher gerade zum richtigen Zeitpunkt. Besser als viele Worte zeigt der internationale Vergleich, wohin die Entwicklung für Österreichs große Kreditinstitute führt, wenn nicht rasch gegengesteuert wird. In der Eigenmittelausstattung sind die acht größten Institute unseres Landes auf dem 13. Rang unter 17 Ländern. Beunruhigend ist dabei nicht nur der augenblickliche Tabellenplatz, sondern die anscheinend unaufhaltsame Verschlechterung. Das Ergebnis dieser langfristigen Entwicklung spiegelt sich dann in der unbefriedigenden Eigenmittelausstattung. Der Rückgang der Ertragskennzahlen im internationalen Vergleich dürfte sich auch im letzten Jahr fortgesetzt haben. Es wird immer deutlicher, daß eine Koalition der Vernünftigen das Gebot der Stunde ist. Der Kreditapparat kann die ihm gestellten Aufgaben im nationalen und internationalen Bereich nur bei sichergestellten Erträgen vollinhaltlich erfüllen.

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