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Neue Impulse für unsere Industrie

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,,Perspektiven der österreichischen Industrie“: Eine Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstituts über Stärken, Schwächen und Aussichten dieses Motors der Wirtschaft.

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,,Perspektiven der österreichischen Industrie“: Eine Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstituts über Stärken, Schwächen und Aussichten dieses Motors der Wirtschaft.

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Diese von der Sektion Industrie der Bundeswirtschaftskammer in Auftrag gegebene Arbeit ist keine Darstellung aus einem Guß. Vielmehr beleuchtet sie in mehreren Studien einzelner Mitarbeiter des Instituts verschiedene Aspekte von Österreichs Industrie. Diese lesenswerten Beiträge beschreiben vor allem, wie sich die Industrie bisher entwickelt hat.

Zunächst: Österreich ist ein relativ stark industrialisiertes Land. Der Beitrag des industriellgewerblichen Sektors zur wirtschaftlichen Leistung liegt über dem europäischen Durchschnitt. Österreich kann auch auf Jahr-

zehnte mit überdurchschnittlich hohen Wachstumsraten zurückblicken. Stärker als in anderen Ländern ist auch die Produktivität unserer Industrie gestiegen: Von 1970 bis 1981 erhöhte sie sich um rund 50 Prozent im Vergleich zu 38 Prozent in Westeuropa.

Trotz dieser Steigerung liegt die Produktivität unserer Industrie immer noch unter den entsprechenden Werten der EG-Länder (um mehr als zehn Prozent).

Im Export gelang es, auf ausländischen Märkten Marktanteile zu gewinnen. 1981 deckten unsere industriellen Exporte 94 Prozent des Wertes der importierten Industriewaren ab. Damit ist die Bilanz unseres Handels mit Industriewaren fast ausgeglichen. Die meisten Industrieländer weisen jedoch in diesem Bereich Bilanzüberschüsse und eine andere Warenstruktur auf: „Als Resümee ergibt sich, daß Österreich im Vergleich mit anderen Industrieländern immer noch eine Exportstruktur aufweist, die jener von Entwicklungsländern mehr ähnelt als jener von hochentwickelten Industrieländern“, stellt Fritz Breuss fest.

Trotz verstärkter Anstrengungen in jüngster Vergangenheit hinkt Österreich auch bei Forschung und Entwicklung deutlich nach: „Nach wie vor liegt der For-

schungs- und Entwicklungskoeffizient auch Ende der siebziger Jahre deutlich unter dem selbst kleinerer westeuropäischer Länder“, vermerkt dazu der Leiter des Instituts Helmut Kramer.

Sorge bereitet auch die zuneh-, mende finanzielle Labilität der österreichischen Industrie. Indikatoren, die anzeigen, wie rasch ein Unternehmen seine Schulden zurückzahlen könnte, alarmieren: In den siebziger Jahren würden Unternehmen durchschnittlich doppelt so lang wie in den fünfziger Jahren brauchen, um ihre Verbindlichkeiten zu begleichen.

Zwar sinkt die Eigenkapitalausstattung in nahezu allen Industrieländern. Dennoch muß man auch hier feststellen, daß „Österreich eine der niedrigsten Eigenkapitalquoten unter den Industrieländern aufweist“.

Aus all den Befunden wird eine gewisse Ambivalenz deutlich: Einerseits Erfolge, andererseits ein Abstand zu den wirtschaftlich am weitesten entwickelten Ländern.

Josef Steindl arbeitet einige Aspekte unserer Sonderstellung heraus: Kennzeichnend ist, daß Österreich keine unternehmerische Tradition hat. Unsere Industrie besteht schon seit langem entweder aus ausländischen Unternehmen oder aus Gründungen von Zuwanderern. „Auffällig ist, daß die bodenständigen Unternehmer stark traditionell und handwerklich orientiert sind.“

Damit hängt vielleicht auch die Erscheinung zusammen, daß die Risikofreudigkeit und die Bereitschaft, Neuerungen einzuführen, bei uns eher schwach ausgeprägt sind. Österreichs Wachstum nach

dem Zweiten Weltkrieg lebte weitgehend von der Übernahme von technischem Fortschritt, der im ‘ Ausland entwickelt worden war. Selbst haben Österreichs Unternehmen wenig zu Neuerungen beigetragen.

In einer lang anhaltenden Wachstumsphase mag der Einkauf von Fortschritt über den Einkauf neuer Maschinen ausreichen. Bei stagnierendem Weltmarkt ist dies problematisch: Wer nämlich Neues entwickelt, kann damit einen neuen Markt aufbauen oder seine Position auf bestehenden Märkten verbessern.

Wer aber Neuerungen nur übernimmt, vollzieht damit nur, was seine Konkurrenz auch tut. Er kann damit bestenfalls seinen Marktanteil halten. Auf stagnierenden Märkten bringt diese Strategie wohl Kostensenkungen durch Rationalisierung. Wird in einem Land jedoch nur dieser Zugang gewählt, so muß es zu Beschäftigungsproblemen kommen.

„Exportindustrien wird man auf der Basis von Lizenznahme nicht aufbauen oder massiv fördern können“, hält Steindl fest.

Daher wird auch mehr Initiative im Bereich der technischen Entwicklung gefordert. Das betrifft zunächst einmal die politischen Instanzen. Von der Ausweitung der öffentlichen Nachfrage in Bereichen, wo heute dringende Probleme zu lösen sind (Müllbeseitigung, Umweltsanierung, Energieeinsparung und alternative Energieversorgung), könnten Impulse ausgehen. Damit geschähe auf sinnvolle Art das, was andere Länder durch Rüstungsausgaben wirtschaftlich fördern.

Erforderlich wäre aber auch die Erweiterung des unternehmerischen Spielraums. Vor allem gilt es, die finanzielle Basis der Un

ternehmen zu erweitern. Kramer spricht sogar davon, „eine generell günstigere steuerliche Behandlung der Industrie zumindest für die Dauer der Krise ins Auge“ zu fassen.

So klar die Analyse ist, so unscharf sind letztlich die Zukunftsperspektiven. Sicher einzelne Prinzipien, die es zu realisieren gälte, werden angeführt: Mehr Spielraum für den einzelnen, Förderung von Initiative, Abkehr von der Politik des Ad-hoc-Eingrei- fens in die Wirtschaft und Festlegung eines allgemeingültigen wirtschaftspolitischen Rahmens.

Häufig wird von wünschenswerter Anpassung gesprochen. Aber es wird nie deutlich gesagt, woran eigentlich Maß genommen werden soll. Unausgesprochen sind es wohl die wirtschaftlich am weitesten fortgeschrittenen Länder: USA, Deutschland, die Schweiz. Aber auch sie stecken in der Krise, die weltweit ist!

Das Dilemma von Prognosen wird deutlich, wenn Jiri Skolka feststellt, daß die Weltindustrie so integriert sei, „daß kein Land eine echt autonome Industriepolitik betreiben kann" und andererseits Helmut Kramer auf den „subventionierten Wettlauf um Marktanteile am Weltmarkt“ hinweist. Der davon ausgehenden Tendenz zum Protektionismus kann „häufig nur eigener Protektionismus entgegengesetzt werden“.

Die Forscher sind auch tatsächlich überfordert, uns Pfade in die Zukunft zu weisen, solange nicht die Politik halbwegs klarstellt, wie diese Zukunft aussehen soll. Sie sind jetzt am Zug, deutlich festzulegen, „welche Rolle der Industrie für die Gesellschaft, für das Staatswesen und für die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen“ zukommt. Solange diese Klarstellung fehlt, bleiben uns die Krise und das Fortwursteln erhalten. Schuld der Forscher ist das nicht, sie haben die notwendigen Informationen geliefert.

DIE FURCHE wird in lockerer Folge über Unternehmen berichten, die auch in der Krise Erfolg haben.

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