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Probleme der Umstrukturierung

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Die Investitionen in der österreichischen Industrie haben 1969 die des vorangegangenen Jahres um 2 Prozent übertroffen. Für 1970 kann man — nicht zuletzt auf Grund der im Rahmen der Konjunkturgespräche der Bundeskammer geäußerten Erwartungen der Unternehmer — zumindest mit einer ebenso hohen Investitionsneigung rechnen. Die Wiederbelebung der Investitionen ist nicht nur ein Beweis dafür, daß die darauf abzielenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen 1 richtig waren, sie widerlegt auch die vor einigen Jahren geradezu zum Schlagwort gewordene Behauptung von der „Investitionsunlust“ der österreichischen Unternehmer. Daß davon nicht einmal in der Zeit des Wirt-schaftsrückganges in stärkerem Maße etwas zu spüren war, wissen alle jene, die das zwischenbetriebliche Unternehmergespräch verfolgten, das die Zeitschrift „Der Unternehmer“ im Jahre 1968 zu einem Zeitpunkt führte, als die Stagnation noch nicht überwunden war. Mag auch der elitäre Charakter dieser Meinungsäußerungen das Bild etwas ins Positive verschoben haben — weil ja erfahrungsgemäß vor allem die guten und besten Unternehmer an solchen Befragungen stärker Anteil nehmen —, so war jedenfalls der Anteil der aktionsfreudigen, planmäßig investierenden und sich der Notwendigkeit von Investitionen auch unter ungünstigeren konjunkturellen Bedingungen bewußten Unternehmer beachtlich hoch. Bemerkenswert ist auch, daß diese Einstellung vor allem die Österreichs Wirtschaft tragende Schicht der mittleren und kleineren Betriebe beseelt, die nachweislich auch weiter investierten, als Großinvestitionen verschiedentlich unterblieben.

Lautlose Umstrukturierung

In dieser tragenden Schicht vollzieht sich auch die Umstrukturierung der Wirtschaft, die

auf der Ebene der Großbetriebe so schwierige legislativorganisatorische Hürden zu überwinden hat, verhältnismäßig lautlos und von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet. Das Strukturverbesserungsgesetz hat den Zusammenschluß von Unternehmungen und vermehrte Kooperation erleichtert; es mehren sich die Fälle, in denen von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird. Daß eine Umstrukturierung in der Produktion stattfindet, ist indirekt schon aus der Tatsache ablesbar, daß der Exportanteil an Fertigwaren wächst, während jener der Grundstoffe und Halbfertigwaren zurückgeht. Auch hier haben Unternehmerbefragungen ergeben, daß man sich der Bedeutung der Umstellung und Bereinigung von Produktionsprogrammen, der Auflassung , traditioneller und der Einführung neuer Produkte weithin bewußt ist, selbstverständlich aber auch die Schwierigkeiten kennt, die mit solchen Entscheidungen verknüpft sind.

Europareifes Denken

Der tief eingewurzelte Konservatismus des österreichischen Konsumenten, aber auch vielfach der Behörden, macht in manchen Branchen die Einführung von Neuerungen zu einem Risiko, verhindert damit zugleich aber auch eine Anpassung an die internationale Entwicklung. Weltweites, zumindest aber europareifes Denken ist daher für den fortschrittlichen österreichischen Unternehmer schon aus diesen Erwägungen heraus unentbehrlich.

Nicht selten kommt es vor, daß österreichische Produkte das Ausland rascher erobern als den Inlandsmarkt. In mancher Hinsicht bildet auch die Gesetzgebung einen Hemmschuh für die Umstrukturierung. Wohl hat das Strukturverbesserungsgesetz Kooperationen erleichtert — die sogenannten „Kol-

legenlieferungen“ aber, die etwa im Gewerbe eine große Rolle spielen, werden immer noch umsatzsteuerlich benachteiligt, und erst die Einführung der Mehrwertsteuer dürfte dieses Problem hinfällig machen.

Eigenfinanzierung im Vordergrund

Bei der Investitionsfinanzierung steht die Eigenfinanzierung in Österreich immer noch im Vordergrund, wenn auch die verschiedenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der letzten Jahre auf dem Kreditsektor lebhaft begrüßte Erleichterungen brachten. Die vorzeitige Abschreibung für Produktionsanlagen, die es dem Unternehmer ermöglicht, die Begleichung der Steuerlast auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, in dem die Neuanschaffung bereits gewinnbringend wirkt, ist daher ein wichtiges Instrument der Investitionsfinanzierung. Die kürzlich wieder ins Gespräch gekommene Reform der Wachstumsgesetze wird demgemäß von der Wirtschaft mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Den Unternehmern geht es vor allem darum, daß die Möglichkeit, ihre Investitionen langfristig zu planen, unangetastet bleiben muß. Gegen ein Prämiensystem an Stelle der vorzeitigen Abschreibung wäre vor allem einzuwenden, daß damit die Gefahr eines Investitionsdirigismus äußerst akut erscheint. Dies würde aber weder dem Unternehmer guttun noch auch dem Staat selbst, der damit Unternehmerrisiko auf sich nehmen müßte. Es ist richtig, daß Neugründungen beim System der vorzeitigen AfA zu kurz kommen. Die Begünstigung von Neugründungen war allerdings von vornherein einem „zweiten Schritt“ der Verfeinerung der Wachstumsgesetze vorbehalten, der leider nicht realisiert wurde.

Problematisch: Prämiensystem

Problematisch ist auch das Argument, daß Investitionsbegünstigungen in Form von Prämien die Anpassung an die Erfordernisse der Konjunkturpolitik erleichtern würden. Der Konjunkturverlauf in den einzelnen Branchen

ist kaum jemals einheitlich — denken wir nur an die noch mangelnde Kapazitätsauslastung der Bauwirtschaft trotz gegenwärtiger Hochkonjunktur. In Branchen mit schlechter Konjunkturentwicklung können einzelne Betriebe dennoch glänzend florieren. Man müßte also auch bei einem Prämiensystem sinnvollerweise differenzieren. Viel besser als die beste anonyme Kommission entscheidet aber der Betrieb selbst die Frage, ob Investitionen Ertrag versprechen oder nicht. Er muß jedenfalls dafür aufkommen. Die oft zitierte Gefahr von Fehlinvestitionen beim gegenwärtigen System der vorzeitigen Abschreibung ist daher schon aus diesem Grunde gering zu veranschlagen.

Vom Standpunkt der Unternehmer aus gesehen, wäre es aus allen diesen Gründen nur vertretbar, ein Prämiensystem, etwa für Neugründungen, zusätzlich zum System der AfA einzuführen.

Abschließend sollen noch zwei gesetzliche Maßnahmen genannt werden, die auf die Umstrukturierung und auf die Investitionsförderung unbestritten günstige Auswirkungen haben müssen, wenn ihre Möglichkeiten entsprechend genutzt werden: Das Gewerbe-strukturverbesserungsgesetz und das Arbeits-marktförderungsgesetz. Ersteres ist besonders als Finanzierungshilfe für Produktionsanpassungen in kleineren und. mittleren Betrieben gedacht und wird sowohl regional- als mittelstandspolitisch von großer Bedeutung sein. Das Arbeitsmarktförderungsgesetz, das seit dem Vorjahr in Kraft steht, im laufenden Jahr jedoch wieder höher dotiert wurde, bietet vor allem die Möglichkeit, dem Engpaß an Arbeitskräften entgegenzuwirken, der durch Hochkonjunktur und Arbeitszeitverkürzung besonders akut wurde. Die Arbeitskräfte können mit seiner Hilfe mit geringeren Kosten für den Betrieb umgeschult und darnach produktiver eingesetzt werden, wodurch eine wichtige Voraussetzung für eine auf höhere Leistung gerichtete Strukturänderung der Wirtschaft erfüllt wird.

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